Der Kongress tanzt

von Esther Slevogt

Berlin, 11. April 2010. Schauplatz Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz. Der mit schwarzer Folie ausgeschlagene Zuschauerraum (aufmerksame Fernsehzuschauer kennen das Material von den Leichensäcken, in denen Verbrechensopfer in Fernsehkrimis in die Pathologie oder zum Bestatter geschafft werden), sieht heute besonders unheimlich aus. Die Sitzsäcke sind weggeräumt und eine Plastikbestuhlung eingebaut. Wir schreiben Tag drei des Bankentribunals, das vom globalisierungskritischen Netzwerk "attac" und der Volksbühne einberufen wurde – ein "zivilgesellschaftlicher Prozess", wie es in der Ankündigung hieß, der an diesem Wochenende den Verursachern bzw. Verantwortlichen für die Finanzkrise gemacht werden sollte.

Verantwortung für die Krise

Heute steht die Urteilsverkündung auf dem Programm. Entsprechend feierlich haben sich die Parteien erhoben: links die Ankläger in Person des Politikwissenschaftlers Elmar Altvater, des Juristen und Gewerkschafters Detlef Hensche, der Betriebswirtin, Unternehmensberaterin und attac-Aktivistin Astrid Kraus und Conrad Schuhler, Leiter des Instituts für Sozial-Ökologische Wirtschaftsforschung. Rechts die Verteidigung, also Robert von Heusinger, Leiter des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Rundschau, die gleichzeitig Medienpartner der Veranstaltung ist. Des weiteren Ex-Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Kaden, der Berliner Staatsrechtler und Rechtsanwalt Henner Wolter sowie der globalisierungskritische Publizist und Weed-Aktivist Peter Wahl.

In der Mitte hatte sich das Gericht erhoben, bestehend aus dem Darmstädter Sozialrichter, Familienrechtsspezialisten und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von attac, Jürgen Borchert, dem Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach, ebenfalls im wissenschaftlichen Beirat von attac, Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der "taz", der Geschäftsführerin des Kinderhilfswerks "Terres des Hommes" Danuta Sacher, sowie Karl Georg Zinn, seines Zeichens Wirtschaftswissenschaftler.

Wo sind die Angeklagten?

Lediglich die Angeklagten sind nicht anwesend: Angela Merkel und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Bankmanager Hans Tietmeyer. Alle jedoch, so versichert der zur Veranstaltung erschienene Reader, hätten ordnungsgemäße Vorladungen erhalten. Die an Angela Merkel ist sogar abgedruckt. Staunend liest man, dass der deutschen Bundeskanzlerin darin sogar das Recht eingeräumt wurde, "eine andere Person zu ihrer Verteidigung zu bevollmächtigen". Was diese natürlich nicht getan hat. Schließlich handelt es sich um ein Tribunal, das sich selbst eingesetzt hat, eine Art Volksgerichtshof sozusagen, welches sich unter Ignorierung des demokratieüblichen Prinzips der Gewaltenteilung selbst ermächtigt hat. Oder wird hier nur Theater gespielt? Dann hätte Angela Merkel noch weniger Gründe gehabt, zu erscheinen. Denn sie wurde nicht gecastet, sondern demokratisch gewählt.

Es muss bei der Veranstaltung mit dem Titel "Bankentribunal" zunächst also eine gewisse Deregulierung sowohl des Theater- als auch des Symposionsgedankens konstatiert werden. Was angesichts der Tatsache, dass die Urteilsverkündung nach den Folgen der deregulierten Finanzmärkte auf das demokratische System fragte, nicht ganz unwichtig ist. Denn das brachte am Ende Jürgen Borchert noch einmal auf den Punkt: was zum Beispiel eigentlich davon zu halten ist, dass die Fachbeamten der Regierung im Finanz- und Justizministerium inzwischen ebenso wenig in der Lage seien, die komplexe Finanzgesetzgebung zu verstehen wie der Bürger, dass diese Gesetze also zunehmend von internationalen Kanzleien erarbeitet würden, zu deren Klienten auch Banken gehörten, Gesetzesarbeit also zum verdeckten Lobbyismus verkomme.

Diskret-totalitärer Appeal

Ein wichtiger Punkt, wie überhaupt viele wichtige Punkte auf dieser Veranstaltung mit dem unglücklichen Titel "Tribunal" verhandelt wurden, die "Richter" Friedhelm Hengbach auch als "Form eines symbolischen Protests" bezeichnete. "Es war uns klar, am Schluss können keine Handschellen klicken," sagte Jutta Sundermann, Mitbegründerin der deutschen Sektion von attac am Ende. Die Angeklagten waren ohnehin nicht erschienen, und eine Exekutive, die das Urteil kurzfristig hätte vollstrecken können, weit und breit nicht in Sicht.

So ging also von diesem, in Abwesenheit der Angeklagten tagenden Gericht nicht nur der diskret-totalitäre Appeal eines Femegerichts, sondern auch der süße Duft der Vergeblichkeit aus. Zwar verdankt man der Veranstaltung als Transparenzinitiative grundlegende Einblicke in die fatalen Schieflagen gegenwärtiger neoliberaler Wirtschaftspolitik und fataler Verflechtung von staatlicher und eigenwirtschaftlicher Interessen. In diesem Kontext warnte Jürgen Borchert eindringlich vor einem Umschlagen der Debatte in Gewalt und sozialen Unruhen in diesem Land. Noch sei es Zeit, so Borchert, hilfreich argumentativ auf die Debatte einzuwirken, wozu er mit seiner Mitwirkung einen Beitrag leisten wolle.

Volksgerichte und ihre unheimliche Geschichte

Wobei es einerseits ja so ist, das selbsternannte Volksgerichte und Revolutionsgerichts-Symbolik auch schon ein Stück demokratische Unterwanderung sind. Wie immer man das bewerten mag. Andererseits muss man sich fragen, ob Veranstaltungen dieser Art, mit denen das Theater sich gern als Ort gesellschafspolitischer Auseinandersetzung brüstet, tendenziell nicht eher an der Ästhetisierung und auch Degradierung politischer Diskurse zur Publikumsbespaßung arbeiten, ob sie nicht Teil einer revolutionsromantischen Marketingstrategie sind, tatsächlich aber nur das eigene Klientel erreichen und sonst nix. Das hier Bewegung im luftleeren Raum eher simuliert, als tatsächlich ausgeführt worden ist. Denn hier wird ja vor allem Theater gespielt, mit gecasteten Spezialisten, die ihre Rollen zu spielen hatten, und zu dem nahezu alle aus dem Dunstkreis der attac-Lobby stammen.

Auch wäre noch zu protokollieren, dass jeder Tribunaltag mit Musik und Party endete. Wie sagte es so schön beim Wiener Kongress vor knapp 200 Jahren der belgische Fürst in Habsburger Diensten, Charles Josef von Ligne: "Le congrès danse beaucoup, mais il ne marche pas."

 

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Kommentare  
Bankentribunal: Recht auf Widerstand
Verehrte Frau Slevogt –

die Bezeichnung 'Tribunal' bezieht sich auf das 1966/67 von Bertrand Russell und Jean-Paul Sartre ins Leben gerufene Kriegsverbrechen-Tribunal zum Vietnamkrieg, welches sich seinerseits auf das alliierte Kriegsverbrecher-Tribunal von Nürnberg bezog und seither immer wieder als Modell herangezogen worden ist, wenn es darum ging, zivilgesellschaftliche Einsprüche zu formulieren. Sartre erklärte 1967: „ Wir haben das Recht, uns als Bürger zu versammeln (und) zu zeigen, dass jede Politik gemäß den gegebenen juristischen Kriterien objektiv beurteilt werden kann und muss.“ Erst im März dieses Jahres fand nach diesem Vorbild in Barcelona ein internationales „Russell-Tribunal Palästina“ statt, bei dem es um die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen in den von Israel besetzten Gebieten ging.

Den rechtlichen Rahmen des Bankentribunals bildet das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Hier von „Volksgerichtshof“, „Femegericht“, „Ignorierung des demokratie-üblichen Prinzips der Gewaltenteilung“ zu sprechen, verstößt in gleich mehrfacher Form gegen unsere Verfassung und die von ihr gewährleistete Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die „Selbstermächtigung“, von der Sie kritisch schreiben, geht mit Artikel 20 Abs. 4 des Grundgesetzes konform, der den Deutschen unter bestimmten Umständen das Recht auf Widerstand einräumt. Sie ist zugleich das Ergebnis des Versagens nahezu aller anderen demokratischen Kontrollinstanzen, ein Versagen, das sich in Ihrem Feuilleton auf farcenhafte Weise spiegelt.

