Free climbing im Mannschen Hochgebirge

von Ralph Gambihler

Leipzig, 6. November 2010. Natürlich kann man alles auf die Bühne bringen, aber diesen Roman? Ist er nicht doch ziemlich unspielbar? Mit seiner epischen Breite und seinem philosophischen Ballast? Mit seinen langen diagnostischen Blicken auf die Fieberschübe der Moderne und diesem schelmischen Lächeln, das dem Autor erst abhandenkommt, als er die Handlung im Stahlgewitter des Ersten Weltkriegs enden lässt?

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© David Baltzer/Die Bildbühne

Ja, "Der Zauberberg" ist die reine Epik und weiter nichts. Einen dramatischen Abglanz davon zeigen die achtbaren, aber zu Recht nicht kanonisierten Verfilmungen von Ludwig Cremer und Hans W. Geisendörfer. Derlei Vorarbeiten kann einen waghalsigen Allesdramatisierer wie Sebastian Hartmann aber natürlich nicht schrecken, und so läuft nun am Centraltheater Leipzig im Rahmen des aktuellen Spielzeitthemas "Deutschland" eine fünfstündige Thomas-Mann-Anstrengung, die einiges Kopfschwirren und Schädelbrummen verursacht, nahe an der Benommenheit entlang. Aber so unmöglich und sperrig der Abend ist, so überraschend ist er auch. Scheitern geht anders.

Geistige Kletterpartie
Ausgangspunkt für Hartmanns Besteigung des Mannschen Zauberbergs ist eine weitgehend texttreue, radikal verknappende Strichfassung mit minimalen Textimporten. Dringeblieben sind vor allem markante Dialogstellen und -fetzen, die fast bruchlos ineinander überblendet, punktuell auch umgruppiert wurden und ohne Werkkenntnis hermetisch bleiben. Derart von historisch-atmosphärischem Gepränge entkleidet und dem Säurebad der Verwesentlichung ausgesetzt, findet sich "des Lebens treuherziges Sorgenkind" Hans Castorp bald der Höhenluft letzter und allerletzter Fragen ausgesetzt. Der deutsche Bildungsroman als geistige Kletterpartie, intellektuelle Schweißausbrüche und Hyperventilationen inklusive.

Bis dahin ist es allerdings ein längerer Weg. Die Regie täuscht zunächst eine Klamotte an, und man fragt sich, warum sie sich das antut. Die Exposition wirkt aufgesetzt und stellenweise bloß albern. Die erste Begegnung mit Settembrini (kaum südländisch charmant: Peter René Lüdicke) etwa ist eine deutsch-italienische Farce ohne Widerhaken und Abgrund. Wenn einige Szenen später Janine Kreß als weiblich besetzter Berghof-Therapeut Dr. Krokowski mit schwerem Pathos in der Stimme über die Liebe als krankheitsbildende Macht doziert, gehen sich Personal und Sanatoriums-Insassen vorhersehbar an die Wäsche. Und klar: Hans Castorp wird gelegentlich mit Castorf angequatscht. Ein Kalauer als Gruß an den Meister in Berlin.

Schroff umstellt von Getscherwänden
Dass Hartmann den Roman keineswegs im Läppischen versenken will, ahnt man beim Blick in die Kulisse, die der Regisseur zusammen mit der Bühnenbildnerin Clementine Pohl entworfen hat. Das Bild ist paradox und sehr symbolisch: Die Berghof-Bewohner leben hoch in den Bergen, ganz ohne Balkon für die allfällige Liegekur, ganz ohne Bergwiesen für die Gänge des "Vereins halbe Lunge", ganz ohne Salontürknallen von Madame Chauchat. Frei und losgelöst von den Dingen sind sie trotzdem nicht. Im Gegenteil sehen wir die Figuren schroff umstellt von eisig-gletscherhaften, schräg gestellten Wänden, die den Raum bedrohlich einengen. Wer hier rein oder raus will, nimmt ein Seil oder riskiert sein Abrutschen. Gefährliches Terrain offenbar, diese hohen Gedankenwelten des Geistes. Womöglich: ein Gefängnis.

Worauf Hartmann hinaus will bei seinem Free climbing im Mannschen Hochgebirge, bleibt unscharf. Aber soviel kann man sagen: Es ist eine entrückt wirkende, bizarr und grotesk überschießende tour de force auf den Spuren des Meistererzählers und nicht die Anti-"Zauberberg"-Performance, die man Hartmann vielleicht auch zugetraut hätte. Der Alarmismus des Originals ist vernehmlich. Und auch die unerfüllte Liebesgeschichte des Hans Castorp (voller Verzweiflung und gar nicht phlegmatisch: Guido Lambrecht) mit Madame Chauchat (eher streng als liederlich: Artemis Chalkidou) wird mit scharfen Strichen erzählt.

