Presseschau vom 6. August 2010 – Armin Petras spricht über Kleist und die Utopie des Wir

Die Deutschen zum Kämpfen bringen

Die Deutschen zum Kämpfen bringen

6. August 2010. Der Regisseur Armin Petras, Intendant des Berliner Maxim Gorki Theaters und mit seinem Alter Ego Fritz Kater auch erfolgreicher Dramatiker, hat sich im Gespräch mit Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung zu einer Utopie des "Wir" bekannt. Wobei Petras einschränkt: "Mir geht es um die These der Hirnforscher, die sagen, es gibt kein Ich. Das Ich ist eine Fiktion. Wenn ich von Wir spreche, werde ich natürlich sehr schnell missverstanden. Im Sinne von: Ich möchte die FDJ wiederhaben."

Also entwickelt Petras seine Utopie an Kleist, dessen 200. Todestag im kommenden Jahr begangen wird und dessen Herrmannsschlacht Petras gerade für die Münchner Kammerspiele inszeniert: "Alles was Herrmann tut, ist dazu da, die Deutschen zum Kämpfen zu bringen. Das ist für mich interessant, auch die Ausgangssituation. Ich finde, dass Deutschland heute moralisch ähnlich darniederliegt." Und Petras berichtet von einer Reise Kleists nach Würzburg: "es geht um ein Tor in Würzburg, das aus einem Bogen von Steinen besteht, die allein runterfallen würden, sich aber so gegenseitig stützen. Das ist für mich die positivste, utopischste Definition von einer funktionierenden Gruppe: Je intensiver jeder seinem eigenen Ziel nachgeht, desto intensiver stützt der die anderen."

Das Individuum sei – so Petras – "eine Fiktion des Kapitalismus, der uns damit Ellenbogen antrainieren will. Deswegen bin ich auch gegen bestimmte Theaterleute, die eben das auf der Bühne noch einmal darstellen. Diese oft ästhetisch toll gemachte Feier des Individuums, mich nervt diese Philosophie dahinter. Weil es sagt: Die Umstände, unter denen wir leben, die sind zwar nicht besonders toll, aber unveränderbar."

(wb)

Mehr zu Armin Petras bietet das nachtkritik.de-Glossar.

Kommentare  
Armin Petras & das Wir: eine ziemlich individuelle Sterberei
"ISS 2030, zwei Fritz nach dem Bordellbesuch:

- Hauptmann, der deutsche Krieger braucht in seinen Schlachten doch Mut, Tapferkeit, Ehrgefühl und Aufopferungswillen?
- Selbstverständlich, Herrmann, die deutsche Nation ist sonst dem Untergang geweiht.
- Warum haben Sie dann eben alle ihre guten Tugenden in den Feind gesteckt, Hauptmann?
- Devise erst ruinieren, dann penetrieren, kapiert, Herrmann?
- Eine ziemlich individuelle Sterberei, Hauptmann.
- Ja, Herrmann, das können wir nur gemeinsam durchstehen.
- Der Sozialismus gefiel mir besser.
- Das habe ich nicht gehört."

(aus: Kreon in Afrika)
Armin Petras & das Wir: der Turbokapitalist von Königsberg
"Wenn ich (sic ! , AZ) von Wir spreche, werde ich natürlich (ups ..., AZ) schnell mißverstanden ...: FDJ, nein !!"

Denke ich nun wirklich nicht, daß das "hiesige Wir" den "Wir"-Sprachgebrauch sogleich mit "FDJ" assoziiert, und ich finde es schon bemerkenswert, wie Herr Petras und Herr Kater, dieses Wir,
sich darauf gestoßen finden; "Wir"- das wird eher konnotiert mit dem "Wir" der BILD-Zeitung: Exportweltmeister und Schutzzölle, zur Not auch mal die Einflußerweiterung weltpolitisch via Jugoslawien:
da haben Sie Ihr "Wir": Festung Europa, Festung Deutschland, nicht gegen die FDJ, wer kennt die schon noch ernstlich im Alltag ??,
nein: gegen FDH !!

Wir (!) sind geradezu umgeben von allerlei "Wir": "Das Wir gewinnt" oder "Vier gewinnt" (im Sinne der Stuttgarter "Rapper"): kaum wird es in einer Sache schwierig, die sich mit der Verantwortlichkeit für irgendeine Handlung herumschlägt: schon ist es da, zur Not alle bis auf einen entlastend: das Wir und die gleichzeitige Zersetzung jedweder sachlichen Diskussion.

Die gesamte moderne Subjektphilosophie von Descartes über Hobbes, Locke bishin zu Kant, Rawls, Frankfurt, Strawson ..., von der Heidelberger Schule oder Herrn Sturma ganz zu schweigen: eine einzige Ausgeburt des Kapitalismus: Kant !!: nicht mehr der Chinese,nein: der Turbokapitalist von Königsberg ??
Au, weia: ist das "Wir" schon wieder so weit, dann habe ich besser nicht allzuviel damit zu schaffen.
Sah Kausalität nicht, das Ich nicht, sah auch Gleichheit, Brüderlichkeit und Freiheit nicht, schön landkartenhaft eingefärbt auf meinem Hirnscan-Foto: ergo, hat es das für UNS nicht zu geben, ist neoliberales Teufelszeug das: Fiktionen über Fiktionen, fernab der regulativen Ideen, scan auch diese nicht ... .

Aber, habe ich ja sowieso nicht: ich meine, damit zu schaffen: ist ja entlastendes, "interpassives" Wir, oder ?, mein Hirn ist ja auch im relevanten Sinne kaum anders als andere, gewiß : und so heißt es: sich fügen.
Dem "Neusprech" der (??) Hirnforschung, tritt die so einheitlich an ???, damals, als ich studierte, war sie zu Teilen philosophisch sehr lax eingestellt, übergriffig, etwas maßlos allenthalben, aber einheitlich ??? Was ist das für ein Sprech: "Du hast kein Ich, kein Hirn, Du hast, sagen die Hirnforscher das, was wir haben: Wir aber haben Hirn.
Und dieses schon seit immer und ewig (??) wirartige Hirn hat dann zu allerlei Verwirrung dann gleich auch noch den Kapitalismus und seine kruden Ich-Fiktionen geschaffen: also, pipe was mit Entlastung, und auch der Kaiser geht zu Fuß aufs Klo und Kater und Petras sagen dann auch: Ich hab fertig, Arminus !!