Unüberhörbar auch Ihr als Empfindsamkeit geschminktes gesellschaftspolitisches Ressentiment: Sie sprechen von „Degradierung politischer Diskurse zum Zweck der Publikumsbespaßung“ – wo doch zum einen der Degradierung dramatischer Literatur zu eben demselben Zweck auch bei 'nachtkritik' gerne zugearbeitet und zum anderen an der Degradierung jeglichen "politischen Diskurses" zum Zweck der Publikumsverblödung von den Ghostwritern der Bundeskanzlerin bis zur BILD-Zeitung einträchtig gewerkelt wird. Sie schreiben besorgt von dem „unguten Gefühl, dieses Tribunal könnte selbst bereits Zeichen der Atomisierung der Gesellschaft in einzelwirtschaftliche Interessensgruppen ohne Verankerung in einem demokratischen Ganzen sein“ – erstens kann von einer solchen „Atomisierung“ gar keine Rede sein (es handelt sich um eine Phrase), und zweitens muss man schon sehr verstockt auftreten, um ausgerechnet in einem dreitägigen demokratisch motivierten Meeting von rund tausend Menschen (die Nutzer des Livestreams nicht gerechnet) Zeichen für einen Mangel an „Verankerung in einem demokratischen Ganzen“ zu erblicken. Auch ist die scheintiefsinnig gestellte Frage, ob „Veranstaltungen dieser Art“ (!) „nicht Teil einer revolutionsromantischen Marketing-strategie sind“ spätestens angesichts des Umstands, dass die Folgen der sogenannten Finanzkrise weltweit (neben unmäßiger Bereicherung) gesteigertes Elend hervorrufen, nicht einmal mehr zynisch zu nennen. Sie schreiben gehässig vom „Dunstkreis der attac-Lobby“ und monieren, dass die das Tribunal bildenden Teilnehmer ihm „nahezu alle“ entstammen würden. Es handelte sich um eine Veranstaltung von attac, verehrte Frau Slevogt (keine andere Organisation hat Vergleichbares zuwege gebracht) - und wo, bitte, verfügt attac über eine Lobby, die der der Finanzwirtschaft (um nur diese zu nennen) auch nur annähernd vergleichbar wäre?

Gruss –

Steckel.
Bankentribunal: Vorgaukelung von Macht
guten morgen,
aus meiner sicht hat sich die veranstaltung mit diesem expliziten rekurs auf das russel-tribunal keinen gefallen getan. beim russel-tribunal handelte es sich um eine spektakuläre form, eine gegenöffentlichkeit herzustellen, um kriegsverbrechen anzuprangern. und zwar zu einer zeit, als auch der investigative journalismus noch unterentwickelt war. es fand nämlich statt in einer zeit (1966), als journalisten noch verhaftung und gefängnis riskierten, die enthüllend über militärische verwicklungen, verbrechen und kriegerische aktivitäten berichtet haben.
wenn nun unter der überschrift "tribunal" in einem theater sich eine ngo mit den ursachen und verantwortlichen der finanzkrise befasst, und dafür die form eines rollenspiels wählt (und damit ihre eigenen protagonisten sozusagen fiktionalisiert), dann verharmlost sie ihr wichtiges anliegen, in dem sie es theatralisch aufbläst und ihm ohne not einen fiktionalen rahmen gibt. das kann man machen, sollte sich aber dann nicht wundern, wenn man nicht so ernst genommen wird, wie man es verdient hätte. auch sind beispielsweise die vorladungen an die "angeklagten", die ja wirklich erfolgt sind (wie in einem fernsehspiel ohne grenzen) wirklich lachhaft und haben in ihrer simulation eines gestus von staatsgewalt bzw. selbstermächtiger gerichtbarkeit etwas gruseliges für mich.
gerade die theater sollten nicht an der weiteren verwischung der grenzen von wirklichkeit und inszenierung mitwirken, wie sie medien und auch die pr-strategen der politischen parteien betreiben, sollten leute sensibilisieren für inszenierungen und simulationen, statt ihren eine macht vorzugaukeln, die sie nicht haben. damit verfehlen sie in grotesker weise das, was ich für ihren auftrag halte.
schöne grüsse
esther slevogt
Bankentribunal: grotesk aufgebläht
@2 - mich haben da sehr ähnliche Empfindungen davon getrieben. Speziell das Anmaßende gehabe, das Ersatzhandeln - erinnerte mich an Leonce und Lena, an den Königshof, an diese grotesk aufgeblähte Attitüde von vermeintlicher Autorität.
Mir kam es sehr befremdlich vor, das ausgerechnet das Theater, das sich besonders eignet - ähnlich der Literatur - in Bereiche zu leuchten, die mit gutem Recht sonst im Schutz von Intimität sich ereignen - sich zu bildzeitugshafter Skandalangeberei hinreißen lässt. Solche Anbindung von Politik an Theater führt zur Schwächung der Position von Theater im Ringen um gemeinsames Schauen auf wenig Sichtbares. (PS: wir sind nur Potsdamer Pädagogen, aber Theater schätzen wir sehr - Seminar - klar?)
Bankentribunal: Dramen-Missbrauch bei nachtkritik.de?
Lieber Frank-Patrick Steckel,

Esther Slevogt hat bereits Wesentliches erwidert auf Ihren Kommentar und damit hoffentlich zur Klarstellung beigetragen.

Nun schreiben Sie aber en passant: "Sie sprechen von 'Degradierung politischer Diskurse zum Zweck der Publikumsbespaßung' - wo doch zum einen der Degradierung dramatischer Literatur zu eben demselben Zweck auch bei 'nachtkritik' gerne zugearbeitet wird".
Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf verfallen?
Vielleicht darf ich Sie auf die nachtkritik-Stücke Seiten 08 und 09 aufmerksam machen, wo wir uns dezidiert und ausführlich mit Gegenwartsliteratur und der dazugehörigen Aufführungspraxis auseinandergesetzt haben. Wie wir es übrigens in diesem Jahr auch wieder tun werden.

Überdies versuchen wir von neuen Stücken auch in der sogenannten Provinz zu berichten, wobei die Korrespondent-innen, wie Ihnen aufgefallen sein wird, oft besonderen Wert auf die Darstellung der Stückinhalte und der Sprache legen.

Ich weiß also wirklich nicht, worauf Sie hinaus wollen mit Ihrem Vorwurf, wir leisteten dem Missbrauch von Literatur zur Bespaßung unseres Publikums Vorschub.

Wobei..., eine letzte Anmerkung, wozu dient denn dramatische Litaratur oder dient sie gar nicht, sondern stellt einen Wert an sich dar?
Ich dachte dramatische Texte würden als ein wesentlicher Bestandteil - wesentlich ja, aber nur als einer unter mehreren - bei der Herstellung von Theateraufführungen "dienen".
Ist das falsch?

