Neoliberal entkräftet

Berlin, 11. Mai 2010. Was ist los mit unserem Dramatikernachwuchs? Am Gängelband der Verlage formatieren sich neue Texte bis zur Ununterscheidbarkeit. Anstelle eigenständiger Formen dominieren immergleiche Familienkonfliktdramen mit Tschechow'scher Dialogrezeptur. Statt eine "horizontale, interdisziplinäre Arbeitsweise" zu entwickeln, dienen sich auf Schreibschulen ausgebildete Autoren dem "Modell neoliberaler Arbeitsordnung" an und unterwerfen sich bereitwillig dem Regime einer effizienslastigen Bühnenregie.

So sieht es eine der Jurorinnen des Stückemarktes des Berliner Theatertreffens 2010, die Autorin und Regisseurin Marlene Streeruwitz in der heutigen Ausgabe der tageszeitung. Produziert werde nach der inneren "Zensur eines Bereichs, der im Abstieg begriffen ist", sprich: billig, mit wenigen Handlungsträgern und größtmöglichem Spielraum für die Regie sowie allenfalls "sehr allgemein" gehaltenen Sinnfragen. Nirgends erkennt Streeruwitz in der Masse an Einsendungen zum Stückemarkt ein "Begehren auf Literatur".

Diese Bestandsaufnahme kommt wie gerufen zur vorgestern verkündeten Entscheidung der Jury des Heidelberger Stückemarktes, den diesjährigen Förderpreis zu gleichen Teilen an alle Nominierten zu vergeben. Auch die Heidelberger Juroren (Christine Dössel, Erik Altorfer und Nis-Momme Stockmann) befanden nach langwierigen Verhandlungen, "dass aus den zur Auswahl stehenden Stücken keine derartig heraus ragen, dass wir eindeutig und konsensfähig die zu vergebenden Preise – den Autorenpreis, den Innovationspreis und den Europäischen Preis – verleihen können." Bereits im vergangenen Jahr wurden Werkstattheatertage des Burgtheaters ausgesetzt, weil die Jury keine qualifizierten Autoren unter den Bewerbern fand.

Was das Heidelberger Jury-Mitglied Nis-Momme Stockmann (selbst Preisträger des Heidelberger wie des Berliner Stückemarktes 2009, und 2010 für den Mülheimer Dramatikerpreis nominiert) von Evaluationen und Wettbewerbsentscheidungen in den Künsten hält, legt er übrigens ausführlich auf der nachtkritik-Seite zu den diesjährigen Mülheimer Theatertagen dar: Auf nachtkritik-stuecke2010.de lesen Sie im Rahmen eines Fragebogens seine Philippika gegen die Bewertungsmacht der Kritik.


(taz/Heidelberger Stückemarkt/chr)

 

Kommentare  
Presseschau Nachwuchsdramatik: Zeit für Nietzsche
Ich habe als Autorin genau diese Formatierung, diesen offensiv bis subtil verfolgten Angleichungsprozess in Stipendiums- und Ausbildungszusammenhängen erleben dürfen. Und auch jetzt im Verlag sieht man in blanke Gesichter, wenn man von innerer Notwendigkeit und literarischen Ansätzen zu sprechen versucht. Es herrscht eine Art von institutionellem Regime der Mittelschichtskunstgewerblichkeit. Man darf nicht dahin gehen, wo es wirklich weh tut. Leidenschaft löst Befremden aus. Was daraus folgt ist ein künstlerisches Vakuum. Frau Streeruwitz bringt es gut auf den Punkt. Das Dramatiker-"Geschäft" folgt einer biedermeierlichen Handel- und Handwerksmentalität. Zeit um mal wieder Nietzsche zu lesen.
Presseschau Nachwuchsdramatik: Der Stärkere gewinnt?
Dieser Text von Marlene Streeruwitz ist so geil, das er fast schon selbst ein kleines Stück ist, ein Stück erlebte Theaterwirklichkeit.
Nur was sollen denn die jungen Dramatiker mit Nietzsche anfangen, der Stärkere gewinnt?
Presseschau Nachwuchsdramatik: Schleefs Nietzsche
Nee, C. Tilmmann meinte sicher Schleef, Nietzsche-Trilogie.
Nachwuchsdramatik: Nihilismus überwinden
was sie mit nietzsche anfangen könnten
simplizität: der stärkere gewinnt
sie könnten anfangen den nihilismus zu überwinden z.b.
erstes hauptanliegen nietzsches
aber den nihilismus gibt es ja in unserer zeit nicht mehr
der ist ja glücklich überwunden
nicht wahr?
Nachwuchsdramatik im Neoliberalismus: hinein in Nietzsche
zu schleef nietzsche-trilogie