Na, da wird man gehörig aufgemischt: Metzinger, der Philosoph, schwafelt von Ich-Substanzen, als hätte es Kants Paralogismenkritik nie gegeben, und Herr Petras kommt daher, und der Kantsche Imperativ landet im Reich der Fiktionen !?
Kant: der Erzkapitalist auch ?!

Und zu allem Überfluß noch die Sache mit der Moral:
Das Wir ist demnach hierzulande auf den Hund gekommen, weil es gegen seine Gehirnbestimmung anarbeitend, einem System aus verwandtem Gehirn geboren folgend aber wohl, einer Ich-Fiktion auf-
gesessen ist.
Spannend: mir würden zunächst einige Konkretisierungen über jene brachliegende Moral seitens Herrn Petras schon vollends genügen:
vielleicht nähert er sich dann ja wieder "meinen" ungesunden Gewohnheiten und Suchtdynamiken, die sich allerdings den modernen Subjektgedanken keineswegs abgeschminkt haben: Wenn es jemals einen "dritten Weg" geben sollte, dann nicht ohne eine profilierte Theorie zur Person : zu Moralität und Autonomie.

Stattdessen einen Kommunitarismus zu unterfüttern, der sich auch noch der Hirnforschung als Leitbild verpflichtet sehen will, heißt auf Dauer nur eines, um beim Bild des "Netzes" zu bleiben: Kurzfrist-Menschenfischerei, Sand in die Augen, Sand: Netzhaut:
Aua und blind !.
Armin Petras & das Wir: angestrengter Wille zum Wortdrehen
Herr Zarthäuser, hä? Geht das Ganze auch ohne Schwurbelei und angestrengtem Willen zum kunstfertigen Wortdrehen...? In dieser Form sind Ihre Gedanken leider völlig unverständlich und ungenießbar.
Armin Petras & das Wir: Kontaktpflege zu jenseitigen Schwurblern
@ netzhaut: er (az) hält sich mit der kontaktpflege zu jenseitigen schwurblern vom denken ab.
Armin Petras & das Wir: marktförmig und genießbar
@ 3

