Erklärungsversuche Selbsthass eins und zwei

von Petra Kohse

Berlin, 21. September 2007. Peter Stein hat der Zeitung Die Welt ein Interview gegeben. Und wenn Peter Stein ein Interview gibt, dann wird dieses Interview gedruckt. Auch wenn es darin um nichts geht – außer um Verachtung.

Stein schimpft, Stein höhnt. Und fällt dabei ausgerechnet über jene fäkalsprachlich her, die von sich aus den Kontakt zu ihm suchen oder sich für seine Arbeit interessieren (jemand, der eine Aufführungsaufzeichnung auf CD gebrannt hat, eine Intendantin, die ihm eine Inszenierung angeboten hat...). Deren Anerbieten erscheint ihm offenbar unwürdig und verstärkt das Grundgefühl eines Beleidigtseins – das auch im genüsslichen Selbstbeschimpfen seinen Ausdruck findet. Er sei "hässlich", ein "Schlappschwanz", "mittelbegabt"...

Peter Stein, ein einsamer, verletzter Wolf, der vom Rudel verjagt wurde (seine Lesart) oder das Jagdgebiet nicht teilen wollte (andere Lesart), und der nur noch an sich selbst herumnagt, bis wieder jemand nahe genug herankommt, den er beißen kann.

Wessen Leben lebt er, wenn nicht das eigene?

Das ist nicht schön, kommt aber in jedem sozialen Umfeld vor. An diesem Fall jedoch interessiert, dass er so prominent verhandelt wird. Die Medien reißen sich um einen Biss von Peter Stein, jede Wunde, die er sich selbst zufügt, wird mit Aufmerksamkeit vergoldet. Und der Fall fasziniert, weil er so schwer verständlich ist. Hat der 69-jährige Peter Stein nicht ein Lebenswerk angehäuft, das theaterhistorisch gerahmt und im Gedächtnis des jeweiligen Publikums hell ausgeleuchtet ist? Arbeitet er nicht noch immer, hoch angesehen, vielfach unterstützt und erfolgreich? Hat er nicht alles, wovon ein Mann im Rentenalter, ganz gleich in welcher Branche, träumen kann?

Erklärungsversuch Selbsthass die erste: Vielleicht liegt es daran, dass Peter Stein gar nicht Theaterregisseur, sondern Geisteswissenschaftler werden wollte. Worauf die Schlussbemerkung des aktuellen Interviews hindeutet, in der er sagt, dass das einzige, worauf er stolz wäre, die Tatsache sei, dass seine Übersetzung der "Orestie" an Universitäten benutzt werde. Nur, warum hat der Frankfurter Industriellensohn dann nicht diese Laufbahn eingeschlagen? Wessen Leben ist es, dass er gelebt hat und lebt, wenn nicht das eigene?

Erklärungsversuch Selbsthass die zweite: Es ist sein Perfektionismus, der Peter Stein das Leben vergällt. Dass er dem Ideal, das er vor sich sieht, in seiner Arbeit nie ganz entspricht, kann er sich nicht verzeihen. Er scheitert, glaubt sich aber in seinem Scheitern immer noch himmelhoch über jenen, die das ebenfalls tun, es aber nicht so schlimm finden oder womöglich gar nicht wissen. Dass er sich das Unmögliche abfordert, ist so hypertroph wie selbstzerstörerisch. Um das auszuhalten, darf man keine Alternative anerkennen.

Schleef war auch so einer

Peter Stein, ein Getriebener, Monomanischer. Ein großer Künstler dabei, ob man seine Ästhetik und Werte nun teilt oder nicht. Er ist nicht der einzige seiner Art. Einar Schleef war auch so einer. In seinen Tagebüchern ist nachzulesen, wie er sich das jeweils Höchste auferlegte, wie er sich keine Ruhe ließ und sich vors innere Gericht stellte – und wie verächtlich er auf Lob von der falschen Seite oder für von ihm Verworfenes reagierte.