nicht lange hineingeschaut
konnte ich erkennen
dass schleef
nur in sehr abgeschwächter weise
nietzsche gerecht wurde
wenn das alles ist
was neuerer deutscher drama-geist
mit nietzsche anfangen kann,konnte
dann fordere ich jetzt die jungen dramatiker auf
ohne scheu
sich in nietzsches werk hinein-zu-begegnen
sie werden dort alles vorfinden
was sie zu D r a m a s benötigen und brauchen

...sinnest ein freudig werk
das von dir zeuge
sinnest ein neu gebild
das einzig
wie du selber
das aus liebe geboren
und gut und gut und gut
wie du
sey
Nachwuchsdramatik im Neoliberalismus: zwischen die Extreme von Nietzsche gestellt
hinter die ohren zu schreiben

der deutsche, zwischen die extreme der welt gestellt,
kann selber kein extremist sein;
das ist eine seelische gegebenheit,
an der kein radikalismus etwas ändert

für die politischen, geist- und kulturlosen
(oder ist das oben geschriebene heutigentags nicht mehr gültig?!)
Nachwuchsdramatik im Neoliberalismus: der deutsche Weg
auf auf ihr jungen deutschen dramatiker
zum leben gibt es zwei wege: der eine
ist der gewöhnliche, direkte und brave

der andere ist schlimm,
er führt über den tod,
und das ist der geniale weg!
der geniale weg ist aber -
nun kommt ein überraschendes wort -
der deutsche weg
Nachwuchsdramatik im Neoliberalismus: im Grunde nur ihn
noch mehr davon?

george clemenseau
dessen politische feindschaft
gegen DAS DEUTSCHE
weit ins geistige reichte
und der
die ganze psychologische
feinheit seiner rasse besaß,
hat gesagt:
die deutschen
lieben den tod.
sehen sie ihre literatur an,
sie lieben
im grunde
nur
ihn
Nachwuchsdramatik: Unmut
@8:
ich weiß nicht,
wie oft ich das
schon gelesen habe.
Nachwuchsdramatik: der Stärkere und das Gewinnen
... und der stärkere gewinnt
war mir zu einfach
das weitere folgte wie von selbst . . .
Nachwuchsdramatik: guter Rat
einsteigen bitte
der faden läuft
da ist guter rat teuer
Nachwuchsdramatik: der gute geheime rath
"im bewußtsein",sagte er,"kann der mensch nicht lange fair-harren -
er muß sich zuweilen wieder ins unbewußte flüchten, denn darin lebt
seine wurzel."
der gute geheime rath
für nachwuchsdramatik

wer wird wohl fritz hanke sein?
Nachwuchsdramatik: fernöstliche Weisheit
Nur in mittleren Zuständen findet Menschenhilfe und Teilnahme statt
und ist uns wohltätig, in allen äußersten sind wir auf uns selbst
gewiesen. Entschluß und Tat müssen wir allein vollbringen. Vorher
mag man uns beraten, hinterher beklagen, das Meiste, Größte und Beste
müssen wir doch selbst und allein tun.
Zur Nachwuchsdramatik
und für alle die Nachtkritik ermöglichen und möglich machen
Nachwuchsdramatik: immer das Gleiche
jedes jahr um diese zeit die gleiche diskussion.
liebe nachwuchsdramatiker: verlasst euch einfach nicht aufs theater. schreibt (auch) romane, artikel, gebrauchsanweisungen etc. oder sucht euch noch irgendeinen anderen job (oder eine andere berufung). multitasking bei künstlern (und nicht nur bei denen) war schon immer eine sinnvolle absicherung.
Nachwuchsdramatik: mit Gold aufzuwiegen
Wieso Nachtkritik/Kommentare so anregend ist(sind)!
und warum schreibe ich neuerdings in ihr:

Das ist es eben! - Das Gleiche lässt uns in Ruhe;
aber der Widerspruch ist es, der uns produktiv macht.

