Presseschau vom 20. Juli 2010 – Christina Weiss interviewt Jürgen Flimm kurz vorm Start der Salzburger Festspiele

Eine echt uremotionale, nicht-aufgeklärte Sache

Eine echt uremotionale, nicht-aufgeklärte Sache

20. Juli 2010. An diesem Wochenende beginnen die Salzburger Festspiele, und in der Welt spricht die ehemalige Kulturstaatsministerin Christina Weiss mit Jürgen Flimm. Der fühlt sich im Moment "ziemlich gut aufgestellt". Auf die Frage, was ihn als Theatermann reizt, die Staatsoper in der schwierigen Phase der Auslagerung ins Schillertheater zu managen, sagt er: "Der Reiz hat mehrere Facetten. Die eine war der Anruf von André Schmitz, der sagte: 'Wir brauchen dich hier!' Das ist einfach ein guter Satz, der mir gefallen hat. Die zweite ist die langjährige Freundschaft, die mich mit Daniel Barenboim verbindet. Dazu kommt aber auch eine Salzburgmüdigkeit wegen der endlosen Auseinandersetzungen mit dem politisch besetzten Kuratorium der Festspiele."

Die Zuschauer verführe man, indem man sie wach halte, dass sie einen Blick bekommen, der an Neuem Spaß habe. "Ich verstehe die Angst vor dem Neuen nicht. Das kommt aus meiner Jugendzeit. Ich weiß noch, wie aufgeregt ich war, wenn ich ein neues Stück von Luigi Nono hören konnte." Die Vermittlungsarbeit sei schwierig, die Leute müssen erleben, dass eine starke Kraft hinter der Sache stecke.

"Die Gesellschaft funktioniert nur mit den beiden Teilen, dem aufgeklärten Teil, das nennen wir jetzt mal Computer und mit dem nicht-aufgeklärten Teil: das ist die Kunst und das braucht die Gesellschaft", sagt Flimm. Und Christina Weiss fragt nach: diese Trennung klinge problematisch, die Kunst sei doch gerade aufgeklärt. "Gut", antwortet Flimm, "aber das Theater ist eine uremotionale Angelegenheit, das Spielen haben wir alle in uns. Dass das Spielerische an der Kunst zur Aufklärung beitragen kann und es auch tut, ist eine andere Geschichte. Aber erstmal ist die Kunst eine völlig irrationale Sache. Ich freue mich und ärgere mich. Das Kind sitzt unterm Tisch, es soll herauskommen und sagt, das geht nicht, ich bin im Bergwerk. So simpel ist das."

 

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