In der Monster-Miele-Folterwaschmaschine

von Tomo Mirko Pavlovic

Stuttgart, 2. Mai 2010. "Hugahuga Ha Huga Ha Hugahuga". Nachdem er sich mit ausdauernden Schmatzern von den sauber abgetrennten Köpfen seiner Brüder Marcius und Quintus verabschiedet hat, springt Lucius auf die Arbeitsplatte einer überdimensionierten Küchenzeile und macht sich - zum Racheaffen. Blutbesudelt, mit baumelnden Armen nimmt der allerletzte Überlebende von 25 Söhnen des glorreichen Feldherren Titus die Witterung der gotischen Truppen auf, die vor den Toren Roms den Eintritt mit Lucius' Beistand in unser Küchenreich begehren.

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© Sonja Rothweiler

Der Vater, das alte Schlachtross in alpinen Lederhosen, winkt zackig zum Abschied, raut dann noch mit einer Riesenreibe die aus dem feschen Dirndl lugenden Armstümpfe seines zungenlosen Töchterchens Lavinia auf, damit diese, grölend vor Schmerz, die Namen ihrer Schänder auf die abwischbaren Unterschrankfronten schmieren kann. Und weil die barbarischen Goten in diesem lustigen Splatter-Stück schwarz sind, tarnt sich der Krieger Lucius mit einem Batzen Nuss-Nougat-Creme das bleichwütende Angesicht. Hugahuga.

Der Gote in uns

Es ist wieder einmal angerichtet. Volker Lösch, der Chefkoch der antibürgerlichen Theaterküche, verwurstet dieses Mal William Shakespeares "höchst jammervolle römische Tragödie von Titus Andronicus" zu einem maximal scherzhaften Schnellimbiss für Globalisierungskritiker ohne jegliche Geschmacksnerven. Bei den Zutaten verwendet der Hausregisseur des Stuttgarter Staatsschauspiels ausschließlich die saftigsten und triefendsten Innereien des elisabethanischen Textleibes: nicht weniger als vierzehn Mord- und Totschlaghappen. Was dazwischen herauslappt an psychologischen Sehnen und feinem Versfleisch, wird von der Dramaturgie (Beate Seidel) kaltschnäuzig herausgeschnitten und weggeworfen.

Schwere Kost ist diese abstruse und bestimmt nicht allerstärkste Geschichte des William Shakespeare, in der ein verdienter, aber ordnungsfixierter und saturierter Feldherr nach seiner Rückkehr den Wahnsinn durchlebt. Titus' Kriegsbeute, die Gotenkönigin Tamora, steigt auf zur römischen Kaiserhure, rächt sich mit Hilfe ihres dämonischen Liebhabers Aaron für die Opferung ihres ältesten Sohnes, um dessen Leben die Mutter vergeblich bettelte. Der Hof watet bald im Blut, im Rausch der Vergeltung rollen Köpfe, lösen sich Zungen und Hände aus ihrer zivilisatorischen Verankerung. Der Gote ist nun der Andere, der Fremde in uns, der den Tod und das Tierhafte zum Vorschein bringt.

Knochenmühle Europa

Bei Volker Lösch schrumpft der Shakespeare'sche Abgrund allzumenschlicher Gier und Lust zu einer flachen, angegeilten Farce, in der die Küchenzeile (Bühne: Carola Reuther) als plattsymbolische Schlachtbank des abgeschotteten, wohlstandsneurotischen Europäers fungiert. Hier, so Löschs These, sterben die bürgerlichen Ideale von Freiheit und Brüderlichkeit. Der Chor, bestehend aus dreißig Stuttgarter Bürgern, darunter viele mit einem sogenannten Migrationshintergrund, bringen noch zu Beginn der Aufführung als anklagende Menschenwand den Befund auf den Punkt: "Europa ist geistig und moralisch nicht entschuldbar!", dröhnt es ins Parkett.