Also, lebendige Anregungen.
Das ist nur mit Gold auf-zu-wiegen
Nachwuchsdramatik: Umwege wandern
Ich setze fort, dort, wo ich unterbrochen wurde (wenn man mich dafür nicht ausblendet):

Der Deutsche ist überhaupt der Mensch des Weges und Umweges, der alles Positive in einem Weg- und Wanders-Sinne erleben muß - oder das
Positive ist nichts als Dummheit.
Der Deutsche gelangt zu Gott(!) auf dem Wege über die Zertrümmerung
des Dogmas und durch die Wüste des Nichts; er gelangt zur Gemeinschaft durch alle Tiefen der Einsamkeit und des Individualismus; und zur Gesundheit gelangt er durch letztes Wissen
von Krankheit und Tod.

Wie scheinbar unzeitgemäß sind alle diese bisherigen Worte.
Ich selbst bin sicherlich ein Wanderer. (wandere ich jetzt wieder zurück?)
Es geht mir letztlich um meine persönliche Gesundheit - durch letztes Wissen von Krankheit, Alter und Tod. Muß denn das Altväterliche-Unmoderne unbedingt Dummheit sein?
Kommen wir nicht alle von dort her? (doch nicht nur von der Dummheit der Alten!)
Wohin gehen wir?
Nachwuchsdramatik: Gesang für Stockmann
Oh, Demosthenes
für Nis-Momme Stockmann, der Versuch einer Erwiderung

"Unmöglich ist es, daß der Ungerechte, der Meineidige, der Lügner, eine dauerhafte Macht besitze. Eine solche Macht hält für einmal und auf kurze Zeit. Sie blüht, wenn es glückt, in Hoffnung auf, aber, von der Zeit belauert, fällt sie von selbst zusammen."

Demosthenes, der berühmteste Redner Attikas, versuchte in seinen Reden zum Kampf gegen die Vereinnahmung der Griechen durch Philipp II. von Makedonien aufzurufen.

Auch Du hast Deinen Phillip gefunden. Ich darf doch Du sagen, da Du mir vorkommst, wie ein alter Kumpan, ein Bruder im Geiste.

Nur sind wir auch Verbündete? Was weißt Du von mir, was weiß ich von Dir?

Da wir doch keinen Sektor teilen, höchstens uns immer wieder annähern und entfernen, uns aneinander reiben und im günstigsten Falle eine kleine Schnittmenge bilden.

Aber wir teilen eine Sehnsucht. Wir stehen am Meer der Geschichten aus Himbeersoße.

"Und ein Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen wird liegen am Kai."

Dein Schiff wird kommen. Es wir mich mitnehmen über dieses Meer, wird mich wieder absetzten und ich werde warten auf die Rückkehr, einen Penny in der Hand.

Bist Du der Mann der die Welt aß? Gib Sie wieder frei, Stück für Stück.
Lass mich teilhaben an Deinen Träumen und Ängsten. Knuff mich ruhig stark in die Schulter, ich will es aushalten.

"Und das Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen wird beschießen die Stadt."

Du brauchst keinen Nietzsche, der Nihilismus ist Dir fremd. Sei ein Strauchelnder im Heer des Gleichschritts.

"Auch Quellen und Brunnen versiegen, wenn man zu oft und zu viel aus ihnen schöpft."

Ein Besessener, in dem was du willst. Steh gleich einem Einar Schleef im Gleichmut des diskursiven Konsens. Saug Deine Wahrheit aus dem Hier und Jetzt. Vertraue nicht dem Ruf nach Brisanz und Relevanz.

"Der Ausgangspunkt für die großartigsten Unternehmungen liegt oft in kaum wahrnehmbaren Gelegenheiten."

Und so will auch ich glücklich vor mich hin rezipieren, will zuhören dem Logographen der Seele, aufnehmen und verstehen.

"Und das Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen wird entschwinden mit mir."

Deinem Sinn für Liebe und Schönheit vertrauend, hoffend nicht für Dich zu sein, der mit dem falschen Teil um die Ecke kommt,

Dein XYZ, nicht als Dein Kritiker sondern Dein Publikum.