Dunkel, hart, nicht leicht zu nehmen
Besonders herausgehoben: das philosophische Waffenklirren der Antipoden Settembrini und Naphta. Hartmann zelebriert es zwischen zwei Pausen mit einem absurden Vorspiel. Wir sehen Peter René Lüdicke und Ingolf Müller-Beck beim stumm und grimmig ausgefochtenen Kochduell. Eine Gulaschkanone bollert, Fleisch und Gemüse werden geschnippelt, der Saal füllt sich mit deftigen Gerüchen. Erst als der Topf voll ist, gehen die beiden Hitzköpfe mit Worten und Waffen aufeinander los. So viel Zeit muss sein.

Es sind, scheint's, die Dualismen wie Natur und Geist, Leben und Tod, Liebe und Leid, die Hartmann alptraumhaft illuminiert, begleitet von Rosalind Bafoes Auftritten als langbeinig aus dem Kontext stöckelnde "tous les deux!"-Dualistin und Steve Binettis balladeskem Gitarrenzauber. "Die Krankheit ist ein Abenteuer, das zum Tod oder zum Leben führen kann", heißt es bei Thomas Mann. Da folgt ihm sein Leipziger Interpret, kommentiert mit wenigen, grellen Bildern und Szenen wie einem Mummenschanz mit sächsischen Rokoko-Knallchargen, die das finale Versinken in der Katastrophe dämlich vorwegnehmen.

Ein dicker Brocken von einem Theaterabend ist's geworden, dunkel, hart und nicht leicht zu nehmen. Und ja: Es ist Thomas Mann.

 

Der Zauberberg
nach dem Roman von Thomas Mann
Regie: Sebastian Hartmann, Bühne: Sebastian Hartmann, Clementine Pohl, Kostüme: Adriana Braga Peretzki, Musik: Steve Binetti, Dramaturgie: Uwe Bautz.
Mit: Rosalind Baffoe, Manolo Bertling, Maximilian Brauer, Artemis Chalkidou, Matthias Hummitzsch, Janine Kreß, Guido Lambrecht, Ingolf Müller-Beck, Peter René Lüdicke, Birgit Unterweger.

www.centraltheater-leipzig.de

 

Einen anderen Zauberberg inszenierte Stefan Bachmann 2008 am Berliner Maxim Gorki Theater. Alles über Sebastian Hartmann auf nachtkritik im Lexikon.

 

Kritikenrundschau

Es sei "ein Mummenschanz, den Hartmann auf dem statischen Gletscherfeld aufführen" lasse, meint Elmar Krekeler in der Welt (8.11.2010). "Ein Karneval vom Ende der Aufklärung. Die haben allesamt nicht etwa was an der Lunge (...). Denen liegt das Hirn in Fieber. Die leiden alle an zerebraler Schwindsucht. Und an einer Zeit, die unweigerlich auf den Untergang zuschliddert." Hartmann bebildere den "Zauberberg" nicht, er vermeide "erfolgreich jede Reader's-Digest-Nähe". Er baue vielmehr "eine Thomas-Mann-Revue, die dem Kern der Geschichte doch ziemlich nahe kommt." Der Verlauf der Zeit werde "vollendet aufgehoben, es ist überraschend kurzweilig, kurioserweise auch sehr lustig und bemerkenswert aktionsreich." Leider nur habe "Hartmann zu jeder Szene eine Idee. Wäre kein Problem gewesen, nur hatte er meistens dann gleich noch eine zweite für dieselbe Szene. Mit der schlägt er die erste Idee tot. Die überlebende Idee wiederum lässt er dann gern so lange laufen, bis auch der letzte zerebral Schwindsüchtige im Publikum Hartmanns Absicht begriffen hat und trotz aller prinzipiellen Fasziniertheit ein bisschen verstimmt ist."

Man könne Hartmanns "Zauberberg"-Inszenierung "durchaus als werktreu" betrachten, schreibt Dirk Pilz in der Frankfurter Rundschau (8.11.2010): Hartmann lasse "sich fünf lange Stunden Zeit, fordert vom Zuschauer viel Konzentration und hält sich eng an die Vorlage." Und investiere "viel Regieschweiß, viel Schauspielmühe, um aus dem Romangebirge glaubwürdig heutige Figuren zu schlagen. Glaubwürdig sollen sie werden, indem sie sich durch die Niederungen des Klamauks kämpfen." Wenn aber "seine Figuren endlich in jenem Modus der Ernsthaftigkeit sind, dass sie mehr zu erzählen als zu zeigen vermögen, erschließt sich auch, was Hartmann uns hier vorführt: Es ist seine eigene Suche nach Form und Haltung, nach einer Welt-Anschauung, die er sich selbst glauben kann. Er findet und zeigt aber vornehmlich einen schwankenden Kosmos abgrundtiefer Haltungslosigkeit. Die Inszenierung wirkt, als wisse hier niemand, was von dieser unserer Welt und ihren Bewohnern, von der Kunst und der Politik zu halten und zu hoffen ist." Man könne das als Bekenntnis lesen: "Und es ist, wider Willen, auch das resignative Bekenntnis des einstigen Regie-Rebellen Sebastian Hartmann. Vor allem nämlich ist der Leipziger 'Zauberberg' konservativ im Sinne Thomas Manns, insofern hier das Theater nichts verändern will, sondern lediglich eine grundsätzliche Verwirrung des Geistes ausstellt."

