Theatergeschichte geschrieben

2. Oktober 2010. Am morgigen Tag der Deutschen Einheit erhält der langjährige Intendant des Theaters Cottbus, der Regisseur Christoph Schroth das Bundesverdienstkreuz. Das meldet die Lausitzer Rundschau in ihrer heutigen Ausgabe. Überreicht werde der Preis von Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch.

Der 1937 in Dresden geborene Schroth hatte das Theater Cottbus von 1993 bis 2003 geleitet. Zuvor war er Mitglied des Berliner Ensembles. In besonderem Maße Theatergeschichte schrieb Schroth in den Jahren als Intendant des Mecklenburgischen Staatstheaters Schwerin (1974-1989). Die Laudatio hält morgen im Theater Cottbus Schroths Nachfolger Martin Schüler. Weitere Verdienstkreuze gehen anderen Medienberichten zufolge an die Schauspielerin Katja Riemann und den Regisseur Fatih Akin.

(sle)

 

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Kommentare  
Christoph Schroth: Bürger-Theater der sozialen Aktion
Erst einmal Glückwunsch an Christoph Schroth, ein renommierter gesamtdeutscher Theaterpreis für ihn wäre mir zwar lieber, aber mit dem Bundesverdienstkreuz trifft es hier auf jeden Fall jemanden, der nicht erst nach der Wende deutsche Theatergeschichte mit geschrieben hat. Ein Zufall wollte es, das ich gerade heute erst in Cottbus war und von dieser Auszeichnung erfuhr. Konnte leider zur Feierstunde nicht dableiben. Mit Christoph Schroth verbinde ich immer noch einige meiner schönsten Theatererlebnisse.
Es trifft auf jeden Fall zu, was Sewan Latchinian sagt, das er den Theatern die er geleitet hat ein außerordentliches künstlerisches Profil und hohe gesellschaftliche Relevanz verliehen hat. Sein Faust 1 und 2 in Schwerin ist legendär. Er hat sicher mit seinem Schaffen Leute wie Castorf, Hartmann oder Latchinian als Intendanten erst möglich gemacht. Schauspieler wie Ulrike Krumbiegel und Veit Schubert haben sich in Schwerin ihre ersten Sporen verdient. Einige der Schweriner Truppe hat er nach der Wende mit ans Staatstheater Cottbus gebracht. Hier hatten auch unter ihm Anne Ratte-Polle als Effi Briest und Stephanie Schönfeld u.a. als Käthchen ihre ersten großen Erfolge. Unvergessen sind Schroths Zonenrandermutigungen in dieser Zeit, die zu einem Theatererlebnis für ein großes begeistertes Publikum wurden. Denn das war ihm vor allem wichtig, keine elitäre Selbstverwirklichung, sondern Arbeit mit dem Ensemble und die Heranführung breiter Schichten an das Theater. Sein Konzept eines Bürger-Theaters der sozialen Aktion ist mit Sicherheit aufgegangen. Davon zehrt auch heute noch sein Nachfolger Martin Schüler. Mit ihm kam eine große Zäsur für das Staatstheater mit Sparmaßnahmen und einer radikalen Verkleinerung des Sprechtheaterensembles, was mit Sicherheit auch zu einigen qualitativen Einbußen in dieser Sparte geführt hat. Trotzdem ist es immer wieder ein Erlebnis in Cottbus ins Theater zu gehen und die Begeisterung des Publikums zu spüren.
Sewan Latchinian führt das Konzept Schroths nun am Neuen Theater in Senftenberg weiter, mit großem Zuspruch wie ich am Samstag selbst feststellen konnte. Auch dort inszeniert Christoph Schroth immer noch und eine seiner langjährigen Mitstreiterinnen Gisela Kahl wirkt dort und in Cottbus als Dramaturgin.
Zum Abschluss möchte ich noch Martin Linzer (langjähriger Theaterkritiker von TdZ und der LR ) aus dem Artikel der Lausitzer Rundschau zitieren: „Will man ein paar Kriterien andeuten, die für Schroths Theater prägend sind, so könnte man sagen: Für ihn ist das Publikum immer wichtiger als das Feuilleton, das künstlerische Handwerk wichtiger als der ‚Einfall' (an Fantasie fehlt's ihm trotzdem nicht), das Ensemble wichtiger als der Star . . .“ Dem ist nichts hinzu zu fügen.
Christoph Schroth: schöne Laudatio
Lieber Stefan,

manchmal wüßte ich schon wer Sie in der realen Welt sind. Ihre Erfahrungen und Erinnerungen decken sich des öfteren so sehr mit meinen, daß ich manchmal das Gefühl habe, Sie zu kennen.
Jedenfalls vielen Dank für Ihre schönne Laudatio auf Christoph Schroth.
Faust in Schwerin war übrigens, wahrscheinlich, meine Initiation fürs Theater an sich. Ich war 15, Klassenfahrt, Deutschunterricht!
Lore Tappe als Mephisto, die fast nackte Walpurgisnacht, der existenzielle Osterspaziergang. Das ist es offensichtlich, was Christoph Schroth geschafft hat: Das eine Theaterinszenierung, -aufführung auch nach Jahrzehnten nicht zur Erinnerung verblasst, sondern das Ereignis tief, lebend verwurzelt ist.
Und Bundesverdienstkreuz hin oder her, wenns Fatih Akin auch bekommt, dann verlierts ja so langsam seinen großdeutschen Ruch.
Herzlichen Glückwunsch Herr Schroth, Herr Akin, Frau Riemann!
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