Auch er wütete und schimpfte in Interviews, sah sich verfolgt und behindert, wenn den absoluten Forderungen, die er in seiner Arbeit stellte, nicht nachgekommen werden konnte. Und bediente sich ebenfalls einer stark körperbezogenen Sprache, zerrte das Gemeinmachendste, Fehleranfälligste am Menschen in seiner Bedürftigkeit ins Rampenlicht und trampelte darauf herum. Zwischendurch konnte er dann wieder sehr witzig sein.

Hand in Hand an der Grenze des Soziablen

Eine Begegnung mit einem Solchen ist wie ein personifiziertes, ausgelagertes Jüngstes Gericht. Eine Konfrontation mit den schlimmsten Gedanken, die man über sich selber denkt. Wenn sich Peter Stein für "mittelbegabt" hält – was kann das Leben dann für einen selbst noch bereithalten! Gleichzeitig markiert einer wie Stein – und das ist das kathartische Moment, wegen dem die Öffentlichkeit nach jedem Wort, das er fallen lässt, schnappt – die Grenze des Soziablen. Dies, wofür er steht, verweigert die Gemeinschaft, und da ist man doch froh, dass die eigenen Brötchen vielleicht klein sind, aber warm und knusprig aus dem Ofen kommen.

Umgekehrt dürfte auch das mediale Wüten eine Funktion haben, die jenseits des Performativen liegt: So lange sich ihm die Mikrofone entgegenstrecken, muss Peter Stein sich seinem Gott nicht stellen. Und auch wenn er sich dafür schon gleich wieder hassen dürfte – es wird ihn schon auch entspannen.

 

Eine Kritik zu Peter Steins jüngster Inszenierung, Schillers Wallenstein in Berlin-Neukölln, lesen sie hier.