In der Leipziger Volkszeitung (8.11.2010) gibt Nina May zu Protokoll, dass man von Hartmanns Version des "Zauberbergs" "das Schlimmste" befürchtet habe. "Doch Hartmann gelingt es, diese Erwartung zu brechen. Der fünfstündige Abend gerät bis auf den Schluss erstaunlich kurzweilig." Zwar habe Hartmann zu Beginn "mal wieder tief in seine stets bereitliegende Tasche des derben Juxes gegriffen", doch "zum Glück zeigt der Regisseur auch andere Facetten". Die Rezensentin hält sich aber auch mit Verbesserungsvorschlägen nicht zurück: Ein "Wortduell hätte man dennoch verknappen können", und völlig daneben sei "der kurze Auftritt einer Gruppe von Laiendarstellern mit Mozart-Perücken, die mit ihrer Sächselei für Lachen sorgen. Ein Intendant sollte über andere Mittel der Verfremdung verfügen, ohne derartig bloßstellen zu müssen." Zum Schluss müsse auch noch jeder "mal seinen Kopf rausstrecken und einen Monolog halten. Diese Geschwätzigkeit langweilt dann nach fünf Stunden doch." Indes: "Trotz einiger Schwächen ist der Zauberberg vielleicht Hartmanns bisher stärkste Leipziger Inszenierung."

Zu Beginn spreche "ein Wir genannter Erzähler mit schwarzer Fahne in der Hand Manns Roman-Vorsatz", berichtet Hartmut Krug auf Deutschlandfunk (7.11.2010). "Und der sprachlich wie körperlich wunderbar gelenkige Manolo Bertling gibt mit seiner Gestaltung dieser Figur den Ton einer Inszenierung vor, die sich genau an Manns Roman hält und dabei dessen Sprache zu ihrem sinnlichen und sinnreichen Klangrecht gelangen lässt, – auch wenn gelegentlich durchaus linde Ironie eingesetzt wird. In fünf manchmal langwierigen, oft aber fantasievoll und fantastisch, ernsthaft und grotesk gestalteten Szenen, die es dem des Romans nicht kundigen Zuschauer allerdings nicht immer leicht machen." Hans Castorp werde darin von Guido Lambrecht "als lieb-lässig beweglicher, staunender Mann gegeben, der Manns Charakterisierung nahe kommt, Castorp sei 'doch wohl mittelmäßig, wenn auch in einem recht ehrenwerten Sinn'".

Eine "lustvolle Kletterpartie durchs Wort- und Gedankengebirge" hat Joachim Lange gesehen, wie er in der taz (9.11.2010) schreibt. Beim Kochduell zwischen Naphta und Settembrini werde dabei selbst der anspruchsvolle philosophische Diskurs zum puren szenischen Vergnügen. Langes Fazit: "Ein gelungener Abend – nicht nur für Thomas-Mann-Fans! Und wieder ein Stück Legitimation für dieses Theater in schwierigen Zeiten."

Der Leipziger "Zauberberg" sei "alles andere als ein alpinistischer Spaziergang", schreibt Johanna Lemke in der Sächsischen Zeitung (8.11.2010), "sondern ein – manchmal überfrachteter, aber in sich konsistenter – Ritt durch die große Krankheit im Kleinen. Und bleibt dabei erstaunlich nah an Thomas Mann." Auch sie hat das Kochduell als "Highlight" empfunden und lobt starke Bilder wie den Kriegssuppe löffelnden Hans Castorp. Lemke fasst zusammen: "Es ist vielleicht nicht die beste Inszenierung Sebastian Hartmanns, aber sie ist wohl die entschiedenste, die er in Leipzig gezeigt hat."

Beeindruckt zeigt sich auch Till Briegleb in seinem großen Leipzig-Artikel in der Süddeutschen Zeitung (10.11.2010). Statt "die näselnd-ironische Nebensatz-Sinfonie über Geist und Verfall, die Thomas Mann auf 1000 Seiten klingen lässt, ins peinliche Verhör der Kalauer und Nacktringkämpfe zu nehmen, gewährt Hartmann der fünfstündigen Inszenierung einen roten Faden Konfliktgeschichte". Hans Castorp entwickle sich "nicht in Gags, sondern in Dialogen, und Auseinandersetzung prägt auch die anderen Figuren. Dabei entstehen zwar durchweg Charaktere, die sich von den Mann'schen Wesenszügen der Verschämtheit und des verbalen Auftrumpfens deutlich unterscheiden. Als Nacherzählung im Sinne moderner Stadtneurotiker funktioniert diese Adaption aber erstaunlich homogen, abwechslungsreich und unbemüht."