Naja, soweit wie ich hier angeblich willenangestrengt Worte gedreht habe, haben Sie mich offenbar schon verstanden, scheint es; nun ja, und auf Genuß kommt es mir dabei zuweilen nicht sonderlich an.
Ich finde schlichtweg, daß "man" sich doch kaum marktförmiger und angenehm bei einem Weinchen genießbar gebärden kann wie Herr Petras, den ich für viele Arbeiten durchaus schätze, oder jetzt gerade Herr Khoun in "Theater heute": da muß ich nicht noch mittun.
Wenn Ihnen die Suppe versalzen vorkommt, lassen Sie sie stehen.
Nur soviel: Herr Schmidt war in seinem streitbaren Leipziger Artikel Herrn Petras meineserachtens um Meilen voraus: siehe
"handlungsähnliche Strukturen" !!
Jetzt auch noch der Kniefall vor der ewigen "Deutschen Vereinigungsneurose": Prosit Arminius !!
Und Stefan ist gerade in Rom ..., jetzt, wo der Intendant des MGT auch eher brühwarmes Zeug absondert, kein besseres Sommertheater als das Kümmel oder Bondy oder Stein zugeschriebene.
Als sei der Fußball da ein Wink (wieder einmal): im Pokal wird Jahn Regensburg auf Arminia Bielefeld treffen. Ich habe fertig..
Arnin Petras & das Wir: Sehnsucht nach Kollektivräuschen
Herr Petras und Herr Seidler gehen zusammen in ein Café, um ein wenig zu plaudern.
Während des Gesprächs erinnert sich Herr Petras an ein Buch oder an eine Rezension über dieses Buch. Mittendrin in der Herrmannsschlacht, während einer spontan aufgestiegenen Sehnsucht nach Kollektivräuschen, erinnert sich Herr Petras an den Autor, der die Subjektivität leugnet. Richtig, Thomas Metzinger. Sind wir nicht alle Niemand? Ist das Ich nicht eine Fiktion? Da ist es doch naheliegend, in ein ekstatisches Wir-Gefühl einzutauchen, selbst wenn nach dem WM-Aus die Trikots abgestreift werden. Neu ist dieser Gedanke nicht, denn den Wunsch nach dem Kollektivsog gibt es, seit es Menschen gibt. Menschen, die das Leiden an der Individuation abstreifen wollen, um ganz Wir zu sein.
Der Aufmerksamkeit von Herrn Kater ist es leider entgangen, dass es auch eine Hirnforschung gibt, die vor allem das Gefühl der Ich-Entfaltung betont. Eine Ich-Schwäche kann unter Umständen behoben werden, beispielsweise durch die Einführung eines Hirnschrittmachers, der Ausfälle in Gehirnarealen beheben kann. Ein implantierter Magnet in der Zielregion könnte bestimmte Neurotransmitter ansprechen und im Blut fließende Moleküle anlocken. Damit die Gedanken wieder besser fließen und sich die Hirnforscher weiterhin damit befassen können, ob es nun Willensfreiheit gibt oder nicht. Dann könnte auch darüber reflektiert werden, ob Arminius eine Wahl hatte oder nicht. Und ob Herr Petras überhaupt eine Wahl hat. Auf jeden Fall hat er das falsche Buch gewählt. Wenn Herrmann es zulässt, sollte Herr Petras sich eine neue Lektüre aussuchen. Und sich dann noch einmal mit Seidler treffen.
Armin Petras & das Wir: nicht reduzierbar auf neurologische Prozesse
Wie kann es sein, dass Armin Petras sich so widerspruchslos einer "These der Hirnforscher" anschließt? Das verstehe ICH nicht. ICH bin doch nicht reduzierbar auf neurologische Prozesse. Nein, das bin ICH nicht! ICH bin ICH, insofern ich MICH als Nicht-ICH erkennen kann. Insofern ICH gezwungen bin, MICH mich zu ent-scheiden. Das ist das Paradox der erzwungenen Wahl. Es geht einerseits um einen dem Rechtssinn immanenten Fanatismus, um den Exzess in der Ordnung selbst, um die Gründe und Abgründe jeder Recht-Setzung. Und andererseits um den unmäßigen Triumph um jeden Preis, um den Augenblick der Sieges-Ekstase. Oder: Wenn Thusnelda über den Bären jubelt, der Ventidius zerreißt. Und das ist nicht das Animalische in ihr, sondern das Offene des menschlichen Subjekts bzw. das Politische des sogenannten Leib-Seele-Problems.
Armin Petras & das Wir: Mal weg vom ewigen Wessi-Ossi-Denken
Ich habe das Interview schon mit einigem Interesse gelesen, nur hielt ich es für das, was es tatsächlich auch ist, eine nette Sommerplauderei bei einer guten Tasse Matetee. Petras kommt ins Philosophieren und Seidler lässt sich mitreißen und vergisst das Nachhaken. Es scheint, als hätte man ihnen etwas in den Tee getan und sie beginnen dann auch sofort eine Art Kleinkommune zu bilden und von früher zu schwärmen. So bleibt es ungeklärt, was es mit der sogenannten Moral auf sich hat und was uns in dieser Hinsicht die Hermannsschlacht bringen soll. Das Thema des neuen „Wir“ wurde schon zur Genüge bei der Uraufführung von „We are blood“ diskutiert, dazu bedarf es keiner weiteren Erklärungen, in Zusammenhang mit Kleist wird es aber krude (siehe Post Nr. 1). Zum Thema Krieg hat Petras mit seiner Münchner Inszenierung von Goldoni und Kleists Guiskard ja schon die richtigen Ansätze gezeigt. Sinnlosigkeit des Krieges, Unmoral der Entscheidungsträger sowie das Beharren an den falschen Vorstellungen vom Zusammenrücken in Kriegszeiten mit dem Unvermögen der Politiker den Menschen die Wahrheit zu sagen, sehr schön am Beispiele der Afghanistan-Debatte zu sehen. Da könnte man mit der Herrmannsschlacht wieder ansetzen.
Ich halte ja nicht so viel von psychologischen oder neurologischen Begründungen zum Sozialverhalten von Menschen, Fakt ist aber, dass das Individuum sich seit jeher über Netzwerke und Gruppenzugehörigkeiten definiert, ob nun im neoliberalen Bereich oder auch in linken Kommunen. Da ist Petras Denkansatz nicht der schlechteste, nur wird hier nicht klar was die Hermannsschlacht mit seinem neuen „Wir“ und zu tun hat und wo da eine Moral drin ist, wenn man zu bestimmten Tugenden aufruft. Das Stück entstand zu einer Zeit, als es den Nationalgedanken Deutschland gegenüber einem übermächtigen Frankreich gab, selbst da waren sich ja die Dichter und Denker nicht einig in welche Richtung das gehen sollte. Letztendlich ging es aber in eine Richtung, die noch heute eher einen negativen Beigeschmack hat. Das Stück davon zu befreien und den Bogen zum neuen „Wir“ zu schlagen, damit könnte sich Petras hervor tun. Von wem hieße es sich denn heute zu befreien? Das müsste die Frage sein, von falschen Nationalgefühlen, unmoralischen Politikern, einem vor sich hin Dümpeln, falschen Fortschrittspropheten, etc, etc. Mal weg vom ewigen Wessi-Ossi-Denken über die Entwicklung eines neuen „Ichs“ hin zu einer Gemeinschaft von selbstbestimmten Individuen.
Armin Petras & das Wir: Avantgardinsky will helfen
@ Stefan: Wissen Sie, als ewiger Jude werde ich in den letzten Jahren wieder verstärkt gebraucht. Sehen Sie, es ist in meinem und Ihrem Interesse, wenn Sie mir erzählen würden, was sie an dem von mir zitiertem Szenenauszug gedenken "krude" zu finden. Verstehen Sie bitte, dass ich Ihnen helfen möchte. Herzlich, Ihr Ahas Avant
Armin Petras & das Wir: keine Wahl
Herr Petras hat auf jeden Fall keine Wahl, dafür steckt er schon viel zu tief in allerlei Koproduktionen. Was, wenn da was schief läuft? Wenn das Stück nicht dem Konzept entspricht? Egal, einfach durch. Es bleibt ja Kleist und ein zunehmend fossiliertes, freundlich applaudierendes Publikum. Vielleicht kommt Angela ja dann auch mal vorbei, Armin.
Armin Petras & das Wir: wider die Normopathie
Lieber Stefan, wenn Sie neurologische Begründungen beim Sozialverhalten nicht akzeptieren, wird es aber höchste Zeit, dass Sie sich einmal mit Hirnforschung beschäftigen. Nun, immerhin habe ich bislang den Eindruck, dass die Chemie in ihrem Kopf noch stimmt.
Die Gedankengänge von Petras wollen mir nicht ganz einleuchten. Ein starkes Wir bedeudet oftmals die Unterdrückung der Individualität, obwohl Petras dieses Tor in Würzburg angeführt hat. Bei einem Kollektiv ensteht schnell ein Kollektivdruck und daraus erwächst - die Normopathie...
Armin Petras & das Wir: was ist mit denen los?
@flohbär: fand das interview bizarr in seiner oberflächlichkeit. das wir gefühl ist doch schon immer "teuschestes" und gefährlichstes gemeingut gewesen, das petras interview wirkt beinahe latent faschistisch. von einem disparaten ich auf die sehnsucht nach einem starken "wir" zu schliessen und zu bedauern, dass die deutschen fans nach der wm ihre nationaltrikots wieder ausziehen ????? weiss petras, was er schwafelt ? wer braucht dieses nationalistische gewäsch in der heutigen welt ? erst vergleicht pollesch altersheime mit kzs, schlingensief kolonialisiert afrika und jetzt dieses seltsame interview. was ist mit denen eigentlich los ?
Armin Petras & das Wir: unbegründeter Verdacht
@ Ahas Avant
Warum beziehen Sie das krude auf sich? Ich meinte die ungeklärten Moralvorstellungen von Herrn Petras. Er hat mit seinen Äußerungen etwas in die Welt gesetzt, was gründlich missverstanden werden kann und nun ja auch wird. Wenn Sie aber seine Arbeiten kennen, dürfte sich Ihr Verdacht eher als unbegründet darstellen. Man kann Petras sicher nicht in eine rechte oder linke Ecke stellen. Aber das ist auch typisch, wenn einer nur das Ich und die neoliberalen Denkmuster in Zweifel zieht, wird er sofort in eine extreme Ecke gedrängt, um sich dann nicht mehr wirklich mit seinen Gedanken auseinander setzen zu müssen.
@ Flohbär
Petras spricht nicht von einem starken Wir, indem das Ich nicht mehr vorkommen darf. Er will eher die positiven Effekte von Netzwerken nutzen, gemeinsam Erlebtes oder auch das Einbringen von individuell erlangten Erfahrungen können helfen, ein neues Bild der Gesellschaft zu entwickeln. Ich bin mir schon bewusst, das viele Sachen im Gehirn unbewusst ablaufen. Kognitive Fähigkeiten sind aber erlernbar und vielseitig nutzbar. Leider ist der Mensch durch die Schwächen der kognitiven Wahrnehmung immer sehr leicht beeinflussbar und das wird vor allem in der Werbung aber auch in der Politik ausgenutzt. Daher sollte man immer alle neuen Ideen aber auch anscheinend gesicherte Erkenntnisse hinterfragen.
Armin Petras & das Wir: die Wir-Illusion
Schwärmt Petras da eigentlich über das Walhall ? Man wird nicht so recht klug aus dem Geschwafel. Aber so ein Wir-Ich wie Petras illusioniert sich sicherlich auf so einer Männerparty im germanischen Paradies mit lauter Toten ein ähnliches Wohlsein wie so mancher muslimische Schläfer es gerne tut, wenn er sein heroisches Ableben träumt.