(Unter Verwendung von Zitaten des Demosthenes und Brechts Seeräuber-Jenny)
Nachwuchsdramatik: Hamsum, der größte Eindruck
Ich fühle mich Knut Hamsun verpflichtet. Der größte Eindruck meiner Jugend, was Literatur anbelangt. Dieser große Dichter hat seine erstaunlichen Irrtümer auf politischem Gebiet jedoch schwer büßen müssen . . .
doch ich weiche vom Thema ab - -
Wanderer kommst du nach . . .
Nachwuchsdramatik: Brecht, der größte Eindruck
Ja, Brecht. Ich liebe die Dreigroschenoper sehr. Ein ganz besonderes Stück ist für mich Aufstieg und Fall der Stadt Mahagony.
Nicht so sehr Herr Puntila und sein Knecht Matti.
Mutter Courage, das Beste was er geschrieben hat. Meine Meinung ist aber nicht maßgebend.
Leider hat es für mich nie eine "richtige" Brecht-Zeit gegeben.
Nachwuchsdramatik: so ein DSDS-nahes Ding
Vermischtes, sehr wohl mit Anspielungen zum Thema, mehr als in
diesem Thread bislang üblich war !!

Ahoy, Stefan, Fritz, wohl Mume !

1. Nachtkritik de.: "ein Ort wilder Kunstproduktion"
1.1. Vorsicht, Stefan: Wenn man so einem anderen Thread lauscht,
dann schreiben hier so etwa 15, jetzt wohl 14, Hanseln, mitunter in Richtung "Nietzsche"-Comic (mit postmoderner)
Brechtung.
1.1.1. Manchem Intendanten geht das am Arsch vorbei, wohl, anderen
würde das ganz sicher nicht so gehen.
1.1.2. Gerade in Ihrem Fall jedoch ist gerade eine Inszenierungsidee umgesetzt worden, bedenken Sie das !
1.1.3. Sie werden sehen, die Elbphilharmonie wird Ihren Inszenierungsvorschlag instrumentalisieren: Was für ein Schiff:
8 Segel, 50 Kanonen - das Haus muß größer: M E I N SCHIFF !
(Adaptionen in Köln und Frankfurt vorprogrammiert: "Main-
bzw. Rhein- Schiff)
1.1.4. Die Zeiten haben sich geändert: glauben Sie mir, die hoch-
subventionierte Waffentechnik, sage ich nur: 15 Kanonen
sind übergenug - währenddessen 8 Segel ganz unverzichtbar
sind: das folgt der "Spinne" und den 8 Beinen.
1.1.5. So ergäbe sich für das sich hier entspinnende Stück "Nautisches Denken le cinque" der Untertitel 08/15.
1.2. Zufall, daß hier Brecht und Nietzsche herangezogen werden ?
1.2.1. Mag sein, so wie Frau Pullen sowohl "Kein Schiff wird kommen" als auch quasi das Gegenstück "Ein Schiff wird ganz sicher kommen" (Frau vom Meer) möglicherweise mehr zufällig
in einer Spielzeit inszeniert (was die Aufeinanderbezogenheit der Stücke angeht); andererseits kommen Threads immer
wieder auf Lars von Trier: "Antichrist" und "Dogville"
(Grace ist ja gewissermaßen als Seeräuber-Jenny angelegt !)
1.2.2. Insofern gibt uns die "neuere Dramatik" immerhin zu denken;
Sie formuliert zur Zeit vielleicht eher Sehnsüchte als
alles Andere, schnattert möglicherweise etwas unbeholfen
"Liebe, Liebe" und hat mit Strukturproblemen zu kämpfen:
Große Bühne ? Nein ! - es entstehen wundervolle Studio- und
Kammerspielformatssachen: Rostock !: "Alles offen" (nicht
wie gestern "Alle soffen" - und...: nicht nur gestern)...:
bessere Preisdotierung für Stücke, die dann länger
entwickelt werden können, Anbindung an die Große Bühne und
junge Regisseure: öfteres Nachspielen derselben, ein Mantra
das: schon seit einiger Zeit (warum das Thema jetzt zwang-
haft an die "Lieblosigkeit der Kritik" anbinden ???).
1.2.3. Woher das Geld nehmen dafür ?
Wolfgang K. hat das sehr deutlich angesprochen im "Brand-
rede-Thread": ARD - Analogie ! "Wenn alles bleibt wie es
war, wird nichts bleiben wie es war": sehr wahr wohl..
1.2.4. Allerdings: Leuchttürme kappen - das Sparen ist mitunter
möglich und nötig (wohlgemerkt: Oberhausen bleibt ein
Musterfall): "Odyssee-Europa" und gleichzeitig diese
Schließungswelle: Herr Goergen spricht mir aus dem Herzen !
1.3. Hafengeburtstag HH: Große Bühne für ein französisches
Kriegsschiff, nein- der Name: "Jeanne D`Arc", keine 8
Segel, eher so die 8-Banner der G-8-Staaten !!

