Komm her, du Tod

von Simone Kaempf

Berlin, 26. März 2010. Bei Mord Blut. Eimervoll klatscht es dem Kaplan über den Kopf. Rot glänzt sein Gesicht, das gut sichtbar an der hohen Bühnenrampe leuchtet, die hier wie eine stairway to heaven funktioniert. Eine Zugbrücke in den Tod. Fährt sie wieder hinunter, ist die Leiche weggeschleift, und eine lange Blutspur zieht sich über die Sperrholzfläche nach hinten. Es wird am Ende viel Blut fließen. Bricht der Krieg aus, ergießt sich ein roter Schauer vom Himmel, und der Kampf Burgunds gerät zu einem Sudelbad im irren Hohngelächter, das auf der rostfarbenen Bühne deutliche Farbspuren hinterlässt.

Diese Täterabdrücke lassen unweigerlich an Michael Thalheimers Orestie denken. Wie Constanze Becker sich damals Blut übers Haupt schüttete, mit dem blutverschmierten Körper Spuren an der Wand hinterließ und allein ihre Haltung erzählte, dass hier eine nichts mehr zu verlieren hat. Kurz und bündig war die "Orestie". Lang und blutig ist jetzt, dreieinhalb Jahre später, die Inszenierung von Hebbels "Nibelungen", die inhaltlich allerdings nahtlos anschließt. Auch am Hof Burgunds wird der Schritt von der Gewalt in die Zivilisation nicht vollzogen, und es bleibt offen, was auf die Auslöschung folgen wird.

Blut, mir schaudert's vor dir!

Michael Thalheimer will davon mit einer Wucht erzählen, die nicht nur sich selbst, sondern auch andere "Nibelungen"-Arbeiten zu übertrumpfen sucht. Schon nach wenigen Szenen ist soviel Zerstörungswut verbreitet, und in der unterscheiden sich die Welten und Geschlechter nicht. "Man trinkt ja Blut, indem man Atem holt", dieser Satz, der eigentlich die Heimat Brünhilds beschreibt, gilt hier genauso für den Königshof.

Düster ist die Stimmung über dreieinhalb Stunden. Höhlenfahl das Licht. Musikalisch großes Filmkino, das den Schauder gezielt anheizt. Wenn Siegfried zähnefletschend "Komm nur Tod" herausruft, das Licht gedimmt wird und die mit Trommeln unterlegten, verzerrten Gitarrenriffs erklingen, verfehlt das seine Wirkung nicht. Kinostimmung blitzt in solchen Moment auf, mit der die Figuren nicht mithalten können.

Wie Thalheimer sie in den Blick nimmt, sind sie weder listige Machtmenschen noch historisch einordbare Blut-und-Boden-Schergen. Ihre Grobheiten lassen sich in weiter zurückliegende Zeiten und archaischere Muster einordnen. Im Zottelpelz wirkt der Gunther von Ingo Hülsmann streckenweise wie ein reckenhafter Höhlenbewohner, ein Caveman, anfällig für jede Anstachelei.

Und Mensch, wie schlecht bist du!

Gewöhnungsbedürftig die blonde Langhaarperücke Siegfrieds (Peter Moltzen), der über den Zauderling nie hinauskommt und trotz des aufgefahrenen inszenatorischen Ernstes fast in die Karikatur kippt. Schlicht in schwarz dagegen der regelrecht in sich ruhende Hagen (Sven Lehmann), der anfangs abwartend schweigt, wenn die Männer vor dem Eisernen Vorhang zusammenhocken und Blut lecken, ob des Raubs Brunhilds und des Feilschens um die Hand von Kriemhild.

Und nicht minder barsch die Frauen. Brunhild steigert sich mit aufschwingender Megärenstimme in den Disput mit Kriemhild. Beide streiten wie die Männer in einer Lautstärke, die statt Wucht dann doch Distanz aufbaut, von ihren individuellen Verletzungen kommt wenig rüber.