Auch die "übermütigen Momente" sind "von einer Traurigkeit (grundiert), die man durchaus ehrlich nennen kann", merkt Andreas Hillger an (Mitteldeutsche Zeitung, 12.11.2010): "Was er hier präsentiert, ist die eigene Ratlosigkeit, die Ansteckung an einer hoch infektiösen Zeit, gegen die es kein Heilmittel zu geben scheint." So werde das Theater selbst zum Zauberberg, "(...) ein Wartesaal des Lebens, in dem Stillstand eskaliert". Man müsse David Finchers Film "Fight Club" nicht kennen, "um die mutwillige Schlägerei zwischen Castorp und Ziemßen als Sehnsucht nach echtem Schmerz zu verstehen". Und man müsse "auch Steve Binettis zersägte Gitarrenversion von Wilhelm Müllers "Der Lindenbaum" nicht identifizieren, um den romantischen Duktus dieser großen Sehnsuchts-Simulation zu spüren". Am Ende begrabe Hartmann sein Ensemble in Schaumstoff-Platten, und "aus dieser "Gescheiterten Hoffnung" à la Caspar David Friedrich wühlen sich die Überlebenden hervor - und beschwören starren Blicks jene Stahlgewitter, für die Frank Castorf vor ein paar Jahren noch Prügel erntete. Aber Mann ist eben Mann - auch wenn er diesmal nach Jünger klingt!"

 

 

Kommentare  
Hartmanns Zauberberg: redigiert oder Meinung geändert?
Von Dirk Pilz, der ja auch Nachtkritiker ist, liegen zwei verschiedene Kritiken vor, einmal in der „Frankfurter Rundschau“ und dann eine offensichtlich gekürzte Version in der „Berliner Zeitung“.
In der Online-Ausgabe der „Rundschau“ heißt es am Ende:
„Man kann auch sagen: Hartmanns „Zauberberg“ ist reaktionär. Er trabt behände dem Neuen zur Seite und träumt dabei von einem Künstlertum des Eigentlichen, Wahren, Wirklichen. Er präsentiert die Betrachtungen eines Verwirrten, der seine Verwirrung als Kunst feiert.“
Dieser Abschnitt fehlt in der Berliner Ausgabe. Hat Herr Pilz seine Meinung einen Tag später revidiert oder wurde sein Text redigiert?
Bislang las ich immer, Hartmann sei für Leipziger Verhältnisse zu experimentell. Nun ist er plötzlich werktreu und reaktionär.
Hartmanns Zauberberg: Werktreue und Experiment schließen sich nicht aus
Werter Flohbär,
um auf Ihre Fragen zu antworten: ich habe den Text für die Berliner Zeitung selbst gekürzt (aus Platzgründen kürzen müssen), aber nicht meine Meinung geändert. Der für mich entscheidende Punkt ist, dass es mir scheint, als laufe die Inszenierung auf jene konservative Haltung hinaus, die ich so auch bei Thomas Mann lese. Dies steht in beiden Texten.
Vielleicht eine kleine Anmerkung noch: Ihr Kommentar scheint zu suggerieren, dass "Experimentelles" nicht "werktreu" oder "reaktionär" sein könne. Das glaube ich nicht, ich glaube nicht, dass Werktreue und Experiment sich ausschließen, gleichsam als Gegensatzpaare einander gegenüber stehen (allenfalls für Texttreue könnte das womöglich gelten); ich glaube, dass auch "Experimentelles" reaktionär sein kann, nämlich genau dann, wenn es nichts verändern will, sondern lediglich eine grundsätzliche, unaufhebbare Verwirrung des Geistes ausstellt.
Herzliche Grüße,
Dirk Pilz
Hartmanns Zauberberg: still ruht der See
Lieber Dirk Pilz,
was bitte ist ein anarchokommunistischer Halbfaschist? Da packen Sie gleich drei Sachen in eine und raus kommt nur ein Halber, oder wie? Ich denke, das ist bei Thomas Mann noch etwas komplexer, vielleicht hätte schon er lieber zwei Figuren aus dem Naphta machen sollen, aber dann könnte man sich sicher schlecht duellieren. Das Gullaschduell mit Settembrini stelle ich mir eigentlich sehr witzig vor. Landet denn eigentlich einer in der Suppe? Irgendwie scheint aber Sebi Hartmann alles richtig gemacht zu haben, es gibt gar keine Ausfälligkeiten mehr gegen ihn, still ruht der See. Mit Thomas Mann scheint Hartmann die Einheit in Leipzig wohl vollzogen zu haben, ob nun reaktionär oder nicht.
Hartmanns Zauberberg: niemand fällt in die Suppe
Aber sicher doch, werter Stefan, es ist bei Thomas Mann ohne Zweifel "etwas komplexer"; komplexer ist ohnehin alles als es scheint (und in der Zeitung steht oder, auch das mitunter, auf der Bühne ausschaut). Und wahrscheinlich haben Sie recht: drei Sachen in eine zu packen, ist zu viel, aber - ist Naphta bei Mann nicht auch so eine "hybride" Figur? Und macht nicht gerade das einen ihrer Reize aus (dass man sie nicht eindeutig zuordnen kann, vor allem nicht politisch)? So in etwa dachte ich.
Es fällt übrigens niemand in die Suppe, aber Castorp löffelt sie zitternd aus. Ein schönes Bild.
Herzlich grüßt:
Dirk Pilz
Hartmanns Zauberberg: Wahrheit liegt nicht in der Suppe
@ Dirk Pilz
Das mit dem Auslöffeln der Suppe passt allerdings wirklich sehr gut. Übrigens sind nicht nur in Naphta mehrere Charaktere vereint, auch Settembrini ist nicht eindeutig und in sich sehr zerrissen, das macht sicher auch die Faszination ihrer Gespräche aus. Große Labertaschen sind sie ja beide. Mit solch weitgreifend verallgemeinernden Zuordnungen sollte man aber trotzdem vorsichtig sein. Die Wahrheit liegt dann auch sicher nicht in der Suppe, die Castorp stellvertretend für uns auslöffeln muss. Aber das wird man wahrscheinlich selber vor Ort herausfinden müssen. Danke für die Auskunft.
Hartmanns Zauberberg: schärfer, pointierter
@ D. Pilz