2. Sehr gut zu Ihrer Entgegnung an Herrn Stockmann, lieber Stefan,
paßt auch das, was Herr Krösche im tt-Blog zu der Veranstaltung
mit Stockmann und Kluck sagt: unbedingt lesen, ich denke ja eh,
Sie haben das schon getan !!

3. Derlei "Preisteilungen" sollten wahrlich nicht Schule machen:
Es muß nicht immer die große Ausscheidungsshow sein, denke ich,
die neue Stücke kürt: einer bleibt übrig - das ist doch auch
so ein DSDS-nahes Ding.
Der jetzige Fall signalisiert auch da möglicherweise ein Um-
denken und kann insofern "nützlich" sein: Es war sicherlich
besser, zu teilen, als ein "Open Mike" als Relegationsspiel
nachzulegen: wer weiß, was für verwegene Ideen drin sind !?
4. Jenny- Modernisierung qua "Nietzsche-Brecht"-Anagramm:
a) Mackie: Jenny, was willst Du von mir RECHTEN:BIETZSCH ?!
b) Mackie: Was willst DU mit mir rechten,BIETZSCH ??
c) Jenny: Was willst Du mit ner rechten BIETZSCH !?
Nachwuchsdramatik: Stockmann hat einen Kampf begonnen
Danke Captain A. für den Tipp, habe gleich nachgelesen.
Das ist natürlich sehr kokett, in der Position von Nis-Momme Stockmann, zu behaupten nicht gefallen zu wollen. Mit seiner scheinbaren Verweigerung eine Geschichte zu erzählen, in „Ein Schiff wird kommen“, legt er aber den Finger in die Wunde. Ich meine, gut beobachtet zu haben, wie einige Zuschauer sich in ihren Sitzen hin und herrutschend, nicht so wirklich in diese Story ergeben wollten. Das ist ungewöhnlich für uns, erst zum Schluss etwas präsentiert zu bekommen, womit wir vorher nicht gerechnet haben. Aber ich glaube, darum geht es auch, keine Erwartungen zu erfüllen, sondern das zu machen, was für einen selbst Relevanz hat. Die Schmähung der Kritiker und des Kulturbetriebs, der auch Stockmann selbst trägt, ist aber durchaus nachvollziehbar. Er beißt voll Wut in die Hand die ihn füttert, das mag arrogant erscheinen, ob der Tatsache, das auch andere junge Autoren in diesem Betrieb bestehen wollen und müssen. Aber er hat einen Kampf begonnen, der ihm wichtig erscheint und das ist das Recht der Jugend. Er wird in Zukunft daran gemessen werden, vor allem von denen, die seiner Meinung nach die Künste verseuchen. Aber auch das Publikum wird erfahren wollen, wie er diese Kraft, die er aus der begonnen Auseinandersetzung gewinnen will, nutzen wird. Dafür wünsche ich ihm viel Erfolg und das sich ihm weitere Gleichgesinnte anschließen werden.
Nachwuchsdramatik: auf Komm-Puter
was meinst du
junger dramatiker
du findest gegenüber deiner behausung
aufm gehsteig
zwei schreibmaschinen
nass vom regen
du nimmst sie hinauf
in deine schreibstube
nach ein, zwei tagen
sind die maschinen trocken
und sie funktionieren tadellos
wie neu
eine deutsche olympia
und eine elektrische
aus singabure
smith-corona

was heisst das nun
ein zeichen
ein omen
eine wahrsagung

es heisst
schreibe weiter

alle schreiben auf
Komm-Puter
du aber auf
getrocknete
Schreib-Maschinen
die du auf
nassen straßen findest
Nachwuchsdramatik: die Welt anschauen
nennt mich
ismael
vor einigen jahren
wie viele es sind
tut nichts zur sache
als mein beutel so good wie leer war
und an land
mich nichts besonderes hielt
kam mir der gedanke
ich könnte ein bißchen
zur see fahren
und mir den wässerigen teil
der welt besehen
besehen besehen besehen

schaut euch die welt an
ihr jung dramatiker
fromm germany
Nachwuchsdramatik: Alben statt Alpen
schreib auf der olympia,
wenn du die hochgeschleppt hast,
hast du dich doch schon entschieden.