Schwumpf, echter Schwumpf...so ein Sommerlochgespräch, wo der Selbstmord von Kleist als Ich-Aktion abgehandelt wird.

Vielleicht definiert ja der erlittene Schmerz durch das Kollektiv ein Ich ? Auch, scheint mir, gab es ein Ich-Empfinden schon vor dem Kapitalismus. Und selbst wenn es nur eine Illusion wäre, unser geliebtes "Ich", so könnte man vom "Wir" wohl Ähnliches behaupten.
Armin Petras & das Wir: mehr Mut, weniger Ängste
@ Stefan: Mein lieber Freund, sie sagen "Das Thema des neuen 'Wir' (...) in Zusammenhang mit Kleist wird (...) aber krude (siehe Post Nr. 1)." Ihr Klammerausdruck ist durch die von Ihnen gewählte Syntax als expliziter Verweis auf die zitierte Szene zu verstehen. Meine Was-ist-"krude"-Frage ist auf Ihr Verweis-Verständnis gerichtet: Auf was verweisen Sie genau? Mit mir hat das ja gar nichts zu tun. Erwehren möchte ich mich hiermit deshalb ausdrücklich Ihrer falschen Schlussfolgerungen, ich würde Herrn Petras in eine linke oder rechte Ecke stellen, seine Kritik an neoliberalen Denkmustern nicht verstehen und somit auch die intellektuellen Auseinandersetzung mit seinen Gedanken scheuen. Auf letzteres brauche ich nicht eingehen - wir sprechen bereits. Sehen Sie, neoliberale Denkmuster beschäftigen mich seit der Geburt des Neoliberalismus. Meine Reaktivierung in Westeuropa fällt in genau diese Zeit (abgesehen von meinen klassischen Einsatzgebieten wie etwa in Polen oder im Nahen Osten, die zwangsläufig eine andere Qualität mit sich bringen). Ich habe das Zitat ausgewählt, weil ich an Armins Absichten so zahlreiche Fragen binde. Vielleicht an dieser Stelle nur eine: Künstler der ehemaligen DDR suchen nach (neuen) Formen des "wir" nicht selten im kollektiven Gedächtnis nationaler Identifikationsfiguren unter Verneinung der sozialistischen Tradition, die aus meiner Sicht eine viel reichhaltigere Ideenwelt zum Überleben der Menschheit bereit hält. Ich frage mich, warum sie diesen anhängen. Glauben Sie mir, lieber Stefan, selbst unter Berücksichtigung aller praktischen Probleme, in den Ländern der Warschauer Vertragsstaaten sah ich meinen Einsatz perspektivisch als bald beendet an. Das änderte sich mit dem Untergang dieser Staatenwelt wie ihrer Ideen. Großer Missmut überkommt mich seit der letzten Wirtschafts"krise", die mir nur im Zusammenhang mit den neoliberalen Denkmustern zu begreifen möglich erscheint - die Debatte um Hirnforschung in diesem Kommentarteil hat leider diese Integrität noch nicht aufgegriffen. So stelle ich Armin nicht nach rechts oder links (wie sie das ausdrücken), ich frage mich nur, was er beabsichtigt. Ich freue mich sogar über seinen Vorstoß, wünsche mir aber mehr Mut und weniger Ängste auch im Umgang mit der FDJ-Problematik.
Ich hoffe Ihnen geholfen zu haben und verbleibe ganz herzlich als Ihr Ahas Avant
Armin Petras & das Wir: frommer Selbstbetrug
@Ahas Avant
Da sind wir also doch wieder in der Ost-West-Problematik. Sie wünschen sich also die DDR zurück, viel Spaß dabei. Erst müsste mal aufgearbeitet werden, was da schief gelaufen ist, umsonst haben sich 1989 nicht Tausende auf den Weg in den Westen gemacht. Petras übrigens schon ein Jahr früher. Diese Aufarbeitung kommt aber nicht in Gang, weil es zu verschiedene Ansichten darüber gibt und auch kein wirkliches Interesse daran besteht, außer auf Seiten der Opfer. Damit wird das Ganze zu einer sehr einseitigen Debatte und der Ruf nach dem Schlussstrich immer lauter. Besonders Westlinke verklären die DDR immer noch als den Staat ihrer Träume. Wenn Sie jetzt noch auf die antifaschistischen Traditionen anspielen, ist das ein frommer Selbstbetrug. Das konnte man sehr schön erleben, als die ersten Asylbewerberheime nach der Wende brannten. Hier sind in der DDR große Fehler gemacht worden. Deshalb will Petras kein sozialistisches „Wir“, sondern hat eine andere Utopie, die er aber noch besser erklären sollte, als nur mit der These einiger Hirnforscher. Zumindest gehe ich nicht davon aus, dass bald das neue Walhalla am Gorki-Theater ausgerufen wird. Da müssten Sie nach Bayreuth fahren, dort treffen Sie dann auch die politischen und gesellschaftlichen Eliten des Landes und können vielleicht denen weiter helfen.
Armin Petras & das Wir: beim Apoll
je intensiver jeder seinem eigenen ziel nachgeht,
desto intensiver stützt der die anderen...
dazu
je intensiver ICH meinem eigenen ziel
(der arbeit am "werk") nachgehe,
desto einsamer und isolierter lebe ich
im kollektiv (in der gesellschaft) -
die umstände, unter denen ICH lebe,
die sind besonders toll (verrückt) -
aber - unveränderbar.
beim apoll (oder doch dionysos?)
zu staatsgefährdend sind diese
"mittel der täuschung"
mit denen kunst + künstler arbeiten!
dazu noch
"der ursprung des kunstwerks und des künstlers
ist die kunst"