Gewiß, es gibt da eine gekürzte und eine längere Fassung Ihrer Kritik, interessant fand ich aber auch, mir ist am Montag zufälliger-
weise von Bad Kleinen nach Schwerin hinein die Frankfurter Rundschau als Fundexemplar in die Hände gefallen, daß auf nachtkritik de. Ihr Artikel in der Rundschau zitiert wird, der letztlich schärfer, pointierter ist, oder täusche ich mich da ?,
allerdings eigentümlich so, als stünde der gekürzte Text in der Rundschau.
Gerade in der Zusammenschau der Kritiken wäre der zugespitze und konkretisierte Teil Ihrer Kritik(en) ganz erhellend, mindestens
spannend gewesen.
Warum schreiben Sie nicht gleich, daß Sie diese Gegensätzlichkeit von "neuer Form" und "reaktionärem Projekt" nicht sehen und hier ein Beispiel dafür finden, stattdessen so häufig jenes "Man könnte auch sagen..." ; immerhin sieht es jetzt so aus, als ärgerten Sie sich am meisten darüber, daß hier jemand eine "neue Form" versucht und doch nur "Allzualtes" trifft, so als strebten Sie letztlich selbst am meisten nach einfacheren Verhälnissen, in denen besagter Gegensatz wieder gilt.
Im übrigen geht Ihr Artikel ja weiter, indem er nicht bei jener
allgemeinen Verwirrung bleibt, sondern diese Hartmann selbst zu-
schreibt: er stelle demnach seine eigene Verwirrung als Kunst aus !
Das aber als Kritik unter den anderen Kritiken im Kritikerspiegel
wäre schon eine Note an Verriß gewesen, die so nirgendwo stand, und auf nachtkritik de. gab es gewiß keinen Zwang zur Kürzung: insofern verwundert diese mich dann doch ein wenig.
Und mit dem "Konservatismus" bei Thomas Mann ist das so eine Sache
für sich (freilich nannten Sie Ihre Quelle und das hat ganz sicher auch etwas ). Wenn anläßlich des "Dr. Faustus" in Lübeck, um ein Beispiel zu nennen, ausgerechnet die Evangelische Zeitung eine Lobeshymne rausbringt, die dann im Pressespiegel des Hauses zur Inszenierung stolz prangt, so könnte der konservative Eindruck in der Tat mehr als nur angezeigt sein,
aber der Dr. Faustus ist ein Werk, das die protestantische Hybris gerade kritisiert wie eben jeden Hang, aus "Esoterik" und ihrem (sentimentalen) musikalisch fundierten Background heraus Politik
zu machen, so wie aus dem "sola fide" das krasseste Gegenteil destilliert wurde: die Arbeitsethik, bei der heute noch die Tränen der Ewigstolzen nur so rollen. Thomas Mann nimmt in der Tat sehr mühevoll Abstand vom
Politischen, aber daß er nicht auch lieber Umstände gesehen hätte, die ihn nicht ins Exil getrieben hätten, und diese auch sehr genau beschrieben hat, zu Zeiten als das noch ging, das steht doch außer Frage: insofern sind seine Bücher ja auch verbrannt worden zur nämlichen Zeit, gewiß nicht als "konservativer Schund".
Castorf, also ich mag diesen Kalauer ..., und Thomas Mann: also, wenn ich nur an Tschechow und Dostojewskij in der jeweiligen Ahnenreihe denke, dann signalisiert das mir jedenfalls eine Kontinuität, die über die bloße Anmutung eines bildungsbürgerlich geprägten Konservatismus weit hinauszugehen scheint: möglicherweise wird sogar der Einfluß Manns auf die Tschechowlek-
türe und mittelbar sogar Aufführungspraxis sträflich unterschätzt.
Daß der Leipziger Widerstand gegen Herrn Hartmann von Kleinbürgern vor allem herrührt, ist eine interessante Eröffnung einer Nebenlinie in Ihrem Artikel ... .

