Presseschau vom 12. Oktober 2010 – An der Hamburger Kulturmisere ist auch das Bürgertum schuld

Im Urlaub

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Frankfurt, 12. Oktober 2010. In einer ausführlichen, wohlinformierten und äußerst lesenswerten Abrechnung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung geht Volker Corsten nicht nur mit der katastrophalen Kulturpolitik Hamburgs ins Gericht: "Geht angesichts eines solchen dreisten Dilettantismus nun ein Aufschrei durch die Stadt? Formiert sich das immer noch starke Bürgertum dieser fiskalisch armen, aber an Privatvermögen und Stiftungen so reichen Stadt, gibt es gar Großdemonstrationen? Nein. Nichts, was über eher hilflos anmutende Aktionen der direkt Betroffenen hinausgeht."

Der Grundton sei Empörung, habe ihm Christina Weiss berichtet, über zehn Jahre lang legendäre Hamburger Kultursenatorin und Ex-Kulturstaatsministerin, aber zur Rebellion sei niemand bereit. "'Die Stadt hat ihre Power verloren, ihre Neugierde – sie hat etwas Provinzielles bekommen', stellt sie fest – und wer sie kennt, weiß, dass ihr diese Worte nicht leichtfallen."

So entwickelt sich Corstens Artikel immer mehr zum Requiem auf die Kulturstadt Hamburg: An schlechten Tagen wirke die Stadt tatsächlich nur noch wie eine Schlafstadt für all jene Kulturinteressierten, die zu unbeweglich sind, um nach Berlin zu ziehen; die den Wohnkomfort in der Hansestadt zu schätzen wissen, aber, wenn sie etwas erleben wollen, den ICE nach Berlin nehmen.

Um dann doch noch einmal auf die Hamburger Kulturpolitik und ihre hausgemachten Probleme zurückzukommen, die Elbphilharmonie, die übereilten Vertragsverlängerungen von Simone Young und Friedrich Schirmer unter Karin von Welck. Und die Unfähigkeit von Reinhard Stuth: "Ein Gespräch war in der vergangenen Woche leider nicht möglich. Der Senator weilte dort, wo Hamburgs politische Kompetenz für Kultur in den vergangenen neun Jahren war. Im Urlaub."

 

Hier finden Sie eine ausführliche Chronik zur Debatte um das Deutschen Schauspielhaus.


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