Herzlich
nikolaus merck
Bankentribunal: Wer kann von Ideen berichten?
Eine Frage: was hat das tribunal gebracht ? welche ideen, gedanken, konsequenzen ? kann da jemand berichten ?
Bankentribunal: Parallelgerichtsbarkeit
Bin ich tatsächlich der Einzige, der es seltsam findet, wenn in einer demokratischen Gesellschaft NGOs - die sich zu keiner Zeit demokratisch legitimieren lassen müssen (etwa durch Wahlen) - plötzlich (und sei es nur im theatralen Kontext) Parallelgerichtsbarkeiten aufbauen, die noch weniger demokratisch legitimiert sind als die zu Grunde liegenden Vereine und Gruppierungen? Das Ganze mag als "Spiel" gedacht sein - warum sonst im Theater? - ich finde aber, es ist ein schockierendes und bedenkliches Zeichen. Mich bringt es - bei grundsätzlicher Sympathie für viele Anliegen - eher dazu, mich von attac abzuwenden. Schade.
Bankentribunal: Moralpredigt in moralischer Anstalt
Hier wird Sartre zur Erklärung bemüht, für ein Tribunal von selbsternannten Globalisierungsgegnern. „Der Mensch ist voll und ganz verantwortlich“ mit seinen Taten „zeichnet er sein Gesicht“ und somit auch für die gesamte Gesellschaft. Ist er aber damit auch immer gleich ein Gesetzgeber wie Sartre behauptet? Eher doch nur in moralischer Hinsicht.
Kann ich ein moralisches Urteil über andere fällen? Denn nichts anderes ist dieses Tribunal als eine Moralpredigt an die Politik und die Wirtschaft. Das Theater mal wieder als moralische Anstalt mit attac als Protagonist? Hat das Theater nicht als moralische Anstalt ausgesorgt? War es hier nur Mittel zum Zweck, die Polis, die Hülle für ein pseudodemokratisches Spiel? „L'État, c’est moi!“ möchte man da sagen, um noch ein französisches Bonmot zum Besten zu geben. Es ist nicht so sehr das Motiv oder der fehlende demokratische Hintergrund, was nachdenklich stimmt, sondern der Alleinanspruch von attac hier in dieser Form als Ankläger und Richter gleichzeitig aufzutreten.
Der einzige Schwachpunkt an Esther Slevogts Kritik ist der abschließende Satz: "Le congrès danse beaucoup, mais il ne marche pas." Ich denke weiter gehen wird es schon, man weiß nur nicht so recht in welche Richtung.
Bankentribunal: einige Antworten
Liebe Frau Slevogt -

der investigative Journalismus ist, mindestens was die Finanzwirtschaft angeht, nach wie vor unterentwickelt, das zeigt eine Studie von Hans-Jürgen Arlt (der als Zeuge beim Tribunal anwesend war) und Wolfgang Storz. Wäre dem nicht so, wäre das Tribunal nicht nötig geworden.

Sehr geehrte Potsdamer Pädagogen –

Sie sollten mehr griechische Tragödien lesen, mehr Corneille, mehr Racine, mehr Shakespeare – und mehr Brecht, mehr Jelinek, mehr Handke...

Verehrter Herr Merck –

wenn Sie mich schon fragen: Ja, das ist falsch. Das Theater dient dem Text, der Text ist mehr als das geschriebene Wort.

Dem Einsender zu 5. empfehle ich die Lektüre des Readers zum Tribunal und das Studium des Urteils.

Den Einsender zu 6. bitte ich, sich künftig ähnlich heikel wie im Falle des Tribunals gegenüber den zahllosen demokratisch nicht legitimierten Maßnahmen und Schulterschlüssen von Bundesregierung und Finanzwirtschaft zu positionieren.
Bankentribunal: Einfach der Ohnmacht hingeben?
Das mag alles richtig sein, Stefan... aber ohne Ansicht des Ergebnisses, nur mal so als Zwischenfrage: Finden Sie das Geld (als Mittel zum Zweck), die Märkte, Globalisierung etc. "demokratischer" als "Moral"? Und was soll so etwas bedeuten wie "selbsternannte Globalisierungsgegner"?
Was Sie schreiben impliziert Hinnahme, ja Ohnmacht Entwicklungen gegenüber, denen man sich als als Korrelativ, ggf. als Bremser ganz sicher entgegenstellen darf. Ob im/als Theater, ob als NGO, als Individuum. Oder ist der Begriff einer Moral Ihres Erachtens derart abgenutzt und diskreditiert, dass man ihn nicht mehr denken oder anwenden darf? Das Theater als politischer Ort, als Raum von Diskursen, ist das dann nicht wirklich tot?
Und darf sich in Debatten maximal einbringen gegen Schließung(en) von Theatern?
Bankentribunal: Theater als Textdiener?
Aber lieber verehrter Frank-Patrick Steckel,

wie kommen Sie denn bloß darauf, dass das Theater dem Text zu dienen habe? Wer hat das denn dekretiert?

Herzlich
nikolaus merck
Bankentribunal: Bitte zurück zu den interessanten Fragen
Tut mir leid, aber mich interessiert dieses Gesülze über Text und Theater null. Warum werden hier denn nicht die eigentlichen Fragen, die der Text angestoßen hat, diskutiert und stattdessen mit Gewalt die Debatte auf völlig irrelevante Fragen umgeleitet?
Bankentribunal: humorlos aufgeblasen
Offen gestanden: Dem Eindruck des "Aufgeblasenen"
kann ich mich da nur sehr schwer erwehren, wenn es
da "Tribunal" heißt, es aber auf der anderen Seite, ich habe mir das schildern lassen und hätte auch vermutet, daß das so wirkt, gerade an der Ironie bzw. dem Humor fehlt bei den Beteiligten, der irgendwie anzeigt, wie weit "wir" von "Tribunal" und "Tribunalsbegründungen" doch eigentlich entfernt sind: Genügend der Leute, die quasi die Angeklagten wirklich irgendwie in der Pflicht sahen, tatsächlich leibhaftig dort zu erscheinen: vor dem Tribunal, wie alle eine Rolle spielend, hier, im Falle der Angeklagten, aus Zeitmangel, die Rolle selbst einzustudieren, mit attac-Souffleuse.
Genügend der Leute mit dem "Sind die feige" auf den
Lippen; das nenne ich selbstgerecht, unfair, nicht gut durchdacht und deswegen letztlich auch eher kontraproduktiv in meinem Verständnis.
Die Wahl der "theatralen Form" hätte gewiß auch bei den Machern der Veranstaltung mehr Corneille, mehr
Racine, mehr Shakespeare - und mehr Brecht, mehr Jelinek, mehr Handke bei alledem nicht geschadet:
gerade Handke und Jelinek nicht !
Handke hat bekanntlich selbst von einem Tribunal geschrieben, einem anderen, das hier bemerkenswerterweise nicht erwähnt wird, obgleich es bedeutend zeitnäher ist !!, und gerade dieser "Souffleusen required"-Punkt hätte ihn mit Sicherheit, egal wie berechtigt das Anliegen auf der anderen Seite auch ist bzw. sein mag, von vornherein gegen das "Tribunal" eingstellt: das "Milosevic-Tribunal" war ihm ja schon zu sehr nach Drehbuch, und auch darin hatte er desmeist gute Beobachtungen und Argumente zu bieten, wie erst ein solches attac-Tribunal, das diese Drehbuchschule nur fortsetzt, nur vertieft, dabei durchaus einer Logik folgend, die andererseits auch vom Theater her
allerdings gegeben ist: siehe Rimini-Aktionärsversammlung: War zweitere -als spezifisch an der Theaterentwicklung orientierte- Veranstaltung nicht viel überzeugender als das hier, fast logisch folgende, Gegenstück von "Nichttheaterseite" her,
eben ohne sich in all die Souffleusen-Schwierigkeiten
zu verwickeln und einer "Wo die sich aufpumpen, tun
wir es auch"-Masche zu folgen ??
Der Überschuß einer theatersituationseingedenken
Veranstaltung: will sagen, eines Theaterabends, wird
freilich wohl immer auf seine Moralität hin befragt werden; in der Potenz ist die Anstalt "Stadttheater"
schon als Möglichkeit angelegt, auf unsere moralischen Selbstverhältnisse zu wirken, eben: wie es nur Theater kann: diese Möglichkeit zur Moral, die mit allem Wünschenswerten im Leben von Personen zusammentrifft, diese Möglichkeit von Moral, ist die moralische Frage als Wirklichkeit für die Darsteller, Performer, Spieler und hat immer schon den Löwenanteil der Strapazen eines "SpielerInnenlebens" ausgemacht.
Ich denke auch nicht, daß Frau Jelinek Ihre "Textflächen" baut, um sie von atacc-Aktivisten quasi mit dem Allerwertesten wieder eingerissen zu bekommen !
Und der Griechenlandverweis: Naja, wenn dann wirklich die eine Polis die andere überrannte, versklavte dann, ob das nicht eine regelrechtere Globalisierung darstellte ? Seit wann heißt das denn "Globalisierung" ??
Von den Kolonien her ? Den Indianern ?? Wohl kaum.
Jetzt, wo ein Land droht, seine Stellung als Exportweltmeister zu verlieren, was schon bei Schröder gleichgesetzt wurde mit "Demokratieverlust",
jetzt, wo oben, mitte, unten eine ziemlich einheitliche Inkassomentalität an den Tag legen, wo alles nach seinen Besitzständen greift, da heißt das Ding plötzlich "Globalisierung" , und ein "Wir" formiert sich dahinter, dem ich nicht über den Weg traue, nicht so sehr wie einem Herrn Steckel ... jedenfalls.
Bankentribunal: Go ahead, Greenspan!
Wohlan, diskutieren Sie, Meister Greenspan! Ich bin neugierig.
Bankentribunal: Wer im Glashaus sitzt
Als Einsender Nr. 6 erlaube ich mir mal, zu antworten: "Wer im Glashaus sitzt ...", damit hätte sich ihr Kommentar eigentlich erledigt. Ich kann nicht die Maßnahmen von Bundesregierung und Finanzwirtschaft als demokratisch nicht legitimiert kritisieren, und dazu ein demokratisch genausowenig legitimiertes Forum benutzen; nicht einmal im "Spiel". Insofern bringt mich ihr Kommentar fast ein wenig zum Schmunzeln, wenn er nicht auch Angst machen würde.
Die Frage wäre ja, wie man demokratische Entscheidungen sichert, und nicht, wie man noch mehr demokratisch nicht legitimierte Vereine, Foren usw... etabliert. Als Verein seine politische und wirtschftliche Meinung zu äußern, ist ja völlig in Ordnung (Und ungemein wichtig!) - ein "Tribunal" oder gar eine "Gerichtsbarkeit" für sich in Anspruch zu nehmen, zeugt jedoch von einem Fehlen jeglichen Gespürs für demokratische Prozesse.
Bankentribunal: anrührende Naivität
leider war es eine gemeinschaft von älteren menschen, die ohnehin dasselbe dachten und daselbe wollten und dasselbe wußten und sich gegenseitig bestätigten, wie wertvoll dies alles sein könnte. bewirkt hat es nichts. naivität hat es gezeigt und das ist ja anrührend, gerade im theater.
Bankentribunal: der Text dient der Erkenntnis
Liebe Alma Hoppe,
Geld ist Mittel zum Zweck, wie Sie schon sagten und somit nicht moralisch und schon gar nicht demokratisch. Der Zweck aber sollte es sein und da gebe ich Ihnen Recht.
Selbst ernannt haben sich die Globalisierungsgegner, oder wer hat es getan und in welchem Auftrag handeln sie? Es sind kritische Denker aus allen Teilen der Bevölkerung die sich einer sogenannten Nichtregierungsorganisation zusammengeschlossen haben. So weit so gut. Aber was sind sie denn wirklich? Außerparlamentarische Opposition? Welche Ziele verfolgen sie? Man kann einiges davon im sogenannten vorläufigen Urteil lesen: Regulierung der Finanzmärkte, Beteiligung der Gläubiger der Banken an den Kosten ihrer Rettung, Umverteilung der Steuerlast, Einschränkung des Lobbyistentums in der Politik, Einführung einer Bürgerversicherung statt Riester-Rente, Ausgleich durch die Finanzakteure und die Regierung für Schäden der Globalisierung in der dritten Welt (globalem Süden). Da sind Sie doch dem Programm der Linken sehr nahe. Also warum sich noch als NGO bezeichnen, wozu dieses inszenierte Spektakel? Sitzt doch die Linke bereits in Länderparlamenten, kann also zumindest über Landesbanken mitbestimmen. attac rufen nach dem regulierenden Staat und müssten ihn doch abschaffen, wenn sie alle ihre Ziele wirklich umsetzen wollten. Das mag jetzt vielleicht in ihren Augen Frau Hoppe, nach Ohnmacht klingen, wenn ich die sogenannte Moral kritisiere, aber von Hinnahme ist da keine Spur. Ich erwarte ein klares Programm mit erkennbaren Zielen und wie diese erreicht werden sollen. Ansonsten bleibt alles Spiel und dann haben sich attac auch das richtige Podium (übrigens subventioniertes Theater) ausgesucht. Dieser Selbstinszenierungsdrang aber wird attac eher zum Verhängnis, als das er sie ihrem Ziel näher bringt.