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Kommentare  
zu Peter Stein 1
Wallenstein Projekt
Leute wie Peymann und Stein w... nur vor sich hin. Die Menschen sind eventgeil. Weil Brandauer und Stein auf dem Plakat stehen kommen die Leute. Mit gesellschaftlicher Reflexion hat das ganze nichts zu tun. Die gleichen Leute gehen zu Feinkost Käfer an die Champagnerbar. Es ist Konsumtheater. Und Onanie.
zu Peter Stein 2
Eine sehr differenzierte Äußerung Herr Uli Wahl!
Ich würde gern noch wissen, was Sie genau mit "Eventgeilheit" meinen bzw. wer genau diese "Menschen" sind, denen Sie ebendiese vorwerfen?
Besonders neugierig bin ich auf die Erläuterung Ihrer "gesellschaftlichen Reflexion". Ihr kurzes Statement läßt zumindest auf eine besonders vielschichtige Ihrerseits schließen!
Da Sie sicherlich die Aufführungen der "W...." Stein und Peymann gut kennen, Sie somit auch konsumiert haben (Stichwort "Konsumtheater"), bin ich auf weitere Ausführungen gespannt!
Achso: Feinkost Käfer ist, glaube ich, in München. Sie meinten sicherlich die Feinkostabteilung im KADEWE(Berlin/West).
zu Peter Stein 3
Eines muß man ihm lassen: Er ist konsequent. Er findet, Wallenstein gehört sich mit 100 Schwertern und dann macht er ihn mit 100 Schwertern.
Man kann davon halten was man will: aber es ist sicher kein "Konsumtheater" wenn man die Leute dazu zwingt, sich 10 Stunden Schiller anzuhören!! Alles andere als konsumierbar! Schade nur, dass sein Theater so geheimnislos geworden ist, das war es früher nicht!
Solche Interviews sind doch nur Show, keine ungeschickte, nebenbei gesagt!
zu Stein und Gotscheff 1
geheimnislos? schauen sie sich doch bitte Gotscheffs interpretation von dem ÄLTESTEM dramatischen text, der erhalten ist DIE PERSER an.Das ist alles andere als geheimnislos!!!
und zu zadekpeymannstein: Fürchte es ist der ganz grobe aber auch ganz allgemeine ALTERSSTARRSINN Bei allem respekt; aber diese Herren schauen sich doch überhaupt keine arbeiten ihrer Kollegen an, geschweige denn ihrer EX-assistenten, das waere mal konsequent und auch höchst PRODUKTIV.
insofern trifft Onanie schon zu.......so leid es mir auch tut!
Stein nicht Gotscheff
Habe über Steins Theater gesprochen nicht über Gotscheff! Wie kommen sie auf Gotscheff???
Missverständnis über Stein
MISSVERSTEHEN: ach, sie meinten, Steins inszenierungen seien geheimnislos.....?
na, da haben sie sicherlich recht! wir trennen ja auch angewandte kunst vom kunsthandwerk.
aber ein EVENT bleibt es trotzdem. wenn man sich eigens eine ausgediente brauerei anmietet, herrn brandauer engagiert und alles seine 10 stunden ausagieren lässt.
da ist es eben chic, da gibt es eben häppchen, da geht man eben hin.
und dann meine ich mit gotscheffs PERSERN :dies ist ein GROßEREIGNIS in ZWEI stunden, das dem text auf die spur kommt, im repertoire bleibt und ganz ohne Österreichische Schauspielboheme auskommt, keine Statisten, keine angemieteten Säle braucht... alles was man braucht, um Aischylos zu erzählen, kann man auf der bühne des DEUTSCHEN THEATERS sehen...
ach, ich bin diese ALTMEISTERTIRADEN leid...Berlin bleibt hoffentlich schön besorgt um seine kulturvielfalt!! Es möge doch jeder frei wählen! Allein, dieser vielfalt der sprachen und formen muss man sich aussetzen! es hat doch kein mensch, auch kein altmeisterlicher, eine deutungshoheit.
so gesehen sind die geschickten interviewshows teil einer maschinerie, die ich durchaus EVENT nennen kann. und jetzt schluß!
die Saison beginnt : AB IN DIE THEATER!
zu Peter Stein 5
Habe eben das Stein-Interview in "Welt-Online" gelesen. Der Mann ist komisch! Vielleicht auf eine sehr verquere Art, aber bestimmt komisch.
Wer solche Interviews für bare Münze nimmt, muss zur Strafe einen so langen Artikel wie oben schreiben.
