Hamburger Schauspielhaus: Die Kampfansage.
Stellungnahme des Schauspielhauses zu beabsichtigten Kürzungen
Hamburg, 22./23. September 2010. Der Hamburger Senat hat am 22. September 2010 für das Deutsche Schauspielhaus eine Etat-Kürzung von 1,2 Millionen ab kommender Spielzeit beschlossen. Das Schauspielhaus veröffentlichte am Abend eine Stellungnahme zu den aktuellen Kürzungen:
"Die Kulturbehörde macht es sich sehr einfach, indem sie genau das Haus, das im Moment nach außen hin als geschwächt erscheint, finanziell aussaugt. Dies ist ein plumper Versuch, die Staatstheater untereinander zu entsolidarisieren. Das ist beispiellos und leider sehr traurig.
Mit der Kürzung von 1,2 Millionen Euro für das ohnehin schon unterfinanzierte Haus verhindert die Kulturbehörde den Erfolg bei der Suche nach einem ernst zu nehmenden Intendanten. Die Zukunft des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg ist gefährdet: Das ist der Anfang vom Ende.
1,2 Millionen sind mehr als 50% des künstlerischen Etats. 'Damit sind wir wieder einen Schritt näher an der finsteren Vision von Jürgen Flimm, dass der Vorhang dieses Hauses hochgeht, die Maschinerie sich bewegt – sollte sie überhaupt noch funktionieren –, aber kein Schauspieler mehr auf der Bühne steht', so der Geschäftsführer des Schauspielhauses Jack Kurfess zum Beschluss des Senats.
Der Umfang der Kürzung ist so hoch, dass sie sich nur durch strukturelle Maßnahmen
ausgleichen lässt. Das bedeutet in der Konsequenz Spartenschließung. Das heißt für das
Schauspielhaus das Ende aller kleineren Spielstätten und damit auch das Ende der Sparte
Junges Schauspielhaus."
"Das ist der Todesstoß!"
In einem Gespräch am Abend erklärte Florian Vogel, Mitglied der interimistischen Leitung des Hauses, gegenüber nachtkritik.de: "Die Kürzung des Zuschusses um 1,2 Millionen Euro ab kommender Spielzeit ist eine grobe Fahrlässigkeit. Damit ist eine Hemmschwelle überschritten, wonach der künstlerische Betrieb nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Jetzt geht es um den schieren Fortbestand des Hauses. Es sieht danach aus, dass der Senat das Haus austrocknen will."
Während Ensemblesprecher Marco Albrecht die neueste Entwicklung nur kurz mit: "Das ist der Todesstoß!" kommentierte, erklärte Joachim Lux, Intendant des benachbarten Thalia Theaters: Da sein Haus gerade erst dabei sei, "die letzte Kürzungswelle umzusetzen", könne er mit den Kollegen vom Schauspielhaus mitfühlen, "die jetzt verzweifeln". Sie haben "nicht nur unser Mitgefühl, sondern auch unsere Solidarität. Das Beste allerdings wäre, wenn die Hamburger Kulturbürgerschaft durch massenhaften Besuch dokumentiert, dass sie das Schauspielhaus für unverzichtbar hält."
Am 14. September hatte Friedrich Schirmer bekannt gegeben, dass er zum Ende des Monats als Intendant zurücktritt; er nannte als Grund eine angekündigte Kürzung von 330 000 Euro in der laufenden Spielzeit. Gerhard Stadelmaier in der Frankfurter Allhgemeinen Zeitung (24.9.2010) findet Schirmer habe seinen Job beleidigt hingeschmissen und sein Ensemble im Stich gelassen. Jetzt hat der Senat die weitere Kürzung von 1,2 Millionen Euro ab nächster Saison beschlossen, was auch für Gerhard Stadelmeaier einer "Torpedierung des ganzen Hauses nahe kommt".
Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) hatte auf Schirmers Rücktritt hin bereits öffentlich über einen Intendanten für mehrere Hamburger Häuser nachgedacht.
(dip/jnm)
Hier finden Sie eine ausführliche Chronik zur Debatte um das Deutschen Schauspielhaus.
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es geht hier ja nicht nur ums schauspielhaus und eben grade auch ums schauspielhaus, als dem größten sprechtheater deutschlands: da wird mal kurz ein leuchtturm umgehauen! dabei ist das DSH ja nur ein kleiner teil vom großen sparkuchen. da lässt sich nur hoffen, daß breite schichten sich solidarisieren - das was hier passiert betrifft ALLE hamburger auf der ein oder anderen ebene. wenn sich hier in der stadt nicht eine bürgerbewegung aufmacht und ihr recht auf stadt einfordert, wird diese tumbe und kurzsichtige politik gar noch als vorbild für andere bundesländer herangezogen.
Doch die Leute im Schauspiel-Haus
riefen: "Ihr kriegt uns hier nicht raus!
Das ist unser Haus, schmeißt doch endlich
Alhaus, Frigge und die Götsch aus Hamburg raus."
Absurdistan in hamburg! Das Schauspielhaus als lukrative und "ach-so-schönste"-Abspielstätte für die "10 Tenöre" oder "das Supertalent". und es klingelt in der Stadtkasse. nur .. wo bleibt die Kunst? Olaf hilf!
