Urteilsverkündung beim Bankentribunal an der Berliner Volksbühne
Der Kongress tanzt
von Esther Slevogt
Berlin, 11. April 2010. Schauplatz Volksbühne am Rosa Luxemburg Platz. Der mit schwarzer Folie ausgeschlagene Zuschauerraum (aufmerksame Fernsehzuschauer kennen das Material von den Leichensäcken, in denen Verbrechensopfer in Fernsehkrimis in die Pathologie oder zum Bestatter geschafft werden), sieht heute besonders unheimlich aus. Die Sitzsäcke sind weggeräumt und eine Plastikbestuhlung eingebaut. Wir schreiben Tag drei des Bankentribunals, das vom globalisierungskritischen Netzwerk "attac" und der Volksbühne einberufen wurde – ein "zivilgesellschaftlicher Prozess", wie es in der Ankündigung hieß, der an diesem Wochenende den Verursachern bzw. Verantwortlichen für die Finanzkrise gemacht werden sollte.
Verantwortung für die Krise
Heute steht die Urteilsverkündung auf dem Programm. Entsprechend feierlich haben sich die Parteien erhoben: links die Ankläger in Person des Politikwissenschaftlers Elmar Altvater, des Juristen und Gewerkschafters Detlef Hensche, der Betriebswirtin, Unternehmensberaterin und attac-Aktivistin Astrid Kraus und Conrad Schuhler, Leiter des Instituts für Sozial-Ökologische Wirtschaftsforschung. Rechts die Verteidigung, also Robert von Heusinger, Leiter des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Rundschau, die gleichzeitig Medienpartner der Veranstaltung ist. Des weiteren Ex-Spiegel-Chefredakteur Wolfgang Kaden, der Berliner Staatsrechtler und Rechtsanwalt Henner Wolter sowie der globalisierungskritische Publizist und Weed-Aktivist Peter Wahl.
In der Mitte hatte sich das Gericht erhoben, bestehend aus dem Darmstädter Sozialrichter, Familienrechtsspezialisten und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von attac, Jürgen Borchert, dem Wirtschaftsethiker Friedhelm Hengsbach, ebenfalls im wissenschaftlichen Beirat von attac, Ulrike Herrmann, Wirtschaftskorrespondentin der "taz", der Geschäftsführerin des Kinderhilfswerks "Terres des Hommes" Danuta Sacher, sowie Karl Georg Zinn, seines Zeichens Wirtschaftswissenschaftler.
Wo sind die Angeklagten?
Lediglich die Angeklagten sind nicht anwesend: Angela Merkel und Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, Ex-Kanzler Gerhard Schröder, Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann und Bankmanager Hans Tietmeyer. Alle jedoch, so versichert der zur Veranstaltung erschienene Reader, hätten ordnungsgemäße Vorladungen erhalten. Die an Angela Merkel ist sogar abgedruckt. Staunend liest man, dass der deutschen Bundeskanzlerin darin sogar das Recht eingeräumt wurde, "eine andere Person zu ihrer Verteidigung zu bevollmächtigen". Was diese natürlich nicht getan hat. Schließlich handelt es sich um ein Tribunal, das sich selbst eingesetzt hat, eine Art Volksgerichtshof sozusagen, welches sich unter Ignorierung des demokratieüblichen Prinzips der Gewaltenteilung selbst ermächtigt hat. Oder wird hier nur Theater gespielt? Dann hätte Angela Merkel noch weniger Gründe gehabt, zu erscheinen. Denn sie wurde nicht gecastet, sondern demokratisch gewählt.
Es muss bei der Veranstaltung mit dem Titel "Bankentribunal" zunächst also eine gewisse Deregulierung sowohl des Theater- als auch des Symposionsgedankens konstatiert werden. Was angesichts der Tatsache, dass die Urteilsverkündung nach den Folgen der deregulierten Finanzmärkte auf das demokratische System fragte, nicht ganz unwichtig ist. Denn das brachte am Ende Jürgen Borchert noch einmal auf den Punkt: was zum Beispiel eigentlich davon zu halten ist, dass die Fachbeamten der Regierung im Finanz- und Justizministerium inzwischen ebenso wenig in der Lage seien, die komplexe Finanzgesetzgebung zu verstehen wie der Bürger, dass diese Gesetze also zunehmend von internationalen Kanzleien erarbeitet würden, zu deren Klienten auch Banken gehörten, Gesetzesarbeit also zum verdeckten Lobbyismus verkomme.
Diskret-totalitärer Appeal
Ein wichtiger Punkt, wie überhaupt viele wichtige Punkte auf dieser Veranstaltung mit dem unglücklichen Titel "Tribunal" verhandelt wurden, die "Richter" Friedhelm Hengbach auch als "Form eines symbolischen Protests" bezeichnete. "Es war uns klar, am Schluss können keine Handschellen klicken," sagte Jutta Sundermann, Mitbegründerin der deutschen Sektion von attac am Ende. Die Angeklagten waren ohnehin nicht erschienen, und eine Exekutive, die das Urteil kurzfristig hätte vollstrecken können, weit und breit nicht in Sicht.
So ging also von diesem, in Abwesenheit der Angeklagten tagenden Gericht nicht nur der diskret-totalitäre Appeal eines Femegerichts, sondern auch der süße Duft der Vergeblichkeit aus. Zwar verdankt man der Veranstaltung als Transparenzinitiative grundlegende Einblicke in die fatalen Schieflagen gegenwärtiger neoliberaler Wirtschaftspolitik und fataler Verflechtung von staatlicher und eigenwirtschaftlicher Interessen. In diesem Kontext warnte Jürgen Borchert eindringlich vor einem Umschlagen der Debatte in Gewalt und sozialen Unruhen in diesem Land. Noch sei es Zeit, so Borchert, hilfreich argumentativ auf die Debatte einzuwirken, wozu er mit seiner Mitwirkung einen Beitrag leisten wolle.