Antwort auf: zu Stein und zu Gotscheff 1
Ich weiß nicht, wie Sie, Herr jsteffensen, dazu kommen, die Behauptung aufzustellen, jemand wie Peymann würde sich kein anderen Aufführungen ansehen.
Man sollte nicht von sich auf andere schließen!
Es ist kein Geheimnis, daß gerade Intendanten wie Peymann permanent andere Inszenierungen, sowohl von EX-Assistenten als auch von "Gegenspielern" wie Castorf etc sich anschauen.
Das sagt zwar nichts über die Qualität ihrer eigenen Inszenierungen aus, aber in diesem Zusammenhang eine Menge über die Borniertheit, Ignoranz und den [Alters?]Starsinn solcher Kommentatoren wie Sie oder Herrn Wahl (s.o.).
zu Peter Stein 6
Herr Stein hat mehrfach in Interviews zum besten gegeben, dass er sich den "ganzen Quatsch (oder Quark)" nicht anschaut. Herr Zadek hat ähnliches auch mehrfach betont. Nun gut, dass Herr Zadek auch einmal Regie-Kurse an der Ernst-Busch-Hochschule gab, ist ihm sehr zugute zu halten, und das tun doch auch alle!
Ich weiß nicht wie sie, Herr Sven H., darauf kommen, dass ich ein Herr sei, und welches Alter ich habe..(immerhin,ich sehe gerade sie setzen ein Fragezeichen), aber Qualität von Inszenierungen und meine Borniertheit gegenüber zu stellen ist rhetorischer Quatsch!
Es freut mich dagegen sehr, dass Herr Peymann sich Arbeiten seiner Assistenten anschaut (und das permanent!!). Dann soll er mit der Axt "dreinschlagen" und ihnen "ihren Reißzahn" des (Über)Regiekonzeptes verbal ziehen. Ich wusste nicht, dass es allgemein bekannt zu sein scheint. Entschuldigung dafür!
Wie aber kommen sie darauf, ich schlösse von mir (wen auch immer sie da meinen?) auf andere?
Des weiteren bleibt UNHINTERFRAGBAR, dass Peymannzadekstein SEHR wichtige wegbereitende Regisseure waren und sind. Schulmeisterliches, scheinbar "UNBEQUEMES" Lamentieren allerdings führt uns nicht weiter... und JA, neopolka, da hat man den impuls, längere "Artikel", besser "unsachliche Beiträge" zu schreiben, um dererlei Lamenti etwas entgegenzusetzen, so daß nicht alle WELT ( und deren Leser ) sich darin bestätigt findet, deutsche Theaterproduktionen seien zu nichts nutze und lohnten keinerlei ästhetischer Wertung.
Aber hierzu ist gewiss Klügeres bereits geschrieben und gesagt worden... und das einzige, das nutzt und hilft ist nunmal der Theaterbesuch. Gehet, schauet und streitet! Setz euch aus und seht ( wenn es euch gelingt! ) auch mal von euch ab!
zu Stein als Brandauer
Hui, ich lese gerade, Herr Brandauer ist erkrankt und Herr Stein springt ein; und das als Wallenstein. DAFÜR doch mal respekt..!
wir haben fertig!
Zu Peter Stein 7
Lieber jsteffensen,
die Frage ist doch, ob man ein (oder mehrere Interviews) als Staatsaffäre betrachtet oder eben als das, was sie in der Regel sind: ein wenig Eitelkeit, ein wenig Wichtigtuerei, ein wenig Schmäh und Selbstdarstellung.
Stein ist ein Großmeister. Er weiß das und er weiß, was er sich unter Theater vorstellt. Entsprechend redet er.
Ich habe (das liegt einige Jahre zurück) Interviews mit ihm im Radio gehört. Er neigt zur Schnoddrigkeit und zu trockener Ironie.
Ich erinnere mich mit Begeisterung an eine Phone-in-Sendung beim Bayerischen Rundfunk (das war damals im weiteren Vorfeld des "Faust"), bei der ein enthusiasmierter Anrufer - von mir jetzt schnoddrig gesagt - Stein aufforderte, nochmal (gemeinsam mit ihm) so richtig revolutionären Dampf zu machen. Stein antwortete sinngemäß und klug genug, dass das nun wirklich vorbei sei. Inzwischen seien sie ältere Männer, und jemand wie er (Stein), sei altersmäßig eher der Generation seines einstigen Gegners Everding näher, als den jungen Regisseuren. Kurz, er ironisierte die juvenilen Anwandlungen des Anrufers. Gleichzeitig war er sehr ernst.
