Ein Kommentar zu den Kooperationsplänen der Theater Schwerin und Anklam
Zweck-Ehe light
von Georg Kasch
26. Oktober 2010. Läuten sie etwa, die Hochzeitsglocken? Immer wenn das Geld mal wieder knapp ist, werden sie diskutiert und dekretiert, die Fusionswünsche und -befehle. Und selten werden die Zwangsverheirateten auf Dauer glücklich.
In Mecklenburg-Vorpommern, einem der ärmsten und leersten Bundesländer, sieht die Sache gerade etwas anders aus. Da wünscht sich der zuständige Minister ausdrücklich Kooperationen. Und weil die Theater nun mal abhängen vom Landestropf, fügen sie sich.
Zwei Vollblutpragmatiker
Mal mit Bauernschläue, wie Parchim. Das winzige Landestheater hat sich längst als reine Kinder- und Jugendsparte ein knackiges Profil verpasst und will sich nicht schlucken lassen. Schwerin, Mecklenburgs Vorzeige-Staatstheater, ist dem nur eine halbe Stunde entfernten aufrechten Grüppchen offensichtlich zu gut aufgestellt. Der wahrscheinlichen Option, als sechste Sparte (neben Oper, Theater, Ballett, plattdeutscher Fritz-Reuter-Bühne und Puppentheater) eingemeindet zu werden, entzieht es sich, indem es sich ans weiter entfernte Volkstheater Rostock wendet, wo die Strukturen sich ebenso stetig wandeln, wie sich die Leiter abwechseln.
Also haben sich nun ausgerechnet die am weitesten entfernten Theater gefunden: Zwischen Schwerin im Westen und Anklam im äußersten Osten liegen drei Autostunden. Weil "sie sich inhaltlich ergänzen", wie Franziska Kapuhs sagt, Pressesprecherin des Staatstheaters. Weil man mit der Landesbühne Anklam schon vor zwei Jahren beim Sommertheater zusammengearbeitet hat.
Und sicher auch, weil die Chemie zwischen Joachim Kümmritz in Schwerin und Wolfgang Bordel in Anklam stimmt. Beide sind altgedient, beide stecken voller Begeisterung für ihr Theater, beide sind aber auch Vollblutpragmatiker. Die Bude muss voll sein, die Bilanz stimmen, sonst kann man sich auch jedes künstlerische Profil sparen.
Tauschhandel als Überlebensstrategie
Insofern könnte eine Kooperation tatsächlich klappen: "Das heißt ja nicht, dass wir ständig hin- und herfahren würden", sagt Kapuhs. "Und auch nicht die ganze Staatskapelle rüberkarren." Aber Anklam fehlt Musik, Schwerin kann junge Schauspieler aus der Anklamer Theaterakademie gerade für seine sommerlichen Freiluftprojekte gut gebrauchen und mit den Kinder- und Jugendtheaterangeboten aus dem Osten das eigene Profil als Haus für alle Generationen schärfen. Der ans Anklamer Theater angegliederten Schauspielerschmiede käme der gute Ruf ganz recht, den das Schweriner Haus besitzt. Außerdem kann das kleine Theater so endlich die Planspielereien beenden, die vom ostmecklenburg-vorpommerschen Großtheaterverbund (inklusive der Fusionsbühnen Greifswald-Stralsund und Neustrelitz-Neubrandenburg) träumten und wo das erfolgreiche Anklam ganz sicher untergebuttert werden würde.
Kurz: Die Hochzeitsglocken läuten, aber vorläufig nur zur Ehe light. Es ist eher unwahrscheinlich, dass diese Kooperation finanziell über ein Nullsummenspiel hinauskommt, zu weiteren Fusionsträumen also taugt sie wenig. Aber beide Theater zeigen ihren guten Willen. Und das ist in Zeiten, wo Theaterschließungen eine reale Option zu sein scheinen, zwar keine künstlerische, aber eine politische Überlebensstrategie.
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