In Hamburg hat die gesammte Presse so auf das Schauspielhaus ( und nicht erst bei dieser Intendanz) eingedroschen - man kann es nur so bezeichnen - bis es wie jetzt,am Boden liegt,d.h.der Intendant zurücktritt oder nicht verlängert.
Mit Fotos neuer Intendanten ist man schnell,nur die Situation jetzt am Schauspielhaus löst man nicht mehr mit Fotos und Gerede!
Jetzt müsste die gesammte deutsche Presse sich dem Überlebenskampf der Kultur anschliessen und nicht,wie jetzt wieder am Thalia Theater,unnötige Kämpfe heraufbeschwören.
Mein Wunsch wäre eine offene Diskussion darüber, wie man produziert in so einer Hütte. 344 Festangestellte, von denen nur 30 feste Schauspieler sind, da ist doch was verrutscht.
Verschlankt die Strukturen, streitet endlich mit dem Bühnenverein über völlig hahnebücherne Tarifverträge und hört auf mit diesem die Kunst gegen die Politik Dings.
baut personal ab und lagert die arbeit aus. das geld quillt euch doch zu den ohren heraus, ihr könnt nur nicht damit umgehen.
1.200.000 sind mehr als 50% des KÜNSTLERISCHEN etats.
(Anmerkung der Redaktion: Die Aktion wurde nicht vom Schauspielhaus selbst angeregt, wie die Pressestelle auf Nachfrage mitteilte, es scheint sich aber um eine reale, ernst gemeinte Aktion zu handeln.)
Ich finde Kommentar 5 super und vollkommen richtig und das einzige was jetzt, kurzfristig Sinn macht... AKTIV WERDEN !!! Nicht mehr greinen,zetern,Schuld verteilen und beleidigt sein - MACHEN! SICH WICHTIG MACHEN ! KUNST MACHEN ! WEITER MACHEN !
Ich drück Euch da in Hamburg alle Daumen - das sich Köpfe finden unter Euch - die mutig und kreativ genug sind das Unternehmen zu führen... Und das "die Ratten" so schnell wie möglich das sinkende Schiff verlassen und nicht denen im Weg stehen, die bereit sind Verantwortung zu übernehmen... Denn die brauch es in diesen Verpisser-Zeiten mehr denn je...
"Wir haben uns heute hier versammelt um unserer großen Sorge Ausdruck zu verleihen! Wir sorgen uns um die Zukunft unseres Theaters und unserer Arbeitsplätze. Umso mehr bedauern wir den Rücktritt unseres Intendanten.
Der Rücktritt kommt für uns zur Unzeit. Wir hätten uns gewünscht wenn er weiter gemeinsam mit uns um den Erhalt unseres Theaters gekämpft hätte. Gleichwohl können wir die Enttäuschung verstehen die angesichts der nicht eingehaltenen Zusagen seitens der Politisch-Verantwortlichen entstanden ist.
Das DSH ist seit vielen Jahren einem ungeheuren Druck von Seiten der Politik ausgesetzt. Unausgesprochen aber doch vernehmlich wird unterstellt, dass wir mit den uns zur Verfügung gestellten Geldern nicht sachgerecht wirtschaften. Wahr ist aber das wir uns ständig selbst beschränken und sparen wo es nur geht.
Fakt ist,
• dass die Tarife der Beschäftigten seit 2005 abgesenkt worden sind.
• dass die Zulagen für Schichtarbeit abgesenkt wurden.
• dass wir ein flexibles Arbeitszeitsystem haben, so dass Mehrarbeitszuschläge und Überstunden praktisch nicht mehr ausgezahlt werden müssen.
• dass Gagen gekürzt wurden.
• dass wir seit Jahren mit erhöhter Bereitschaft und auf Kosten der Gesundheit vieler von uns die Kürzungen ertragen und auszugleichen versuchen.
Wir leisten seit Jahren unseren Beitrag zum Erhalt des DSH - und was bekommen wir von der Politik, immer neue Kürzungen. Verzweifelt schauen wir auf unsere Stadt und müssen täglich sehen, wie verantwortungslos mit unseren Steuergeldern umgegangen wird: Milliarden für die HSH Nord Bank – Hunderte von Millionen durch das Versagen der Verantwortlichen bei der Elbphilharmonie – Etliche Millionen für Steuergeschenke an Hoteliers usw., usw.
Gleichzeitig kürzt man bei den Sozialschwächsten und den Familien in unserer Stadt. Bücherhallen werden geschlossen, Schulen verrotten, Lehrer werden nicht eingestellt. Kindergärten werden für viele unbezahlbar.
Hamburg wird zum Bildungs- und Kulturzwerg. Klar, wer Goethe nicht kennt, Schiller nie gelesen hat und Shakespeare für eine Biermarke hält, der braucht auch kein Theater. Diesen Menschen reichen Daily Soaps. Und das Goldene Blatt. So wollen wir aber nicht leben, wir die große Mehrheit in dieser Stadt. Wir brauchen bezahlbare Kindergärten und gute Schulen. Wir wollen dass die Menschen unserer Stadt ein breites Kulturangebot bekommen und das zu erschwinglichen Preisen für alle Schichten.