Die Wucht, die Thalheimer will, macht aus dem Tragödienton ein großes Geschrei der Unversöhnlichkeit. Über seinen Mitteleinsatz, die Musik, den Ton rüttelt der Abend an den Nerven. Wie Thalheimer das bis zum Ende arrangiert und mit dem Blutbad nochmal das I-Tüpfelchen aufsetzt, zeugt von hoher Kunst, die man bewundern muss. Er erzwingt den Blick auf die Bühne. Von der Nibelungen-Geschichte mit ihren Wendungen, Irrungen und ihrer Zerstörungswut springt allerdings nicht mehr als der Blutrausch über. Die fatalistische Weltsicht, die in der "Orestie" beeindruckte, bleibt diesmal diffus und konsequenzlos: Der Mensch ist schlecht, Geschichte endet im Massaker, und herrje, das seit Steinzeiten schon.

 

Die Nibelungen
von Friedrich Hebbel
Regie: Michael Thalheimer, Bühne: Olaf Altmann, Kostüme: Katrin Lea Tag, Musik: Bert Wrede, Dramaturgie: Sonja Anders. Mit: Gabriele Heinz, Ingo Hülsmann, Sven Lehmann, Peter Moltzen, Felix Goeser, Moritz Grove, Maren Eggert, Natali Seelig, Jürgen Huth, Michael Gerber, Markwart Müller-Elmau, Michael Schweighöfer, Markus Graf.

www.deutschestheater.de

Mehr Nibelungen? In Wilhelmshaven hat im September 2009 Olaf Strieb die Neuerzählung der Nibelungensaga von Katharina Gericke uraufgeführt, an der Berliner Schaubühne hat Marius von Mayenburg, ebenfalls im September 2009, seine Hebbel-Fassung inszeniert. Und im Februar 2008 hat Christoph Frick in Freiburg die Hebbel-Trilogie herausgebracht. Mehr zu Michael Thalheimer im nachtkritik-Glossar.

 

Kritikenrundschau

Die schon bei Hebbel grandios humorlose Story um Siegfried wird laut Wolfgang Höbel auf Spiegel-Online (27.3.2010) auf eine derart brachial krakeelende Art erzählt, "dass sie einen bald null interessiert." Olaf Altmann habe eine schräg aufsteigende, manchmal wie eine Zugbrücke himmelwärts rumpelnde Bodenplatte gebaut, auf der Höbel eine "urzeitliche Rockerbande" sich versammlen sieht: "Die meisten sehen mit ihren langen Mähnen aus wie Heavy-Metal-Neandertaler, vor allem der blonde Fremdling Siegfried, der von Peter Moltzen gespielt wird und mit Blutkruste auf der Stirn am Hof der Burgunder einläuft. Er will sofort allen auf die Fresse hauen" Für den Kritiker ist Maren Eggerts Kriemhild die einzige Figur, die ein paar leise Momente hat, "aber auch sie kreischt bald wie von Sinnen, wenn sie sich mit Brunhild darum streitet, wer wem an der Wormser Dompforte den Vortritt lassen muss."

"Eine Horde kindischer Recken langweilt sich zu Tode", fasst Eberhard Spreng es im Deutschlandfunk (27.3.2010) zusammen. Anders als sonst habe Thalheimer den Text nicht "entkernt und auf eine thematische Grundtönung reduziert", er lasse sie vielmehr "deutlich und klug gekürzt, gradlinig und vergleichsweise vielschichtig" spielen. "Führte er zuvor Handlungen immer wieder auf ein oft melancholisches Leitmotiv zurück", ließen sich hier "immerhin einige Handlungsmotive erkennen". Zugleich jedoch seien die Figuren "unter dem Diktat von falschem Brustton und schriller Hysterie immer in der Gefahr, in die Karikatur abzurutschen". Der "emotionale Kriegszustand" verhindere, dass man sich bei ihnen "auf die Suche nach interessanten Bruchstellen machen könnte".

Wie Marius von Mayenburg an der Schaubühne verlege auch Thalheimer Worms und Etzels Hof "in abstrakte Spielräume", konstatiert Peter Hans Göpfert im rbb-Kulturradio (27.3.2010). Altmann habe allerdings die "ungleich expressivere Bühne entworfen". Was die "im Ungefähren stochernde Version von Mayenburg neben dieser hier völlig blass dastehen lässt", sei vor allem ihr "darstellerisches, viel mehr noch das große sprecherische Potential". Andere Regisseure, wie Kriegenburg oder Wolfgang Engel, hätten den Stoff "ungleich stärker und tiefer ausgedeutet, als es Thalheimer auch nur versucht". Er führe die Burgunder "als eine Truppe von feixenden Schreihälsen vor" und drücke sich vor Hebbels "seltsamem Dreh am Schluss ins Christliche". Der Abend zerfalle in zwei Teile: Im ersten absolvierten die Darsteller ihre Texte "geradezu rauschhaft". Im zweiten klappe dann "das ganze Regiegebäude in sich zusammen."