...und am ende (im alter)
wird man dann noch dem staat
zur last fallen
Armin Petras & das Wir: starkes Unbehagen
@ Stefan: Lieber Freund, tun Sie mir doch den Gefallen und denken Sie nach, bevor Sie sprechen. Sie würden dann schnell erkennen, dass Sie (a) meine Frage nicht beantwortet haben, (b) ein Thema aufgreifen, von dem ich gar nicht gesprochen habe und (c) sich für ihre Angriffe auf meine Person zu entschuldigen haben. So, und jetzt zu ihrem Denken: Sie lehnen unter Rückgriff auf die DDR-Praxis (die und ihre Rahmenbedingungen Sie scheinbar nicht im geringsten verstanden haben) die gesamte Ideenlehre der sozialistischen Tradition ab. Glückwunsch! Üben Sie sich in Selbstkritik, bevor Sie neoliberale Denkmuster konstruieren und kritisieren! Vor Zeitgenossen wie Ihnen habe ich starkes Unbehagen. Mit Ihren Äußerungen passen Sie besser in die Gegenwart, als Sie unter Umständen zu glauben bereit wären, wenn Sie etwa "antifaschistische Tradition" als "frommen Selbstbetrug" charakterisieren. Mit ihren Äußerungen passen Sie besser in die baltischen Staaten, wo jüdische Partisanen als Kollaborateure zuletzt vor Gericht standen, ehemalige einheimische SS-Soldaten (gestützt auf Ihre Renten aus der BRD - siehe Bundesversorgungsgesetz von 1994) unverblümt öffentliche Anerkennung genießen oder Denkmäler eben jener Tradition abgerissen werden. Diese Ihre Äußerungen sind es, die eine Lücke gut ausfüllen, die Armin offen lässt. Deshalb habe ich ihm Mut und weniger Ängste gewünscht. Ach ja, und in einem Punkt gebe stimme ich Ihnen tatsächlich zu: die Aufarbeitung kommt nicht in Gang. Ja, mein lieber Freund, sind wir nicht gerade dabei? Ich bemühe mich gerade nach Kräften Ihr (…) Gerede aufzuarbeiten. Mit herzlichen Grüßen, Ihr Ahas Avant.
Armin Petras & das Wir: Denkprozesse vs. Zeigefinger
@ Rosa L.: Wenn Sie Rosa L. hier tatsächlich gerecht werden wollten, dann müssten Sie dazu fähig sein, Ihre eigene Vorwandhaftigkeit mitzureflektieren. Ihr verallgemeinernder Faschismus- bzw. Nationalismusvorwurf schießt dagegen wohl über das Ziel hinaus. Ebenso wollen Sie offenbar auch Pollesch und Schlingensief missverstehen.
Schlingensief hat sich in seiner letzten Arbeit "Via Intolleranza II" doch gerade sehr selbstkritisch und selbstironisch mit dem kolonialistischen Blick "des Europäers" auf "den Afrikaner" (gibt's die so pauschal überhaupt?) auseinandergesetzt. Und auch Pollesch kann man anders verstehen. In meiner Lesart wird durch die genannte Passage möglicherweise gerade dieser permanente Vergleichszwang bzw. dieses permanente Moralisieren in Bezug auf die Opfer der Shoah in Frage gestellt. Vielleicht wird durch die einleitenden Sätze "Der deutsche Faschismus ist aktuell??? Was soll das denn heißen?" ja gerade eine Haltung irritiert, welche von einer überzeitlichen und "vererbbaren" moralischen Schuld ausgeht. Gegenüber einer solch reflexartigen Vergangenheitsbewältigung und den üblichen Empörungsroutinen geht es bei Pollesch vielleicht eher um die Notwendigkeit eigenständiger Denkprozesse. Vielleicht führen die eher zum Ziel als der ständig erhobene Zeigefinger.
Armin Petras & das Wir: aus Geschichte lernen
@ Ahas Avant
Ich wüsste nicht wofür ich mich bei Ihnen entschuldigen sollte. Sie wollen mich einfach missverstehen, also bitte, tun Sie es weiter. Ich halte nicht antifaschistische Traditionen für Selbstbetrug, sondern den Glauben, dass diese in der DDR ehrlich gelebt und ungezwungen vermittelt wurden. Allem anderen, was Sie sagen, stimme ich zu, nur dem nicht, zu was Sie mich machen wollen. Ich habe zur DDR eine eindeutige Meinung und ich weiß selbst aus eigener Erfahrung warum. Dazu bin ich niemandem Rechenschaft schuldig, Ihnen sowenig wie Herrn Petras. Es ist richtig, ich lebe in der Gegenwart, denke aber immer auch meine Vergangenheit mit dazu. Das nennt man aus Geschichte lernen. Durch das Ende der DDR ist nicht die Idee des Sozialismus von der Erde verschwunden, sondern nur ein untauglicher durch die eigene Führungselite korrumpierter Versuch. Nun sind wieder Führungseliten am Werk, die uns erzählen wollen wo es lang geht. Um die geht es Petras, wenn er von moralisch am Boden spricht. Es ist hier leider nicht der Ort, das ausführlich zu diskutieren, aber ich werde deshalb nicht aufhören mich kritisch zu diesem Thema zu äußern. Bitte arbeiten Sie sich nicht an mir ab, ich bin die falsche Adresse. Sparen Sie Ihre Kraft und überlegen Sie vorher, auf wen Sie die Keule niedersausen lassen, vielleicht haben wir mehr gemeinsam als Sie denken.
Armin Petras & das Wir: es geht um den spielerischen Prozess
@ painter: Sie wollen hier jetzt aber nicht mit Heidegger kommen, oder?: "Im Werk der Kunst hat sich die Wahrheit des Seienden ins Werk gesetzt." Denn es geht hier, im Fall der Theaterkunst, nicht um "die Wahrheit", es geht nicht um dieses arrogante Werk, es geht um den spielerischen Prozess! Nur über den spielerischen Prozess kann sich das vermeintliche "Wesen" eines Individuums und/oder einer politischen Gemeinschaft entwerken und neu konstruieren. Das ist das Offene der utopischen Vorstellungskraft. Tatsachen sind Ideen und somit veränderbar.
Armin Petras & das Wir: Unverborgenheit des Seienden
Warum sollte Painter als Künstler nicht mit Heidegger kommen?
Oder ist hier Heidegger verboten?
Im Falle Theaterkunst und Kunst überhaupt, geht es um "Wahrheiten" und nicht um DIE WAHRHEIT. Das ist doch allen klar.
Wahrheit meint Wesen des Wahren. Die Unverborgenheit des Seienden. Es geht in der Theaterkunst ebenso wie in der bildenden
Kunst um Unverborgenheit des Seienden (nach Heidegger), um das Wesen des Wahren.
Wahrheit bedeutet heute und seit langem die Übereinstimmung der
Erkenntnis mit der Sache. Damit jedoch das Erkennen und der die Erkenntnis ausformende und aussagende Satz sich der Sache anmessen
kann, damit demzuvor die Sache selbst für den Satz verbindlich werden kann, muß doch die Sache selbst sich als solche zeigen.
Wie soll sie sich zeigen, wenn sie selbst nicht aus der Verborgenheit herausstehen kann, wenn sie selbst nicht im Unverborgenen steht? Der Satz ist wahr, indem er sich nach dem
Unverborgenen, d.h. nach dem Wahren, richtet. Die Wahrheit des Satzes ist immer und immer nur diese Richtigkeit.
Armin Petras & das Wir: neue gegen alte Götter
in den reden der künstler über "das werk"
redet man mit ihnen
findet man oft dünkelhaftigkeit.
diese kennzeichnet meist das reden der künstler
über i h r w e r k