(Werter Arkadij Zarthäuser,

die nachtkritik.de-Redakteure fassen, wenn sie für andere Medien geschrieben haben, bei uns nicht ihre eigenen Texte zusammen. Das machen die Kollegen. Da die Frankfurter Rundschau überregional stärker wahrgenommen wird, werden ihre Inhalte auch bei uns regelmäßiger als Quelle herangezogen als die der Berliner Zeitung. Warum der Kollege oder die Kollegin Dirk Pilz' Kritik so und nicht anders zusammengefasst hat, kann ich Ihnen auch nicht verraten. Aber unsere Kritikenrunschauen zeigen, dass man nicht nur Theaterabende, sondern auch (journalistische) Texte sehr verschieden lesen, interpretieren und auswerten kann. Im Zweifelsfall hilft eben nur: selberlesen.

MfG, Georg Kasch für die Redaktion)
Zauberberg, Leipzig: Stefan, wie wars?
hallo stefan - wie war der zauberberg - du warst doch da - konnte man aus deiner kruse kritik entnehmen - wie wars nun mit der suppe - ist hartmann jetzt tatsächlich reaktionär??? oder beschreibt sich hier ein herr pilz selber - weinend über den aufzeichnungen eines unpolitischen... grüße
Zauberberg, Leipzig: bis zum Fest auf dem nachtkritik-Gabentisch
Liebe(r) nachgelesen,
ich bin wohl säumig, aber mit der Zeit ist das ja im Zauberberg so eine Sache, sie ist relativ und so steigert Warten wohl auch das Verlangen. Was das Reaktionäre an Hartmanns Inszenierung ist, darüber sinniere ich noch etwas weiter nach, lege das Ergebnis aber noch bis zum Fest auf den Nachtkritik-Gabentisch. Wahrscheinlich stört sich Dirk Pilz ja an der Zitatwut von Hartmann, was ich aber nicht verwerflich finde, da der Zauberberg selbst ein große Zitatensammlung ist. Man muss schon einige Hartmann-Inszenierungen gesehen haben, um so ein Resümee zu ziehen, wie Pilz in seiner Kritik. Wenn es schon für reaktionär gilt sich selbst treu zu bleiben, dann mag das wohl so sein, aber vielleicht ist auch die Tatsache, das Hartmann hier eine recht nihilistische Grundstimmung anschlägt, was Pilz aufstößt.
Zur Zeit habe ich mich in einem anderen Hobby, den Weiten der amerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts verloren und finde nicht mehr heraus und zu guter letzt habe ich mir auch noch einen Dostojewski aufgehalst und muss in ein finsteres Kellerloch hinabsteigen. Man hat`s nicht leicht, aber leicht hat`s einen. Grüße zurück
Der Zauberberg, Leipzig: eine gewisse Verwirrtheit
gut stefan - so warte ich auf den "gabentisch" - obschon sich ein gwisser tenor ablesen läßt - ich weiß auch gar nicht ob die diskussion hartmann pilz zauberberg eine wichtige ist - allerdings schien mir das thema verwirrtheit, nicht wissen wohin mit seiner kunst kein uninterressantes - dies wiederum ausgetragen auf hartmanns rücken von pilz nicht wirklich treffend und so frage ich mich was weiß pilz was hartmann nicht weiß - oder anders weiß pilz etwas was auch hartmann weiß nur hartmann weiß es tatsächlich nicht - und so wären wir ich gebe es unumwunden zu dann letzlich doch bei einer gewissen verwirrtheit angelangt die ich hier eher der pilzschen seite zuschreiben würde vermochte ich es den ich kann mich dem eindruck nicht entziehen das die pilz lesart auf mann und dann hartmann eher konservativer ist denn hartmann zu mann - so verbleibe ich mit der mir zur verfügung stehenden laune abgesehen der vielen ungenutzten worte - und auch zurück
Der Zauberberg, Leipzig: Viel Spaß an der Verwirrung, 1
So, färtsch, wie der Sachse sagen würde. Viel Spaß an der Verwirrung. Hier Teil 1:
Am Maxim Gorki Theater in Berlin machte 2008 Stefan Bachmann bei seiner Zauberberg-Inszenierung das Vergehen von Zeit bildhaft spürbar, indem er die Zuschauer 12 Minuten lang mit einer Liegekur bei laufender Drehbühne sowie mit Fiebermessen und Wickelanleitungen am laufenden Band traktierte. Das waren lustige 2 Stunden Zauberberg light, ohne das man sich mit dem existentiellen Inhalt des Romans weiter beschäftigen musste. So einfach macht es uns Sebastian Hartmann in Leipzig nicht. Der Abend dauert gute 4,5 Stunden inklusive zweier Pausen und trotzdem ist keine Minute sinnlos verschenkt. Meine letzten