Ach, und Herr Steckel,
wenn das Theater dem Text dient, ist dann die Volksbühne jetzt der Bundestag oder ein Gerichtshof? Theater ist sehr wohl ein Podium für Gesellschaftskritik und Diskurs, aber weder als Legislative noch als Exekutive sondern immer noch als Ort der künstlerischen Kommunikation zwischen Darstellern und Publikum. Das können Sie überall machen und somit dient der Text der Erkenntnis und der Ort ist nebensächlich.
Bankentribunal: weg von Kleinigkeiten
Lieber Herr Merck -

Nr. 11 hat Recht - mit solchen Kleinigkeiten können wir uns in dieser Diskussion nicht abgeben!

Gruss!
Bankentribunal: beim Spiel bleiben
@ Frank-Patrick Steckel

Nein, Herr Steckel, ich finde es durchaus nicht, daß § 11 so sonderlich Recht hat, zumal Herr "Greenspan" kein Yota hinzufügt, worum es ihm in dieser Angelegenheit geht. Meine Bemerkungen beziehen sich vor allem darauf, daß ich die Veranstaltung der Anlage nach für unglücklich halte: Man muß sich nur einmal vorstellen, die sogenannten Angeklagten wären jetzt wirklich erschienen ...: und dann all diese vorgefertigten Sachen, der Souffleusenbudenzauber; das wäre vermutlich wirklich eher ein Desaster geworden !
Und Stefan hat mit seiner Anmerkung über die "LINKE"
gewiß Recht: selbst die "Verschiebung" dergestalter
Aktionen auf die Ebene sogenannter NGOs erscheint
mir mehr eine insgeheime Einwilligung zu sein, mehr global als möglichst mit Bodenhaftung (siehe SOZIALVERPFLICHTUNG DES EIGENTUMS im § GG 15)
zu diskutieren, mindestens unklug.
Degradierung moderner Dramatik, Vorschub, bei nacht-
kritik de., qua Redaktion ?
Ein eigenartiges "Argument": "Du machst es doch selbst so ...", oder wie ?
Nun, ich gehöre der nachtkritik de.-Redaktion nicht an, und es gibt hin und wieder auch Sachen von der Redaktion her, die ich nicht verstehe: Aber, wenn ich den Eindruck hätte, hier würde der Degradierung moderner Dramatik Vorschub geleistet, dann würde ich
mich hier nicht beteiligen; zudem empfinde ich das, was einzelne Nachtkritiker so schreiben, keineswegs als auf eine Linie getrimmt, und, Stefan erwähnte es anderenorts (im Wahl-Thread über "Authentizität"),
hier sind schon Diskussionen geführt wurden, teilweise 1-2 Monate bevor ich das in Theater Heute und Theater der Zeit zB. dann teilweise vertieft aufgegriffen fand (wie im Falle des Herrn Carp in Oberhausen !); das wissen Sie, der sich zB. im Köln-Thread engagiert geäußert hat, im Grunde genommen auch wissen, denke ich, und würdigen können.
Gewiß, auch jetzt sind Sie sicher mit ganzem Herzen dabei: aber ich sehe keinen Grund, da jetzt mit Federstrichen drüberzustreichen, wo vorher ganz offenbar sogar Verletzung war.
Im Falle der "Text"-Diskussion denke ich sogar, daß es ein ziemlich banales sprachpragmatisches, ein Sprachspielproblem ist, das Sie und Herrn Merck hier
trennte; ich vermute jedenfalls, daß Sie mit "Text" etwas recht Unterschiedliches meinen und zudem der
Begriff "dienen" kratzen mag.
Ich habe Sie so verstanden, daß Sie "Text" in einem sehr weiten Sinne gebraucht haben, was sich keineswegs auf Denotate beschränkt, "Text" also eher im Sinne dessen, was in der analytischen Kunstphilosophie "Type" heißt. Der Type "Kirschgarten", das "Token" (das dienende) zB. die Inszenierungen des Kirschgartens in Stuttgart und Leipzig; insofern wäre immer eine Art Text vorgelagert, selbst wenn performt wird: als eine Art von "erklärter (vielleicht gedachter)
Spielabsicht/Spielvorlage". Währenddessen ich Herrn Merck mehr bei einem engeren Textverständnis, dem
als Notat in etwa, vermute; und sonst hätte ich etwas falsch verstanden, und dann wäre mir das erst recht unliebsam, wenn das wegen Wichtigerem hier und jetzt nicht kurz eine Rolle spielen dürfte: denken Sie an die Lernenden hier, wie mich !
Andererseits muß ich Ihnen Recht geben, die Reaktion
im Stile von "Femegericht" etcpp. ist meineserachtens
gleichsam überzogen: Wenn Frau Slevogt dem Spiel gefolgt ist, mit all der unvorteilhaften Wirkung für das politische Unterfangen (das sehe ich auch so), dann müßte sie auch beim Spiel bleiben, und dann komme ich auch auf all diese Volksgerichtshofsachen nicht mehr. Warum der Eine eine Meinung frei nach GG kundtut (allerdings in einem subventioniertem Rahmen), der Andere (Frau Slevogt in diesem Falle) dann eben dieses GG mehrfach "bricht" im Zuge dessen, daß auch hier nur eine Meinung vertreten wurde, ist zuweilen Ihr Geheimnis.
Bankentribunal: da freuen sich die Gentrifizierer
ach wenn doch alles so einfach wäre wie oberlehrer steckel meint. das tribunal war cool für die volksbühne, die volksbühne ist cool für den prenzlauerberg, da freuen sich die gentrifiziererer. anarchie, subversion, rebellion, juhu, das ist so cool und steigert die immobilenwerte. die spekulantenbläser sagen: dankeschön. warum macht der steckel nicht politik, sondern probiert durch krise und rebellionsgepose mehrwert für seine eitelkeit zu schaffen ? ach diese verblendungszusammenhänge...
Bankentribunal: Kunst, Politik und Alternativen
Ein attac-Kongress zum Thema der Finanzkrise und deren sozialen Folgen ist auch für mich zunächst einmal unbedingt lobenswert, da auch der ökonomisch weniger versierte Laie sich hierüber das für die politische Aktion notwendige Wissen über die entscheidenden thematischen Zusammenhänge aneignen kann.
Doch stellt sich hier für mich im nächsten Schritt sofort die Frage, ob es eigentlich sinnvoll ist, die Grenze zwischen Politik und Kunst - wie hier (ansatzweise) geschehen - aufzulösen. Nimmt es der Dringlichkeit der Thematik nicht den nötigen Ernst, wenn eine politisch relevante NGO ein Tribunal der Stellvertreter inszeniert? Wird der Eingriff in die Verhältnisse durch das im Theaterraum geltende "Kunstetikett" nicht eher irrelevant gemacht? Wird das politische Handeln "auf der Straße" nicht erst dadurch denknotwendig erzwungen, dass die Sphären von Politik/Ideologie und Kunst strikt als solche markiert und voneinander getrennt werden?
Als Beispiel für Letzteres wäre für mich die unbedingt gelungene Stemann-Insznierung der "Heiligen Johanna der Schlachthöfe" am dt zu nennen. Ebenso hat mir Frank-Patrick Steckels Inszenierung "Plutos" im theaterlabor Bremen gefallen. Aber eben gerade deswegen, weil es hier um re-präsentierte Realität auf dem Theater ging und ich die Transformation in die aussertheatrale Praxis über die selbsttätige Reflexion leisten musste.
Natürlich würden auch mich letztlich die entwickelten Ergebnisse bzw. politisch-ökonomischen Alternativen dieses Kongresses interessieren. Oder sind die vielleicht genau deshalb ein wenig untergegangen, weil es kein politisches Streitgespräch, sondern "nur (politisches) Theater" war?
Bankentribunal: der Gruß zum Schluss
Grüße am Ende von Posts sind sehr wertvoll, das stimmt.