Volksgerichte und ihre unheimliche Geschichte
Wobei es einerseits ja so ist, das selbsternannte Volksgerichte und Revolutionsgerichts-Symbolik auch schon ein Stück demokratische Unterwanderung sind. Wie immer man das bewerten mag. Andererseits muss man sich fragen, ob Veranstaltungen dieser Art, mit denen das Theater sich gern als Ort gesellschafspolitischer Auseinandersetzung brüstet, tendenziell nicht eher an der Ästhetisierung und auch Degradierung politischer Diskurse zur Publikumsbespaßung arbeiten, ob sie nicht Teil einer revolutionsromantischen Marketingstrategie sind, tatsächlich aber nur das eigene Klientel erreichen und sonst nix. Das hier Bewegung im luftleeren Raum eher simuliert, als tatsächlich ausgeführt worden ist. Denn hier wird ja vor allem Theater gespielt, mit gecasteten Spezialisten, die ihre Rollen zu spielen hatten, und zu dem nahezu alle aus dem Dunstkreis der attac-Lobby stammen.
Auch wäre noch zu protokollieren, dass jeder Tribunaltag mit Musik und Party endete. Wie sagte es so schön beim Wiener Kongress vor knapp 200 Jahren der belgische Fürst in Habsburger Diensten, Charles Josef von Ligne: "Le congrès danse beaucoup, mais il ne marche pas."
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die Bezeichnung 'Tribunal' bezieht sich auf das 1966/67 von Bertrand Russell und Jean-Paul Sartre ins Leben gerufene Kriegsverbrechen-Tribunal zum Vietnamkrieg, welches sich seinerseits auf das alliierte Kriegsverbrecher-Tribunal von Nürnberg bezog und seither immer wieder als Modell herangezogen worden ist, wenn es darum ging, zivilgesellschaftliche Einsprüche zu formulieren. Sartre erklärte 1967: „ Wir haben das Recht, uns als Bürger zu versammeln (und) zu zeigen, dass jede Politik gemäß den gegebenen juristischen Kriterien objektiv beurteilt werden kann und muss.“ Erst im März dieses Jahres fand nach diesem Vorbild in Barcelona ein internationales „Russell-Tribunal Palästina“ statt, bei dem es um die fortwährenden Menschenrechtsverletzungen in den von Israel besetzten Gebieten ging.
Den rechtlichen Rahmen des Bankentribunals bildet das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Hier von „Volksgerichtshof“, „Femegericht“, „Ignorierung des demokratie-üblichen Prinzips der Gewaltenteilung“ zu sprechen, verstößt in gleich mehrfacher Form gegen unsere Verfassung und die von ihr gewährleistete Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Die „Selbstermächtigung“, von der Sie kritisch schreiben, geht mit Artikel 20 Abs. 4 des Grundgesetzes konform, der den Deutschen unter bestimmten Umständen das Recht auf Widerstand einräumt. Sie ist zugleich das Ergebnis des Versagens nahezu aller anderen demokratischen Kontrollinstanzen, ein Versagen, das sich in Ihrem Feuilleton auf farcenhafte Weise spiegelt.
Unüberhörbar auch Ihr als Empfindsamkeit geschminktes gesellschaftspolitisches Ressentiment: Sie sprechen von „Degradierung politischer Diskurse zum Zweck der Publikumsbespaßung“ – wo doch zum einen der Degradierung dramatischer Literatur zu eben demselben Zweck auch bei 'nachtkritik' gerne zugearbeitet und zum anderen an der Degradierung jeglichen "politischen Diskurses" zum Zweck der Publikumsverblödung von den Ghostwritern der Bundeskanzlerin bis zur BILD-Zeitung einträchtig gewerkelt wird. Sie schreiben besorgt von dem „unguten Gefühl, dieses Tribunal könnte selbst bereits Zeichen der Atomisierung der Gesellschaft in einzelwirtschaftliche Interessensgruppen ohne Verankerung in einem demokratischen Ganzen sein“ – erstens kann von einer solchen „Atomisierung“ gar keine Rede sein (es handelt sich um eine Phrase), und zweitens muss man schon sehr verstockt auftreten, um ausgerechnet in einem dreitägigen demokratisch motivierten Meeting von rund tausend Menschen (die Nutzer des Livestreams nicht gerechnet) Zeichen für einen Mangel an „Verankerung in einem demokratischen Ganzen“ zu erblicken. Auch ist die scheintiefsinnig gestellte Frage, ob „Veranstaltungen dieser Art“ (!) „nicht Teil einer revolutionsromantischen Marketing-strategie sind“ spätestens angesichts des Umstands, dass die Folgen der sogenannten Finanzkrise weltweit (neben unmäßiger Bereicherung) gesteigertes Elend hervorrufen, nicht einmal mehr zynisch zu nennen. Sie schreiben gehässig vom „Dunstkreis der attac-Lobby“ und monieren, dass die das Tribunal bildenden Teilnehmer ihm „nahezu alle“ entstammen würden. Es handelte sich um eine Veranstaltung von attac, verehrte Frau Slevogt (keine andere Organisation hat Vergleichbares zuwege gebracht) - und wo, bitte, verfügt attac über eine Lobby, die der der Finanzwirtschaft (um nur diese zu nennen) auch nur annähernd vergleichbar wäre?