"Alle sind gefangen in der Eindimensionalität", schreibt Rüdiger Schaper im Berliner Tagesspiegel (28.3.2010), der es kaum ertragen kann, mit diesen hässlichen Typen. Denn die hocken eigentlich "nur stumpfsinnig an der Rampe, stehen versteinert herum, starren ins Nichts." Thalheimer gehe in dieser Inszenierung mit Maschinen, nicht mit Individuen um. "Killerautomaten, die so schnell wie möglich abgewrackt werden wollen." Dementsprechend hätten die Figuren auch kein Schicksal, sondern "einen Chip im Leib, der auf Selbstzerstörung programmiert ist." Für Schaper sind diese "Nibelungen" nicht einfach bloß eine misslungene Hebbel-Radikalisierung. Er eine Theatersprache und -ästhetik von Untergang und Todestrieb dröhnen, "die an sich selbst verzweifelt. Die laut und schwer auf ihr eigenes Verlöschen und Verstummen hinarbeitet."

Thalheimer nehme Hebbels Version der Saga beim archaischen Gefühlskern, schreibt Volker Corsten in der Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (28.3.2010), "bei Neid, Gier, Hass. Er unterbindet streng jede Hoffnung und schafft es bis zur Pause, mit seinem hervorragenden Ensemble die Spannung hoch zu halten." Im dritten Teil wird für Corsten dann allerdings "aus Strenge Statik, aus dem emotionalen Sturm ein ermattender Wind". Es wirkt wie ein Akt der Notwehr auf ihn, dass "Maren Eggert, die als Kriemhild zur dauerbrüllenden Herumsteherin degradiert ist, am Ende in den Mafiamodus schaltet und Gunther, Hagen und sich selbst einfach über den Haufen schießt. Andererseits: auf diesen Stilbruch waren die Primaten erst recht nicht vorbereitet." Entsprechend läßt ihn Olaf Altmanns Bühne an einen Affenfelsen denken.

Mit diesem "Katastrophenabend" setze Thalheimer auf "ganz großes Kino", so Christine Dössel in der Süddeutschen Zeitung (29.3.2010). Wieder fühle er "der Tragödie auf ihren brutalen Kern" und erzähle sie "als ewige Katastrophen- und Blutsbandorgie". Entsprechend herrsche hier "ein zutiefst aggressiver, gleichbleibend schnarrender Brüllton vor", unterlegt von Wredes Bassgitarrenriffs, deren "pathosgetränkte Emotionalität" alles "manipulativ durchzieht und durchaus Momente von großer Wucht und Expressivität erzeugt, aber zunehmend doch vor allem schwer an den Nerven zerrt". Auf Altmanns grandioser Bühne gelinge es Thalheimer nicht, "zu einer sinnstiftenden Überhöhung zu gelangen und somit ein Menschheitsexempel zu statuieren". Bei diesen "tickenden Zeitbomben" sei die Explosion "nur eine Frage der Zeit, keine der Entwicklung". Die Ausnahmen: Lehmanns Hagen ("ein eiskalter, gefährlich scharfer, hart bellender Analytiker") und Groves Giselher (auch leise und skrupulös). Wenn der "Brüllmechanismus" nach der Pause jedoch "zum Schematismus" wird, hebele das "jegliche Anteilnahme" aus.