Hartmann-Erlebnisse liegen etwas länger zurück, Ibsens Gespenster (2000) mit einer begnadeten Sophie Rois mit Turmfrisur und Strindbergs Traumspiel (2001) mit der zauberhaften Cordelia Wege als Engel in eine Autowaschanlage an der Berliner Volksbühne sowie Hauptmanns Vor Sonnenaufgang 2003 am Burgtheater Wien. Dort versuchte er den Castorfschen Container auf die Bühne des Burgtheaters zu transformieren, nebst den typischen Volksbühnenblödeleien. Das kam natürlich nicht besonders gut an bei den an Claus Peymann geschulten Wienern und es war fast amüsanter die abwandernden Abonnenten zu beobachten, als das lustige Gehopse auf der Bühne zu verfolgen.
Die Bühne am Centraltheater ist diesmal kein Container, sondern ein weiß gestrichenes Sperrholzgebilde, das wie ein schroffer Gletscher, das schwer zu erklimmende Romangebirge Thomas Manns darstellt. Und so müssen sich die Darsteller auch ein ums andere Mal abseilen oder die steile Schräge erklimmen. An dem Verweis auf den Zeitbegriff in Thomas Manns Roman kommt Hartmann natürlich nicht vorbei. Manolo Bertling als WIR-Erzähler schwenkt eine schwarze Fahne und klärt zu Beginn über das Besondere der Zeit auf. Es wird also ein langer Abend werden, in dem das Gefühl von Zeit tatsächlich erfahrbar werden soll. Schopenhauer, von Mann verehrt, wird im Programmheft zitiert: „Der Lebenslauf des Menschen besteht darin, dass er, von der Hoffnung genarrt, dem Tod in die Arme tanzt;…“ Diese grundpessimistische Aussage durchzieht auch Hartmanns Inszenierung und so tanzt dieser Abend scharf an der Kante des Abgrunds, den uns Thomas Mann mit seinem Roman eröffnet hat.
Seit der Volksbühne hat Hartmann übrigens nicht nur Cordelia Wege und Rosalind Baffoe im Gepäck, die als Die Mexikanerin hier auch ein paar Worte mehr sagen darf und ansonsten wieder viel auf und ab schreitet, sondern auch Peter René Lüdicke als Settembrini, der hier tatsächliche ein wenig wie ein italienischer Drehorgelspieler aussieht und auch so parliert und Guido Lambrecht als seinen Hans Castorp. Volksbühnenerfahrung hat auch Maximilian Brauer, der den braven Vetter Ziemßen spielt und am Anfang im Stechschritt erst mal die Bühne lang und breit durchmisst, ganz der disziplinierte Soldat. In seinem ersten Zusammentreffen mit Hans Castorp zitiert Hartmann Szenen aus dem Film Figthclub von David Fincher, wohl ein Verweis darauf, dass hier beide die zwei Seiten einer gespaltenen Persönlichkeit bilden. Etwas an den Haaren herbei gezogen, eine Seelenverwandtschaft ist aber durchaus bei Thomas Mann angelegt.
Überhaupt ist Hartmanns Inszenierung ein Gemisch aus Erzählen und bildlichen Verweisen und Zitaten und natürlich kommt er auch ohne Nietzsche nicht aus, spätestens dann als der Naphta des Ingolf Müller-Beck wie der personifizierte Nietzsche kurz vor der ersten Pause vom Berg herb steigt. Ein weiteres mal dann als Lambrecht in einem Faunskostüm über die Bühne springt, als Verweis auf das Dionysische im Menschen. Mann zitierte ja in seinem Roman auch aus Nietzsches „Geburt der Tragödie“. Diese zwei Seiten des Menschen, einerseits das dionysisch Körperliche u.a. in der Figur des Peeperkorn und das Apollonische der Aufklärung in Settembrini anderseits, stehen hier dann auch im Mittelpunkt von Hartmanns Inszenierung. Sein Castorp ist ein ewig Suchender, erst ein Schwätzer und Schwärmer der sich bei seinen Werbungen um Madam Chauchat, eigentümlich steif von Artemis Chalkidou gespielt, immer selbst im Wege steht und dann ein Nachdenklicher aber Verwirrter. Andächtig lauschend sitzen er und sein Vetter Ziemßen beim ausgedehnt zelebrierten Kochduell der beiden gegensätzlichen Lebensphilosophen Naphta und Settrembrini. Erst schweigend Suppe kochend, gehen sie „tous les deux“ anschließend umso wortgewaltiger aufeinander los. Hartmann kontrastiert diesen Kampf mit einem Auftritt einer schrägen Laienspieltruppe, wie schon einmal in seiner Inszenierung des Traumspiels, als Ewigkeitssuppe und plötzliche Klarheit, die das sinnlose Duell vorwegnehmen.
Der Zauberberg, Leipzig: Viel Spaß an der Verwirrung, 2
Teil 2:

