Presseschau vom 18. Oktober 2010 – Spiegel-Gespräch mit Friedrich Schirmer

Alles richtig gemacht?

Alles richtig gemacht?

Hamburg, 18. Oktober 2010. Friedrich Schirmer, zurückgetretener Intendant des Deutschen Schauspielhauses Hamburg hat dem Spiegel ein Interview gegeben. Schirmer findet, er habe das Schiff Schauspielhaus "ordnungsgemäß" der "Mannschaft übergeben", auch wenn er seinen Rücktritt "zu wenig erklärt" habe. Dass Intendanten zurückträten, sei gerade am Schauspielhaus schon häufiger vorgekommen.

Schirmer begründet seinen Rücktritt gegenüber dem Spiegel damit, dass im Sommer 2009 die steigenden Gehälter nicht mehr ausgeglichen wurden und ein Sonderzuschuss für das Junge Schauspielhaus nicht gewährt worden sei. Ein paar Monate später seien die Subventionen für die drei Staatstheater (Thalia, Schauspielhaus, Staatsoper) einmalig um 1 Million Euro gekürzt worden und für die neue Spielzeit habe dem Schauspielhaus ein Defizit gedroht. Als Geschäftsführer einer GmbH mache sich der Intendant des Schauspielhauses strafbar, wenn er dem Aufsichtsrat ein unausgeglichenes Budget vorlege. Durch seinen Rücktritt und die nicht sofortige Wiederbesetzung der Intendanz sei ein Großteil des fehlenden Geldes eingespart worden. Wenn er eine Chance gesehen hätte, die "Finanzprobleme zu lösen", sagt Schirmer, hätte er sich die Kritik an seiner Person "gerne erspart".

Den Vorwurf des Spiegels, er habe ein Chaos hinterlassen, weist Schirmer in dem Gespräch zurück. Die Spielzeit sei durchgeplant, seine Mitarbeiter seien auch ohne ihn handlungsfähig. "Außerdem glaube ich, meine Selbstverbrennung hat eine kämpferische Energie freigesetzt. Die Proteste gegen den Kultursenator Stuth und sein Sparprogramm sind auch dadurch so vehement geworden. (...) In meiner Seele fühlt es sich an, als hätte ich das richtig gemacht."

Gefragt, warum er trotz des großen Drucks, den er gespürt habe, seinen Vertrag im Jahre 2008 noch einmal um fünf Jahre verlängert habe, spricht Schirmer von der damaligen Hoffnung, die "Dinge" würden sich "befrieden". "Es sah ja gut aus. Die Zuschauerzahlen gingen kontinuierlich nach oben. Wir hatten letztes Jahr die besten Zuschauerzahlen seit zwölf Jahren, und wir sind mit zwei Inszenierungen zum Theatertreffen nach Berlin eingeladen worden. Ich hatte das Gefühl, das Haus wollte, dass ich bleibe." Außerdem habe Schirmer die Vertragsverlängerung nutzen wollen, um höhere Zuschüsse zu verhandeln.

Der Rest des Gesprächs dreht sich um Schirmers Depressionen angesichts der unglaublich bitteren Kritik an seiner Arbeit, um die Beziehung zu seiner Frau Marie Zimmermann, die sich im Jahre 2007 das Leben nahm, und um die Konsequenzen aus diesem Selbstmord.

 

Hier finden Sie eine ausführliche Chronik zur Debatte um das Deutschen Schauspielhaus.


 

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