früher wollten wir konflikte, jetzt wollen wir geschichten.
früher wollte ich die alpen, jetzt hab ich alben.
Nachwuchsdramatik: Schleefabwertung
Stefan
leider ist die Nietzsche-Trilogie vergriffen (Schleef)
ich werde sie aber schon noch auftreiben
ich nehme meine unbedachte Schleef-Abwertung hiermit zurück
unüberlegt habe ich sie nur so hingeschrieben
wie man in der Eile hier eben was hin-sudelt
worauf es ankommt
bedachtsames Eingehen
mit größtmöglichem Verständnis
haben Sie Nachsicht mit einem
Wanderer
(Reisen mit Herz und Hirn . . .)
Nachwuchdramatik: über-All kälter mit Spengler
Wanderer kommst du nach . . .Berlin?
einen lang zurückliegenden Radio-Hit im Ohr:
...ich steh auf BERLIN!
was hätte wohl Berlin
für einen Wanderer wie mich
an Überraschungen und Begegnungen bereit?
in dieser Zeit
ist es nicht über-ALL
kälter (härter) geworden? (Spengler: Die Stadt übernimmt die Leitung der Wirtschaftsgeschichte, indem sie an die Stelle der Urwerte des Landes, wie sie vom bäuerlichen Leben und Denken nie zu trennen sind den von den Gütern ABGELÖSTEN BEGRIFF DES GELDES setzt)
auch dort
wie viele Jung-Dramatiker wird es in Berlin wohl geben?
Nachwuchdsdramatik: Mantra-Fragen der Förderung & Stockmann
@ Stefan