Bei Siegfried deute alles "auf eine posttraumatische Belastungsstörung hin", beschreibt es Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (29.3.2010). Sein "irres Gekicher" könne einem schon "ziemlich auf die Nerven gehen". Thalheimer, "selbst ein begnadeter Angeber des Theaters, hat das Stück als Tragödie von Angebern inszeniert, als schwelgerischen Schwanzvergleich", mit der "zivilgesellschaftlich eher trivialen Einsicht", "dass Schwanzvergleiche letztlich nichts bringen". Altmanns Bühnenbild habe den Vorteil, "dass es gleich zwei Rampen gibt", womit sich "die Varianten der Angebertheater-Königsdisziplin, des Rampentextsprechens, verdoppelt". Dazu Theaterblut, Kunstpausen "und fertig ist das Schmerzoper-Besteck, mit dem Thalheimer virtuos an der Pathosdynamik herumpegelt: Es schwillt und schwillt und schwillt, ohne dass bei den Figuren irgendeine Entwicklung erkennbar wäre".

Thalheimer tue dem Text zwar "keinerlei Gewalt durch Eingriffe oder pseudoaktuelle Einschübe an", halte sich an die Chronologie und habe bloß Anfang und Ende mit Zitaten akzentuiert, nimmt Ulrich Weinzierl von der Welt (29.3.2010) zunächst wohlwollend zur Kenntnis. Doch Wredes wummernde Musik mache alles diesmal "nur noch schlimmer", da "ohnehin fast durchgehend ohrenbetäubend geschrien" werde. Auch Weinzierl schreibt von der "an Neandertaler erinnernde Rockerbande". Nur: "Was will uns Thalheimer damit erklären?" Sind das "bewusst lauter Schießbudenfiguren, krakeelende Maulhelden - typische Männer eben?" Doch derart "feministische Deutung" ziele ins Leere, seien doch auch "die röhrenden Protagonistinnen zum Davonlaufen".

Michael Thalheimer ist eine "völlig unpathetische, dabei heißkalt berührende Inszenierung" gelungen, schreibt Irene Bazinger (FAZ, 30.3.2010): "Das Politische ist in dieser ästhetisch brillant formulierten Aufführung privat und das Private eine gnadenlos offene Wunde." Die Nibelungen erinnerten sie an "Jugendliche, die angetrunken nachts in eine Schwimmhalle geschlichen sind". Der "finale Blutrausch ist ihnen ein großer Spaß, das Sterben eine unglaublich lustige Ekstase". Doch wie auch bei Hebbels seien die Nibelungen dabei zugleich "undomestizierbare, grausame Wiedergänger aus entlegenen Tiefenschichten der unzivilisierten, das heißt noch nicht christianisierten Menschheit". Drei Stunden dauere "dieses nachthelle Untergangsballett, denn Michael Thalheimer, der virtuose Verdichter und Pointierer, holt diesmal nahezu episch aus, um die Figuren plastisch und überzeugend zeichnen zu können".

Wohl noch nie habe eine Olaf-Altmann-Bühne "so passgenau Thalheimers Inszenierungsidee" getroffen wie hier, schreibt Dirk Pilz (NZZ, 30.3.2010). In ihrer Maschinenhaftigkeit versinnbildliche sie das, was auch die Figuren kennzeichnet: "Die Nibelungen sind entseelte, dumpfe Mord- und Blutmonster." Bereits in der ersten Szene hockten sie wie "bloße Opfer ihrer Affekte und Triebe beisammen". Und schon häufig seien Thalheimers Inszenierungen von einer "seltsam starren Dogmatik" geprägt gewesen: "Weil er keine Fragen an seine Figuren hat, sehen sie oft wie bare Thesen-Ritter aus." Die "Grobthese": "Der Mensch ist schlecht, der Mann ganz besonders." Und auch jetzt beuge seine "Regie-Knie vor diesem grimmigen Nihilismus mit einer stupenden Gehorsamkeit, wie man sie sonst nur von strenggläubigen Katholiken erwarten darf". Er zeige so allerdings "weder archaische noch tragische Figuren". Denn bei Thalheimer sei "alles schon entschieden, bevor jeder Konflikt und jede Szene anfängt".