"in der tragödie wird nichts auf- und vorgeführt,
sondern der kampf der neuen götter gegen die alten
wird gekämpft. indem das sprachwerk im sagen des volkes aufsteht, redet es nicht über diesen kampf,
sondern verwandelt das sagen des volkes dahin,
daß jetzt jedes wesentliche wort diesen kampf führt und zur entscheidung stellt, was heilig ist
und was unheilig, was groß und was klein, was wacker und was feig, was edel und was flüchtig, was herr und was knecht ..."
(Heidegger)

spielerischer prozess und arroganz (der kampf der neuen götter gegen die alten wird gekämpft):

heilig/unheilig
groß/klein
wacker/feige
edel/flüchtig
was herr und was knecht
Armin Petras & das Wir: Metzingers Niemand sein
"Das Thema des neuen "Wir" wurde schon zu genüge bei der Uraufführung von "we are blood" diskutiert ..." Stefan)

Vielen Dank, lieber Stefan, zunächst für diese (wohl sehr angebrachte) "Verlinkung" zum
Stück Fritz Katers, das in "TheaterHeute 7/10 abgedruckt sich finden und lesen läßt.
Warum aber dies: ausdiskutiert?? Auf nachtkritik de. wohl schwerlich, denn da gab es bis zum jetzigen Zeitpunkt schlappe 7 Einträge zu diesem Stück, das ich nicht sah und bislang nur anlas, währenddessen ich sehr wohl verschiedenste Kritiken verfolgte und das Stück so schnell wie irgendmöglich inszeniert sehen möchte.
Franz Wille greift gleich zu Beginn seiner Stückbetrachtung jedoch einen Satz heraus,
der sich meineserachtens schon lohnt, sich den einmal von einer DDR-Kreisleitung und ein anderes Mal von einem Hirnforscher, in den jeweiligen Kontexten gesprochen, vorzustellen: "Es wird nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wird."
Ich denke, das Interview tut einem etwaigen Weg zum Genuß des Stückes in der Tat
keinen Gefallen, denn: wie schnell wird angesichts dieses merkwürdigen Vorganges
vom "Verschwinden des Ichs" fast umstandslos auf das "Wir" abgehoben, 123 sagt es, was doch dann genauso "fiktional" wäre, und wie schnell ist da "DIE HIRNFORSCHUNG": wohl so schnell wie andernorts "DIE ATOMINDUSTRIE" ..., wie schnell jedenfalls sah ich mich auf Thomas Metzingers "Niemand sein" (ein Aufsatz in einer Suhrkamp-Ausgabe von 1995, Sybille Krämer (Hrsg.) "Bewußtsein") gestoßen, das ich aus einem Philosophie-Proseminar 1995 zu jenem Buch her kannte, obschon mein Referat dann zu Herrmann Schmitz ging "Das Bewußtsein als instabiles Mannigfaltiges": ich mache dann ja, streng genommen, selbst den Fehler, an dieser Stelle "(die) Hirnforschung" mit der APG (Analytische Philosophie des Geistes) zu
identifizieren bzw. zu "verwechseln": und so ist der Bezug auch Wolf Singer wohl und
eben nicht Metzinger (wiewohl so einer wie Metzinger halt auch meist lauter sein
"Tamtam" macht und zwar gerade eines vollends mit Füßen tretend: den "Common
Sense", und wenn Kater so spricht, daß er in die Nähe zu Metzinger zu geraten scheint, dann ist das neue "Wir" halt auch ganz schnell im Verdacht, gegen den "common sense" in die Welt zu treten, mehr als eine Art Zwangsveranstaltung mit Initiationsriten irgendwann als eine Unternehmung mit Kranichen und Pirolen drumherum im Grunde): die APG ist doch mit dem "Tod des Ichs" viel brutaler als es die meisten Hirnforscher je waren: ein Blick auf die Rezeption der Libet-Experimente dazu dürfte das verdeutlichen ... .