Inhaltlich: Was Stein über die Vorteile eines Staggione-Betriebs in der Oper sagt, ist gemessen an dem, was ihn auszeichnet, nachvollziehbar. Dass er seine Tasso-Inszenierung nach 40 Jahren mit anderen und nicht mal unsympathisierenden Augen anschaut, ist, glaube ich, normal.
Ich glaube, man muss sich um Peter Stein keine Sorgen machen. Man sollte den älteren Herrn granteln lassen.
Wahrscheinlich ist eine Stein-Inszenierung so etwas wie eine Rolling-Stones-Tournee. Ein Dino-Event. Nur sind die Karten bei Stein vergleichsweise günstig.
zu Peter Stein 8
liebe/r neopolka, JA. eben das hat ja auch frau kohse in ihrem artikel aufgegriffen.
und generationenknatsch gehört selbstredend dazu.
möchte nur nicht, dass menschen den steinschen grantelton daherzitieren, die eventuell denken TORQUATO TASSO sei ein neues Tafelwasser. Darum war es mir getan!
Dass er den Tasso mit diesen Augen anschaut, ist mir auch sympathisch! und die selbstdarstellung habe ich durchaus herauslesen können; und warum sollte ich mich um ihn sorgen?
nu lassen´s wirs gut sein...und singen im chor : Papa was a rolling stone...
COMMENT_TITLE_RE Zum aktuellen Interview von Peter Stein
A propos Peter Stein. Hier eine ziemlich lustige Randbemerkung: http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Titelseite;art692,2380489
Ein Königreich für eine Wallensteinkarte!
stichwort tafelwasser- ich sah tasso vor 40 jahren in bremen, lebe jetzt in theatraler wüste am nordrand der republik. wer verhilft mir zu einer karte für wallenstein am 7.oktober im deutschen herbst. ich gehe meilenweit für diesen letzten vorhang.
zu Peter Stein 9
Es geht in der Kunst auch um Revolution.
Gesellschaftliche Reflexion bedeutet, dass ich mich als Künstler nicht nur mit mir selber beschäftige. Stein ist sein eigenes Denkmal.
Natürlich weiß nur Stein, wie richtiges Theater auszusehen hat, wortgetreu, klassisch. Peymann macht für junge Autoren gar nichts.
Außer Handke hat er niemand gefördert.
Klar, Handke ist sein Kumpel.
Beide-Peymann und Stein-schweben über dem Boden. Beide kaufen nicht im Tafelladen ein, von Hartz IV-Empfänger sind sie weit weg. Als Künstler haben sie gute Arbeitsbedingungen. Sie sind beide Prominent
und könnten sich als Künstler mehr in gesellschaftliche Belange einmischen. Das Berliner Ensemble lebt von Subventionen. Von
diesen Subventionen sollten ein gewisser Anteil den Autoren gehören. Die meisten
jungen zeitgenössischen Dramatiker werden
in die Studiobühne abgeschoben.
On Kadewe oder Feinkost Schäfer ist scheißegal. Wir reden hier über eine Entpolitisierung des Kunstbetriebs. Wir reden von dicken Intendanten-Gehälter. Es werden immer die selben Namen gehandelt.
Kunst sollte auch Provokation hervorrufen.
Wenn ich einige Leser in diesem Forum provoziert habe, um so besser.
zu Peter Stein 10
Sehr geehrter Uli Wahl, Sie machen es einem schon schwer, nicht polemisch zu werden.
Mit Verlaub: Sie reden dauernd von Reflexion, lassen aber bei sich selber keinerlei erkennen.
Reihen nur lauter Klischees von vorgestern auf.Gähn. Stein sein eigenes Denkmal(aha...), Peymann kein Hartz4-Empfänger(ja und?),BE lebt von Subventionen(ach nee, welches von Ihnen bevorzugte Theater denn nicht?), junge Autoren auf Studiobühnen(is doch toll?!).Und zum Schluß die üblichen salonsozialistischen Platitüden("Entpolitisierung des Kunstbetriebs", "dicke Intendanten Gehälter").Sehr "provokant".Welches Theater genau schwebt Ihnen denn vor?Nennen sie doch mal ein paar Beispiele!Danke.
zu Peter Stein 11
Ich weiß nicht Gast, warum sie anworten, wenn sie sich nicht provoziert fühlen? Zu Ihnen kann ich nur mit einem Zitat von Rusell antworten: Das ist der ganze Jammer: Die Dummen sind so sicher und die Gescheiten so voller Zweifel.“