Gruss –
Steckel.
aus meiner sicht hat sich die veranstaltung mit diesem expliziten rekurs auf das russel-tribunal keinen gefallen getan. beim russel-tribunal handelte es sich um eine spektakuläre form, eine gegenöffentlichkeit herzustellen, um kriegsverbrechen anzuprangern. und zwar zu einer zeit, als auch der investigative journalismus noch unterentwickelt war. es fand nämlich statt in einer zeit (1966), als journalisten noch verhaftung und gefängnis riskierten, die enthüllend über militärische verwicklungen, verbrechen und kriegerische aktivitäten berichtet haben.
wenn nun unter der überschrift "tribunal" in einem theater sich eine ngo mit den ursachen und verantwortlichen der finanzkrise befasst, und dafür die form eines rollenspiels wählt (und damit ihre eigenen protagonisten sozusagen fiktionalisiert), dann verharmlost sie ihr wichtiges anliegen, in dem sie es theatralisch aufbläst und ihm ohne not einen fiktionalen rahmen gibt. das kann man machen, sollte sich aber dann nicht wundern, wenn man nicht so ernst genommen wird, wie man es verdient hätte. auch sind beispielsweise die vorladungen an die "angeklagten", die ja wirklich erfolgt sind (wie in einem fernsehspiel ohne grenzen) wirklich lachhaft und haben in ihrer simulation eines gestus von staatsgewalt bzw. selbstermächtiger gerichtbarkeit etwas gruseliges für mich.
gerade die theater sollten nicht an der weiteren verwischung der grenzen von wirklichkeit und inszenierung mitwirken, wie sie medien und auch die pr-strategen der politischen parteien betreiben, sollten leute sensibilisieren für inszenierungen und simulationen, statt ihren eine macht vorzugaukeln, die sie nicht haben. damit verfehlen sie in grotesker weise das, was ich für ihren auftrag halte.
schöne grüsse
esther slevogt
Mir kam es sehr befremdlich vor, das ausgerechnet das Theater, das sich besonders eignet - ähnlich der Literatur - in Bereiche zu leuchten, die mit gutem Recht sonst im Schutz von Intimität sich ereignen - sich zu bildzeitugshafter Skandalangeberei hinreißen lässt. Solche Anbindung von Politik an Theater führt zur Schwächung der Position von Theater im Ringen um gemeinsames Schauen auf wenig Sichtbares. (PS: wir sind nur Potsdamer Pädagogen, aber Theater schätzen wir sehr - Seminar - klar?)
Esther Slevogt hat bereits Wesentliches erwidert auf Ihren Kommentar und damit hoffentlich zur Klarstellung beigetragen.
Nun schreiben Sie aber en passant: "Sie sprechen von 'Degradierung politischer Diskurse zum Zweck der Publikumsbespaßung' - wo doch zum einen der Degradierung dramatischer Literatur zu eben demselben Zweck auch bei 'nachtkritik' gerne zugearbeitet wird".
Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf verfallen?
Vielleicht darf ich Sie auf die nachtkritik-Stücke Seiten 08 und 09 aufmerksam machen, wo wir uns dezidiert und ausführlich mit Gegenwartsliteratur und der dazugehörigen Aufführungspraxis auseinandergesetzt haben. Wie wir es übrigens in diesem Jahr auch wieder tun werden.
Überdies versuchen wir von neuen Stücken auch in der sogenannten Provinz zu berichten, wobei die Korrespondent-innen, wie Ihnen aufgefallen sein wird, oft besonderen Wert auf die Darstellung der Stückinhalte und der Sprache legen.
Ich weiß also wirklich nicht, worauf Sie hinaus wollen mit Ihrem Vorwurf, wir leisteten dem Missbrauch von Literatur zur Bespaßung unseres Publikums Vorschub.
Wobei..., eine letzte Anmerkung, wozu dient denn dramatische Litaratur oder dient sie gar nicht, sondern stellt einen Wert an sich dar?
Ich dachte dramatische Texte würden als ein wesentlicher Bestandteil - wesentlich ja, aber nur als einer unter mehreren - bei der Herstellung von Theateraufführungen "dienen".
Ist das falsch?
Herzlich
nikolaus merck
Kann ich ein moralisches Urteil über andere fällen? Denn nichts anderes ist dieses Tribunal als eine Moralpredigt an die Politik und die Wirtschaft. Das Theater mal wieder als moralische Anstalt mit attac als Protagonist? Hat das Theater nicht als moralische Anstalt ausgesorgt? War es hier nur Mittel zum Zweck, die Polis, die Hülle für ein pseudodemokratisches Spiel? „L'État, c’est moi!“ möchte man da sagen, um noch ein französisches Bonmot zum Besten zu geben. Es ist nicht so sehr das Motiv oder der fehlende demokratische Hintergrund, was nachdenklich stimmt, sondern der Alleinanspruch von attac hier in dieser Form als Ankläger und Richter gleichzeitig aufzutreten.
Der einzige Schwachpunkt an Esther Slevogts Kritik ist der abschließende Satz: "Le congrès danse beaucoup, mais il ne marche pas." Ich denke weiter gehen wird es schon, man weiß nur nicht so recht in welche Richtung.
der investigative Journalismus ist, mindestens was die Finanzwirtschaft angeht, nach wie vor unterentwickelt, das zeigt eine Studie von Hans-Jürgen Arlt (der als Zeuge beim Tribunal anwesend war) und Wolfgang Storz. Wäre dem nicht so, wäre das Tribunal nicht nötig geworden.
Sehr geehrte Potsdamer Pädagogen –
Sie sollten mehr griechische Tragödien lesen, mehr Corneille, mehr Racine, mehr Shakespeare – und mehr Brecht, mehr Jelinek, mehr Handke...
Verehrter Herr Merck –
wenn Sie mich schon fragen: Ja, das ist falsch. Das Theater dient dem Text, der Text ist mehr als das geschriebene Wort.