Denn Hamburg das sind wir, die Menschen dieser Stadt. Das sind die die nach der Nazidiktatur die Theater wieder aufgebaut haben. Das sind jene die die Ruhrfestspiele ins Leben gerufen haben.
Wir stehen heute hier für alle Bürger dieser Stadt die es als Ihr Recht ansehen, jederzeit Zugang zu Bildung und Kultur zu bekommen. Wir sind die Konservativen dieser Stadt, denn wir wollen es bewahren, dass Gute und das Schöne. Bildung und Kultur sind eins sie bedingen einander. Sie dürfen nicht das Opfer sein für blinde Profitgier.
Wir sind Hamburg. Wir sind der Souverän. Und Ihr, Ihr lieben Senatoren, ob männlich oder weiblich, Ihr seid unsere Angestellten. Ihr sollt unsere Interessen vertreten. Dazu seid ihr gewählt. Kommt endlich eurer Verantwortung nach.
Wir fordern vom Senat:
• Keine weiteren Kürzungen beim Schauspielhaus und den anderen kulturellen Einrichtungen der Stadt. Denn, Herr Stuth, ausreichend bedeutet: Note 4, eine 5 ist schon mangelhaft.
• Unverzügliche Wiederbesetzung der Intendanz.
• Einbeziehung der Beschäftigten und ihrer Vertreter bei der Auswahl des neuen Intendanten.
• Unverzüglicher Ausgleich des Defizits am DSH durch die Hansestadt.
• Volle und langfristige Übernahme von eventuellen Lohn- und Gehaltserhöhungen.
• Eine verbindliche Bestandsgarantie für Thalia, DSH und Oper.
Dies sind keine unverschämten Forderungen, dies sind unabdingbare Voraussetzungen gegen den weiteren Abbau von Bildung und Kultur."
der artikel des schauspielhauses formuliert doch sehr klar ein künstlerisches wertverständnis als bildungsinstitut, das kann man falsch oder richtig finden, dass die position nicht aus künstlerischen erwägungen hergeleitet würde, stimmt nicht. es fließen in einem theater im übrigen nicht nur 12% in die kunst, die genannten zahlen beziehen sich auf die variabel disponierbaren künstlerischen etats, etwa für gäste etc. Wer außerdem mit solchen Kommentaren das größte Schauspielhaus Deutschlands nicht vor einer drohenden Schließung verteidigt, scheint bestenfalls im Glauben zu leben, dass die wegfallenden Mittel an anderer Stelle anderen vermeintlich sinnvolleren kulturellen zwecken zuflösse. das halt ich für vollkommen unrealistisch und kurzsichtig.
(Und jetzt bitte wieder die üblichen, langweiligen Antworten, die dem Verfasser vorwerfen, selber Teil des Systems zu sein, das er schützen wolle. Dabei den Kampfbegriff "hochsubventioniert" nicht vergessen!)
Hier sind soviele Vorschläge gemacht, ja geradezu erarbeitet worden, ich kann sie gar nicht alle aufzählen. - Das finden Sie also alles ignorant und blöd, peinigend, inkompetent und Sie unterstellen doch ungefähr jedem hier, dass er keinen Funken Ahnung hat. Doch, einen Funken Ahnung konnte nach meiner Tätigkeit in der künstlerischen Leitung an einem der großen Hauptstadttheater auch an mir nicht vorbeigehen.
Aber ein Funken Ahnung reicht überhaupt nicht aus. Man muss ganz neue Konzepte und Strukturen für diese Betriebe erarbeiten. Das dauert, lange, Monate, vielleicht ein Jahr...Zeit, die man hat verstreichen lassen, obwohl seit sehr langer Zeit klar ist, so wird es nicht weitergehen. Ich erinnere hier nur noch einmal an Herrn Eberth und seine Auffassung von der "Illusion einer Hochkultur", der uns nichts anderes hier berichtet hat, als das wir vor einem akut einsturzgefährdeten Gebäude stehen und das alle Angst haben, es könnte irgendwo einen Verantwortlichen geben.
Verantwortlich sind die, welche so lange zugeschaut haben. Die, welche ihren täglichen Kleinkrieg in der Verwaltung schon für den großen Wurf halten und alle, die das Problem anders angehen für völlig bescheuert halten.
Drei tote Dichter werden in dieser seltsamen Rede genannt. Und wie immer gibt es am Schauspielhaus tatsächlich eine Faust, Hamlet und Kabale Inszenierung, wieso auch nicht. Aber diese drei Toten werden angeführt gegen eine Minderheit von Idioten, die sich nur mit Soaps und anderem Dämmlichen beschäftigten. Während eine große Mehrheit der Hamburger, ein "besseres Wir" nicht so leben will. Ich möchte auf diesen wirklich ignoranten Kulturbegriff, der in seiner Schlechtigkeit und echten Blödheit leider nicht einzigartig ist, wirklich nicht weiter eingehen. Aber soviel vielleicht doch. Theater werden bekanntlicherweise von ca. fünf Prozent der Bevölkerung besucht; vielleicht ist die Zahl sogar mittlerweile schon hochgegriffen. Vornehmlich richtet sich diese Kunst an Eliten einer Stadt, an eine Minorität. Soviel sollte auch ein Betriebsrat von vermeintlichen Minderheiten und Mehrheiten begriffen haben, ein Betriebsrat, der offensichtlich nicht Teil der Lösung sein kann, sonder ein Teil, neben vielen anderen, des Problems darstellt, auch und im besonderen deswegen, weil er nicht einen lebendigen Künstler nennen mag, die er ja tagtäglich an seinem Haus vorfinden kann.