Und um die moralische Verworfenheit unmissverständlich rüberzubringen, bedient sich die Regie beim Shakespeare-Kommentar von Heiner Müller, der die Spur aus Ekel und Geifer bis in unsere Gegenwart zog. Müller tat es auf intelligente, verstörende Weise, weil er den Titus Andronicus assoziativ anreichert, die Knochenmühle Europa von Babylon bis nach Auschwitz knirschen lässt, das Drama in der westlichen Weltordnung als Zerstörungsmaschine erblickt, in der einer wie Aaron, der Afrikaner, auf sich selbst und seine martialische Wut zurückgeworfen wird und kalte Sätze sagt wie: "Der Neger ist sein eigner Regisseur / Er zieht den Vorhang schreibt den Plot souffliert."

Die Reihen der Ich-hack-dir-was-ab-Show lichten sich

Auch Lösch lässt seinen Aaron, vorgeblich gespielt von Till Wonka, denselben Satz aufsagen, doch wirkt er plötzlich banal und peinlich, weil die evozierten Bilder in diesem pubertären Reigen jegliche Phantasie, jedes Wortbild töten. Wo kein Einfall ist, gibt es kein Spiel, keinen Albtraum, kein politisches Theater mit ästhetischem Anspruch. Die Ich-hack-dir-was-ab-Show muss halt weitergehen. Immer weiter. Und noch ein Pimmel. Und noch mal in die Spritztüte geschissen. Dazu Bachs Goldberg-Variationen. Ach ja. Und wenn dann einer der Söhne Tamoras bei der urdeutschen Nazi-Monster-Miele-Folterwaschmaschine auf die Taste mit dem Schleudergang drückt und die darin stöhnende Lavinia dumm aus der rotierenden Dirndlwäsche gucken lässt, klatscht man sich auf die Schenkel und fühlt sich wie im falschen Popcornmampfe-Kino.

Von den Schauspielern lässt sich lediglich sagen, dass sie heillos unterfordert sind und sich redlich an der gigantischen Hilfskochstelle abarbeiten, ihre gut trainierten Körper, allerhand Edelstahl und fremde Ohren appetitabtötend penetrieren, was zum Teil recht clownesk daherkommt und unterhaltsam ist, vor allem dann, wenn bei all dem Bohei auf der Bühne sich auch noch die Zuschauerreihen am Premierenabend unter Gemurr merklich lichten. Markus Lerch immerhin gelingt es noch, seinem Saturninus etwas komödiantische Kontur zu verleihen, da er zaghaft die Commedia dell'arte durchscheinen lässt, die Materialschlacht humoristisch überformt. Auch Lisa Bitter als Lavinia wahrt eine gewisse katastrophierte Distanz, die gefallen mag.

Die Arroganz des westlichen Parkettmenschen

Am Ende des grotesken Gemetzels darf noch einmal der Chor aus der dunklen (!) Tiefe des postkolonialen Raumes heranstampfen, auf den T-Shirts die Logos vieler Multi-Konzerne. Es ist der eigentliche Hauptgang zum Shakespeare'schen Amuse-Gueule: Eine gute Viertelstunde lang werden authentisch anmutende Berichte von afrikanischen Flüchtlingen auf ihrem Weg zur Festung Europa feilgeboten, natürlich mit der schon traditionellen Vorwurfshaltung Marke Lösch. "Wir schleudern eure Arroganz in den Dreck. Wir sind lange genug in den Dreck gekrochen. Aber jetzt stehen wir auf." So. Europa, das sind nämlich "wir". Das ist der Mensch im westlichen Parkett, der spießige Küchenzeilen-Verwalter, der - das nur vom krustigen Rand des Wohlstandsceranfeldes angemerkt - heutzutage als neoliberaler Gutverdiener den Küchenblock präferiert.