Dem Einsender zu 5. empfehle ich die Lektüre des Readers zum Tribunal und das Studium des Urteils.
Den Einsender zu 6. bitte ich, sich künftig ähnlich heikel wie im Falle des Tribunals gegenüber den zahllosen demokratisch nicht legitimierten Maßnahmen und Schulterschlüssen von Bundesregierung und Finanzwirtschaft zu positionieren.
Was Sie schreiben impliziert Hinnahme, ja Ohnmacht Entwicklungen gegenüber, denen man sich als als Korrelativ, ggf. als Bremser ganz sicher entgegenstellen darf. Ob im/als Theater, ob als NGO, als Individuum. Oder ist der Begriff einer Moral Ihres Erachtens derart abgenutzt und diskreditiert, dass man ihn nicht mehr denken oder anwenden darf? Das Theater als politischer Ort, als Raum von Diskursen, ist das dann nicht wirklich tot?
Und darf sich in Debatten maximal einbringen gegen Schließung(en) von Theatern?
wie kommen Sie denn bloß darauf, dass das Theater dem Text zu dienen habe? Wer hat das denn dekretiert?
Herzlich
nikolaus merck
kann ich mich da nur sehr schwer erwehren, wenn es
da "Tribunal" heißt, es aber auf der anderen Seite, ich habe mir das schildern lassen und hätte auch vermutet, daß das so wirkt, gerade an der Ironie bzw. dem Humor fehlt bei den Beteiligten, der irgendwie anzeigt, wie weit "wir" von "Tribunal" und "Tribunalsbegründungen" doch eigentlich entfernt sind: Genügend der Leute, die quasi die Angeklagten wirklich irgendwie in der Pflicht sahen, tatsächlich leibhaftig dort zu erscheinen: vor dem Tribunal, wie alle eine Rolle spielend, hier, im Falle der Angeklagten, aus Zeitmangel, die Rolle selbst einzustudieren, mit attac-Souffleuse.
Genügend der Leute mit dem "Sind die feige" auf den
Lippen; das nenne ich selbstgerecht, unfair, nicht gut durchdacht und deswegen letztlich auch eher kontraproduktiv in meinem Verständnis.
Die Wahl der "theatralen Form" hätte gewiß auch bei den Machern der Veranstaltung mehr Corneille, mehr
Racine, mehr Shakespeare - und mehr Brecht, mehr Jelinek, mehr Handke bei alledem nicht geschadet:
gerade Handke und Jelinek nicht !
Handke hat bekanntlich selbst von einem Tribunal geschrieben, einem anderen, das hier bemerkenswerterweise nicht erwähnt wird, obgleich es bedeutend zeitnäher ist !!, und gerade dieser "Souffleusen required"-Punkt hätte ihn mit Sicherheit, egal wie berechtigt das Anliegen auf der anderen Seite auch ist bzw. sein mag, von vornherein gegen das "Tribunal" eingstellt: das "Milosevic-Tribunal" war ihm ja schon zu sehr nach Drehbuch, und auch darin hatte er desmeist gute Beobachtungen und Argumente zu bieten, wie erst ein solches attac-Tribunal, das diese Drehbuchschule nur fortsetzt, nur vertieft, dabei durchaus einer Logik folgend, die andererseits auch vom Theater her
allerdings gegeben ist: siehe Rimini-Aktionärsversammlung: War zweitere -als spezifisch an der Theaterentwicklung orientierte- Veranstaltung nicht viel überzeugender als das hier, fast logisch folgende, Gegenstück von "Nichttheaterseite" her,
eben ohne sich in all die Souffleusen-Schwierigkeiten
zu verwickeln und einer "Wo die sich aufpumpen, tun
wir es auch"-Masche zu folgen ??
Der Überschuß einer theatersituationseingedenken
Veranstaltung: will sagen, eines Theaterabends, wird
freilich wohl immer auf seine Moralität hin befragt werden; in der Potenz ist die Anstalt "Stadttheater"
schon als Möglichkeit angelegt, auf unsere moralischen Selbstverhältnisse zu wirken, eben: wie es nur Theater kann: diese Möglichkeit zur Moral, die mit allem Wünschenswerten im Leben von Personen zusammentrifft, diese Möglichkeit von Moral, ist die moralische Frage als Wirklichkeit für die Darsteller, Performer, Spieler und hat immer schon den Löwenanteil der Strapazen eines "SpielerInnenlebens" ausgemacht.
Ich denke auch nicht, daß Frau Jelinek Ihre "Textflächen" baut, um sie von atacc-Aktivisten quasi mit dem Allerwertesten wieder eingerissen zu bekommen !
Und der Griechenlandverweis: Naja, wenn dann wirklich die eine Polis die andere überrannte, versklavte dann, ob das nicht eine regelrechtere Globalisierung darstellte ? Seit wann heißt das denn "Globalisierung" ??
Von den Kolonien her ? Den Indianern ?? Wohl kaum.
Jetzt, wo ein Land droht, seine Stellung als Exportweltmeister zu verlieren, was schon bei Schröder gleichgesetzt wurde mit "Demokratieverlust",
jetzt, wo oben, mitte, unten eine ziemlich einheitliche Inkassomentalität an den Tag legen, wo alles nach seinen Besitzständen greift, da heißt das Ding plötzlich "Globalisierung" , und ein "Wir" formiert sich dahinter, dem ich nicht über den Weg traue, nicht so sehr wie einem Herrn Steckel ... jedenfalls.
Die Frage wäre ja, wie man demokratische Entscheidungen sichert, und nicht, wie man noch mehr demokratisch nicht legitimierte Vereine, Foren usw... etabliert. Als Verein seine politische und wirtschftliche Meinung zu äußern, ist ja völlig in Ordnung (Und ungemein wichtig!) - ein "Tribunal" oder gar eine "Gerichtsbarkeit" für sich in Anspruch zu nehmen, zeugt jedoch von einem Fehlen jeglichen Gespürs für demokratische Prozesse.