An dieser Rede ist die Aura einer Kunstproduktion nur in weiter Ferne vorbeigeführt worden und sie duftet nach Kulturvermittlung, wie manch einer von uns sie aus dem Deutschunterricht her kennt.
Unabhängig von allen Strukturdebatten, die 123 anonym angeregt hat und anregt, muss es doch im Falle des Schauspielhauses zunächst einmal nur darum gehen, dass diese Institution als künstlerisch eigenständiges Haus, als Ensembletheater weiter spielen kann und nicht zu einem „neoliberalen Eventtempel“ umfunktioniert wird, wie Rocko Schamoni dies vor etwa drei Stunden vor der Hamburger Kulturbehörde gerufen hat. Um dies langfristig zu gewährleisten und einen Intendanten zu finden, der das Haus ab 2012 / 2013 leiten kann, muss für die intendantenfreie Interimszeit der Spielbetrieb aufrecht gehalten werden. Das ist mit der bevorstehenden Kürzung ganz offensichtlich nicht möglich, und das gräbt diesem Theater kurz-, mittel-, und langfristig das Wasser ab. Und leider muss man dem Hamburger Senat unterstellen, dass diese Taktik gewollt und das Schauspielhaus in seiner derzeitigen Form ungewollt ist. Die Proteste, die sich hier in Hamburg nun also formieren, und die gestern vorm Schauspielhaus und heute vor der Kulturbehörde ihren vorläufigen Höhepunkt fanden, haben sich auch aus dem Gefühl heraus so schnell verbreitet, dass mit der faktischen Schliessung eines der wichtigsten deutschen Sprechtheaters eine Grenze überschritten wird, die man sich nicht so einfach bieten lassen kann.
Die Wolken, die über den Himmel wandern, wurzeln nirgends, haben keine Bleibe; und ebenso wenig die unterscheidenden Gedanken, die über den Geist hin wegziehen.
In diesem Sinne bringt outen gar nichts, weil es nicht um Namen geht, hier, sondern um Argumente.
Wie machen Sie das eigentlich? Sie sitzen vor einem großem Tanker und überall läuft seit sehr langer Zeit Öl heraus. Das eine Loch nennen Sie Hamburger Schauspielhaus und da muss nun erst einmal wieder das Leck gestopft werden, während an einem anderen Loch, nennen wir es Bremer Theater schon wieder etwas ausläuft und morgen nochmals woanders. Sie wollen alles verpflastern und am Ende haben Sie nur noch einen einzigen Verband und kein Boot mehr und der Verband saugt sich wiederum voll und das Schiff geht endgültig unter.
Schaffen wir das Boot mal ins Trockendock und entwickeln ein neues Modell. Mehr sag ich doch gar nicht. Und daran ist wahrlich nichts verwerflich. Und Namen brauchts dazu auch nicht.
Dennoch bleibt es dabei: das, was sich der Hamburger Kultursenat erlaubt, ist für eine Großstadt unwürdig und peinlich. Und was "123" betrifft, ich musste dabei an ein älters Interview mit dem Geschäftführer des Thalia Theaters denken. Da sagt Ludwig von Otting: "Das Thalia Theater ist 1914 für 80 Beschäftigte, davon 40 Schauspieler, gebaut worden. Heute haben wir 350 Mitarbeiter und komischerweise immer noch 40 Schauspieler."
Nach ein paar Tagen ist durch unser aller zutun am Schauspielhaus ein ungemeiner Zusammenhalt entstanden, völlig egal welcher Abteilung die Leute angehören, ob sie künstlerisch, handwerklich oder sonstwie hier tätig sind.
Der Obergriff "Hamburg wird unter diesem Senat zum Kulturdorf" und das Herausheben von der ungemeinen Wichtigkeit von einer eindeutigen kulturellen Identität und Vielfalt für diese Stadt, ist nach der ersten Schockstarre längst in den Köpfen aller angekommen, wie man an der wunderbaren Aktion heute vor der Kulturbehörde gesehen hat, an der neben Mernschen aus allen drei Staatstheatern auch viele Privattheater, Museenmitarbeiter und freie Künstler gemeinsam für das Kernthema laut geworden sind.
Das Aufstehen gegen diesen kulturblinden Senat und für eine vielfältige, kulturell spannende Stadt beginnt gerade. Wenn alle dafür mal über ihren eigenen Tellerrand schauen und den Mitarbeitern dieses Theaters auch deren erste Existenzangst zugesteht, kann hier großes passieren. Ich bin zuversichtlich!
Auf, auf!
Eine Strukturdebatte über das System der darstellenden Künste im Deutschsprachigen Raum? Von der Laienspielgruppe bis zum Staatstheater? Gern.
