Acht Schauspieler suchen einen Godard

von Georg Kasch

Berlin, 23. September 2010. Wer hat Angst vor Rot, Gelb und Blau? Niemand. Jedenfalls Jean-Luc Godard nicht, der in seinem Film "Die Chinesin" von 1967 hemmungslos den Primärfarben frönte. Und auch Dimiter Gotscheff nicht, der es ihm in seiner "Übermalung" genannten Godard-Hommage an der Berliner Volksbühne gleichtut. Das ergibt ein schönes Bild: Stumm drehen sich die gelben Stoffsegel und das rote Transparent, werfen lebendige Schatten auf den weißen Rundhorizont, eine menschenleere Demo der reinen Farben.

Später bauscht sich aus dem Bühnenhimmel noch stolz eine tief blaue Stoffbahn hinzu, und wer sich hier an Gotscheffs Anatomie Titus erinnert fühlt, der liegt richtig: Mark Lammert zitiert sich in seiner Minimal-Ausstattung selbst. Und übertrifft sich doch: Wundersam korrespondieren die inhaltliche Leere der Transparente und die Leere der weiten Bühne mit der Leere des Abends.

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Vorne Bernd Grawert als kommunistische Indianer-Frühlingsrolle © Thomas Aurin

An der Gewalfrage zerbrechen

"Was ist? Spielen wir weiter? Spielen wir?", fragt Max Hopp gegen Ende der knapp zwei Stunden, um dann einen hysterischen Monolog über das Leben abzuspulen. Weder vom Spiel noch vom Leben sieht man viel, hört nur ein paar Fetzen aus "Die Chinesin", wo Godard lakonisch eine Kommune von fünf Pariser Studenten mit Mao-Tick an der Gewalt-Frage zerbrechen lässt, und Text-Schnipsel aus anderen Godard-Filmen.

Sicher, auch in Godards Film wird kaum gehandelt und viel geredet. Doch wo Godard mit einer solchen Verve zitiert, montiert, collagiert und kommentiert, dass man schon mal den Faden verliert, denkt Gotscheff gar nicht daran, einem auch nur die Ahnung eines Geländers anzubieten. Seine acht Schauspieler (gewandet natürlich in Rot, Gelb, Blau) schickt er an die Rampe und wieder zurück, lässt sie durch den Stoffwald streifen und jede agitatorische Geste sofort als Spiel entlarven. Mal darf auch jemand vorne monologisch schwitzen, brüllen, sich verklemmen. Das taugt für eineinhalb matte Lacher. Im Hintergrund schlurft stumm Wolfram Koch über die Bühne.

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Ja, Mark Lammerts Bühnenbild macht die Angelegenheit auf der Bühne jedenfalls bunter als es in Jean-Luc Godards Film zuging. © Thomas Aurin

Verschwiemelter Ästhet

Wenig wird erzählt von der Revolution, die ihre Kinder frisst, dafür auf Godards Selbstreferenzen referiert. Aber wozu? Dass Godard in seinen Filmen über's Filmemachen nachdachte, steht hier nur als L'art pour l'art im Raum. Immerhin: Sebastian Blomberg darf als verschwiemelter Ästhet mit rosaroter Lennon-Brille nach seinem Primärfarben-Monolog noch eine Selbstmordparodie hinlegen - ein kleines Glanzstück, das von den anderen gleich tot zitiert wird.

Der Rest sind bunte Fetzen, so beliebig (aber weniger ergiebig) wie das ebenfalls primärfarben-dominierte Programmheft. Was Gotscheff, der längst bewiesen hat, dass er Filme grandios zu adaptieren weiß (an der Volksbühne etwa "Das große Fressen"), wirklich an Godard fasziniert? Im seinen Hamburger Tartuffe zitierenden Blöken der Schlusspointe geht's unter.

 

Die Chinesin
Jean-Luc Godard
Eine Übermalung von Dimiter Gotscheff und Mark Lammert mit Texten aus anderen Filmen Jean-Luc Godards
Regie: Dimiter Gotscheff, Bühnenraum und Kostüme: Mark Lammert, Licht: Torsten König, Dramaturgie: Ralf Fiedler.
Mit: Sebastian Blomberg, Frank Büttner, Bernd Grawert, Max Hopp, Barbara Prpic, Anne Ratte-Polle, Marie-Lou Sellem und Wolfram Koch als wechselndem Stargast.

www.volksbuehne-berlin.de

 

Alles über Dimiter Gotscheff auf nachtkritik.de hier.