Geld ist Mittel zum Zweck, wie Sie schon sagten und somit nicht moralisch und schon gar nicht demokratisch. Der Zweck aber sollte es sein und da gebe ich Ihnen Recht.
Selbst ernannt haben sich die Globalisierungsgegner, oder wer hat es getan und in welchem Auftrag handeln sie? Es sind kritische Denker aus allen Teilen der Bevölkerung die sich einer sogenannten Nichtregierungsorganisation zusammengeschlossen haben. So weit so gut. Aber was sind sie denn wirklich? Außerparlamentarische Opposition? Welche Ziele verfolgen sie? Man kann einiges davon im sogenannten vorläufigen Urteil lesen: Regulierung der Finanzmärkte, Beteiligung der Gläubiger der Banken an den Kosten ihrer Rettung, Umverteilung der Steuerlast, Einschränkung des Lobbyistentums in der Politik, Einführung einer Bürgerversicherung statt Riester-Rente, Ausgleich durch die Finanzakteure und die Regierung für Schäden der Globalisierung in der dritten Welt (globalem Süden). Da sind Sie doch dem Programm der Linken sehr nahe. Also warum sich noch als NGO bezeichnen, wozu dieses inszenierte Spektakel? Sitzt doch die Linke bereits in Länderparlamenten, kann also zumindest über Landesbanken mitbestimmen. attac rufen nach dem regulierenden Staat und müssten ihn doch abschaffen, wenn sie alle ihre Ziele wirklich umsetzen wollten. Das mag jetzt vielleicht in ihren Augen Frau Hoppe, nach Ohnmacht klingen, wenn ich die sogenannte Moral kritisiere, aber von Hinnahme ist da keine Spur. Ich erwarte ein klares Programm mit erkennbaren Zielen und wie diese erreicht werden sollen. Ansonsten bleibt alles Spiel und dann haben sich attac auch das richtige Podium (übrigens subventioniertes Theater) ausgesucht. Dieser Selbstinszenierungsdrang aber wird attac eher zum Verhängnis, als das er sie ihrem Ziel näher bringt.
Ach, und Herr Steckel,
wenn das Theater dem Text dient, ist dann die Volksbühne jetzt der Bundestag oder ein Gerichtshof? Theater ist sehr wohl ein Podium für Gesellschaftskritik und Diskurs, aber weder als Legislative noch als Exekutive sondern immer noch als Ort der künstlerischen Kommunikation zwischen Darstellern und Publikum. Das können Sie überall machen und somit dient der Text der Erkenntnis und der Ort ist nebensächlich.
Nr. 11 hat Recht - mit solchen Kleinigkeiten können wir uns in dieser Diskussion nicht abgeben!
Gruss!
Nein, Herr Steckel, ich finde es durchaus nicht, daß § 11 so sonderlich Recht hat, zumal Herr "Greenspan" kein Yota hinzufügt, worum es ihm in dieser Angelegenheit geht. Meine Bemerkungen beziehen sich vor allem darauf, daß ich die Veranstaltung der Anlage nach für unglücklich halte: Man muß sich nur einmal vorstellen, die sogenannten Angeklagten wären jetzt wirklich erschienen ...: und dann all diese vorgefertigten Sachen, der Souffleusenbudenzauber; das wäre vermutlich wirklich eher ein Desaster geworden !
Und Stefan hat mit seiner Anmerkung über die "LINKE"
gewiß Recht: selbst die "Verschiebung" dergestalter
Aktionen auf die Ebene sogenannter NGOs erscheint
mir mehr eine insgeheime Einwilligung zu sein, mehr global als möglichst mit Bodenhaftung (siehe SOZIALVERPFLICHTUNG DES EIGENTUMS im § GG 15)
zu diskutieren, mindestens unklug.
Degradierung moderner Dramatik, Vorschub, bei nacht-
kritik de., qua Redaktion ?
Ein eigenartiges "Argument": "Du machst es doch selbst so ...", oder wie ?
Nun, ich gehöre der nachtkritik de.-Redaktion nicht an, und es gibt hin und wieder auch Sachen von der Redaktion her, die ich nicht verstehe: Aber, wenn ich den Eindruck hätte, hier würde der Degradierung moderner Dramatik Vorschub geleistet, dann würde ich
mich hier nicht beteiligen; zudem empfinde ich das, was einzelne Nachtkritiker so schreiben, keineswegs als auf eine Linie getrimmt, und, Stefan erwähnte es anderenorts (im Wahl-Thread über "Authentizität"),
hier sind schon Diskussionen geführt wurden, teilweise 1-2 Monate bevor ich das in Theater Heute und Theater der Zeit zB. dann teilweise vertieft aufgegriffen fand (wie im Falle des Herrn Carp in Oberhausen !); das wissen Sie, der sich zB. im Köln-Thread engagiert geäußert hat, im Grunde genommen auch wissen, denke ich, und würdigen können.
Gewiß, auch jetzt sind Sie sicher mit ganzem Herzen dabei: aber ich sehe keinen Grund, da jetzt mit Federstrichen drüberzustreichen, wo vorher ganz offenbar sogar Verletzung war.
Im Falle der "Text"-Diskussion denke ich sogar, daß es ein ziemlich banales sprachpragmatisches, ein Sprachspielproblem ist, das Sie und Herrn Merck hier
trennte; ich vermute jedenfalls, daß Sie mit "Text" etwas recht Unterschiedliches meinen und zudem der
Begriff "dienen" kratzen mag.