Sei's drum. Harold Bloom, einer der bekanntesten amerikanischen Literaturwissenschaftler, schrieb einmal, ein Stück wie der "Titus Andronicus" entlasse den Zuschauer mit einer "beklommene[n] Heiterkeit", weil das Leiden mit beißender Ironie auf die Spitze des Monströsen getrieben werde - und damit über dieses hinaus. Der Stuttgarter "Titus" entlässt einen ebenfalls beklommen heiter in die Nacht, nur das man ernsthaft darüber nachdenkt, Vegetarier zu werden. Monströs und beißend. Hugahuga.

 

Titus Andronicus
von William Shakespeare
Inszenierung: Volker Lösch, Chorleitung: Bernd Freytag, Ausstattung: Carola Reuther, Kostüm: Sarah Roßberg, Dramaturgie: Beate Seidel.
Mit: Markus Lerch, Jan Krauter, Sebastian Kowski, Jonas Fürstenau, Lisa Bitter, Nadja Stübinger, Matthias Kelle (bei der Premiere: Jörg Petzold), Lukas Rüppel, Till Wonka, Robert Lang, Samuel Hidalgo Staub, Oliver-Selim Bousalam, Lucia Prestandrea, Lars Lauser, Chor.

www.staatstheater.stuttgart.de/schauspiel

 

Mehr Material zu Volker Lösch und weitere Nachtkritiken finden Sie über den entsprechenden nachtkritik.de-Glossareintrag.

 

Kritikenrundschau

Rainer Zerbst schreibt auf der Webseite des Deutschlandradios (2.5.2010): Lösch knüpfe an Heiner Müllers Kommentar zu Shakespeares Stück an. Müller habe "einen Konflikt zwischen sogenannter 'Erster' und 'Dritter' Welt" gesehen. Und also seien die Goten bei Lösch schwarz geschminkt, seine These: der weiße Kapitalismus habe die Gefahr "durch seine Egozentrik selbst heraufbeschworen". Was Lösch auf die Bühne bringe habe aber den Duktus der "Aufführung einer talentlosen Laienbühne". Die "Greueltaten, die ja erschrecken" sollten, würden "dezidiert gespielt, dass man in jedem Augenblick das Klappern der Requisitenkiste spürt". Die Römer, bei Lösch "weiß geschminkt", benähmen sich "lächerlich". Gehe es bei Shakespeare noch "um menschliche Perversitäten", gebe es bei Lösch nur "banale Muskelspiele". Am Ende zitiere "die Phalanx aus Schwarzen" aus einem Buch des Italieners Fabrizio Gatti; "sie schildern, unter welchen Mühen sie Afrika verlassen haben und in welche Ausbeutung sie seitens der Weltkonzerne geraten sind." Langeweile mache sich breit, "wo eigentlich Entsetzen herrschen müsste".

Auf der Webseite des Deutschlandfunks (3.5.2010) bespricht Cornelia Ueding die Aufführung: Heiner Müller habe in Shakespeares Stück "den Kampf der dritten Welt gegen die Festung Europa" gesehen. Volker Lösch nehme das auf und setze alles daran, "das Drama der Kolonisierung und Plünderung Afrikas (...) gleich mit zu verwursten". Am Ende seien viele Zuschauer geflohen, frustriert "von einem endlosen, hilflosen, dafür lauten, redundanten Bühnengezappel". Warum löse die Gewalt auf der Bühne "vor allem Langeweile aus?" Was immer Lösch beabsichtigt haben möge, es sei ihm nicht gelungen, "weil dieses bluttriefende Allerlei die Mechanik des Tötens reproduziert, statt sie zu zeigen". Weil es in "dieser Mixtur aus Grand Guignol und bösen Köchen, Halloween und Knochensäge" keine "Sprachregie" gebe und "keine Menschen, die zu monströsen Kampfmaschinen" würden. Es gebe "keinen Moment des Innehaltens, der Ernsthaftigkeit, der Reflexion". Bevor man "hilflos und wirkungslos mit den Mitteln des Theaters die Welt retten will, sollte man erstmal das Theater retten, damit der Appell auch ankommt."