 

 

Kommentare  
Die Nibelungen in Berlin: blutleer
Eigentlich könnte man sehr schell fertig sein, bei Thalheimer mit diesem Blut-, Schicksals- und Rachegedampfe von Hebbel, denkt man sich so vorher, aber es gibt dann über drei Stunden immer wieder Blut satt in allen möglichen Variationen. Trotzdem wirken die Figuren merkwürdig blutleer. Sie sind eingesperrt in einer auf- und absenkbaren schrägen Ebene als einschränkendem Horizont, einem erdrückenden Raum, aus dem es kein entrinnen gibt. Das Ganze ist tatsächlich in eine fiktive Urzeit zurückversetzt. Thalheimer hat Hebbels Tagebücher gelesen und darin seinen Sinn für das Mythische in den Religionen gefunden. Er will das was Hebbel das Verhältnis der Menschen zur Urnatur und ihre Abhängigkeit an unerbittliche Gesetze nennt, aufgreifen. Allerdings wirkt das hier dann manchmal eher wie ein lustiger Familienausflug bei Wikingers mit viel Gegröle und ordentlich Faxebier.
Was bewegt Michael Thalheimer nach der Orestie wieder einen solch schweren Abend einzurichten? Eine neue Facette vermag er mit dieser Inszenierung dem Thema leider nicht abzugewinnen. Immer mal wieder klingt das an, was seine Figurenaufstellungen so berühmt gemacht hat, das kurze Zucken der Protagonisten ausbrechend aus dem starren Rollenkorsett des Stückes, verzweifelt letzte Emotionen andeutend. Thalheimer vermag hier aber nicht wie in seinen früheren Inszenierungen, das konsequent umzusetzen, um die Handlung zu unterbrechen und die dargestellte Schwere dadurch aufzulösen. So entstehen mehr und mehr enervierende Tableaus der Sinnlosigkeit und eine mit Pathos angefüllte Atmosphäre, die durch die nervende Musik noch künstlich aufgeheizt wird.
Das was Thalheimer eigentlich auszeichnet, ein Stück bis auf seine Grundaussage zu entkernen, gelingt ihm mit dieser Inszenierung nicht, da es außer der sinnlosen Nibelungentreue keinen Kern und auch keine wirklich heutige Lesart für Hebbels Stück gibt.
Die letzte Inszenierung der Nibelungen von Mayenburg an der Schaubühne war auch nicht das Gelbe vom Ei, aber sie hat mit dem Finale in dem eimerweise Blut die Treppe hinuntergekippt wurde, ein eindrucksvolleres Bild geschaffen als die Nibelungen bei Thalheimer, die sich auch noch im Blute suhlen müssen.
So stehen wir letztendlich ratlos vor einer wahrhaft grandiosen Schauspielleistung des Ensembles ohne ein entsprechend gleichwertiges Inszenierungsgerüst darum gesehen zu haben.
Die Nibelungen in Berlin: lauter Fehlbesetzungen
Stimme dem fast uneingeschränkt zu. Blutleer, kein Inszenierungsgerüst, keine neue Lesart, keine Fokussierung, keine Position, nervende Musik, ungeklärte Privatismen. Tatsächlich ist Mayenburgs (nicht grandiose) Inszenierung psychologisch und strukturell und bildnerisch interessanter.
Bei der Schauspielleistung muss ich widersprechen. Die Besetzungen scheinen mir fast alle daneben zu greifen (auch wenn die einzelnen Ensemblemitglieder für sich genommen überwiegend große Spieler sind), es wirkt zusammengewürfelt. Brunhilds Niedergang ist nur im Vorbeigehen zu erahnen, der Gürtel ist ein Deus ex machina, Schnuteziehen statt Stolz im Damenduell.
Die Nibelungen in Berlin: Pause machen
Stimme meinen Vorgängern uneingeschränkt zu. Auch die sonst grandiosen Schauspieler wirkten erschreckend "daneben". Ich denke, Thalheimer sollte mal eine laaaange Pause machen...
Die Nibelungen in Berlin: ausdrucksloses Gebrüll
