Zahlenspiele mit Pfeffersäcken

Hamburg, 30. September 2010. "Revolution liegt in der Luft", schreibt Evelyn Finger im Wochenblatt Die Zeit. Sie resümiert ausführlich die aktuelle Hamburger Kulturkrise und stellt interessante Fragen: "Wieso kann Leipzig 15 Prozent seines Haushaltes für Kultur ausgeben und Hamburg nur zwei? Wie soll das Schauspielhaus als Spitzentheater mit schon jetzt nur noch 30 Ensemblemitgliedern (Durchschnitt sind in vergleichbar großen Häusern 45) Spitze bleiben, wenn das Wiener Burgtheater über hundert und sogar Düsseldorf über vierzig Schauspieler hat? Wie steigert man bei guter Auslastung Einnahmen, ohne die Kartenpreise zu erhöhen?"

Anders als behauptet werde der neue Kultursenator Reinhard Stuth offensichtlich nicht von fundierten finanziellen Überlegungen, sondern von Unkenntnis zu überstürztem Handeln getrieben, wie Finger vorrechnet: Das Schauspielhaus solle "1,2 Millionen Euro sparen. Dem provokanten und mit Preisen überhäuften Theater wird vorgeworfen, nicht genug Einnahmen erzielt zu haben, obwohl es einen in Deutschland überdurchschnittlichen Eigenanteil von 19 Prozent erwirtschaftet. Das Hamburger Thalia Theater schafft zwar 25 Prozent, hat aber auch nicht den Auftrag, möglichst viel jugendliche Zuschauer anzuziehen. Die zahlen halt weniger als Erwachsene." Da helfe dem Jungen Schauspielhaus auch die beneidenswerte Auslastung von 90 Prozent nichts.

Die Zahlenspiele treibt sie noch weiter und rechnet, ausgehend von der jüngsten Schauspielhaus-Inszenierung Hänsel und Gretel gehn Mümmelmannsberg vor, dass "unsere Nachbarn in der OECD eine durchschnittliche Vermögenssteuer von 3,8 Prozent haben, aber wir in Deutschland null. Eine Abgabe von nur einem Prozent würde in Hamburg bei 20 Milliardären mit zusammen 40 Milliarden Euro Vermögen schon 400 Millionen Einnahmen bringen. Und da sind die 20.000 Vermögensmillionäre der Stadt noch nicht mitgerechnet."

Fingers Fazit: "Jetzt zeigen sich die Pfeffersäcke wieder als Pfeffersäcke. Renommiersüchtig, aber geschichtsvergessen. Wir würden ja lachen, wenn wir nicht fürchten müssten, dass das Beispiel Schule macht."

 

Hier finden Sie eine ausführliche Chronik zur Debatte um das Deutschen Schauspielhaus.

 

Kommentar schreiben