In der Stuttgarter Zeitung (4.5.2010) schreibt Stefan Kister: Lösch erzähle Shakespeares "unsägliches Geschehen im Stil des Grand Guignol". Doch sein "überzeichneter Volkstheaterhumor" sei "noch grimmiger als das soziale Pathos, mit dem er für gewöhnlich unsere aus den Fugen gehende Welt" beschwöre. Frei nach Heiner Müllers Paraphrase des Stoffs grundiere Lösch das Spektakel "als den Einbruch der Dritten Welt in die Erste". Seine "fragwürdigste Pointe" sei, "dass wir uns genau darin wiedererkennen sollen." Die "holzschnittartigen Gräueldeppen" sollten der "in der Festung Europa verschanzten spätrömischen Dekadenz von heute ausmalen, was ihr bald dräut". Er lasse "wutgesteuerten Einpeitschertrupps" aufmarschieren, "rhythmisch geschlossene Reihen, zu allem bereit, vor allem dazu, den Schutzzaun der westlichen Wohlstandsoasen zu überwinden." Aber: "Unter dem Ironiemäntelchen knalligen Chargierens" lebe er ein "alles überschießendes Gewaltpotenzial aus". Lösch treibe "die liberale Selbstbezogenheit in die Sackgasse" und im Grunde genieße er "den geheimen Grusel des Ausnahmezustands", den er beschwöre.

In den Stuttgarter Nachrichten (4.5.2010) schreibt Nicole Golombek: "Weil Titus Andronicus im fünften Akt sagt, 'Ich will den Koch spielen', Tamoras Söhne einkocht und ihr zum Essen serviert, liegt eine Küche als Bühnenbild nah." Doch Lösch und Dramaturgin Beate Seidel verführen mit Shakespeare "ähnlich erbarmungslos wie die Figuren mit ihren Feinden". Der Text werde "zerhackstückt und mit Aufsätzen über die Dritte Welt, Zitaten aus Filmen und vor allem mit Heiner Müllers Kommentarstück "Anatomie Titus Fall of Rome" verrührt", das Römer und Goten mit Erster und Dritter Welt gleich setze. In "längeren, oft schwer verständlichen chorischen Reden" höre man "Geschichten über Menschen, die von Afrika nach Europa fliehen". Angesichts der "verworrenen Intrigen und der übertriebenen Grausamkeit" sei die "künstliche Commedia dell"Arte-Spielweise plausibel". Doch würden dabei "Klischees" bedient, "die Schwarzen rollen wild mit den Augen, die Weißen sind reaktionäre Machos". Am Ende brülle der Chor in Hemden mit Logos "globaler Ausbeuterfirmen" Berichte aus der Dritten Welt in Richtung Publikum. "Seht her, so die Botschaft, das sind die wahren Dramen." Die Einsicht, dass dagegen das Ensemble "nur staatlich subventioniertes Kasperltheater" veranstalte, sei "das einzig Erstaunliche an diesem Abend".

Hubert Spiegel schreibt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (4.5.2010): Bei Shakespeare werde hinter der Bühne gemordet, bei Lösch und seiner Dramaturgin Beate Seidel stehe das Gemetzel im Vordergrund. Im Zentrum der Aufführung, die aus Shakespeares blutrünstigem Stück einen "aktuellen Kommentar zur Migrationsproblematik des einundzwanzigsten Jahrhunderts" machen wolle, stünde, eine "gemischtrassige Vergewaltigungsszene in einem Umluftbackofen aus deutscher Markenproduktion". So etwas habe Lösch wohl als erster Regisseur überhaupt auf eine Bühne gebracht. In Carola Reuthers Küchnezeile erblickt Spiegel "die Festung Europa, eine uneinnehmbare Einbauküche", die Titus als "wehrhafter Oberförster im Tarntrachtenjanker" verteidige. Küchenarbeit sei hier "blutiges Handwerk, Kochstunde ist Turnstunde, und die Schauspieler hüpfen wie Springteufel aus dem Kühlschrank, um gleich darauf wieder in einer Schublade zu verschwinden." Das sorge für "Gags und Tempo", Lösch inszeniere ein "Kettensägenkasperltheater mit moralischem Anspruch". Aber je größer "der Holzhammer", desto größer werde der Graben, der sich zwischen der "bizarr überdrehten Gewaltorgie" und der "sich anschließenden chorischen Moralpredigt".