 


Kritikenrundschau

"Man meint, eine Inszenierung mit vielen Jahrzehnten Verspätung zu sehen", merkt Peter Hans Göpfert auf rbb Kultur (24.9.2010) an. "Dabei ist der Stoff zweifellos in eine eigene komödiantische Ästhetik übersetzt. Aber ein jüngerer, heutiger Zuschauer, der Godards Filme nicht kennt, wird das ganze als politisch angemaltes L'art pour l'art empfinden." Die "Parabel von den Ägyptern, die ihre Kinder aussetzten, damit diese aus sich selbst heraus die Sprache der Götter sprechen sollten, und die dann doch nur blökten wie Schafe" empfindet Göpfert als etwas platten Schlusskommentar: "Es schmeckt alles nach nostalgischer Verbitterung. Zu einem starken Kommentar, der über Godards Befund hinausgehen müsste, reicht es nicht."

"Übermalung heißt, dass Gotscheff Texte aus Die Chinesin und anderen Godard-Filmen gesammelt und montiert hat, und dass sein Kostüm- und Bühnenbildner, der Maler Mark Lammert, die Grundfarben des Films aufnimmt", klärt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (25.9.2010) auf. Und findet, dass von diesem Abend keiner was hat: "Abgesehen von feurigen Film- und Theaterexperten sowie von Revolutionsnostalgikern ohne akute politische Sendung. Und abgesehen natürlich von Gotscheff selbst und seinen Spielern, die formal wie immer Großartiges vollbringen. Sie hatten, soweit sich das von außen und unten beurteilen lässt, sicher eine schöne, intensive Kopfzerbrecherzeit."

Einer "faszinierenden Zumutung, sozusagen einem theatralischen Selbstmordattentat" hat Peter Laudenbach beigewohnt, wie er in der Süddeutschen Zeitung (25.9.2010) schreibt. Ausführlich referiert er Godards Film, um zu schlussfolgern: "Wenn irgendwo das Zeichen komplett selbstreferentiell geworden ist, dann in diesem Revolutions-Karneval. Gotscheff und Lammert nehmen das ernst. Sie erzählen den Plot des Films nicht einfach nach, sondern versuchen, Godards Spiel mit den Zeichen und seine Sabotage aller konventionellen, zu Identifikation einladenden Erzählstrategien im Theater und mit den Zeichen des Theaters fortzusetzen." Laudenbach lobt einzeln die Schauspieler und kommt zu dem Schluss: "ein schwerer Fall von Theater, dem nur mit harter Exegese- und Deutungsarbeit beizukommen ist. Godard-Verehrer, Revolutions-Interessierte und Freunde der Zeichentheorie werden diesen Abend lieben."

"Ratlosigkeit" hingegen bei Anne Peter, wie sie in der Berliner Morgenpost (25.9.2010) gesteht: Gotscheff lasse "die ohnehin nur rudimentären Figuren-Identitäten zersplittern, löst die Filmchronologie gänzlich auf, montiert Zitate aus anderen Godard-Filmen hinein. Eine 'Übermalung' nennt er's, Verwirrung ist's." Vereinzelt leuchte mal "eine Szene auf, glänzt ein Schauspieler, blitzt ein Moment. Der Rest macht ratlos und müde."

"Virtuos changiert Gotscheff (wieder einmal) zwischen Ulk und Utopie, zwischen bittersüßer Selbstironie und (w)irrem Nonsens", schreibt Jürgen Otten in der Frankfurter Rundschau (30.9.2010), "um letztlich auf offener Bühne den aberwitzigen, aber auch nie enden wollenden Traum des sozialistischen Theaters zu träumen: Dass es eben dieses Theater sei, auf dem zuallererst die traurige Gewissheit eliminiert werden könne, die Welt sei so, wie sie ist, nicht richtig, und dass es eine ethische wie ästhetische Alternative dazu gebe."

