Presseschau vom 6. August 2010 – Armin Petras spricht über Kleist und die Utopie des Wir

Die Deutschen zum Kämpfen bringen

Die Deutschen zum Kämpfen bringen

6. August 2010. Der Regisseur Armin Petras, Intendant des Berliner Maxim Gorki Theaters und mit seinem Alter Ego Fritz Kater auch erfolgreicher Dramatiker, hat sich im Gespräch mit Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung zu einer Utopie des "Wir" bekannt. Wobei Petras einschränkt: "Mir geht es um die These der Hirnforscher, die sagen, es gibt kein Ich. Das Ich ist eine Fiktion. Wenn ich von Wir spreche, werde ich natürlich sehr schnell missverstanden. Im Sinne von: Ich möchte die FDJ wiederhaben."

Also entwickelt Petras seine Utopie an Kleist, dessen 200. Todestag im kommenden Jahr begangen wird und dessen Herrmannsschlacht Petras gerade für die Münchner Kammerspiele inszeniert: "Alles was Herrmann tut, ist dazu da, die Deutschen zum Kämpfen zu bringen. Das ist für mich interessant, auch die Ausgangssituation. Ich finde, dass Deutschland heute moralisch ähnlich darniederliegt." Und Petras berichtet von einer Reise Kleists nach Würzburg: "es geht um ein Tor in Würzburg, das aus einem Bogen von Steinen besteht, die allein runterfallen würden, sich aber so gegenseitig stützen. Das ist für mich die positivste, utopischste Definition von einer funktionierenden Gruppe: Je intensiver jeder seinem eigenen Ziel nachgeht, desto intensiver stützt der die anderen."

Das Individuum sei – so Petras – "eine Fiktion des Kapitalismus, der uns damit Ellenbogen antrainieren will. Deswegen bin ich auch gegen bestimmte Theaterleute, die eben das auf der Bühne noch einmal darstellen. Diese oft ästhetisch toll gemachte Feier des Individuums, mich nervt diese Philosophie dahinter. Weil es sagt: Die Umstände, unter denen wir leben, die sind zwar nicht besonders toll, aber unveränderbar."

(wb)

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