Presseschau vom 6. Mai 2010 – Stückemarkt-Jurorin Christine Dössel kritisiert Heidelberger Stückemarkt

Handlangerdienste?

Handlangerdienste?

In der Süddeutschen Zeitung (6.5.2010) schreibt die Stückemarkt-Jurorin Christine Dössel: Durch gemeinsamen Genuss von patriotisch blauweißen Butterkeksen würden die Besucher des Israel-Schwerpunktes des Stückemarktes "als Glaubensgemeinschaft eingeschworen". Wohl deshalb frage kaum jemand, "wo in diesem Zusammenhang eigentlich Palästina bleibt".

Es habe schon im Vorfeld für Irritationen und Kritik gesorgt, dass der Israel-Schwerpunkt des Stückemarkts "das Minenfeld des israelisch-palästinensischen Konfliktes komplett" ausspare (eine "Palästina/Nahost-Initiative Heidelberg" hatte den Veranstaltern vorgeworfen, sie ließen sich von der israelischen Botschaft finanziell unterstützen und machten sich so zum Büttel einer öffentlich angekündigten "politischen Kampagne", mit der die israelische Regierung das "stark angekratzte Israelbild in der Öffentlichkeit" aufzubessern versuche – jnm).

"Man habe nicht den deutschen Vermittler spielen und ein verlogenes Programm anbieten wollen", zitiert Dössel Schauspieldirektor Jan Linders und Intendant Peter Spuhler. Der Leiter des Goethe Instituts Tel Aviv, Georg Blochmann, habe ihnen den ausdrücklichen Rat gegeben "Israelis und Palästinenser im Festival und in der Theaterpartnerschaft nicht unter einen deutschen Versöhnungshut zu zwingen".

Dössel vermutet dagegen oder darüberhinaus: "Man hat wahrscheinlich weder die Israelische Botschaft vergrätzen noch die erwähnte Theaterpartnerschaft trüben wollen" (eine zweijährige Kooperation des Heidelberger Theaters mit dem Teatron Beit Lessin in Tel Aviv, gefördert aus dem Topf "Wanderlust" der Bundeskulturstiftung).

Zwei Ergebnisse dieser Theaterpartnerschaft, schreibt Dössel, seien beim Stückemarkt zu sehen gewesen: "They Call Me Jeckisch", ein "sich 'dokumentarisch' nennendes Projekt" von Nina Gühlstorff und Nina Steinhilber und "Undercover Tel Aviv", ein "sich 'Dokufiktion' nennendes Stück im Stil eines Agententhrillers" von Stéphane Bittoun.

Während sie "They call me Jeckish" als allenfalls "gut gemeint" und in seiner politischen Korrektheit "einigermaßen penetrant" erlebt, findet Dössel bei "Undercover Tel Aviv" eine "pfiffigere und eigenständigere Note", auch wenn das "Dokumentarische" hier ebenfalls "kein Garant für (mit)gefühlte Authentizität" sei. Wie Stéphane Bittoun die "Paranoia und Vielgesichtigkeit" von Tel Aviv in einen "abstrusen Spionage-Krimi" umsetzt, der sich am Ende als "Adventure-Programm für deutsche Touristen" herausstellt, das sei "nicht ohne Witz". Es ist ein Spiel mit fiktiven Biografien und authentischen Lebensgeschichten aus der Schauspielerisch hängten Michal Shtamler und Dan Kastoriano ihre deutschen Kollegen Franziska Beyer und Paul Grill "locker ab".

 

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