 

 
 
Kommentare  
Chinesin Volksbühne Berlin: unaufrichtig und falsch
das war schon ganz schön peinlich gestern. hab lange nicht mehr auf der bühne so verlorene schauspieler gesehen. meistens sprach ja nur einer, dann standen oder hockten die anderen blöd drei meter dahinter und spielten Zuhören. auch kommentierten sie gestisch das ganze und wenn ein text zum nachdenken anregen sollte, dann zogen sie auch die augenbrauen zusammen. oder guckten besonders betroffen, wenn es ans existentielle ging. am schönsten zu beobachten bei barbara prpic. der schlimmste moment des abends sei allerdings frau ratte-polle gegönnt: sie steht an der rampe und monologisiert über wahrnehmung in der gegenwart. eigentlich interessant, auch nicht wahnsinnig kompliziert, aber sie will uns das als tiefen tiefen gedanken verkaufen, unterbricht sich ständig selbst, tut so, als würde sie denken, aber auf solch eine äußerliche und künstlich konzentrierte art (alles druck und krampf), dass es zum fremdschämen ist...
dieser abend ist im spiel unaufrichtig und falsch (alles authentisches genudel - wenn uns sechs leute von der rampe traurig anschauen, soll man dann ein schlechtes gewissen bekommen?). Das ist am ärgerlichsten. gerade bei schauspielern, die man schon ganz anders gesehen hat und einem regisseur, der fast immer eine interessante form findet, die heuchelei und kitsch aus dem weg geht.
Chinesin Volksbühne Berlin: verkrampft, aber relativ sehenswert
Das Problem ist, das Gotscheff versucht, das System der Collage seines Tschechow-Abends im DT auf Godard zu übertragen. Tschechow ist in jedermanns Gedächtnis, hier kann man fast unendlich viele Gedanken, Gefühle und Bilder assoziieren. Es gab auch einen roten Faden, eine Geschichte. In der Überschreibung der Chinesin von Mark Lammert gibt es nur eine vage Richtung, totalitäre Vorstellungen von Revolution, Verblendung, Weg in den Terror etc. Godard hat einfach die Kamera drauf gehalten und so läuft auch die Inszenierung ab, etwas zusammenhanglos das ganze. Godard ist was für Kenner und Liebhaber seines Kinos. Das bloße Zitieren, irgendwann kommt der Spruch von Brecht, funktioniert hier nicht. Alles in allem sehr angestrengt und verkrampft dieser Abend, aber immer noch relativ sehenswert, wenn man Interesse hat sich das anzutun. Man kann es wirklich nur sehr schwer beschreiben, was da gestern abend abgelaufen ist, daher wohl auch die etwas kurze Kritik von Herrn Karsch, mir fällt aber im Moment leider auch nicht mehr ein. Welche Rolle der Gast Wolfram Koch spielt, laut Programmheft sollen es ja wechselnde sein, bleibt auch relativ unklar, ein unbeteiligter Beobachter, vielleicht Godard selbst als lebendes Zitat. Das Programmheft ist zumindest lesenswert, aber wer Godard nicht kennt, kommt ihm hier auch nicht näher.
Chinesin Volksbühne berlin: Zumutung
Der Abend war eine inhaltslose Zumutung. Schade.
Chinesin Volksbühne Berlin: nur Behauptung
Der Abend hat zwei Probleme. Gotscheff versucht sich als Intellektueller, der er nicht ist. Und er hat Schauspieler, denen man nichts als den Ehrgeiz bedeutend zu sein glaubt. Gotscheff hat einmal eine schöne Iwanow Inszenierung an der Volksbühne gemacht, mit wunderbaren Schauspielern. Bei dieser Chinesin ist alles nur Behauptung und Krampf. Wirklich schade um die vergeudete Zeit.
Chinesin in der Volksbühne: vergebliche Hoffnung
...und ich hatte mir solche Hoffnungen gemacht,...das war der Abend, den ich mir als Trost für alles Andere ausgesucht hatte...
Chinesin in der Volksbühne: starres Erdulden, stumme Fassungslosigkeit