Liebe Grüße
derMax
Bankentribunal: das Kartell der Selbstgerechten
Da war doch nur wieder das Kartell der Selbstgerechten am Werk die in den Biotopen der Theaterszene irgendwie besonders gut gedeihen. Wahrscheinlich, weil Theater fensterlose Gebäude sind, wo weder Licht noch frische Luft die Wahrnehmung trüben kann.
Bankentribunal: Helmut Kohl zum Beispiel
@ 22

Ne, "Rheinfall", Deine Schweizer Haltung in allen Ehren, traf Dich vor 12 Jahren in Schaffhausen und bist jetzt auch da, den Bach runter oder wie gekommen !?
Nun gut, offen gestanden, Selbstgerechtigkeit, gar ein Kartell der Selbstgerechten: und das noch dazu ganz besonders in der Theaterszene, das geht dann doch viel zu weit, obschon ich die Aktion ihrer Anlage nach auch selbstgerecht nannte und dafür auch einen Grund angab !

Nehmen Sie nur jemanden wie Helmut Kohl, der gerade
80 wurde, oder Margot Honecker, die gerade den 60igsten der DDR begangen hat: Sind das Theaterleute ?
Nehmen Sie all die privaten Rundfunk- und Fernseh-
anstalten und nunmehr die meisten aus dem Personenkreis des öffentlich-rechtlichen Rundfunk -
und Fernsehwesens: Selbstgerechtigkeit allenthalben,
fast nahtlos !!
Ganz zu schweigen von Spiegel-Fokus-FAZ:
"Spiegelleser wissen mehr !"
Alles Theatermenschen, zumindestens auf ´Theaterboden gediehen ? - wohl schwerlich !!

Ich fürchte also, Sie liegen mit Ihrer Bemerkung einiger-
maßen eindeutig daneben !

Für mich ist (neben den genannten Nachteilen, wenn
Kunst und Politik nicht sorgsamst auseinandergehalten werden, Danke § 20 ) zumindestens eher erfreulich,
wenn attac da wirklich von sich aus auf das Theater
gekommen ist, wer weiß, vielleicht wirklich durch Bambi lernt fürs Leben oder Rimini angesprochen, ja, wenn man bei soetwas an das Theater denkt !!

Nun, weiß ich auch nicht: Vielleicht wollte die Konstantin-Film das nicht machen und wurde vorher gefragt: Babelsberg von Vermeer sozusagen !

Der Gedankenschritt folgender Art ist mir auch schon
aufgekommen und gehört mit in das Thema "unglückliche Veranstaltung":

Satz: - Theater ist Minderheitenmedium
Satz: - Tribunal ist letztinstanzlich, groß, demokratisch

Zusammensatz: Demokratie funktioniert als ein Agieren
von Minderheiten für alle anderen, sie ist "avantgar-
distisch" ... und Avantgarde bei attac und Volksbühne !
Strukturen tendenziell in Richtung "Erziehungs-D ...".