Wenn wir so von "Ich" sprechen, dann denken wir uns halt zumeist nicht sogleich als
Ich-Substanzen mit "irreduziblem Ich-Kern" wie Metzinger ganz diesseitig schwurbelt,
und wenn wir von "Wir" sprechen, denken wir nicht sogleich an die FDJ, und es ist auch fraglich, ob wir, wie Franz Wille zum obig genannten DDR-Kreisleiter-Zitat anmerkt, anhand des Zitates sogleich wissen, wo und wann das Stück von Kater
anhebt.

Eigenartig bei Herrn Wille ist ja auch, daß er die obige Spange, die ich aufmachte, in
seinem Artikel nicht aufmachte, obgleich Zukunft-AKW-Hirnforschung hier gewissermaßen zeitversetzte "Parallelaktionen" sein mögen, was ich mit der "Spange" nahelegen wollte: Die DDR-Kreisleitung hat demnach sozusagen den Weg für die Metzingers gebahnt, gewollt, ungewollt ??: zunächst zweirangig !
Armin Petras & das Wir: Selbstverlust als Anfang von Gemeinschaft
@ Renate: Gut. ICH bin kein Verfechter der Heideggerschen Thesen. Meines Erachtens geht es in Theateraufführungen weder um "die Wahrheit", noch um Wahrheiten, sondern um die prozessuale Hervorbringung und Wiederauflösung von Identitäten bzw. Realitäten. Das heisst, es gibt kein "Wesen des Wahren", indem man, mit Heidegger gesprochen, den "dichten Schleier des rational verstandenen Grundes" hinter sich lässt und in den Ab-Grund springt.
Beispielsweise lassen sich die Begriffe von Herr und Knecht nur in ihrem wechselseitigen Bezug zueinander denken, was gegenüber dem Wesen des Seienden die Kontingenz des Seienden eröffnet:
"Sie erinnern sich doch, der Knecht schockiert den Herrn, indem er zu ihm zurückschaut und damit ein Bewusstsein bezeugt, von dem nicht vermutet wird, dass er (oder sie) es hat, und zeigt so dem Herrn, dass dieser sich selbst zum Anderen geworden ist. Der Herr hat sich vielleicht nicht mehr unter Kontrolle, aber für Hegel ist dieser Selbstverlust der Anfang von Gemeinschaft [...]."
(Judith Butler)
Armin Petras & das Wir: anständiges moralisieren?
"Alles was Herrmann tut, ist dazu da, die Deutschen zum Kämpfen zu bringen. Das ist für mich interessant, auch die Ausgangssituation. Ich finde, dass Deutschland heute moralisch ähnlich darniederliegt". Dies im Kontext dieses Stücks mit seiner NS Geschichte, das Lieblingsstück der Nazis!, zu sagen, ist kriminell. Anscheinend fällt nicht mehr auf, was die Leute für einen gefährlichen Unsinn quatschen. @ICH: was heisst ständiges moralisieren im kontext der shoa ? können sie das mal erklären?
Armin Petras & das Wir: "Wir" als neurotische Illusion
Ich sah vor langer Zeit einen Bericht über Schneeflocken, in dem Wissenschaftler nachwiesen, dass keine Flocke einer anderen gleicht. Sie konnten nicht zwei idente Flocken finden. Ähnlich verhält es sich bei Menschen. Sie werden nicht wirklich zwei gleiche Menschen finden. Und selbst eineiige Zwillinge entwickeln sich unterschiedlich, weil sie unterschiedliche Erfahrungen sammeln, oder die selben Erfahrungen unterschiedlich verarbeiten. Nicht ein Leben wiederholt sich im anderen, da jeder einzelne Körper nicht wiederholbare Einzelerfahrungen in seinem persönlichen historischem Zeitraum macht und so bildet sich nach und nach ein "Ich", welches immerzu einzigartig ist, selbst wenn es gestört wäre. Unter diesen Vorraussetzungen beobachtet, scheint es wahrscheinlicher, dass eher dies "Wir" eine neurotische Illusion ist, die nicht mit dem Individualfall Mensch zurecht kommt und nach Auflösung im Ganzen strebt, weil ihm sein Zustand als Unikat unerträglich und einsam erscheint. Herr Petras, selber ein Unikat, sollte dies eigentlich wissen und nicht weiter darüber traurig sein, dass die Deutschen irgendwann nach der WM ihre T-Shirts mit den nationalen Emblemen wieder ausziehen und ihrem ganz persönlichem, eigenen Leben nachgehen. Nichts anderes tut Herr Petras auch, von dem ich als Intendant eigentlich vielmehr Denkvermögen erwartet hätte.
Armin Petras & das Wir: Suche nach Gemeinschaft
Jawohl liebe Rosa, lassen sie uns die Zensur wieder einführen, alle verdächtigen Stücke und Autoren auf den Index. Hebbel, Kleist, Goethe, Schiller, Shakespeare, Nietzsche und Wagner sowieso. Wollen Sie die jetzt alle erst noch mal entnazifizieren. Das können Sie aber leider nicht, die waren nämlich schon vor den Nazis tot. Bei Wagner, da hat sich eine ganze Familie schuldig gemacht, das fällt auf das Werk von Wagner zurück und gehört endlich aufgearbeitet. Was die Nazis daraus gemacht haben, darüber kann man sich auslassen, aber nicht z.B. mit den Motivationen von Kleist in Bezug auf das napoleonische Frankreich gleich setzen. Wenn Petras jetzt von moralisch darniederliegen spricht, meint er doch etwas ganz anderes. Vor allem hat das nichts mit dem Wir-Gedanken von Petras zu tun, da hat Seidler Petras in einen falschen Zusammenhang gedrängt und der hat das nicht gemerkt und schwafelt von Hirnforschern, anstatt weiter zu erklären, worum es ihm bei der Hermannsschlacht geht. Es geht gerade um das sich bewusst werden von Geschichte, warum war das damals so und was sagt uns das heute in Bezug auf die jetzigen Eliten? Zu was wollen uns unsere Politiker und Wirtschaftsbosse einschwören, gegen wen geht es? Hören Sie sich Westerwelle, Hundt, Henkel und Co. an oder den Afghanistan-Feldherren zu Guttenberg. Die lachen sich kaputt, wenn wir hier über Nazis in Theaterstücken und unser verlorenes Ich jammern. Und jetzt denken Sie noch mal ein wenig über Alternativen nach.