Ich habe Sie so verstanden, daß Sie "Text" in einem sehr weiten Sinne gebraucht haben, was sich keineswegs auf Denotate beschränkt, "Text" also eher im Sinne dessen, was in der analytischen Kunstphilosophie "Type" heißt. Der Type "Kirschgarten", das "Token" (das dienende) zB. die Inszenierungen des Kirschgartens in Stuttgart und Leipzig; insofern wäre immer eine Art Text vorgelagert, selbst wenn performt wird: als eine Art von "erklärter (vielleicht gedachter)
Spielabsicht/Spielvorlage". Währenddessen ich Herrn Merck mehr bei einem engeren Textverständnis, dem
als Notat in etwa, vermute; und sonst hätte ich etwas falsch verstanden, und dann wäre mir das erst recht unliebsam, wenn das wegen Wichtigerem hier und jetzt nicht kurz eine Rolle spielen dürfte: denken Sie an die Lernenden hier, wie mich !
Andererseits muß ich Ihnen Recht geben, die Reaktion
im Stile von "Femegericht" etcpp. ist meineserachtens
gleichsam überzogen: Wenn Frau Slevogt dem Spiel gefolgt ist, mit all der unvorteilhaften Wirkung für das politische Unterfangen (das sehe ich auch so), dann müßte sie auch beim Spiel bleiben, und dann komme ich auch auf all diese Volksgerichtshofsachen nicht mehr. Warum der Eine eine Meinung frei nach GG kundtut (allerdings in einem subventioniertem Rahmen), der Andere (Frau Slevogt in diesem Falle) dann eben dieses GG mehrfach "bricht" im Zuge dessen, daß auch hier nur eine Meinung vertreten wurde, ist zuweilen Ihr Geheimnis.
Doch stellt sich hier für mich im nächsten Schritt sofort die Frage, ob es eigentlich sinnvoll ist, die Grenze zwischen Politik und Kunst - wie hier (ansatzweise) geschehen - aufzulösen. Nimmt es der Dringlichkeit der Thematik nicht den nötigen Ernst, wenn eine politisch relevante NGO ein Tribunal der Stellvertreter inszeniert? Wird der Eingriff in die Verhältnisse durch das im Theaterraum geltende "Kunstetikett" nicht eher irrelevant gemacht? Wird das politische Handeln "auf der Straße" nicht erst dadurch denknotwendig erzwungen, dass die Sphären von Politik/Ideologie und Kunst strikt als solche markiert und voneinander getrennt werden?
Als Beispiel für Letzteres wäre für mich die unbedingt gelungene Stemann-Insznierung der "Heiligen Johanna der Schlachthöfe" am dt zu nennen. Ebenso hat mir Frank-Patrick Steckels Inszenierung "Plutos" im theaterlabor Bremen gefallen. Aber eben gerade deswegen, weil es hier um re-präsentierte Realität auf dem Theater ging und ich die Transformation in die aussertheatrale Praxis über die selbsttätige Reflexion leisten musste.
Natürlich würden auch mich letztlich die entwickelten Ergebnisse bzw. politisch-ökonomischen Alternativen dieses Kongresses interessieren. Oder sind die vielleicht genau deshalb ein wenig untergegangen, weil es kein politisches Streitgespräch, sondern "nur (politisches) Theater" war?
Liebe Grüße
derMax
Ne, "Rheinfall", Deine Schweizer Haltung in allen Ehren, traf Dich vor 12 Jahren in Schaffhausen und bist jetzt auch da, den Bach runter oder wie gekommen !?
Nun gut, offen gestanden, Selbstgerechtigkeit, gar ein Kartell der Selbstgerechten: und das noch dazu ganz besonders in der Theaterszene, das geht dann doch viel zu weit, obschon ich die Aktion ihrer Anlage nach auch selbstgerecht nannte und dafür auch einen Grund angab !
Nehmen Sie nur jemanden wie Helmut Kohl, der gerade
80 wurde, oder Margot Honecker, die gerade den 60igsten der DDR begangen hat: Sind das Theaterleute ?
Nehmen Sie all die privaten Rundfunk- und Fernseh-
anstalten und nunmehr die meisten aus dem Personenkreis des öffentlich-rechtlichen Rundfunk -
und Fernsehwesens: Selbstgerechtigkeit allenthalben,
fast nahtlos !!
Ganz zu schweigen von Spiegel-Fokus-FAZ:
"Spiegelleser wissen mehr !"
Alles Theatermenschen, zumindestens auf ´Theaterboden gediehen ? - wohl schwerlich !!
Ich fürchte also, Sie liegen mit Ihrer Bemerkung einiger-
maßen eindeutig daneben !
Für mich ist (neben den genannten Nachteilen, wenn
Kunst und Politik nicht sorgsamst auseinandergehalten werden, Danke § 20 ) zumindestens eher erfreulich,
wenn attac da wirklich von sich aus auf das Theater
gekommen ist, wer weiß, vielleicht wirklich durch Bambi lernt fürs Leben oder Rimini angesprochen, ja, wenn man bei soetwas an das Theater denkt !!
Nun, weiß ich auch nicht: Vielleicht wollte die Konstantin-Film das nicht machen und wurde vorher gefragt: Babelsberg von Vermeer sozusagen !
Der Gedankenschritt folgender Art ist mir auch schon
aufgekommen und gehört mit in das Thema "unglückliche Veranstaltung":
Satz: - Theater ist Minderheitenmedium
Satz: - Tribunal ist letztinstanzlich, groß, demokratisch
Zusammensatz: Demokratie funktioniert als ein Agieren
von Minderheiten für alle anderen, sie ist "avantgar-
distisch" ... und Avantgarde bei attac und Volksbühne !
Strukturen tendenziell in Richtung "Erziehungs-D ...".
