Presseschau vom 24. August 2010 – Interview mit Matthias Lilienthal in der Süddeutschen Zeitung
Gen Globalisierung des Stadttheaters
Gen Globalisierung des Stadttheaters
24. Juli 2010. Als Matthias Lilienthal kürzlich bekannt gab, seinen Vertrag am Berliner HAU über 2012 hinaus nicht verlängern zu wollen, schlug ein nachtkritik-Kommentator vor: "Er sollte Nachfolger von Castorf werden." Aber nein, die Ambitionen des ehemaligen Volksbühnen-Dramaturgen (bis 1998) gehen offenbar nicht in Richtung Rosa-Luxemburg-Platz, wie er Peter Laudenbach im Interview für die Süddeutsche Zeitung sagte. Für ihn sei die Leitung der Volksbühne – Frank Castorfs Vertrag läuft 2013 aus – keine Option, machte Lilienthal deutlich. Castorfs Nachfolger solle jemand sein, "der von Franks Ästhetik sehr weit weg ist. (...) Ich bin einfach viel zu nah dran, um dieses Theater neu zu erfinden. Als Volksbühnen-Intendant würde ich meiner eigenen Vergangenheit begegnen, ich müsste mich selber aus dem Theater austreiben."
Aber warum hört Lilienthal, den die SZ einen der "innovativsten Theatermacher Europas" nennt, am HAU überhaupt auf? "Von Frank Baumbauer habe ich gelernt, dass man als Intendant nach etwa acht Jahren aufhören sollte. (...) Gerade wenn es super läuft, sollte man darüber nachdenken, wie man sich das Leben wieder anders schwermacht." Er könne sich aber "gut vorstellen, wieder in einer Stadttheater-Struktur zu arbeiten und Ensembletheater zu machen". "Am Ensembletheater (...) liebe ich, dass man sich auch mal mehrere Monate auf eine Produktion konzentrieren kann. Auch die Zuschauer haben da ein intensiveres Verhältnis zu den Schauspielern und Regisseuren."
Allerdings sei es "dringend nötig, das Format Stadttheater zu öffnen", da sich die Gesellschaft in Politik, Kultur und Bevölkerungsstruktur globalisiert habe. Er würde also auch am Stadttheater mehr internationale Künstler einladen. Und in einer Stadt wie Berlin, wo "15 Prozent der Berliner Migranten sind, kann das Theater sich nicht nur an Deutsche richten". "Die Stadt hat 50 Ghettos, die Milieus schließen sich relativ hermetisch gegeneinander ab. Wir haben versucht, zu 15 bis 20 dieser Ghettos Kontakt zu halten und sie in das Theater reinzuziehen".
Mehr zu Matthias Lilienthal und seinem Theater: Im Archiv finden Sie sämtliche Nachtkritiken zu Produktionen im HAU.
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