Die "wüsten Fantasien" des guten alten Shakespeares, schreibt Adrienne Braun in der Süddeutschen Zeitung (5.5.2010), inszeniere Lösch als "bajuwarisches Volkstheater".
Wie im Splatterfilm gehe Lösch "weit über die Schmerzgrenze hinaus". Nach dem letzten Aufzug folge der "für Lösch typische Laienchor", der von der Flucht aus Afrika berichte. Doch die Parallele zwischen Shakespeare und dem Schicksal der Illegalen halte "einer strengen Analyse nicht stand", denn das eigentliche Thema des "Titus" sei der "endlose Kreislauf der Gewalt, ob gegen Schwarz oder Weiß". Eindimensionale Schuldzuweisungen griffen zu kurz - so werde "ein direkter Bogen geschlagen von der Kolonialisierung Afrikas zur industriellen Ausbeutung". Aber bei Lösch gehe es nicht um "ernsthafte Ursachenforschung", er appelliere mit "den Mitteln des Theaters direkt ans Gewissen". Diesmal wolle der "passionierte Pädagoge" sein Publikum für die "aktuelle Misere" sensibilisieren: "Gewalt findet heute an den Grenzen Europas" statt. Löschs Aktualisierung sei durchaus anfechtbar, "sein zentraler Appell ist es nicht: Eine Zivilisation, die vor dem Problem der Flüchtlinge die Augen verschließt, "ist eine kranke Zivilisation". Das Premierenpublikum reagierte so verstört wie empört."

Kommentare  
Andronicus in Stuttgart: muss man nicht hinfahren
selber schuld wer da noch hinfährt und sich sowas anschaut. weiss man doch eh was dabei rauskommt. bin gespannt wieviele 2011 nach venedig fahren und wieder quasseln über die andern neuen rosen die da so blühen. schade um jede zeile (auch diese). punkt.
Andronicus in Stuttgart: Hetze?
nachtkritik wieder ganz im stürmer stil. bravo! immer schön unsachlich gegen alles hetzen, was nicht der eigenen ideologie entspricht!
Andronicus in Stuttgart: Keine Hetze
hut ab vor nachtkritik, dass sie den kommentar von afrika drucken. muss aber nicht sein, finde ich, weil man sich so nicht beschimpfen lassen muss, auch nicht als kritiker ;-).

