Nur scheinbar Schwarzweiß

von Sabine Leucht

München, 6. Mai 2010. Nun ist er da, der Neue. Zwar saß er schon – nachsichtig und stillvergnügt – in den letzten Premieren. Heute aber stand Johan Simons erstmals selbst im Zentrum. Er, der künftige Intendant – und das Corporate Design seines Hauses. Demnach wird es künftig weniger bunt werden an den Münchner Kammerspielen.

Wenn man dem Spielzeitheft glaubt, worin das vor allem durch holländische und zwei lokale Neuzugänge (Nico Holonics vom Volkstheater und Stefan Hunstein vom Staatsschauspiel) gewachsene Ensemble auf Schwarzweißfotos an Münchner Straßenecken posiert. Die schwarzen Lettern M und K zieren den Titel. Und das, was gedruckt nach Glitzerkugeln aussieht, sind weiße Jahrmarktsleuchten, die künftig in Massen ein Theater zieren sollen, "in dem das Licht brennt". So jedenfalls wünscht es sich Simons.

Das MK-Gefühl
Die Idee dazu hatte die Künstlergruppe LSD, und sehr ähnliche Leuchten gibt es nicht zufällig auch am NT Gent, das Simons noch bis Ende der Spielzeit leitet. NTG, MK: Das klingt sehr nach Label. Simons spricht vom "MK-Gefühl", das nach seinem Wunsch die Stadt erobern solle und liegt damit auf einer Linie mit seinem Vorgänger Frank Baumbauer und dem von diesem eingesetzten Übergangs-Triumvirat, das in Gänze auch der neuen Theaterleitung angehören wird. Die erste Simons-Spielzeit birgt allenfalls Überraschungen, die ins bestehende Konzept der allfältigen Offenheit passen. Wer die Saison also gerade öffentlich als plan- und führungslos geißelte, sieht sich nun blamiert.

Der 64-Jährige will vieles und hat bereits viel gemacht. Darum nennt er das Viele "meine Erfahrungen evaluieren, ohne dass ein System das andere überwuchert". Da hatte der Neue bereits ein Loblied auf das deutsche Repertoiresystem gesungen. Jetzt singt er eines auf das Theater im Stadtraum und auf kleinen Bühnen, die bei ihm eine weitere Aufwertung erfahren: Den Werkraum verkleidet Bert Neumann dauerhaft als Ballsaal und in der neuen "Spielhalle" kann nach belgisch-holländischem Vorbild praktisch rund um die Uhr geprobt und danach en suite gespielt werden.

Europäisches Stadttheater inmitten der Welt
Der regieführende Intendant zieht zur Spielzeiteröffnung am 7. Oktober als erster in diese kleine Halle ein: Mit einer Adaption von Joseph Roths Roman "Hotel Savoy", dessen Name Simons als Metapher taugt "für ein europäisches Stadttheater inmitten der Welt, für einen Ort, der Geschichte und Geschichten atmet".

Nein, weniger bunt wird es gewiss nicht werden, trotz des gediegenen Schwarzweiß' des neuen Designs. Die alten Recken Kamerun, Kriegenburg, Nübling, Pollesch, Pucher und Wieler bleiben dem Haus verbunden. Semi-Neue wie Alvis Hermanis, Armin Petras und Karin Henkel werden ihre zweiten Streiche in München womöglich glücklicher führen. Außerdem darf man auf Ivo Van Hove gespannt sein, auf einige junge Gesichter hinter und auf der Bühne, auf die Integrationsfähigkeit von Schauspielstars wie Elsie de Brauw und Jeroen Willems und auf das neue Stück von Elfriede Jelinek: "Ihr bislang persönlichstes", so Chefdramaturgin Julia Lochte.

Kommt zu mir!
Grenzüberschreitender in vielerlei Hinsicht wird Simons "Theater in der Welt" wohl erst mittelfristig agieren. Hier stehen die Namen Meg Stuart, William Kentridge, Kristian Smeds und Alain Platel in den Startlöchern.

Herzlicher, privater, nun: holländischer ging es dagegen gleich schon zu: Falls die Bänke für die neue Spielhalle wirklich nicht bequem sein sollten, sagt Johan Simons besorgt: "Nicht schreiben, dann kommt ihr zu mir!" Zu den geplanten Premieren und dem neuen Design kommt man bislang nur indirekt über www.muenchner-kammerspiele.de (auf "Vorschau Spielzeit 2010/2011" und dann "Neue Spielzeit" klicken)

 

 

 

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