Bertrand Russell

Gegen Dummheit kann ich mich nicht wehren, Bildung schützt nicht vor Dummheit, sonst hätte es Auschwitz nicht gegeben.
Auf der Welt gibt es halt einen Haufen Arschlöcher, kleine Hitlers, Menschen, die ihren Vorteil suchen, die blind sind, die undifferenzierte Meinung haben die alles konsumieren, kritiklos, was ihnen vorgesetzt wird. Hauptsache auf dem Plakat steht der Name Stein und Brandauer.
Eine Äußerung in einem Forum ist kein Essay.
Wenn ich von Revolution rede, rede ich nicht von RAF, Bomben und Umsturz. Die Differenz ist die Differenz von der Diffrenz. Konkret:
Die künstlerische Subvention sollte an viele Künstler gehen und nicht nur an eine Elite.
Kunst muss Fragen stellen wie es Sarah Kane im Stück Zerbombt stellt. Ich stelle mir also vor, dass man Sarah Kane nicht nur ausserhalb des Abos zeigt, wie es im Schauspiel Stuttgart geschehen ist. Wir sollten uns entfernen von der steinschen Selbstverliebtheit.
Eine deutsche Sarah Kane oder Houellebecq wird es in der deutschen Literatur nicht geben, weil es bei uns vor allem um gesellschatlich korrekte Texte geht. Herkömmliche Massenware wird bevorzugt. Es ist auch geil, Beluga Kaviar zu essen und im Theater Zerstreuung zu suchen.
Ich wünsch mir, dass Zushauer im Theater auf die Bühne gehen und schreien: " Was macht ihr hier für einen Scheiß, geht es hier um mich?"
zu Peter Stein 12
Hm...also sehr geehrter Herr Wahl, erlauben Sie mir, Dummen, Ihnen, also Gescheiten (laut Russell!), folgende Erwiderung: ich habe nach wie vor den Eindruck, daß Sie vor allem von sich selbst sprechen, wenn Sie von Arschlöchern und Hitlers(?!) faseln, die alles nur blind, undifferenziert und kritiklos konsumieren und in öffentlichen Foren ablassen. Was Sarah Kane, Houellebecq oder das Stuttgarter Abo mit der Selbstverliebtheit von Peter Stein zu tun haben, bleibt Ihrer wirren Phantasie überlassen. Das zu allem Überfluß auch Auschwitz nicht fehlen darf - sei´s drum. Ihr letzter Satz allerdings, scheint mir, Ihr zutreffendster zu sein. Mit leichter Änderung wohlgemerkt: " Was schreib ich hier für einen Scheiß, geht es hier um mich?" und jetzt gönn ich mir erstmal einen Piccolo mit Kaviarbrötchen! Neidisch was?
zu Peter Stein 13
zu den fragen im forum zu meiner theaterästhetik
der leere raum:in meiner vision sollte in jedem ort ein theater sein, in dem das publikum nach jeder aufführung wie in einem plenum diskutiert, wahrscheinlich ist das ästhetisch nicht so hochstehend wie peter steins theater, aber es ist demokratisch.
deswegen bevorzuge ich auch theater wie das kleine bathhurst street theatre in toronto, dort geht es nicht nur um perfektion oder hohe schauspielkunst, diese theaterkunst ist nicht so überhöht, fehlerfrei, perfekt und museal wie steins theater.
ästhetisch hochstehendes theater liefert peter brook ab, der glaube ich mehr zu sagen hat als peter stein. wenn es um magie am theater geht,ist robert lepage unübertroffen.
uli wahl ajiiic mexico
zu Peter Stein 14
Zu Gasts letztem Kommentar:Jemand hat gesagt, Brecht hätte gewollt, daß jedermann gleich denkt. Ich möchte, daß jedermann gleich denkt. Aber Brecht wollte es sozusagen durch den Kommunismus Hier in Amerika geschieht es ganz von selbst.Es ist schwer, schöpferisch zu sein, und es ist auch schwer, nicht zu glauben, daß das, was man tut, schöpferisch ist und schwer, nicht schöpferisch genannt zu werden, weil jedermann beständig darüber redet und über Individualität. Jedermann ist immer schöpferisch. Zitat von Andy Warhol:
Stein ist schöpferisch tätig. Er ist ein Genie. Sicher hat er wenig Not gelitten, sein Vater war ein Industieller. Stein ist genauso wichtig oder unwichtig wie Artaud. Ich liebe die Verwirrtheit. Die Verwirrtheit ist schöpferisch fruchtbar. Jeder ist ein Künstler. Auch Gast. Wir müssen uns ja nicht verstehen. Die Not in der Welt ist groß genug. Jeder Künstler müsste erstmal für ein Jahr in einem Bergwerk arbeiten. Van Gogh lebte für geraume Zeit unter Kumpels (Untertagebau) in Belgien. Natürlich kann es nicht nur Radikale und Heilige in der Kunst geben. Das Stadttheater in Bremerhaven muss auch überleben. Wichtig ist, dass Kunst oft umstritten ist.
Ja-Sager gibt es genug. Natürlich sieht das jeder anders, wenn man danach fragt, ob man sich nicht schuldig macht ( an der Zukunft der Menschheit), wenn man ein Auto fährt. Für den Bau eines Autos werden sehr viel Ressourcen verbraucht, ganz zu schweigen vom Erdöl.
Sicher ist bekannt, dass in Erdölförderungsländer eine hohe Umweltverschmutzung besteht. Vielleicht hat das nichts mit dem Theater zu tun, aber in der Differenz der Differenz schon. Klar ist, dass heute alles zerfasert ist, damit auch die Wahrheit. Früher ging es velleicht nur um Gut und Böse,
heute ist alles komplexer. Ich kann was ich heute sage, morgen schon widerrufen.
Deswegen sage ich, trotz meiner Krtik an ihm. I love Peter Stein. I love Cocacola:
uli wahl ajiic mexico
zu Peter Stein 15
Viele Dank für die inhaltlichen Äußerungen!
hierzu einige Gedanken:
1.(Publikums-)Diskussionen nach der Vorstellung gibt es an jedem deutschen Stadttheater zur Genüge. Gnadenlos demokratisch. Jeder darf seinen Senf ungefiltert abgeben (fast wie hier im Forum...).
2.Das von Ihnen erwähnte Theater in Toronto kenne ich nicht, glaube aber nicht, daß die dort agierenden Künstler nicht ebenfalls großen Wert auf Perfektion und "Schauspielkunst" legen würden.
3.Was Peter Brook angeht: siehe oben( kenne kaum "perfektere" und anspruchsvollere Schauspieler)
4.Wenn man sieht, wie in dieser Gesellschaft Jeder zu Jedem etwas "zu sagen" hat, empfinde ich es als wohltuend,daß jemand mal nichts "zu sagen" hat.
MfG
Luc Perceval wendet ein (nicht Luk Perceval!)
leute ihr könnt doch nicht ernsthaft kommentare freigeben, die mit luc perceval, sebastian nübling oder friederike heller submitted sind!
Zu Peter Stein 16 (Dramolett)
Gast Kommentar No.21
Peter Stein und die Zukunft des Theaters
Bascha Mika, Taz: Um welche Themen wird es am Theater gehen?
Uli Wahl, Freidenker: Um den Kapitalismus. Wenn die Kapitalisten nicht zu teilen lernen, wird der Kapitalismus hingweg gefegt, dabei werden Uli Wahl oder Peter Stein nicht gebraucht, die Menschen werden sich organisieren, mittels Internet mit Consumerpower, bestimmte Artikel von bestimmten Konzernen werden nicht mehr gekauft,
Walmart in den USA wird boykottiert.
Rene Pollesch, Regisseur: Das ist witzig.
Uli Wahl, Freidenker: Im jeden Fall wird es um Sex gehen. In jeder Revolution geht es um Sex. Die USA wird der Ausgangspunkt dieser Revolution sein, eine gewaltfreie Revolution.
Rene Pollesch, Regisseur: Wird Goofey eine Rolle spielen?
Uli Wahl, Freidenker: Goofey wird ein Meinungsmacher sein.
Bascha Mika, Taz: Wo wird Peter Stein sein?
Uli Wahl, Freidenker: Er wird Friedrich Schiller auf dem Times Square lesen.
Zu Stein über Stein und aus Stein heraus. Noch ein Dramolett
Zu Gasts Kommentar über demokratische Debatten am deutschen Stadttheater.Wallenstein Projekt, ein Kheinz Braun Monlog
Peter Stein: Wieso muss ich mich andauernd wiederholen. Es wird nur eine einzige Geschichte am Theater erzählt, es geht um Liebe und Tod. Als ich überlegte an der Schaubühne Hamlet zu inszenieren, gab es Streit zwischen Bruno Ganz und Paul Burian. Beide wollten die Rolle des
