Das Aufhübschen der Bilanz

München, 8. April 2010. Wie u.a. in der Süddeutschen Zeitung (8.4.2010) zu lesen ist, schreibt die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek nach ihrem preisgekrönten Stück "Rechnitz (Der Würgeengel)" an einem neuen Auftragswerk für die Münchner Kammerspiele, dessen Uraufführung für Februar 2011 anberaumt ist.

In einem Kapitel des geplanten Textes Winterreise soll es auch um die Geschichte der Hypo Group Alpe Adria (HGAA) gehen. In den Verkauf dieser ehemaligen Tochtergesellschaft der BayernLB und einstigen Kärtner Landesbank war auch der verstorbene Landeschef und Jelinek-Intimgegner Jörg Haider verwickelt. Überschrieben ist das betreffende Kapitel mit "Ihr Kind ist eine reiche Braut". Das spiele "aufs Schmücken der Braut an. So nennt man es, wenn die Bilanz einer Firma (Bank) aufgehübscht wird, damit sie reicher erscheint, als sie ist, und der Kaufanreiz steigt", sagte Jelinek dazu dem österreichischen Magazin News.

Rund 3,7 Milliarden Euro Steuergeld, so ist weiter in der SZ zu lesen, habe die BayernLB bisher bei Kauf und Verkauf der HGAA verbrannt, "obwohl Wirtschaftsprüfer vor nicht abschätzbaren Risiken gewarnt hatten". Deutsche, kroatische, österreichische und liechtensteinsche Behörden ermitteln mittlerweile "wegen des Verdachts der Untreue. Die Staatsanwaltschaft interessiert sich auch für dubiose Sponsoring-Zahlungen über zwei Millionen Euro für ein Fußballstadion in Klagenfurt. Haider könnte die Zahlung zur Bedingung für den Verkauf der Hypo Alpe Adria gemacht haben."

Nils Tabert, der Leiter des Rowohlt Theater Verlages, der Jelineks Stücke verlegt, kündigte an, dass dieser Text "mit das Persönlichste sein" werde, was Elfriede Jelinek jemals geschrieben hat, "es wird unter anderem auch um ihren Vater gehen".

Bereits in ihrem jüngsten Stück Die Kontrakte des Kaufmanns hatte Jelinek, noch vor der Lehman-Brothers-Pleite, einen österreichischen Finanzskandal um die Meinl-Bank verarbeitet. Die Urinszenierung von Nicolas Stemann ist sowohl zum Theatertreffen eingeladen als auch für den Mülheimer Dramatikerpreis 2010 nominiert.

(SZ / ape)

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