Nur fehlt die Zeit dazu, wenn ein Theater nach dem anderen von so massiven Kürzungen bedroht ist bzw. umsetzen muss, dass die Überlebensfähigkeit der Häuser nicht mehr gesichert ist. Bevor wir uns daran machen können dieses System zu reformieren, muss gewährleistet werden, dass es überhaupt noch etwas zu reformieren gibt. Und auch, dass es überhaupt noch eine hinreichende Finanzierung für die Theater gibt. Das Geld, das Sie neu verteilen wollen ist bald eingespart. Und ein kaputtgespartes Theater wieder flott zu machen, ist eine undankbare und fast unlösbare Aufgabe, gleichgültig in welcher Struktur.
Zur Erinnerung: In Hamburg ist die künstlerische Existenz eines Theaters gefährdet. Das muss zu einer Solidarisierung mit den dort arbeitenden Beschäftigten führen, egal ob Künstler oder nicht, egal ob NV-Bühne oder TVÖD. Erst wenn das Schlimmste verhindert ist, wo auch immer, dann und nicht früher kann gern einmal eine Strukturdebatte beginnen.
Ihre Form der Entsolidarisierung mit den Beschäftigten der bedrohten Theater aber spielt den offensichtlich immer kulturferneren Geldgebern in die Hände. Jedes Ihrer Argumente, 123, kann von den Kultur- und Finanzpolitikern, die ein Theater für entbehrlich halten, benutzt werden, um vorzurechnen, dass mit weniger Geld die künstlerische Qualität gehalten oder sogar gesteigert werden kann.
Und irgendwann in zu naher Zukunft, war es das dann mit dem Theater.
Habe eben "Hänsel&Gretel" gesehen, leider nur ein zweiter Aufguß von "Marat". Vielleicht wegen der Halbierung des "künstlerischen" Etats?
Dieses Später läuft schon seit einigen Jahren ab. Wer sagt Ihnen, dass ich entsolidarisiert sei? Wer? Wie können Sie behaupten, nur weil für mich die Zeichen nicht auf Kampf stehen, sondern auf Reform, ich wolle oder würde kulturfernen Politikern Argumente zu spielen? Diese Politiker brauchen mich nicht um ihre Ziele zu verfolgen. Ist Ihnen das nicht klar?
Sie verteilen Gut und Böse mit der Schöpfkelle. Drinnen die Guten. Draußen die Bösen. Als ob das Theater immer noch ein trojanisches Pferd sein, in dem sozusagen geradezu kassiberhaft die letzte Wahrheit über Kunst und Kulturvermittlungen geborgen läge. Aber viele Meinungen im Inneren der Betriebe decken sich mit denen der Politiker. Es gibt da keine tiefgreifende grundsätzliche Opposition mehr. Wenn der Rubel rollt ist man sich ganz schnell wieder einig. Da stehen sich zwei heterogene Gruppen nicht einmal mehr gegenüber, sondern sie verschränken sich untereinander, vernetzen sich eventuell sogar.
Der Zankapfel ist das Geld und hin und wieder mangelnder Erfolg, der aber häufig auch über Jahre stoisch hingenommen wird. Und das soll eine Kampfsituation hergeben?! Kunst gegen Kultursenator?!
Sicherlich. Nun soll das Schauspielhaus zunächst einmal alleine sparen. Das Thalia bleibt ersteinmal verschont. Aber ist das Methode oder Hilflosigkeit? Sparen sie doch mal in Hamburg 100 Millionen ein. Versetzen Sie sich in die Lage dieser Politiker.
Nun gut, da wäre es doch denkbar dies Haus wirklich einmal für eine Spielzeit zu schließen und nach einer vollzogenen Reform ganz neu anzusetzen, bei zuvoriger Zusicherung der Mittel. Aber die Zwänge sind viel zu hoch, denn selbst eine Schließung für eine Spielzeit würde wahrscheinlich keine Kosten sparen. Mir wurde mal gesagt, wir führen ihr Theater nur weiter, weil eine Schließung uns teurer käme als es einfach fort zu führen. Das war extrem zynisch und stellt in keiner Weise die Grundlage einer produktiven Zusammenarbeit dar. Sie unterstellen der Hamburger Situation ähnliche Verhältnisse. Wenn dem so wäre, gibt es zu einer Festschreibung im Grundgesetz und den Haushalten keine Alternative.
Ihr
123
über den Spielzeitbeginn (das HH-Schauspielhaus sollte da wohl Thema sein !) 2010/2011 neue Anregungen.
Mitunter fliegen da allerlei Zahlen durch den Raum, mal sind es 90% des Etats, der nicht-künstlerisch gebunden ist, mal (siehe § 18) geht es um die "variabel disponierbaren künstlerischen Etats",
mal sind 1,2 MIllionen Euro gar mehr (§ 11) als die Hälfte des (!
künstlerischen Etats.
Das allein ist schon verwirrend genug, allerdings tritt noch hinzu,
daß, so lese ich es aus dem Interview in der Frankfurter Rundschau,
der Kultursenator Stuth hier offenbar den Kürzungsbeschluß verkündet, bevor das von ihm ersonnene "Controlling" erfolgt ist,
also bevor er selbst anders als verwundert davor stehen kann, ob 1,2 Millionen jetzt gen Halbierung des künstlerischen Etats tendieren oder nicht.