Folge: "Schaut her, das Tribunal hat stattgefunden, ja,
es ist vorgerückt, dramatisch ist es geworden: das
Protestieren, die Sache gegen die Globalisierung läuft auf Hochtouren, finde ich toll, mach ich mit, ganz avantgardistisch interaktiv: Was Du auch tust, tue es nicht selbst !!"
Bankentribunal: gedanken- und niveaulos
man mag ja von den mitteln der 68er halten, was man will, aber dass hier ein theaterkongress zu den bislang skandalöserweise ausgebliebenen wirtschaftlichen und politischen konsequenzen der finanzkrise halb verschämt als "eine art volksgerichtshof sozusagen" diffamiert wird, zeugt von einer gedankenlosigkeit und geschichtsvergessenheit, die dem sonstigen niveau der auseinandersetzung hier in nachtkritik nicht entspricht. und wenn jetzt noch eine pc-debatte über diesen punkt beginnt, wandere ich endgültig aus...
Bankentribunal: die Kritikerin erklärt
ich muss zu meiner (zugegebenermaßen polemischen) verwendung dieses begriffs sagen, daß die 68 ausläufe ins faschistische hatten, was linke bis heute ungerne hören. linksradikale, autonome und raf-sympathisanten auch haben das wort ja auch ganz gerne benutzt und dann nur hübsch "volxgerichtshof" geschrieben. morde an wirtschaftsführern wurden gerechtfertigt gefunden. da wird mir einfach schlecht, wenn ich schon wieder leute als repräsentaten eines "schweinesystems" angeklagt sehe. es ist einfach grundsätzlich anmaßend, jemanden ohne demokratische legitimation anzuklagen und sich als gericht aufzuspielen.
man kann anprangern muss es sogar in diesem fall. aber die form, die hier gewählt worden ist, höhlt einfach das berectigte und wichtige anliegen in für mich unerträglicher weise aus. gerade in kenntnis der geschichte übrigens.
Bankentribunal: gut nachvollziehbar
liebe kritikerin, also polemik erwarten wir ja stets freudig von ihnen, die müssen sie mir gegenüber jedenfalls nicht zugeben. mir ist jetzt der zusammenhang klar: wenn man einen von der linke linksgedrehten rechtsbegriff gegen links verwendet und somit endlich, auf eine art, sozusagen, also irgendwie doch: rehabilitiert, dann kann die folge nur sein, dass einem allein schon wegen dieser begriffsumdrehungen zum abkotzen speiübel werden muss. das jedenfalls kann ich gut nachvollziehen.
Bankentribunal: eine Flucht nach vorn
Aber Frau Slevogt, jetzt machen Sie ja ganz komische Kisten auf. RAF-Sympathisanten und Autonome in die Nähe von Faschisten zu rücken, das klingt jetzt sehr wie eine Flucht nach vorn. Wenn Sie Ihre durchaus berechtigten Bilder nicht anders begründen können, reißt das nur unnötig andere Gräben wieder auf. Übrigens hat in der Berliner Zeitung Ihr Kollege Lutz Lichtenberger unter dem Titel „Sehnsucht nach Schuldigen“ auch eine schöne, wenn auch etwas subtilere Sicht der Dinge abgeliefert, die auch mit einem lustigen Tanz-Zitat endet: „"Solange die Musik spielt, müssen Sie aufstehen und tanzen", hat Charles Prince, Chef der amerikanischen Pleitebank Citigroup einst über den allgemeinen Spekulationsirrsinn gesagt. Nicht nur im Roten Salon der Volksbühne wurde an diesen Tagen gerockt, was die Krise hergibt.“ Ich finde den Abend als „antikapitalistischen Quatsch-Comedy-Club“ zu bezeichnen und den „unstillbaren Durst nach Schuldigen“ in den Fordergrund zu stellen, eher dem Rang der Veranstaltung angemessen, als die ganz großen Keulen wie „Volksgerichtshof“ und „Femegericht“ heraus zu holen. Ansonsten finde ich Ihren Artikel nach wie vor sehr treffend.
Bankentribunal: wo ist das Problem?
Stefan, ich hatte Ihnen geantwortet, wurde aber aus irgend einem Grund zensiert. Ich schwöre, da war keine Beleidigung, nirgends.

Liebe Redaktion,
was war denn das Problem?

Werte Alma Hoppe,
das frage ich mich auch, was hier das Problem ist. Denn es wurde nichts "zensiert"; vielleicht ist Ihr Kommentar - aus unerfindlichen technischen Gründen - nicht angekommen? Vielleicht meinen Sie einen Kommentar in einem anderen Thread?
mit rätselnden Grüßen: die Redaktion/dip
Bankentribunal: seltsam
Seltsam zwar, aber vielleicht wirklich aus "unerfindlichen technischen Gründen". War 'n sehr langer Text.
Ratlose Grüße zurück.
Bankentribunal: vom Kämpfen und Wünschen
das problem scheint mir in dieser merkwürdigen auseinandersetzung, bei der es scheint, als kämpften die macher gegen die versteher des gemachten, zu sein, dass hier mit verdächtigungsbegriffen gearbeitet wird, wie vor allem der begriff der ideologie einer ist. schon der redaktionelle beitrag über das bankentribunal verhandelt die mit der veranstaltung gestellte frage, nämlich jene nach der möglichkeit von intervention im öffentlichen raum, zum beispiel durch kunst, ganz so, wie es schlechte ideologiekritiker tun; ideologie ist dann wie mundgeruch, es ist immer das, was die anderen haben. wenn es aber stimmt, was marx in seinem berühmten brief an runge gesagt hat, dass nämlich kritisches denken, die selbstverständigung der zeit über ihre kämpfe und wünsche ist, dann kann man aus dem redaktionellen beitrag und den meisten der kommentar nur ablesen, dass sich die zeit, unsere, nicht im klaren darüber ist, welche wünsche sie hat. sie kämpft, nicht aber wunschlos - das zu behaupten, hieße einem naheliegenden, aber "flachen" zeitverständnis folgen -, sondern wunsch-ratlos. gleichsam so, als fehle der mut zum wünschen, als stünde jedes wünschen sofort unter dem verdikt des schlecht-utopischen. wo aber die angst vor dem wunsch grassiert, toben die kämpfe, die notwendig am ende pure überlebenskämpfe sein werden.
Bankentribunal: die Systemfrage
@ robbe: Ja. Genau. Und hier stellt sich die gute alte Systemfrage, ob man Politiker und Bankmanager als Alleinverantwortliche anklagen kann, ohne die eigene Verstrickung in das System der virtuellen Spekulation ohne substanzielle Werte zu berücksichtigen. Auch attac ist ja Teil der Gesellschaft, welche eben durch attac hier quasi "von aussen" bzw. vom Innenraum des Theaters aus kritisiert werden soll. Und so kommen mir in der öffentlichen Wirkung dieses Kongresses auch die Beiträge zu kurz, welche die eigene Position im System mitreflektieren. Das heisst, es sind nicht immer nur "die Anderen" oder "die Verhältnisse" dran Schuld. Vielmehr trägt jeder politische Bürger eine (Mit-)Verantwortung in Bezug auf die Gestaltung der politischen Gemeinschaft, in welcher er hier und jetzt lebt.
Bankentribunal: keine Systemfrage
@ stade. das allerdings ist eine trivialität, auch in bezug auf marx. dass man, also jeder und jede, "zum system" gehört, weiß die philosophie seit anbeginn. so macht die diskussion erst recht keinen sinn, erstens, weil damit droht, die verantwortung ans namenlose des systemischen zu delegieren, zweitens, weil damit ein begriff wie "politische gemeinschaft" hohl wird. so möchte ich meinen beitrag nicht verstanden wissen.
es geht darum, eine form von ideologiekritik zu üben, die nicht schon bescheid weiß, die den kollektiven irrtum sich zu suchen bemüht, der vielleicht gerade darin bestehen könnte, so wie sie, stade, von system und politik zu sprechen, nämlich so, als sei geklärt, was beides sind. ich wünsche mir eine debatte, die dort ansetzt, wo die "gemeinschaft" ihren anfang nimmt: bei der fähigkeit, wünsche zu haben oder der unfähigkeit, keine zu haben und nicht dort, wo es um die schuldfrage geht, die sofort bei einer referenz halt macht, weil schuldfragen immer danach trachten, die ursache namhaft zu machen. es geht aber, so meine ich, nicht einfach um die benennung von schuldigen, sondern um die benennung jener gemeinsamkeit, die wir als das unvordenkliche setzen.
Bankentribunal: alles offen
@ robbe: Mit dem "Ja. Genau." wollte ich bewusst eine Differenz markieren. Dass wir uns eben nicht immer so verstehen, wie wir meinen, uns verstehen zu können. Aber (Selbst-)Ironie beiseite, ich sehe "das System" und die Menschen, welche dieses System gestalten, nicht unabhängig voneinander. Und demnach ist das System für mich auch kein abgeschlossenes Ding, sondern es wird allererst über den permanenten Prozess der situativen Konfrontation und Kommunikation zwischen Subjekten mobilisiert bzw. immer wieder von Neuem konstruiert. Ideologie und auf der anderes Seite Ideologiekritik sind für mich dagegen bereits vor diesem Prozess abgeschlossene und vereindeutigende Denksysteme. Fazit: Alles offen. Immer.
Bankentribunal: Zusammenhang erkannt
Schöne Diskussion, aber wer war eigentlich wirklich da?
Ich habe die drei Tage des Tribunals als eine außerordentlich spannende Auseinandersetzung erlebt, Zusammenhänge erkannt und Wut bekommen. Was ist dagegen zu sagen? Ob das jetzt Theater ist oder nicht ist mir ehrlich gesagt scheißegal.
Ich finde das alles hier etwas pseudo!
Machts gut, ... aber macht mal was!!!
Bankentribunal: Direktinfos sind erhältlich
Ich ermuntere alle, die, statt sich in immer wüsteren Allgemeinheiten zu verlieren, wirklich wissen wollen, was bei dem Bankentribunal verhandelt wurde - und vor allem auch wie es verhandelt wurde -, sich bei attac, auf den NachDenkSeiten, bei YouTube usw. zu informieren.
(Frau Slevogt war nur am Sonntag zugegen und ist schon aus diesem Grund nicht auskunftsfähig. Im Übrigen hoffe ich, dass die Einlassung der Redakteurin zu 25. nicht die Meinung der Redaktion wiedergibt.) Und freuen wir uns mit der Kölner Initiative gegen den Abriss des Schauspiels!
Bankentribunal: ein Zitat
"Die Odenwaldschule muss sich ändern, sonst ist sie nicht mehr tragbar. Sie und die Reformpädagogik brauchen einen öffentlichen Prozess. Die bohrenden Fragen, die... die halbe Republik alarmiert haben: Sie müssen erörtert werden. Es braucht dazu, wenn es schon keine Gerichtsverhandlung geben wird, ein öffentliches Tribunal." (SPIEGEL online, 14.4.10)
Bankentribunal: erweiterter Tribunalbegriff
Dann können wir ja nur hoffen, dass Herr Steckel einen erweiterten Tribunalbegriff hat und hier nicht der allgemeinen Lynchstimmung verfallen ist, die anscheinend inzwischen sogar gestandene Linke ergriffen hat. Früher war das ja eher die Domäne des Klu-Klux-Clans oder der DVU.
Liebe Grüsse
Lotta
Bankentribunal: fehlende Legitimation überall
@slevogt: dass sich Wirtschaftsleute jenseits der demokratischen Legitimation bereichern und damit Hunderttausende ins Elend und Selbstmord stürzen, dass Angriffskriege ohne jegliche demokratische Legitimation geführt werden, dass D im Krieg ist, ohne eine demokratische Abstimmung darüber, das alles ist ok, aber ein inszeniertes (!) Tribunal auf einer Bühne finden sie bedenklich. Haben Sie übrigens schon mal gezählt, wieviel Menschen die Raf auf dem Gewissen hat und wieviel Zivilisten von der deutschen Armee und ihren Verbündeten in Afghanistan ermordet wurden? Rechnen sie mal nach, vergleichen Sie die mediale Berichterstattung darüber und dann quatschen sie weiter über Faschismus.
Bankentribunal: Was tun? Nochmal nachdenken
@ 38:
Wo sagt Esther Slevogt, dass die Machenschaften der Herren der Welt "ok" seien? Nirgendwo.
Esther Slevogt sagt, dass es bedenklich sei, wenn ein politisches Anliegen durch den Rahmen, in dem es stattfindet, fiktionalisiert wird - die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Gebaren der Finanzindustrie in einem Theater.
Weiter sagt die Kollegin Slevogt, dass es die Aufgabe der Theater sei, Schein und Wirklichkeit auseinanderzuklabüsern, nicht Theater (das Tribunal) zu machen und es als Wirklichkeit (eine ordentliche Gerichtsverhandlung) auszugeben.