Lieber Stefan: Dem stimme ich weitestgehend zu:
Was wäre "Moby Dick" (im übrigen das Sommerstück in Kiel ...) ohne
Cptn. Ahab, ohne, nennen wir es ruhig so: seinen je eigenen, seinen persönlichen !, Kampf. Dieser ist gewissermaßen eben das "Binden und Lösen" der biblischen Geschichte, das interessanterweise schon in der Bibel nicht nur an den Felsenmann (und eine (auto-)kephale Hierarchie) geknüpft er-
scheint, sondern an den Einzelnen sich wendet, gerade an ihn, denn die Hierarchie erscheint nur insofern "gerechtfertigt" als Sie selbst einen solch vieleinigen Einen "darstellt".
Nur, ich bleibe dabei: Warum das jetzt vermengen mit den Mantra- Fragen der Förderung und Zeiteinräumung hinsichtlich der Neuen Dramatik ??
Wegen der Erwartungshaltung, Stücke zur aktuellen Lage, historisch Interessantes und wenig Durchdrungenes, irgendwie (formal) Neues
endlich sehen zu wollen ?!
Gut, das ist ein Aspekt, den ich teile, sich diesen Erwartungshaltungen zu entziehen, sobald ich das Gefühl bekomme, mich dabei selbst verbiegen zu müssen: Was, wenn ich die Welt gewönne, ..., das ist bekannt (auch nicht erst ab Stockmann; mir wurde das ja nahegelegt: das finden Sie auch bei Armin Holz, im übrigen keines-
wegs in übler Schreibe, keineswegs !!), was als Nicht-Jungdramatiker und Nie-mehr-das-Recht-der-Jugend-haben-Könnender
(!? -doch, ist wohl so !) freilich schnell mal in einem Thread-Kommentar geschrieben ist: Aber ehrlich, Stefan, nennt Herr Stockmann nicht irgendwie gerade "jenes" Wendestück, das wir damals hinsichtlich der noch nicht zuende geschriebenen Vereinigungsgeschichte (hinsichtlich London-L.Ä.-Lübbenau in etwa)
im Hinterkopf gehabt haben mögen ? Und ist so ein Stück, so frage ich weiter, irgendwie nahe einer allgemeinen Erwartungshaltung zB.
an Herrn Stockmann oder Herrn Laucke ?? Ich habe nichts gegen diese Dramatiker, Sie haben in ihrem Alter schon vielmehr zuwege gebracht als ich das in ihrem Alter, geschweige denn bis zum heutigen Tag hin (etc.) habe: Aber den BDI-Förderpreis bekommen Sie vermutlich, ich nenne es jetzt frech so, nicht für "unser" Hinterkopfstück (Richtung "Wolken/Heim" II)- und das sehe ich eben gerade durch Stockmanns Redefluß (offenbar kam Kluck, der doch gerade eher in Richtung so eines Hinterkopfstückes arbeitet, wie ich finde - ich habe sein "Zum Parteitag Bananen" ja in Halle gesehen (das erfüllt ganz sicher nicht mehr Erwartungshaltungen als "Das blaue blaue Meer" (ich äußerte mich zu dem Stücktext seinerzeit)) nicht recht zu Wort) eher denunziert !
Sich Stockmann anschließen, heißt dann ja eh zur Not, weil man sein eigenes Ding macht, sich ihm nicht anzuschließen im Grunde, oder halt nur so weit, wie eigenständige Dramatiker schon immer
so schreiben, denn warum soll ich dergleichen Kämpfe nicht auch bei Kluck, Laucke, Heckmanns, Rausch, Schmitt etcpp. verorten oder bei
den "Heimkehrer/Heimwerker"-Sachen in Weimar, wo ja gerade alles zusammenkam: das kreative Jungschauspielernest, die junge Dramatikerin, die junge Regiesseurin (Weimar ist zur Zeit ganz ehrlich mein Favorit); und Petras arbeitet ja wohl eh schon lange
so.
Ich wünsche Herrn Stockmann natürlich auch alles Gute, ja, wünsche mir, noch viele seiner Stücke sehen zu können: aber anschließen ?.
lg aus Kiel, Ihr Cptn. Ahab
Nachwuchsdramatik: zum Schweben
@ alle vor mir...
ach, ich liebe euch!..dafür, daß ihr echt ne poesie hier verbreitet, eine hoffnung auf innere welten, ein suchen und ein suchendens finden und dies ohne kommerz!!..ich lese diese zeilen und schwebe beschwingt in den tag...danke!!
Nachwuchsdramatik: Sprachrohr Ibsenscher Ideen
Stockmann
daß die Quellen unseres gesamten geistigen Lebens vergiftet sind
und daß unsere ganze bürgerliche Gesellschaft auf verpesteten
Boden der Lüge steht

Stockmann richtet ja schwerste Angriffe gegen die grenzenlose Dummheit
der Behörden und gegen die verdammte, kompakte, liberale Majorität und diese ist es die seiner Ansicht nach die geistigen Lebensquellen vergiftet und den Boden unter den Füßen verpestet.
Und als er sich dazu versteigt, die niederen Klassen, den Haufen,
die Masse auf Kosten der stets an Zahl geringeren geistig vornehmen
Persönlichkeiten zu schmähen, hat er sich auch die letzten Sympathien verscherzt.(geistig vornehme Persönlichkeiten, gleich werde ich an Nietzsche erinnert)
Er ist ein Volksfeind!
Stockmann bleibt aber bis zuletzt der unbeugsame, kompromißlose
Kämpfer und Idealist, der er immer war.
Der stärkste Mann, sagt Stockmann, hier auf dieser Welt, das ist der, der ganz für sich allein steht.
(ich muß schon lachen bei dem Gedanken, der stärkste Mann hier auf
dieser Welt zu sein - weil ich tatsächlich
ganz für mich alleine stehe. Nein, ich übertreibe nicht und sage
die Wahrheit über mich, soweit das überhaupt möglich ist. Ich bin kein Stockmann. Er wäre nur wieder eine andere Rolle für mich, der ich im Leben schon viele
Rollen gespielt habe und noch einige spielen werde, glaube ich...
ich bin - - eine Art Überlebenskünstler)

Nun denn, Ibsen und die Lebenslüge.
Eine Charakterfigur von Ibsen, und sah in ihm zum Teil einen grotesken Burschen und einen Strudelkopf. (mein Kopf strudelt auch manchmal)
Man darf Stockmann nicht ausschließlich als ein Sprachrohr Ibsenscher Ideen erblicken.
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