Es sieht aus, als falle er aus allen Wolken, bezüglich der Behauptung, die auch "Strukturdebatten" dringlich erscheinen läßt, wenn Grundsätzlicheres geklärt ist und nicht vorher ... (und gerade das Grundsäzliche ist nicht geklärt, wenn erst gespart und dann geprüft werden soll ...), es drehe sich um eine Halbierung des künstlerischen Etats, Stuth im Interview: "Die Behauptung, den künstlerischen Etat halbieren zu müssen,kann ich nur schwer nach-
vollziehen ( "schwer" oder "garnicht" ..., AZ), das würde (sic !)
ja bedeuten, daß rund 90 % im nicht-künstlerischen Bereich anfallen
würden." Ups ! Worüber reden "wir" mindestens seit Wuppertal wieder
verstärkt ??
Einige Intendanten, Carp !, vermochten es, ihre Phantasie anzustrengen und machten tatsächlich eigene Sparvorschläge bzw.setzten geschickt derlei um (auch das gab es, was "uns" von jeglichem Schwarz-Weiß-Getue abbringen sollte im Grunde ...).
Insofern, auch wenn es nahe liegt, daß hier "Devide et impera" im Spiel ist, Thalia und Schauspielhaus gegeneinander auszuspielen,
müßte es schon ein wenig möglich sein zu klären, vom Thalia und Schauspielhaus her, warum es heißt "Äpfel mit Birnen" zu vergleichen, wenn der Kultursenator nunmehr verlautbart, daß ihm noch niemand habe zeigen können, warum (bei gleicher Leistung) das Thalia offenbar "effektiver" arbeitet.
Zyniker könnten festhalten,daß damit die Bedeutung des Schauspielhauses zumindestens (gedankenspielerisch) auf das Thalia-Niveau angehoben erscheint, aber wohlmöglich ist das ja wirklich ein Wink, die Ära Schirmer fairer zu beurteilen (wie es Herr Schreiber in der "Bandschublade" vorgenommen hat).
Interessant auch, daß "123" immer wieder vorgehalten wird, sich nicht als "Ex-Intendant-XYZ" zu outen, wenn man nur bedenkt, daß Herr Stuth zur gleichen Zeit, und nicht in einem anonymen Forum !!,
genau auf diese Weise verfährt. Er, Stuth, habe sich von mehreren überregionalen Intendanten bestätigen lassen, daß das Schauspielhaus mit 17,7 Millionen durchaus bespielbar sei ...:
Merkwürdig,wenn "man", statt diesen "Kennern" nachzuspüren, es dabei bewenden ließe, "123" nachzuspüren, oder ?
dass Sie über Reformen für Staatstheater und Kultursubventionierungen im Allgemeinen nachdenken und gar eine Festschreibung fordern ist nachvollziehbar und richtig.
Aber warum muss man behaupten, "dies sei viel mehr als Transparente hochzuhalten"? Das, was Sie als "Protestgehabe" abtun, erzeugt Energien, Kräfte und Ideen, die weit über das Verfassen von anonymen Strukturdebatten auf nachtkritik.de hinausgehen, glauben Sie mir.
was ist mit euch? hier jämmerliche kommentare zu veröffentlichen und sich selbst zu bemitleiden.ts.ts. das ist die chance eures lebens. ihr habt 18 millionen euro zu verfügung, damit könnte man locker 15 kinofilme drehen. schmeisst die leute aus der verwaltung, die nichtarbeiter in der technik, die unnützen dramaturgen, die pr-beamten und finanzzombies und die anderen kunst parasiten raus. das könnt ihr auch selbst. laßt euch mal die verträge offenlegen, das ist euer haus, ihr riskiert jeden abend euren arsch. die leute kommen nicht wegen dem verwaltungsdirektor ins theater! ein team von 5 technikern, 3 tontechniker, ein lichtteam, ein jurist, ein kostümteam für alle produktionen, den rest könnt ihr um soviel geld extern herstellen lassen (werkstätten, putzdienst), einen finanzmenschen, die kassaleute ab 16 uhr, 2 dramaturgen für werbung und leporello, scheisst auf die sinnlosen programmhefte, den spielplan macht ihr selbst und einigt euch auf die für euch interessanten regisseurInnen. es wird funktionieren, davor haben diese finanz und dramaturgie apparatschiks von khuon bis hartmann, die euch erklären wollen was geht und was nicht, doch am meisten schiss. nutzt die gunst der stunde !!!
"Im Hinterhof erschießen." ...da steht nicht mal ein Fragezeichen. Sie beenden den Satz mit einem Punkt. Das geht entschieden zu weit. Und ich frage mich, wieso die Redaktion dies so durchgehen lässt? Ich möchte nicht in die Fußstapfen von Herrn Lux treten, aber Sie scheinen ein erhöhtes krimminelles Potential zu haben.