@ afrika: hetze ist, wenn man sagt: der darf kein theater mehr machen oder jagd lösch aus dem land oder so, zu sagen dass man das nicht gut findet, was er in dieser inszenierung gemacht hat ist keine hetze und erst recht nicht auf stürmer niveau...
Andronicus in Stuttgart: Ernste Ermahnung
@ afrika: In Ihrem Kommentar zeigt sich nichts ausser die eigene ideologische Voreingenommenheit eines Denkens in binär konstruierten Weltbildern. Erst wenn auch Sie selbst aus diesem Freund-Feind-Wahrnehmungsschema herauskommen würden, könnte man differenzierter auf Ihre Argumente eingehen. Es reicht eben nicht, allein Frantz Fanons Thesen aus "Die Verdammten dieser Erde" zu reproduzieren. Lesen meint hier Denken mit anderem/ihrem eigenen Verstand. Theorie darf nicht zum Denkmal werden.
Andronicus in Stuttgart: nur Meinung?
@IS: Auf welche Argumente von afrika möchten Sie den eingehen? Ich lese nur Meinung.
Und: Wo haben Sie jetzt den ollen Fanon her? Oder möchten Sie nur ein bisschen protzen?
Und trotzdem: Es tut meistens ganz gut zu wissen, auf welcher Seite man steht (ohne behaupten zu wollen, dass es nur zwei gäbe).
Andronicus in Stuttgart: wollte die Argumente einfordern
@ WB: Stimmt, das ist reine Meinungsmache, ähnlich der Presse mit den vier Buchstaben. Ich wollte die (fehlenden) Argumente bloß einfordern, als Voraussetzung einer offenen Kommunikation und/oder Konfrontation.
Mir gehts nicht ums Protzen. Die Beschreibung dieser Inszenierung durch die KritikerInnen führte mich ganz einfach sofort zu den (auch in meiner Perspektive veralteten) Thesen von Frantz Fanon.
Und übrigens, ich weiss, auf welcher Seite ich stehe - auf der gewaltfreien.
Andronicus in Stuttgart: Lösch knüpft kongenial an Sartre an?
Liebe I S, ich glaube jetzt haben Sie sich mit Ihrem Verweis auf Frantz Fanon selbst ins Knie geschossen. So ist es wenn man das Stück nur ungenau kennt. Nicht "Die Verdammten dieser Erde" sondern „Schwarze Haut, weiße Masken“ würde ich hier als Vergleich heran ziehen. Aron ist der Schwarze der sich der Mittel des Weißen bedient, um in der kolonialen Welt zu recht zu kommen. Das kommt in der Heiner-Müller-Bearbeitung ja auch heraus, der den blanken Rassismus der Shakespeare-Zeit bricht und auf die Rolle des Außenseiters in einer weißen Welt hinweist. Fanon wollte den Farbigen den Lacanschen Spiegel vorhalten, auf das sie ihre wahre Identität darin erkennen.
Seine Ansichten von der „antikolonialen Gewalt“ sind sicher aus heutiger Sicht sehr radikal und widersprüchlich, letztendlich hat Fanon aber immerhin mit seiner These recht behalten, das die bourgeoisen Kräfte nichts zur Entkolonialisierung beitragen können und nationalistische Warlords immer noch viele Gebiete Afrikas unter ihrer Fuchtel halten. Fanon hat von einer afrikanische Identität geträumt, die leider schöne Utopie geblieben ist.
Der Arbeitslose und Slambewohner hat nach wie vor keinen Anteil an der Unabhängigkeit, oder wie anders erklären Sie sich die nicht abreißenden Flüchtlingsströme aus Afrika. Dieses Potential hat in Afrika keiner für eine wirkliche revolutionäre Umwälzung nutzen wollen und können. Wenn Sie Fanon nun Gewaltverherrlichung vorwerfen, na was passiert denn nun in Afrika, alles nur Friede, Freude, oder hängen da nicht immer noch koloniale Mächte drin, die sich der Uneinigkeit der afrikanischen Ethnien bedienen.