Was ist aus Thalheimer, dem großen Stückesezierer, der Schicht um Schicht entfert, um den Kern freizulegen und zu inszenieren? Für den Inszenieren einer Operation am offenen Herzen gleichkommt? Hat er bei seiner letzten DT-Inszenierung noch Brechts Puntila-Gebäude bis auf die Grundmauern niedergerissen (um feststelen zu müssen, dass da statt des vermuteten Fundements nur gähnende Leere ist), kratzt er hier nicht einmal an der Fassade, sondern stellt nur hohle Kulissen auf, die er aber in ihrer Hohlheit nicht entlarvt. Thalheimer recyclet: die klaustrophobische Bühne der Ratten, die Blutorgie der Orestie, und wie so oft ist die Kopie nur ein schwaches Echo. Sind seine Bilder, seine Gruppenaufstellungen dort noch mit Bedeutung aufgeladen und legen sie den Blick auf so etwas wie Erkentnis frei, sind sie hier nicht nur schwächer -sie verbergen auch nichts. Da ist kein interpretatorisches Ansatz, da ist keine Richtung, i die das führt, da ist nicht mal Kunsthandwerk, sodern nur Handwerk. 3 Stunden Hilflosigkeit bei Regisseur wie Darstellern, drei Stunden ausdrucksloses Gebrüll, drei Stunden angestrengte Zuschauer.
Die Nibelungen in Berlin: großartige Leistung der Spieler
Jetzt haben hier wohl die vier Buhrufer von gestern Abend Dampf abgelassen. Das wird die Bravo-Rufe, die es gab, nicht übertönen.
Ich habe eine großartige Leistung der Schauspieler gesehen.
Die Nibelungen in Berlin: jetzt fallen bloß die Schuppen
ach, die Schreie, ja, zermürbend und platt, bloß, eigentlich schon immer zu hören, durch die Schnippeleien am Text, runtergequetscht auf die sozialdramaschienenbreite, damit der Bedeutungszug auch noch am kleinsten Bahnhof anhalten kann. Beschwerde und Vorwurf, Vorwurf und Beschwerde, ach die Aufregung kommt zu spät, viel zu spät, da war nie was und jetzt fallen bloß die Schuppen.
Die Nibelungen in Berlin: auf ihre Urlaute reduziert
Gebrüllt wurde bei Thalheimer schon immer viel (von Liliom über Lulu bis zu den Ratten). Nur warum fällt uns das nun auf einmal so unangenehm auf? Waren es erst verzweifelte Schreie gepeinigter Menschen mit denen man sich identifizieren konnte, sind es nun die auf ihre Urlaute reduzierte Wesen, von denen wir uns nur um so lieber distanzieren möchten. Von daher ist es konsequent was Thalheimer machen will, leider können wir ihm da wohl nicht mehr folgen.
Die Nibelungen in Berlin: mal in Ruhe überlegen
Wir finden das ganze DT sollte mal ein Jahr Pause machen. Dann in Ruhe überlegen, warum man überhaupt Theater machen will und wieder aufmachen.
Die Nibelungen in Berlin: Schauspieler sind zu bewundern
wegen der Schauspieler geh' ich ja überhaupt hin. Die sind nicht der Punkt - die - ach, kein Lamento - sind zu bewundern.
Die Nibelungen in Berlin: am Ende ziemlich ermattet
@5. Ich habe, ehrlich gesagt, weder Buh- noch Bravo-Rufe vernommen. Am Ende wirkten im Publikum doch alle ziemlich ermattet.
Die Nibelungen in Berlin: Denken hilft
Falsch! Denken hilft. Schlecht finden ist ok. Gehässig schlecht machen überflüssig. Weniger seicht, weniger kraftmeierisch, und mehr von den so beworbenen jungen und halbjungen Autoren - wird schon.
Die Nibelungen in Berlin: Unkonventionelles fehlt
Sehr träge inszeniert. Vielleicht hat es das gebraucht? Wer weiß. Hätte mir eine andere Mordlösung am Ende gewünscht. Interessant war das Element Blut. Das 'Spiel', die Einbindung.
Mir fehlte das Unkonventionelle.
Schade.