Die Techniker, Beleuchter, Schlosser, Schreiner, Maler und und und am Schauspielhaus sind kein "Blähbauch". Sie beherrschen ihre Arbeit. Ich durfte dies selber einmal unter Baumbauer im Malersaal erleben für nur eine kurze Zeit. Aber ich konnte mir keinen einzigen Mitarbeiter aussuchen. Man muss sich als Regisseur immer auf das vorhandene Personal einstellen. Dies ist ein Teil des Berufsbildes Regisseur. Hat man da spezielle Wünsche, beispielsweise, man möchte einen Beleuchter oder einen Videokünstler mitbringen, kann das zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Im Besonderen dann, wenn man noch keinen großen Namen hat.
Alles was ich meine ist, dass auch Techniker, die ganzen künstlerischen Handwerker besetzt werden müssen, sowie Schauspieler, Regisseure auch. Um eine ganz spezifische Ästhetik für ein sehr spezielles Konzept, Stück oder sei es auch nur eine Auffassung zu erarbeiten, braucht man die Möglichkeit der Wahl. Und die hat man in diesem festen Gefüge nicht. Viele Techniker sagen einem, ich hörte so etwas von einem Bühnenmeister, Intendanten kommen und gehen, wir bleiben. Diese Haltung geht nicht. Das ist unmöglich.
Das Berufsbild für Handwerker hinter der Bühne muss sich grundlegend ändern. Auch sie sollten befristete Verträge haben. Das sind nicht alles Allrounder. Auch wenn sie sich oft dafür ausgeben. Man spürt sehr schnell, ob ein Tontechniker einen mag oder nicht. Ob man nach seiner Sichtweise die richtige Musik, die richtigen Takes gewählt hat.
Und genau an dem Punkt muss sich das Berufsbild ändern. Zu bestimmten Produktionen passen nur bestimmte Mitarbeiter in der Technik. Man muss sie genauso engagieren können wie die Künstler. Und sie sollten sich den selben Vertragsbedingungen aussetzen wie die Künstler. Wenn ihre Zeit vorbei ist, müssen sie gehen und sich neu orientieren.
Hierzu muss man aus den Tarifverträgen aussteigen. Jeder an einer Kunstproduktion Beteiligte sollte sich möglichst schnell daran gewöhnen seine eigenen Verträge auszuhandeln. Dies ist nicht vorbildlich für den Rest der Gesellschaft. Es gilt für die Kunstproduktion. Man muss die Möglichkeit haben sich trennen zu können. Eheähnliche Verhältnisse sind der Kunst nicht zuträglich. Und ebenso muss man die Chance haben sich schnell wieder woanders binden zu können. Theater kann man nicht betreiben wie städtische Bäder oder Wasserwerke, fall sie nicht schon ins Ausland verscherberlt wurden...
In diesem Zusammenhang kann auch Geld gespart werden. Letztendlich geht es aber immer nur darum, die wahre Kraft der Subventionen auch wirklich für die Kunst freizusetzen und sie nicht durch geerkschaftliche Zwänge zu binden, Neurosen, die im Kunstbetrieb nichts zu suchen haben.
Darüberhinaus korrumpiert das Intendantesystem die Künstler erheblich mehr als man öffentlich zu geben möchte. Der kuratierende Intendant mit seinen Dramaturgen ist ein Auslaufmodell. Was noch lange nicht heißt, dass Dramaturgen und Intendanten in den jetzigen Strukturen nicht hart arbeiten. Sie sind ein Auslaufmodell, weil sie fast automatisch hierarchische Struktuern implizieren, die wiederum der Kunst nicht zuträglich sind und die zu einer Uniformität der Spielpläne erheblich beiträgt, die kaum noch nachvollziehbar ist.
Es gibt ja nicht nur das Intendantenkarusell, es gibt auch mindestens noch eine Achterbahn für junge Regisseure, einen Schleudergang für Dramatiker und und und...
Den Mut aber außergewöhnliche unbekannte Künstler durchzusetzen, den gibt es nicht mehr. Dieser Mut wurde von Auslastungszahlen, Effiziens und Tarifen aufgebraucht. Und das muss sich möglichst schnell auch im Sinne der Kulturpolitik ändern.
Ich will jetzt wissen was hier los ist? Wer ist Samuel? - Bin ich jetzt hier Schmuel Meier,...der verschwand? Oder warum posten Sie hier zwei simple Sätze von mir nicht? Wo liegt mein Vergehen? Will ich jemanden im Hinterhof erschießen? Erkennen Sie keine Geschmacklosigkeiten mehr?