Ihre Aufrechnung von RAF-Toten und Afghanistan-Toten werden Sie gewiss selber zurücknehmen, wenn Sie in einer klareren Minute gemerkt haben werden, was Sie da gesagt haben.

@36:
Ich verstehe nicht recht, Herr Steckel, wollen Sie sagen, Tribunale zu veranstalten, sei eine ganz und gar übliche demokratische Praxis, wie man ja dem Artikel des Spiegels entnehmen könne?

nikolaus merck
Bankentribunal: Was tun? Respekt bezeugen
@ Was tun?: Ich finde es schade, in welcher Form hier diskutiert wird. Ist die Voraussetzung jeder (politischen) Argumentation nicht zunächst mal der wechselseitige Respekt zwischen den Dialogpartnern? Weiterhin möchte ich Sie auf die Kontextabhängigkeit in Ihrer Argumentation hinweisen. Ohne Kontextherstellung wirkt der Vergleich zwischen der RAF in den 70ern und deutschen Soldaten in Afghanistan heute einfach nur naiv und verhindert so möglicherweise gerade die tatsächlich notwendige und differenzierte Auseinandersetzung mit beiden Phänomenen.
Bankentribunal: nicht üblich, aber notwendig
Beileibe keine ganz und gar übliche, Herr Merck. Aber eine hin und wieder notwendige, wie es scheint.
Bankentribunal: immer sinnlose Gewalt
@merck: nicht ich habe die raf ins spiel gebracht. es war frau slevogt, die hier verbindungen zwischen einer theaterinszenierung zu der wirtschaftskrise und ihren verantwortlichen und angeblichem raf-faschismus geschaffen hat. was soll das? es geht wohl darum, eine fiktives (!) tribunal zu kritisieren, aber nicht den realen (!) grund für dieses tribunal. so weit ist es schon? freiwillige selbstkontrolle? maulkorberlass? diese nichtkritik an den verhältnissen ist aber auch schon politik. und was soll es für eine differenzierte auseinandersetzung mit einem undemokratischen krieg geben? sind sie also für diesen krieg? es gibt kein "ein bissschen" krieg. krieg ist krieg. und hier gilt es stellung zu beziehen, jegliches differenzieren ist hier augenauswischerei und kriegsunterstützung. und um nocheinmal die brücke zwischen raf und bundeswehr zu schlagen: vielleicht sind die deutschen genauso terroristen für die afghanen wie für uns die raf terroristen waren? sinnlose gewalt für eine bessere welt? klingelts? und es geht auch darum politische strategien zu kritisieren, die jegliche kritik, so wie fr. slevogt das macht, sofort mit dem raf vorschlaghammer zu zerstören, während gleichzeitig und jetzt und heute und bei medialer nichtberücksichtigung wieder menschen durch deutsche soldaten und deutsche waffen sterben. soviel zu "nie mehr gewalt" und gegenseitigem respekt.
Bankentribunal: linkes Gewissen befragen
Sehr geehrte/r was tun?
Esther Slevogt hat - polemisch - Verbindungen zwischen Teilen der Bewegung von und nach 1968 mit den Nazis gezogen. Das ist keine neue Idee, die Slevogt etwa erfunden hätte. Das nimmt Bezug auf eine seit längerem laufende Diskussion (Gerd Koenen, Götz Aly et al).
Wer sagt Ihnen, dass die Phänomene, die beim Tribunal verhandelt wurden, nicht kritisiert werden?
Nur - vielleicht ist es allzu billig auf einer Webseite, die sich dem Theater widmet, dauernd sein gutes linkes Gewissen spazieren zu führen? Und vielleicht ist eine solche, dem Theater sich widmende Webseite genau der richtige Ort um über den Zusammenhang von Spiel, Behauptung und Wirklichkeit auch da nachzudenken, wo sich die Sphären von Politik und Kunst/Theater/Darstellung vermischen. Und als den Anfang eines derartigen Diskussionsprozesses begreife ich den Slevogt-Text.

Es bringt einfach nichts mit moralisch gewisser Aufgeblähtheit solche Diskussionen zu bestreiten.
Wir ändern hier mit unserer Auseinandersetzung nicht die Politik der deutschen Regierung und die Haltung der deutschen Gesellschaft. Wir können uns aber klar darüber werden, um was es gehen muss und wo wir uns selbst in die Tasche lügen. Und dabei hilft uns ihre selbstgerechte Empörung gar nicht.

Wenn Sie sagen: "jegliches differenzieren ist hier augenauswischerei und kriegsunterstützung", dann sagen Sie nur: über meine Wahrheit kann es keine Diskussion geben, und wer sie bezweifelt ist ein Kriegsunterstützer.

Nun, dann wünsche ich Ihnen und Ihrem kritischen Bewusstsein noch einen schönen Abend.

Mit freundlichem Gruß
nikolaus merck
Bankentribunal: 4 Milliarden futsch
Es ist zum Heulen!
Ich saß dort in der fünften Reihe auf einem durchgesessenen Plastikstuhl. Und spitze die Ohren auch am Abend, nach über zehn Stunden Vorträgen. Blieb auch bei manchmal ins Allgemeine abdriftenden Redner aufmerksam oder probierte es zumindest, denn es kamen immer wieder Zusammenhänge zum Vorschein, es wurden Verdachte geäußert und Fakten präsentiert die einen erschauern ließen.