In seiner Grunderkenntnis des kolonialen Systems hat Frantz Fanon aber bis heute durchaus Recht: „Verlassen wir dieses Europa, das nicht aufhört, vom Menschen zu reden, und ihn dabei niedermetzelt, wo es ihn trifft, an allen Ecken seiner eigenen Straßen, an allen Ecken der Welt.“ Oder besser noch Sartre der große Existentialist: „Einen Europäer erschlagen, heißt zwei Fliegen mit einer Klappe treffen.“ Und daran dürfte doch nun Lösch mit dieser Inszenierung kongenial angeknüpft haben, wenn ich die Kritik richtig gelesen habe.
COMMENT_TITLE_RE Titus Andronicus – Volker Lösch verwurstet Shakespeare zu einem globalisierungskritischen Schnellimbiss
aha, stefan sieht sich alles am reißbrett schön.
Andronicus in Stuttgart: ständiges Relativieren führt zu Dulden
@die bürgerliche is findet es natürlich in ordnung, wenn immigranten elendig verrecken. da muss gleich relativiert werden. diese ständige relativieren führt doch zu diesem passiven dulden jeglicher unmenschlichkeit. und ja lösch verdient damit geld, wissen wir, aber ist deswegen die aussage weniger wahr ? manche, wie IS oder auch künstler wie pollesch, sind sich nicht bewusst, dass ihre form des relativierens auch politik ist, eine politik der akzeptanz der verhältnisse.
Andronicus in Stuttgart: kämpfe mit dem Schlaf angesichts der Argumente
@ Le: ach... ups bin kurz eingeschlafen. Das ist aber auch ansteckend.
@ IS: welche Seite ist denn bitte gewaltfrei. Doch nur die, die nicht möchte, dass ihre eigenen Argumente einer Überprüfung unterzogen werden und sich deshalb schon vorher wegduckt. (Verzeihen Sie die Anmaßung) Sonst würden Sie da nicht so wischiwaschi daherreden, sondern mal Stellung beziehen, was ihnen am Löschschen Theater missfällt, statt ... ups jetzt bin ich schon wieder eingschlafen.
@Stefan: Das Zitat könnten Sie aber auch vervollständigen, dann käme man auf den Sinn und vielleicht auf einen Grund.
Andronicus in Stuttgart: Aufgespießt
Und wie immer auf Nachtkritik: Nach spätestens 2 Posts geht es nicht mehr um die Inszenierung sonern um Rechtschreibung oder Unsachlichkeit. Klasse.
Andronicus in Stuttgart: präpotentes Seminaristengeschwätz
Leider geht es nach 2 Posts nicht um Rechtschreibung und Unsachlichkeit, sondern um dummes, präpotentes Seminaristengeschwätz (wie leider allzuoft in letzter Zeit auf "Nachtkritik").
Das hat allerdidngs mit Theater genauso wenig zu tun. Insofern meine Zustimmung, Raimund.
Andronicus in Stuttgart: Massen strömen auf Europa zu
Was ist das denn hier für ein merkwürdiger Tanz der Initialen hier?
@ L E
Seien Sie doch mal etwas kreativer und verpassen dem ganzen eine dritte Dimension.
@ W B
Ich denke der eine Satz von Frantz Fanon ist aussagekräftig genug. Er war von den linken französischen Intellektuellen enttäuscht und hat sich von Europa abgewandt. Umso tragischer ist es jetzt, dass die Massen, die er für die revolutionäre Triebkraft hielt nun in einer Gegenbewegung auf das alte Europa zuströmen.
@ Raimund
Ich hoffe ich habe alles richtig geschrieben.
Andronicus in Stuttgart: Korrekturen
@ Raimond: bei "sonern" fehlt das d und davor das Komma!
@ Stefan: richtig geschrieben! Aber 2-3 Kommata mehr täten auch Ihrem Text gut.
Andronicus in Stuttgart: abgeschmackte Ketchup-Orgie
schließe mich nicht den posts, aber den kritikern an: jede menge shakespeare'sches geschnetzel, oops, gemetzel in einer deutschen küchenzeile (großartiges bühnenbild!) und ein diesmal leider inhaltlich und sprachlich absolut misslungener chor. ohne den wäre die inszenierung gar nicht uninteressant gewesen. auch wenn man auf die abgeschmackt abgeschmeckte ketchupblut-dauerorgie hätte verzichten können.