kennst du einen gottscheff abend kennst du sie alle.....gottscheffs karriere eine bilderbuch geschichte.....seine premieren ungefährliche und sicherlich muckefreie treffpunkte der entourage u.a....... jetzt ist auch die volksbühne dem düsterbold (...) endgültig auf den leim gegangen..... in einem ist gotscheff unerreicht: noch nie haben sich so viele so lange mit so wenig spass an einer premiere beteiligt, seit.... doch halt, ich vergaß ödipus am thalia vor 1 jahr regie gotscheff ....hh, alstertor........da tönte eine männerstimme ins dunkel: watn schiet.....in der volksbühne starres erdulden, stumme fassungslosigkeit, mechanischer applaus......auch das erzählt eine gechichte....wir sind auch als publikum tief gesunken....wir sehen die grundlagen unseres tuns fühlens denkens nicht, denn wir sind dauernd davon umringt.....(frei nach wittgenstein)....schade
Chinesin Volksbühne Berlin: es gab schon eine bessere Überschreibung
es gab übrigens schon mal eine überschreibung von la chinoise, 2008 beim steirischen herbst. text johannes schrettle, regie mariano pensotti. eine gute, kleine arbeit, die in all ihrer unfertigkeit so viel mehr konnte als der aufgeblasene gotscheff-abend.
die so offensichtliche frage danach, warum man heute im theater einen film wie la chinoise - aus den 60ern - herbeizitiert, um etwas irgendwie relevantes zu erzählen, wird sehr aufmerksam behandelt. eine inszenierung und ein text, die mehr beachtung verdient hätten als dieses hermetische geschraube von gotscheff.
Chinesin in der Volksbühne: im Sarg nicht an die Decke klopfen
jeder durfte mal nach vorne kommen um rum zu krampfen, sich in rage zu spucken und seinem schauspieler ego zu folgen, solange er will, solange die ersten sitzreihen spucke im haar haben, während im hintergrund lappen am drahtskelett gedreht wurden als gäbe es dafür geld oder einen theaterpreis.
verzweifelt wurden die schauspieler alleingelassen mit einer politik, die nichts mit godard zutun hat.
wenn nicht sebastian blomberg diese wütenden einzelkämpfer durch seinen humor und seine gabe des zusammenhalts irgendwie vereint hätte und im namen von godard oder gott gehandelt hätte, dann wäre dieser abend überflüssiger als die hässlichen berliner bären die ein vollidiot in die stadt plazierte. blomberg hat eben das talent sich einzufügen und gut temperiert einen bestimmten geist auf die bühne zu bringen, der gleiche geist der godard nicht im sarg an die decke klopfen lässt.
die damen auf der bühne hatten ein pms cocktail dargelegt, die sie mit allen emotionen bespielt haben, die sie in ihrer schauspielschule gelernt haben. gehts noch, nein.
Chinesin Volksbühne Berlin: wirkliche Avantgarde
Ein Abend den man erst einmal fassen muss.
Aber es lohnt sich !
Anstregend und Fordernd zugleich.
Keine bloße Unterhaltung sondern wirkliche Avantgarde.
Wenn man bereit ist sich auf das Gezeigte einzulassen, ohne das Bestehnde ständig in Erinnerung zu rufen wird man einen Abend erleben der die gedanklichen Sinne so richtig in Schwung bringt.
Für mich ein gelungener Abend besonders in Bezug auf den Grad der Abstraktion.
Chinesin Volksbühne Berlin: jede Farbe könnte entstehen
Schön anzusehen ist das ja: eine weite Bühne voller drehbarer gelber Segel, ein rotes Transparent, später rollt sich noch eine riesige blaue Stoffbahn von der Decke hinab. Die drei Primärfarben bilden das visuelle Grundgerüst wie schon in Godards Film, dessen "Übermalung" Dimiter Gotscheff und sein Bühnenbildner, der Maler Mark Lammert, hier versuchen. Die Farben stehen für die größtmögliche Reduktion, aus ihnen kann jede andere Farbe entstehen, mit ihnen ist alles möglich.