Folge: "Schaut her, das Tribunal hat stattgefunden, ja,
es ist vorgerückt, dramatisch ist es geworden: das
Protestieren, die Sache gegen die Globalisierung läuft auf Hochtouren, finde ich toll, mach ich mit, ganz avantgardistisch interaktiv: Was Du auch tust, tue es nicht selbst !!"
man kann anprangern muss es sogar in diesem fall. aber die form, die hier gewählt worden ist, höhlt einfach das berectigte und wichtige anliegen in für mich unerträglicher weise aus. gerade in kenntnis der geschichte übrigens.
Liebe Redaktion,
was war denn das Problem?
Werte Alma Hoppe,
das frage ich mich auch, was hier das Problem ist. Denn es wurde nichts "zensiert"; vielleicht ist Ihr Kommentar - aus unerfindlichen technischen Gründen - nicht angekommen? Vielleicht meinen Sie einen Kommentar in einem anderen Thread?
mit rätselnden Grüßen: die Redaktion/dip
Ratlose Grüße zurück.
es geht darum, eine form von ideologiekritik zu üben, die nicht schon bescheid weiß, die den kollektiven irrtum sich zu suchen bemüht, der vielleicht gerade darin bestehen könnte, so wie sie, stade, von system und politik zu sprechen, nämlich so, als sei geklärt, was beides sind. ich wünsche mir eine debatte, die dort ansetzt, wo die "gemeinschaft" ihren anfang nimmt: bei der fähigkeit, wünsche zu haben oder der unfähigkeit, keine zu haben und nicht dort, wo es um die schuldfrage geht, die sofort bei einer referenz halt macht, weil schuldfragen immer danach trachten, die ursache namhaft zu machen. es geht aber, so meine ich, nicht einfach um die benennung von schuldigen, sondern um die benennung jener gemeinsamkeit, die wir als das unvordenkliche setzen.
Ich habe die drei Tage des Tribunals als eine außerordentlich spannende Auseinandersetzung erlebt, Zusammenhänge erkannt und Wut bekommen. Was ist dagegen zu sagen? Ob das jetzt Theater ist oder nicht ist mir ehrlich gesagt scheißegal.
Ich finde das alles hier etwas pseudo!
Machts gut, ... aber macht mal was!!!
(Frau Slevogt war nur am Sonntag zugegen und ist schon aus diesem Grund nicht auskunftsfähig. Im Übrigen hoffe ich, dass die Einlassung der Redakteurin zu 25. nicht die Meinung der Redaktion wiedergibt.) Und freuen wir uns mit der Kölner Initiative gegen den Abriss des Schauspiels!
Liebe Grüsse
Lotta
Wo sagt Esther Slevogt, dass die Machenschaften der Herren der Welt "ok" seien? Nirgendwo.
Esther Slevogt sagt, dass es bedenklich sei, wenn ein politisches Anliegen durch den Rahmen, in dem es stattfindet, fiktionalisiert wird - die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Gebaren der Finanzindustrie in einem Theater.
Weiter sagt die Kollegin Slevogt, dass es die Aufgabe der Theater sei, Schein und Wirklichkeit auseinanderzuklabüsern, nicht Theater (das Tribunal) zu machen und es als Wirklichkeit (eine ordentliche Gerichtsverhandlung) auszugeben.
Ihre Aufrechnung von RAF-Toten und Afghanistan-Toten werden Sie gewiss selber zurücknehmen, wenn Sie in einer klareren Minute gemerkt haben werden, was Sie da gesagt haben.
@36:
Ich verstehe nicht recht, Herr Steckel, wollen Sie sagen, Tribunale zu veranstalten, sei eine ganz und gar übliche demokratische Praxis, wie man ja dem Artikel des Spiegels entnehmen könne?
nikolaus merck
Esther Slevogt hat - polemisch - Verbindungen zwischen Teilen der Bewegung von und nach 1968 mit den Nazis gezogen. Das ist keine neue Idee, die Slevogt etwa erfunden hätte. Das nimmt Bezug auf eine seit längerem laufende Diskussion (Gerd Koenen, Götz Aly et al).
Wer sagt Ihnen, dass die Phänomene, die beim Tribunal verhandelt wurden, nicht kritisiert werden?
Nur - vielleicht ist es allzu billig auf einer Webseite, die sich dem Theater widmet, dauernd sein gutes linkes Gewissen spazieren zu führen? Und vielleicht ist eine solche, dem Theater sich widmende Webseite genau der richtige Ort um über den Zusammenhang von Spiel, Behauptung und Wirklichkeit auch da nachzudenken, wo sich die Sphären von Politik und Kunst/Theater/Darstellung vermischen. Und als den Anfang eines derartigen Diskussionsprozesses begreife ich den Slevogt-Text.
Es bringt einfach nichts mit moralisch gewisser Aufgeblähtheit solche Diskussionen zu bestreiten.
Wir ändern hier mit unserer Auseinandersetzung nicht die Politik der deutschen Regierung und die Haltung der deutschen Gesellschaft. Wir können uns aber klar darüber werden, um was es gehen muss und wo wir uns selbst in die Tasche lügen. Und dabei hilft uns ihre selbstgerechte Empörung gar nicht.
Wenn Sie sagen: "jegliches differenzieren ist hier augenauswischerei und kriegsunterstützung", dann sagen Sie nur: über meine Wahrheit kann es keine Diskussion geben, und wer sie bezweifelt ist ein Kriegsunterstützer.
Nun, dann wünsche ich Ihnen und Ihrem kritischen Bewusstsein noch einen schönen Abend.