Andronicus in Stuttgart: ein Komma mehr
@besserwisser
O.k., ich nehme ein Komma mehr hinter "Ich denke ..." . Wäre das dann so besser? Ist ja wie Glücksrad. Wer kauft noch ein e?
Titus Andronicus: es geht um wechselseitigen Respekt
@ IM IS: Huch. Dazu fällt mir jetzt nichts mehr ein. Vielleicht versuchen Sie erstmal, den Blumfeld-Song "Wohin mit dem Hass" zu analysieren. Und dann bin ich gern bereit, weiter mit Ihnen zu diskutieren. Einer schematischen Einordnung von Menschen in abstrakte Ideologien stehe ich generell äusserst skeptisch gegenüber.
@ Stefan: Mensch, das ist ja eine wunderbare Erkenntnis, zu der Sie da gekommen sind: "Einen Europäer erschlagen, heißt zwei Fliegen mit einer Klappe treffen." Ich würde sagen, dass das ebenfalls instrumentalisierend, weil vom europäischen Standpunkt aus gedacht ist. Wie wäre es denn mal damit, das ganz Andere und eben nicht sofort in den eigenen Verständnishorizont einzuordnende Fremde einfach mal so stehen zu lassen? Es geht um wechselseitigen Respekt. Befördern Sie dagegen mit Ihren Thesen nicht gerade das blinde und verallgemeinernde Vorurteil des "bösen schwarzen Mannes"?
Andronicus in Stuttgart: binäre Welt- und Menschenbilder
@ WB: Löschs Arbeiten sind mir gegenüber den Arbeiten von Schleef zu plakativ inszeniert. Mir tun da wechselweise entweder die verwursteten Akteure oder die verwendeten Stoffe (Stücke, Romane, Filme) Leid. In meiner Wahrnehmung werden beide bei Lösch eher zum Zweck der Abbildung vereinfachender binärer Welt- und Menschenbilder instrumentalisiert, anstatt sie zum Ausgangspunkt einer tatsächlichen Reflektion zu nehmen.
Andronicus in Stuttgart: Plakative Direktheit ist besser
@ I S
Das ist doch totaler Quatsch, es weiß doch jeder wie das gemeint ist. Sind sie nicht auch ein Verfechter der totalen Ironie? Aber mit Ihrer ständigen Political Correctness und Hinterfragerei erreichen Sie letztendlich gar nichts. Sie ermüden die Leute. Da ist mir ab und zu ein wenig plakative Direktheit lieber.
Andronikus in Stuttgart: Waschmaschinen-Kanzleramts-Bühne
@ Stefan: Na, aber wie ist das denn jetzt gemeint, dieser Blumfeld-Song? Ich würde jedenfalls nicht sagen, dass es da nur um "die totale Ironie" geht. Ach so, ich "ermüde die Leute". Ist klar, projizieren sie ruhig weiter. Ausser vermutlichem Waschmaschinen-Kanzleramts-Bühnenbild nix gewesen.
Andronicus in Stuttgart: keine Sekunde gelangweilt
Ich war gestern im Stück und habe mich keine Sekunde gelangweilt!!Nachher gabs eine sehr interessante Diskussion mit Lösch und den Schauspieler. Viele waren sehr begeistert und angeregt! Das nur so mal am Rande.
Andronicus in Stuttgart: Tiefpunkt im Lösch-Schaffen
Ich war auch in dem Stück und länger als eine halbe Stunde habe ich beim besten Willen nicht ausgehalten. Ich besuche Löschs Stücke schon seit Jahren - mit Titus Andronicus hat er einen neuen Tiefpunkt erreicht. Eine einzige, blutige Metzelorgie mit derart entstellten - oft zusammehanglosen - Dialogen habe ich in meiner Zeit als Besucher noch nicht erlebt. Die Charaktere wurden nicht herausgearbeitet, sondern in der blutigen Küchenzeile zusammengestampft. Seine Absicht, war, wenn man Lösch kennt, nach wenigen Minuten klar, die restlichen 1 1/2 Stunden eine derartige Beleidigung für Auge und guten Geschmack über sich ergehen zu lassen, ist entweder mutig oder dumm.
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