Hamlet übernehmen. Zum ersten Mal merkte ich, dass am Theater die Menschen nicht besser waren als draußen in der kühlen Welt. Vor der Welt hat sich nicht nur Hamlet gefürchtet, sondern ich selbst. Mein Vater war so übermächtig, psychoanlytisch gesehen, hatte ich da immer ein Problem. Es ist nicht wahr, dass ich nicht gelitten hätte, die Rolle meines Vaters in der Nazizeit? Ich wollte deswegen den König in Hamlet in Naziuniformen stecken, das war mir aber dann zu plakativ. Peter Handke war übrigens in der Kantine beim Streitgespräch mit Paul Burian und Bruno Ganz mit am Tisch gesessen, er hat zunächst nur geschwiegen. Handke sagte später, auf der Bühne ginge es um einen Kreuzzug der Verwirrtheit. Mir war immer suspekt, dass Helmut Schmidt oder Kohl mich nie zum Frühstück eimluden. Ich wäre gerne Kulturminister geworden. Handke hat nie überwunden, dass ich ihm vorwarf, dass er sich besser mit Peymann vesteht als mit mir. Den Plagiatvorwurf meinerseits hat Handke entkräftigt. Meiner Meinung nach hat Handke von Camus abgeschrieben, als er neurasthenisch "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter" verfasste. Seine Blaupause war "Der Fremde" von Camus. Sicher kann man darüber streiten, ob Camus poetischer ist als Handke. Der Erstling "Die Hornissen" war kein perfektes Manuskript, aber Unseld hat ihn gefördert, während Luchterhand das Manuskript abgelehnt hat. Die Publikumbeschimpfung war genial, sprachlich steht aber Kleist über Handke. Kleist ist für mich ein Gott. Allerdings war Botho Strauß dafür - damals Dramaturg - "Prinz von Homburg" in einem bordellähnlichen Terrain zu inszenieren, also in einem Feld- oder Kriegspuff, das war aber zu ordinär und frivol. Glauben Sie nicht, dass ich eine goetheähnliche Statur annehme? Das Establishment hat mich nie gejuckt, ich war immer schon Establishment. Im Übrigen gab es Geheimgespräche zwischen Castorf und mir. Castorf ist in einer Diktatur aufgewachsen. Er hat seinen Chef-Dramturgen entlassen. Den Hegemann. Es ging in der Debatte der beiden um die Begriffe, ob es um Texttheater oder VHS-Theater ginge. Das Celine-Projekt (Gare du Nord) von Castorf finde ich geil, würde ich ihm gegenüber nie zugeben. Glauben Sie mir, ich esse gerne Spaghetti a la olio, wenn ich auf meinem Bauernhof in Italien bin. Tag und Nacht lese ich Schiller. Mein Grab wird unter einem Olivenbaum ausgehoben. Heute am Theater? Das sind alles Wegwerftexte. Fast Food-Regie, vermischt mit schriller Musik. Riffs der Einsamkeit. Bilder wie aus der Werbung. Hier wird Kino und Filmsprache nachgeahmt, während ich Stilleben ähnliche Rembrandt-Bühnenbilder bevorzuge. Der Vollbart zu Brandauers Wallensteinfigur ist mir nachts auf dem Klo eingefallen. Ich antworte Zynikern nicht mehr. Punktum. Die neue Hall-of-fame für Theaterschaffende werde ich unterstützen. Ich werde einen Shawl von mir spenden. Der erste Stock wird Peymann gehören. Es wird archiviert die Stammheimer Zahnarztrechnung von Andeas Baader, die Peymann bezahlt hat. Christian Klar wird Hausmeister in der Hall-of-fame. Nichtmal Franz Xaver Kroetz lass ich als Literat durch. Deutsche Literatur? Das bedeutet Doppeldeutigkeit. Metaphern und nochmal Metaphern. Und Goethe. Klar, Hölderlin war verrückt. Und Schillers Glocke habe ich nicht verlernt. Ich war immer ein Kind.

Uli Wahl Ajiic Mexiko
Peter Steins Wallenstein: aktuell wie nie
Steinzadekpeymannkortner
Schön, diese Kommentare! Da lesen wir von diesem und jenem, von Revolution, von Onanie gar (was ja psychologisch untersucht vielleicht was ähnliches ist). Ob Herr Stein oder all die anderen großen Regisseure (siehe oben) flachköpfig tiefenpsychologisch analysiert werden oder gar nach einer gesellschaftlichen Relevanz gegeilt wird - ich gestehe hier ich habe ab dem Tasso fast alles von Peter Stein gesehen. Was ich immer bewundert habe und nicht nur bei ihm (siehe wieder oben) er öffnet mir den Geist macht mich frei von der eigenen Konvention im Denken. Wallenstein im klassischen Gewand aktuell wie nie.
Und wenn sie es nicht verstehen ist immer der Regisseur schuld niemals nicht die eigene Beschränktheit gell
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