Gotscheff ist ja ein Meister der Reduktion, er schafft immer wieder klare, einfache, zentrale Bilder und oft sind es Wände, Mauern, die trennen und durch die hindurch sich etwas Bahn bricht. Der Nebel in Iwanow, die schon fast legendäre gelbe Wand in den Persern, nun also eine Reihe von Stoffwänden, von denen jedoch nur die gelben Segel eine echte dramaturgische Funktion haben. Zwischen ihnen irren die namenlosen Figuren umher, hinter ihnen verstecken, in ihren verlieren sie sich, aus ihnen quellen sie hervor.

Godards Film war eine Versuchsanordnung, fast dokumentarisch sollte er sein, über eine Gruppe junger Menschen, die Marxismus-Leninismus spielten, "wie Kinder, die in den Ferien versuchen, ein Indianerzelt zu bauen", so Godard in einem im Programmheft zitierten Text. Man redet über das Handeln, man bastelt an Theorien, aber man handelt nicht. Vor allem aber wird zitiert - von den Figuren, deren Sätze kaum jemals ihre eigenen sind, aber auch von Godard selbst, schließlich ist sein Lieblingssujet das Kino selbst.

In Gotscheffs Bearbeitung stehen die Zitate nun allein, es gibt nichts mehr, das zitiert werden könnte oder auf das es sich lohnte sich zu beziehen. Gotscheff bedient sich nicht nur bei La Chinoise, sondern auch bei anderen Godard-Filmen, doch ein Bedeutungsrahmen ergibt sicht nicht, er ist vielleicht auch nicht gewollt.

Und so ergibt sich eine Nummernrevue der Monologe. Es geht um Terrorismus, gesellschaftliche Utopien, um Sex, philosophische Erklärungsmuster und vieles mehr. Bald fließt alles ineinander, was gesagt wird, ist nicht mehr von Bedeutung, nur dass geredet wird, zählt. Und doch bleibt der Eindruck, es ginge noch um etwas, doch worum erschließt sich nicht. Stattdessen entsteht eine Beliebigkeit, die das Interesse erschlaffen lässt und in Langeweile mündet.

Die Versatzstücke verbiden sich nicht, eine Richtung ist nicht zu erkennen, einen Grund für das, was da aufgeführt ist, scheint es nicht zu geben. Wozu das Ganze? Geht es noch um etwas? Findet hier noch ein Diskurs statt? Wo immer das hinzielen sollte, es läuft ins Leere, das von Marie-Lou Sellem gelangweilt berichtete sexuelle Abenteuer hat die gleiche Bedeutung wie das Gerede über gesellschaftliche Utopien. Aneinadergereihte Texte, die mehr Geräusch sind als dass sie Sinn vermitteln.

Die wenigen Momente, in denen so etwas wie Bewegung entsteht, gehören fast ausschließlich Sebastian Blomberg, der als einziger nicht in Primärfarben gekleidet ist und den Grübler, den Zweifler, den Suchenden geben kann. Wie er verschiednenste Arten des Selbstmords - oder des Selbstmordattentats? - pantomimisch und parodistisch durchspielt, wie er in einem Duett - oder Duell? - mit Max Hopp seinen Opferwillen kundtun soll und sein roboterhaftes Nachsprechen von einer zutiefst menschlichen Verzweiflung erstickt wird, oder wie er versucht, Lenin zu rezietieren und die Worte in einen physischen Kampf mit seinem Körper und seinem Sprechapparat eintreten: Das alles deutet an, wieviel mehr in diesem Abend gesteckt hätte, wenn man der bei Godard durchaus vorhandenen Substanz eine Richtung und Raum zum Atmen gegeben hätte. So aber bleibt nicht viel mehr als gähnende Leere und ein paar hübsche Bilder.

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Die Chinesin, Volksbühne: gelungener Abend
Gähnen Sie ruhig weiter, Prospero, gähnen Sie zusammen mit den anderen Kritikern. Prospero ist eine wundervolle Einrichtung: wenn ihm ein Stück nicht gefällt, weiß ich, dass ich unbedingt reingehen muss.
Es war ein gelungener Abend, abgesehen vielleicht von den letzten 20 Minuten, die etwas zerfahren waren. Mein Bedürfnis war es nicht, Godard mit diesem Stück näherzukommen.
Insgesamt gelangen wundervolle Monologe, die mit Wortwitz angereichert waren und mit Verve, ja mitreißendem Schwung vorgetragen wurden. Blomberg, der vom Wegräumen einer Klasse durch eine andere redete und der Klasse der Philosophen angehörte, löste in mir eine angenehme Erheiterung aus. Mir egal, aus welchen Filmen die Zitate stammten: die Montage stimmte. Kein Anhänger der Revolution zwar, gefiel mir der Abend, vor allem die grandiose Kombination der Versatzstücke. Unvergesslich, wie ausdrucksstark und unter Hochdruck stehend Blomberg Lenin mit den Worten zitierte, dass der Klassenkampf auch nach der Diktatur des Proletariats weitergehe. Hervorzuheben ist auch Anne Ratte-Polle, die dafür sorgte, dass Langeweile gar nicht aufkam. Büttner sollte endlich einmal an einem Gesangsunterricht teilnehmen, aber das ist nur Nebensache.
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