Mit freundlichem Gruß
nikolaus merck
Ich saß dort in der fünften Reihe auf einem durchgesessenen Plastikstuhl. Und spitze die Ohren auch am Abend, nach über zehn Stunden Vorträgen. Blieb auch bei manchmal ins Allgemeine abdriftenden Redner aufmerksam oder probierte es zumindest, denn es kamen immer wieder Zusammenhänge zum Vorschein, es wurden Verdachte geäußert und Fakten präsentiert die einen erschauern ließen.
450.000.000.000 Euro unserer Steuergelder werden außerhalb jeder parlamentarischer Kontrolle zur Bankenrettung verwaltet. Frau Slevogt, würde man diese Summe nicht unseren Kindern und Enkeln aufbürden, sondern jetzt eintreiben, dann müssten sie jetzt, wie jeder andere Erwachsene in Deutschland, 7.000 Euro überweisen. Wofür diese ihre Monatsgehälter verwendet werden, kann Ihnen aber leider nicht mitgeteilt werden. Das würde angeblich dem Markt schaden.
Oder was ist mit dem ungeheuerlichen Verdacht, der von dem gut informiert wirkenden Journalisten Schumann vorgetragen wurde. Als der Staat überhastet die Commerzbank stütze, gab er womöglich 4 Milliarden zu viel aus. Da er erlaubte, dass die Fusion mit der Dresdner Bank ungeprüft weiter durchgeführt wurde. Die Allianz der Eigner der Dresdner Bank soll die Chance genutzt haben, um 4.000.000.000 an Schrottpapieren loszuwerden. Ich könnte noch absatzweise andere Beispiele aufzählen, von Skandalen, die in der Volksbühne benannt wurden.
Wie sind die Reaktionen auf den Kongress? In den wenigen Zeitungen, die im Wirtschaftsteil berichten, wird den Teilnehmern altlinkes Verschwörungsdenken und Subjektivität unterstellt. Im Feuilleton wird eine künstliche Debatte über Verhältnis von Theater und Politik geführt. Hier auf Nachtkritik ein besonders schön abgehobenes Beispiel, das im Vorwurf von revolutionsromantischer Marketingstrategie gipfelt.
4.000.000.000 Euro verschwendet. Wenn das wahr ist. Mit dieser Summe könnte alle Universitäten in Deutschland ein Jahr finanziert werden. Es könnten unzählige Kölner Theater, Schauspieler und Kritiker saniert und finanziert werden. Es könnten - Setzen Sie einfach ihren Wunsch hier ein.
Wenn das wahr ist, dann sollten wir unsere Freunde anrufen, ihnen davon erzählen. Einen Leserbrief an unsere Zeitung schreiben und nachfragen, ob die etwas davon wissen. Unseren Politikern auf den Zahn fühlen. Selber Recherchieren. Demos organisieren.
Wenn das wahr ist, sollten wir nicht sinnlose, verzettelnde und ablenkende Debatten führen.
Es ist zum Heulen.
Nach wie vor bin ich, trotz der Abstriche die ich gemacht habe, mit der Aussage von Esther Slevogt d'accord, das ein Tribunal nichts im Theater verloren hat, zumal es durch niemanden in seiner Arbeit legitimiert ist. Ja ich gehe sogar soweit zu behaupten, mit dieser inszenierten Gerichtsverhandlung wurde nur ein Mütchen gekühlt. Man hat, wem auch immer, gezeigt, das man aktiv ist, das man weiß, wo der Schuldige sitzt, man hat ihn dingfest gemacht und abgeurteilt. Aber was ist die Konsequenz aus der ganzen Angelegenheit? Was geschieht nun? Ist damit alles beendet? Es ist durchaus hilfreich hier mal auf die Website von attac zu gehen und auf jeden Fall die Meinungen der Mitwirkenden über das Tribunal zu lesen. Neben vielen Zustimmungen natürlich sind da auch kritische Stimmen zu vernehmen.
Hier Auszüge aus dem Statement von Peter Wahl (WEED), Verteidiger der Bundesregierungen zu den Grenzen des Formats: "1. es erzeugt einen Sog hin zur Personalisierung und zum Denken in Kategorien von Schuld. 2. es erweckt nach außen hin Erwartungen, die unerfüllbar sind." Er macht auch noch mal die Unterschiede zu den früheren Russell Tribunalen deutlich, die in einer Zeit ohne Medienwirksamkeit die Aufgabe der Information und Aufklärung hatten und nicht Bewertungsfragen in den Fordergrund stellten. Er geht natürlich irre, wenn er meint, das die Manipulationsmöglichkeiten der Öffentlichkeit heute nicht genauso hoch wie damals wären. Auf jeden Fall ist der Informationscharakter von öffentlichen Symposien gesellschaftskritischer Stimmen sehr wichtig. Das muss aber nicht zwangsläufig in Tribunalen enden.
Wolfgang Kaden (Autor, ehem. Chefredakteur "Der Spiegel" und "Manager Magazin"), Verteidiger von Josef Ackermann meint: "Die Verlesung der Urteile hörte sich für mich an, als ob die Richter schon mit dem fertigen Urteils-Text angereist wären. Es fehlte jedwede inhaltliche Auseinandersetzung mit dem, was am Tag zuvor abgelaufen war. Schade."
Elmar Altvater (Politikwissenschaftler), Ankläger gibt dann nun endlich auch die zukünftige Richtung vor und verweist auf "die Wege, die nun beschritten werden müssen". "Die Umsetzung des Urteils ist also ein Auftrag an alle jene, die sich gegen die Finanzkrise und ihre Folgen engagiert haben." Und hier nun wäre der Punkt, wo die Diskussion einsetzen müsste, um diesem Spiel dann doch noch halbwegs den Anstrich von Demokratie, mit der "Rückgabe zur weiteren Bearbeitung in die Hände eines Teils der Zivilgesellschaft" (attac) zu geben.