www.artiberlin.de
Die Nibelungen in Berlin: auf dem Schachbrett
Theater ist nun mal Theater. Der Kraftakt Nibelungen wird als finale Blutorgie auf die Bühne oder vielleicht besser versetzte Etager gepinnt . Die Helden / Antihelden sehen aus wie Figuren auf einem Schachbrett, die nach Belieben die Züge (Schritte) wechseln - ohne eine Richtung (zumindest manchmal) erkennen zu können.- Bühnenbild kommt gut !!!
Der Vergleich mit einer Rocker-Gang lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, stört aber nicht. Noch nicht.
Das mühselig aufgebaute Konstrukt mit allen lautstarken Attitüden ( stimmbandfeindlich!!!!) ist bis dahin ok.
Die Schieflage der "Veranstaltung" beginnt nach dem Boxen-Stop an der Tränke (Pausenfreuden).
Danach, ähnlich der schiefen Ebene, scheint ein Abgleiten das Ende des Abends zu bestimmen.
MT bleibt bei seinen für ihn typischen Arbeiten... (hoffentlich nicht stehen??).
Applaus zumindest am Freitag nachdenklich - noch höflich. Das war es dann auch. Und das DT? Bis zum nächsten Versuch - Schöne Ostern .
Die Nibelungen in Berlin: hoher Ton in vielen Nuancen
Ich habe einen wunderbaren Abend erlebt:Hier waren große Wut und tiefes Leid, aberwitzige Antihelden, die nur manchmal wissen, was sie tun, und wenn sie tun, haben sie schon verloren. Der hohe Ton wird in so vielen Nuancen gesprochen, dass es eine Lust und ein grauen und den Irrwitz deutlich macht. Klug war, was ich gesehen hab. Ich danke dem Ensemble.
Thalheimers Nibelungen: sonst ein Virtuose
Sehr merkwürdig war das... Thalheimer sonst für mich ein Virtuose, der es bis jetzt fast immer geschafft hat, gerade regietechnisch das absolut Wesentliche +rauszuholen (ich denke da an Faust I)
Thalheimers Nibelungen: drei Stunden Wut & Geschrei
also einen wunderbaren Abend hätte ich mir von Herrn Thalheimer anders vorgestellt... Verglichen mit Faust I+II, der Galotti oder auch der Orestie war das Nischt! 3 stunden Wut und Geschrei, oder jeglichen Humor, der sehr wohl drin steckt... Männerklischees, und Ideenlosigkeit was die Regie betrifft... Sehr schade... Die Schauspieler hätten da zum größten Teil mehr verdient... Verglichen mit den Nibelungen von Karin Beier kriegt diese Insezenierung bestenfalls ein Ausreichend...
Thalheimers Nibelungen: Sven Lehmanns Hagen!
Habe heute abend einen grandiosen Sven Lehmann gesehen. Was der aus seinem Hagen macht, finde ich bewundernswert (in allen Deutungen des Wortes). Da tastet sich jemand durch seine Figur, aber nicht blind oder ängstlich, sondern suchend (und eben findend), forschend, sicher auch kalkuliert, aber er sucht, so habe ich es jedenfalls empfunden, die Wahrheit dieser Rolle, der Worte, die für diesen Charakter geschrieben wurden, um, so sah ich es, zu verstehen, woher dieser Hagen seine Sicherheit nimmt. Wieso kennt dieser Hagen kein Schwanken? Und das ist sicher auch ein großer Verdienst derjenigen, die den Text für diese Inszenierung eingerichtet haben - diese absolute Schnörkellosigkeit. Hagen hat, und das ist sein entscheidender Vorteil, nichts zu verlieren. Er hat keine Macht, aber er kann sie durch seine Skrupellosigkeit generieren. Er bekommt Macht über sich, die Anderen und die Geschehnisse, weil er sich traut zu handeln und er ist nicht "wahnsinnig" wie Siegfried es in dieser Inszenierung ist. Überhaupt ist der Aspekt des "Verrückten" hier sehr groß geschrieben. Und anders läßt sich dieses durch Mord- und Rache- und Krieg- und Blut-Stapfen nicht erklären, als durch Irrsinn. Ob nun zivilisiert oder eben nicht, ob nun christianisiert, oder eben nicht: sich immer weiter treibende Gewalt ist Irrsinn, selbst, wenn sie nur Mittel zum Zweck ist. Und das so verdichtet zu sehen, trotz drei Stunden Aufführungsdauer hat geradezu etwas lehrstückhaftes (im besten Sinne des Wortes) Die Geschichte, die mit den Nibelungen geschrieben wurde ist eine grausame und hier, in dieser Inszenierung haben sie m.E. eine Entsprechung gefunden. Ähnlich ging es mir auch mit Thalheimers "Fledermaus". Ein widerwärtiges Stück - erhellend inszeniert.
Zum Schluß: Nicht nur vor Herrn Lehmann auch vor allen andern Schauspielern - Hut ab!
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