Ihr
123
(??????? bzw siehe Nr. 40 die Red)
Marcel Briegwitz, IfuK Krefeld, zur Theaterreform des 21. Jahrhunderts in Dortmund
Sehr geehrter Marco Marmulla,
was bedeutet: "… dass das Hamburger Beispiel Schule macht …"? Wie Sie sicher wissen, gab es in den letzten zwanzig Jahren bereits diverse Theater- bzw. Spartenschließungen oder Ensemble-Auflösungen (Berlin: Staatliche Schauspielbühnen, Freie Volksbühne, Metropol-Theater, DT-Pantomimenensemble, Staatliches Puppentheater Berlin, Tanztheater der Komischen Oper; Frankfurt/O: Kleisttheater; Erfurt: Schauspielhaus ... - insgesamt sind an die dreißig Staats-, Stadt-, Landestheater, Sparten und Ensemble geschlossen worden. Weitere Bühnen und Ensemble mußten fusioniern, um überhaupt weiterbestehen zu können. Gerade in jüngster Zeit sind vielen freien Künstlerkollektiven und -verbindungen die kommunalen Mittel komplett gestrichen worden. Die Liste der Berichte der, mindestens, letzten zwei Jahre über "bedrohte" Bühnen (Halle, Dessau, Oberhausen , Wuppertal ...) ist inzwischen endlos. 7000 Menschen sind nach einer Feststellung des Deutschen Bühnenvereins in den zurückliegenden Jahren entlassen worden. Und trotzdem leben ja "irgendwie" alle noch. Also "Hamburg" ist nicht neu. Es ist nicht mal ein singulärer "Dammbruch" - sondern eben seit mindestens zwei Jahrzehnten gelebte Wirklichkeit.
Hier auf nachtkritik wird viel über diese "Krise" diskutiert. Und es gibt auch außerhalb viele kluge Artikel (jetzt aktuell auch im Heft zu favoriten2010).
Bis jetzt scheint mir aber alles trotzdem immer noch nur "Bestandsaufnahme".
Für mich stellt sich im Moment eher die Frage: was hat sich verändert? Warum sind Bund, Länder und Kommunen nicht mehr bereit, Geld für „das“ Stadt-Theater auszugeben. Das es weniger Geld gibt, sowohl aus öffentlicher als auch aus privater Hand, läßt sich kaum glauben. Beispiele: Elb-Philharmonie für mehrere hundert Millionen Euro, Staatsopern-Umbau in Berlin für, im Moment, 240 Millionen Euro innerhalb der nächsten drei Jahre, Erfurt und Mainz haben z.B. sich neue Theater-Bauten geleistet, ebenso Frankfurt/O (Kleist-Forum)und Halle/S. (Händel-Halle) … Allerorten „Leuchttürme“.
Nehmen Sie dazu noch all die Museums-Neubauten bzw. – Erweiterungen und Bibliotheksbauten. (Nochmal Halle/S.: Das Juridikum, die Bibliothek der juristischen Fakultät und der Umbau des Landes-Museums Moritzburg – beides sehr gelungene, d.h. wunderschöne Gebäude, die sogar „zwecknah“ genutzt werden und für alle in der Stadt offen stehen. Und nochmal Berlin: Erweiterung Deutsches Historisches Museum, Leesesaal Uni-Bbliothek).
Ist es nicht doch eher so, daß die Menschen, die sich für die politischen, wirtschaftlichen und geistigen Eliten in D. halten, diesen Werte- und damit Strukturwandel vorantreiben, weil es ihrem Verständnis von Kultur entspricht?: Kultur dient der Repräsentation des eigenen Stolzes (oder wenn Ihnen das Wort besser gefällt: Selbstwertgefühls)! War das Bürgertum des 19. und 20. Jahrhunderts und damit Träger des kulturellen Kanons im Prinzip soviel anders als die feudalen Barock-Fürsten des 17. und 18. Jahrhunderts? Und hat sich mit dem Herausbilden des „freien“ Künstlers zur Wende vom 18. aufs 19. Jahrhundert nicht jener Keim gelegt, dessen Frucht jetzt zum Streit zwischen Künstlern und „Hütern“ des kulturellen Kanons (also Elite-Förderung und nicht „Breitensport“ – so hieß das, glaube ich in der DDR) führt?
In Deutschland gab es, m.E., nach 1949 zwei Bestrebungen Künstler großzügig zu finazieren. Im Osten gehörte Kunst und Kultur zur Förderung der „sozialistischen Persönlichkeit“ und zur „Herausbildung eines Sebstverständnisses des Individuums als Teil der Gesellschaft“ und im Westen war es die Restaurierung des „Bürgers als Basis und Überbau eines demokratischen Gemeinwesens“. Beide Systeme haben es sogar verstanden, Unterlaufungen dieser Selbstdefinierung auszuhalten (obwohl immer wieder Menschen dabei „über die Klinge springen“ mußten).
Der öffentliche Raum, Stadt, ist inzwischen fast wieder komplett kommerziell besetzt. „Der Künstler“ gehört nur partiell zu diesem öffentlichen Raum. Und ist das nicht auch richtig so? Wie können Künstler unabhängig sein, den Menschen, sein Sein, die Metaphysik des Seins reflektieren (vorausgesetzt sie wollen das überhaupt), wenn sie am finanziellen „Tropf“ der oben genannten „Eliten“ hängen?
Ich glaube nicht, daß es darum gehen kann „die Krise der Städte auch im Theater künstlerisch zu thematisieren“, sondern sich komplett zu befreien von dieser sogenannten Krise, vielleicht mit den Mitteln des Theaters, aber nicht innerhalb des bürgerlichen Kanons, nicht innerhalb der Strukturen, die Politik und Wirtschaft vorgeben – vielleicht dann können (und werden) Künstler wieder Avantgarde sein und etwas beitragen zum Selbstverständnis des Menschen – nicht zu seiner „Verbesserung“.