450.000.000.000 Euro unserer Steuergelder werden außerhalb jeder parlamentarischer Kontrolle zur Bankenrettung verwaltet. Frau Slevogt, würde man diese Summe nicht unseren Kindern und Enkeln aufbürden, sondern jetzt eintreiben, dann müssten sie jetzt, wie jeder andere Erwachsene in Deutschland, 7.000 Euro überweisen. Wofür diese ihre Monatsgehälter verwendet werden, kann Ihnen aber leider nicht mitgeteilt werden. Das würde angeblich dem Markt schaden.
Oder was ist mit dem ungeheuerlichen Verdacht, der von dem gut informiert wirkenden Journalisten Schumann vorgetragen wurde. Als der Staat überhastet die Commerzbank stütze, gab er womöglich 4 Milliarden zu viel aus. Da er erlaubte, dass die Fusion mit der Dresdner Bank ungeprüft weiter durchgeführt wurde. Die Allianz der Eigner der Dresdner Bank soll die Chance genutzt haben, um 4.000.000.000 an Schrottpapieren loszuwerden. Ich könnte noch absatzweise andere Beispiele aufzählen, von Skandalen, die in der Volksbühne benannt wurden.

Wie sind die Reaktionen auf den Kongress? In den wenigen Zeitungen, die im Wirtschaftsteil berichten, wird den Teilnehmern altlinkes Verschwörungsdenken und Subjektivität unterstellt. Im Feuilleton wird eine künstliche Debatte über Verhältnis von Theater und Politik geführt. Hier auf Nachtkritik ein besonders schön abgehobenes Beispiel, das im Vorwurf von revolutionsromantischer Marketingstrategie gipfelt.

4.000.000.000 Euro verschwendet. Wenn das wahr ist. Mit dieser Summe könnte alle Universitäten in Deutschland ein Jahr finanziert werden. Es könnten unzählige Kölner Theater, Schauspieler und Kritiker saniert und finanziert werden. Es könnten - Setzen Sie einfach ihren Wunsch hier ein.

Wenn das wahr ist, dann sollten wir unsere Freunde anrufen, ihnen davon erzählen. Einen Leserbrief an unsere Zeitung schreiben und nachfragen, ob die etwas davon wissen. Unseren Politikern auf den Zahn fühlen. Selber Recherchieren. Demos organisieren.

Wenn das wahr ist, sollten wir nicht sinnlose, verzettelnde und ablenkende Debatten führen.

Es ist zum Heulen.
Bankentribunal: nach der Urteilsverkündung
Schade, leider alles wieder dumpfbackiger Schwachsinn, von beiden Seiten. Vorwürfe, Nachtreten, das Übliche halt, wenn es darum geht, die eigene Wahrheit zu vertreten. Warum berichtet Nachtkritik über ein Veranstaltung, mit der man sich aber in keiner Weise auch nur im Ansatz identifizieren möchte? Wenn das ein ernstgemeinter Anstoß zur Diskussion gewesen sein sollte, so habe ich ihn aber nicht gelesen, dann ist er voll nach hinten los gegangen. Man muss natürlich nicht ständig sein (linkes) Gewissen befragen, um immer aktuell politisch auf der Höhe zu sein. Für alle Fälle empfehle ich aber mal einen Kommentar von Frank Raddatz in TdZ, Heft 3, März 2010 zu lesen: "Jenseits der Pfadabhängigkeit" zur Armut an Zukunftsthemen im Theater. In Zeiten der Krise muss das Theater auch darauf reagieren und das bei eigenen klammen Kassen auch zum Thema machen, sonst wird es von den Tatsachen überrollt (siehe Wuppertal). Vor allem Medienkritik ist in Zeiten eines Guido Westerwelle aktueller denn je. "Selbst Negativbilder werden als Produkt hergestellt - der Raubkopierer, der Pädophile, der Raucher und jetzt der Hartz-IVler. Der Feind der Erde aber trägt andere Züge, die zu spiegeln es allmählich Zeit wird."
Nach wie vor bin ich, trotz der Abstriche die ich gemacht habe, mit der Aussage von Esther Slevogt d'accord, das ein Tribunal nichts im Theater verloren hat, zumal es durch niemanden in seiner Arbeit legitimiert ist. Ja ich gehe sogar soweit zu behaupten, mit dieser inszenierten Gerichtsverhandlung wurde nur ein Mütchen gekühlt. Man hat, wem auch immer, gezeigt, das man aktiv ist, das man weiß, wo der Schuldige sitzt, man hat ihn dingfest gemacht und abgeurteilt. Aber was ist die Konsequenz aus der ganzen Angelegenheit? Was geschieht nun? Ist damit alles beendet? Es ist durchaus hilfreich hier mal auf die Website von attac zu gehen und auf jeden Fall die Meinungen der Mitwirkenden über das Tribunal zu lesen. Neben vielen Zustimmungen natürlich sind da auch kritische Stimmen zu vernehmen.
Hier Auszüge aus dem Statement von Peter Wahl (WEED), Verteidiger der Bundesregierungen zu den Grenzen des Formats: "1. es erzeugt einen Sog hin zur Personalisierung und zum Denken in Kategorien von Schuld. 2. es erweckt nach außen hin Erwartungen, die unerfüllbar sind." Er macht auch noch mal die Unterschiede zu den früheren Russell Tribunalen deutlich, die in einer Zeit ohne Medienwirksamkeit die Aufgabe der Information und Aufklärung hatten und nicht Bewertungsfragen in den Fordergrund stellten. Er geht natürlich irre, wenn er meint, das die Manipulationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit heute nicht genauso hoch wie damals wären. Auf jeden Fall ist der Informationscharakter von öffentlichen Symposien gesellschaftskritischer Stimmen sehr wichtig. Das muss aber nicht zwangsläufig in Tribunalen enden.
Wolfgang Kaden (Autor, ehem. Chefredakteur "Der Spiegel" und "Manager Magazin"), Verteidiger von Josef Ackermann meint: "Die Verlesung der Urteile hörte sich für mich an, als ob die Richter schon mit dem fertigen Urteils-Text angereist wären. Es fehlte jedwede inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was am Tag zuvor abgelaufen war. Schade."
Elmar Altvater (Politikwissenschaftler), Ankläger gibt dann nun endlich auch die zukünftige Richtung vor und verweist auf "die Wege, die nun beschritten werden müssen". "Die Umsetzung des Urteils ist also ein Auftrag an alle jene, die sich gegen die Finanzkrise und ihre Folgen engagiert haben." Und hier nun wäre der Punkt, wo die Diskussion einsetzen müsste, um diesem Spiel dann doch noch halbwegs den Anstrich von Demokratie, mit der "Rückgabe zur weiteren Bearbeitung in die Hände eines Teils der Zivilgesellschaft" (attac) zu geben.
Bankentribunal: Selbstgerechtigkeit macht blind
Ich gebe Stefan sehr recht. Mich zum Beispiel hätte mal eine echte Neocon-Perspektive interessiert, einer, der aus einem anderen Diskurs heraus argumentiert, auch einem anderen ökonomischen. Denn man sollte vielleicht davon ausgehen, dass Leute wie Ackermann oder Angela Merkel ja auch glauben, das Richtige zu tun, für die Bank, für die Volkswirtschaft oder den Staat. Hier wäre doch eine solche Sicht mal moralinfrei präsentiert zu bekommen, total hilfreich gewesen und auch interessant. Die Tatsache, dass alle Argumente im Kontext eines Tribunals vorgetragen wurden (Pro & Con) zwang alles gleichmacherisch in den anklagenden attac Diskurs und damit auch ins attac-Bild der Sache. Unabhängig von der Tatsache, wie richtig oder falsch deren Einschätzungen und Analysen insgesamt sind, nervt diese "wir sind die Guten und die anderen die Bösen"-Haltung. Ich glaube auch nicht, dass dieser Weg wirklich der Wahrheitsfindung dient. Selbstgerechtigkeit macht blind.
Bankentribunal: erzreaktionärer nachtkritik-Quatsch
Was schreibt denn nk für erzreaktionären quatsch ? das ist doch unglaublich. volkstribunale sind eine inszenierte form von prozeß, da ein realer nicht möglich ist. die quellen liegen im römischen reich. ein berühmtes VT war das in mexiko 2002, dass die dortige zivilgesellschaft organisiert hat. es ging dort darum die verbindungen von politikern, drogenkartellen, wirtschaft zu untersuchen. im übrigen auch die rolle der medien (!), die in der berichterstattung darüber versagen, warum auch immer. diese VT enden mit moralischen urteilen, nicht mit realen. aber interessant wie eine redaktion weder über die form, noch den inhalt, sondern ein moralinsaures politisches urteil fällt. ein medientribunal eben, dass mehr über die redakteure als über den abend verrät.
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