@ Arkadij
Diese Initiationsriten, wie Sie es nennen, im Stück we are blood sollen doch nur ein Bild für Gemeinschaft darstellen. Im Stück geht es im Kontext von schrumpfenden Städten zum einen um Alternativen zum Raubbau an der Natur, wie verhalte ich mich zum Fortschritt, muss ich alles mitmachen, oder sagt die Gesellschaft, nein, wir wollen lieber nach ökologischen Alternativen suchen. Das war im verordneten Fortschritt im Sozialismus so und ist jetzt wieder aktuell im Zusammenhang mit unsinnigen Projekten, die mit Hinweis auf Arbeitsplätze durchgedrückt werden sollen. Das hatte und hat nun wieder keine Nachhaltigkeit für diese Regionen, dahin zielt Petras Ansatz. Weiterhin geht es um Menschen, die nicht mehr mit genommen werden, die außen vor sind, gescheiterte Utopien gegen neue. Was will ich persönlich vom Leben und wie sieht die Wirklichkeit aus, was kann ich erreichen? Alles muss heute schnell gehen, keine Zeit zum überlegen, man kommt sich nur näher wenn man aus diesem Kreislauf ausbricht. Die Figur des Justin ist so ein Katalysator, für ihn gibt es keine Zukunft, deswegen sagt er allen unverblümt was er will. In seiner Nähe wird jeder auf sich selbst zurückgeworfen und muss über sein eigenes Leben nachdenken. Hoffnung, Verzweifelung, Glück und Unglück liegen oft dicht beieinander und man merkt es nicht einmal. Man muss Erfahrungen austauschen und nach Gemeinsamkeiten suchen, um nachhaltige Beziehungen zwischen den einzelnen Individuen herstellen zu können. Das hat nichts mit FDJ oder Gleichmacherei zu tun.
Armin Petras & das Wir: als Macher inszeniert
@ Stefan
Entschuldigen Sie, lieber Stefan, das mit den "Initiationsriten" sollte sich auch nicht
auf etwaige solche im Stück von Kater bezogen haben, sondern auf die Metzingers,
die so tun, als wäre die gesamte Menschheitsgeschichte vom Standpunkt der APG
zu revisionieren, von zigtausendjahrealten Selbsttäuschungen zu reinigen, als hätten
wir jetzt geradezu eine ganz besondere Zeitenwende zu erfahren qua APG: Bei den
"Initiationsriten" ging es mir um diesen Neusprech der APG, der fernab der Realität gut bezahlte (!) Sciencefiction betreibt, frei nach dem Motto: "Irgendwann werden wir der Dame, welche die Eifersucht Ihres Mannes für einen "Liebesbeweis" hält, schon sagen: "Unser Hirnscanner zeigt eindeutig Verlustangst an, keine Spur von Liebe !"
Der "Common Sense" wird hier dankenswerterweise von 123 ins Werk gesetzt: Ja:
Schneeflocken, einzigartig eine jede, einzigartig jede Nervenfaser, und tausende von Jahren tät es wohl dauern, nur einem "mentalen Zustand" halbwegs alltagsfähig gerecht zu werden: und irgendwoher weiß "man" dann ja auch noch, wonach man suchen muß !
"Common Sense": darum war mir zu schaffen, und: ich glaube, Petras auch, "Common Sense", weit vor Wikipedia Überlieferungen zu Giftpilzen bewerkstelligend beispielsweise, teilweise ohne den Giftbegriff und lange, sehr lange ohne jede schriftliche Fixierung davon ...; freilich, die Atombelastung der Pilze, die ist hinzugetreten, zu allem, was vorher so war, und ähnlich ist auch die APG hinzugetreten oder die Hirnforschung.
Pramort (Halbinsel Fischland-Darß-Zingst): Wo Es war, soll Kranich werden: ob die unsinnigen Projekte, die Sie zurecht hervorheben, Stefan, die Atomlobby oder die APG: das ist die Handschrift der MACHER, die sich auch als "MACHER" inszenieren.
Vergleichen Sie einmal die "Ruhrpods" von Herrn Carp, der ganz ruhig die Tiefe seines bedrohten Theaters abschreitet, und Herrn Balzer-Reher, der sich offenbar in seinem Auto unbedingt filmgerecht aus seinem Vorzimmer anrufen lassen muß, diebische und selbstherrliche Freude am (kleinen ??) Verkehrsregelbruch verströmend ...: Nicht allzuschwer zu erraten, wer da eher bei den Metzingers zu verorten ist ... .
Der "Common Sense", das älteste "Wir" - darum ging es mir..
Armin Petras & das Wir: Multitude Widerstand
@ Rosa L.: Ich glaube kaum, dass Petras mit diesen in der Formulierung möglicherweise etwas unglücklichen bzw. missverständlichen Aussagen einen Kommentar zum neuen youtube-Auftritt der Bundeswehr im Sinn hatte.
Im Gegenteil, er spricht doch selbst von der jedem Nationalismus bzw. jeder Ideologie innewohnenden Gefahr der Pervertierung von Gemeinschaft. Zitat: "Das verursacht diese unsympathischen Stolzneurosen, wie sie bei Neonazis oder rechten Skinheads zu finden sind. Die suchen sich dann andere Vorbilder. Und was das angeht - das habe ich bei den Recherchen zur Herrmannsschlacht gemerkt - haben die Germanen einiges zu bieten." Die politische Instrumentalisierung des "Germanentums" ist eine Farce, und so kann man das auch darstellen. Denn gegen das globalisierte Finanzkapital kann meines Erachtens nur eine aufgeklärte globalisierte "Multitude" Widerstand leisten.

"Ständiges Moralisieren" im Kontext der Shoa heisst für mich, dass damit zwar einem ewigen Schuldkomplex der nachfolgenden Generationen Vorschub geleistet werden kann, womit aber möglicherweise gerade verhindert wird, dass diese sich tatsächlich und differenziert damit auseinandersetzen bzw. darüber nach-denken.
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