Hartmann verwirft hier beide Richtungen, das ideologisch Diktatorische ebenso wie die Bemühung um Aufklärung der Menschheit. Castorp muss schließlich die Suppe der Schwätzer auslöffeln und windet sich folgerichtig dann auch in Krämpfen. Die Gulaschsuppe in der zweiten Pause am Buffet war aber Gott sei Dank well done.
Der Abend ist in drei recht unterschiedliche Kapitel geteilt. Im ersten ist alles noch sehr an Thomas Mann angelehnt. Es kommen alle wichtigen Personen des Berghofes vor, inklusive Verein halbe Lunge und bei den Vorlesungen über die Liebe von Dr. Krokowski, hier als Frau von Janine Kreß dargestellt, wird wild gekuschelt. Man spricht viel französisch und eine klamaukige alkoholgeschwängerte Karnevalsszene darf natürlich auch nicht fehlen. Der zweite Teil ist ganz dem schon beschriebenen Kampf Settembrini gegen Naphta gewidmet. Der Schneetraum fällt aus, es regnet schwarze Asche. Ein Abgesang auf die Parabel der Güte und Liebe? Das lässt Hartmann im vagen. Es folgt im dritten Teil die erdige und körperbetonte Vorstellung des Mynheer Peeperkorn (Matthias Hummitzsch, auch als eine Karikatur des Hofrat Behrens unterwegs), nackt und mit viel Matsch. Eine dionysische Orgie an deren Ende der Tod steht. Nun geht es weiter in Rokokokostümen, Voltaire der große Aufklärer lässt grüßen. Der Mensch ist halt nur ein Tier mit kleinem Gehirn und hier sind alle wie Tote auf Urlaub. In einer ausgedehnten, artistisch ausufernden Seance wird Vetter Ziemßen angerufen, der dann auch in Jeans erscheint und noch mal den Tyler Durden gibt.
Am Ende begräbt eine ganze Schneelawine alles unter sich. Mühsam schälen sich die Protagonisten aus dem Styropor und erzählen von den Stahlgewittern des Ersten Weltkriegs. Dazu steht die alte Volksbühnenreliquie Steve Binetti mit seiner E-Gitarre am Bühnenrand, zerfetzt den „Lindenbaum“ und macht den Höllensound zu diesem abgründigen Abend über Liebe, Leben, Krankheit und Tod. „Radikalismus ist Nihilismus. Der Ironiker ist konservativ.“ schreibt Thomas Mann in seinen Betrachtungen eines Unpolitischen, die im Programmheft abgedruckt sind. „Die erotische Ironie des Geistes“ vertrat hier Thomas Mann. Hartmann schlängelt sich zwischen Ironie und Nihilismus durch den Roman. Er entscheidet sich nicht und das kann man vielleicht als reaktionär bezeichnen, nicht das Kleben an der Vorlage. Man muss den Zauberberg nicht unbedingt gelesen haben, aber es empfiehlt sich zum Verständnis des Ganzen. Es ist ein großer, fantastisch ausufernder Theaterabend und ähnlich wie bei seinem Ziehvater Frank Castorf ist nichts wirklich klar. Wo andere ihr Diskurssüppchen fröhlich kochen, ist Sebastian Hartmann weiter auf der Suche und in diesem Sinne bleibt er sich auch selbst ein wenig treu.
Der Zauberberg, Leipzig: Hartmann sucht systemischer
wohin mit dem ganzen geschenkpapier.... danke stefan so ungefähr habe ich den abend auch erlebt - doch sind mir noch ein paar andere aspekte aufgefallen die ich gern anfügen möchte - gespenster traumspiel daran erinnere ich mich auch an der burg hab ich nichts gesehen soll nicht glücklich gewesen sein aber immer voll - von norwegen hab ich nur von dem riesenerfolg mit hamsun gehört - dafür hab ich aber godot gesehen ( besonders) publikumsbeschimpfung ( sehr besonders) reise in die nacht (ja ja doch) kirschgarten ( besonders) und jetzt zauberberg (sehr besonders) - also etwas mehr auf der haben seite - obs für ein urteil reicht warum nicht - um es vorweg zu nehmen ich halte den abend weder für verwirrt noch konservativ geschweige reaktionär - suchend erscheint mir unter all den "angekommenen" "wissenden" doch sympatischer - obwohl ich hartmanns ziel gerichteter empfinde als das einordbare stilsichere inszenieren einiger seiner kollegen - besonderen gefallen fand ich am zweiten teil des abends in dem sich nicht nur naphta und settembrini suppekochend duellieren sondern auch zwei sehr interessante schauspieler ( lüdicke müller-beck) so genau auch musikalisch genau der erste teil erzählt wird so zerfranst muß ich den zweiten teil erleben - die beiden scheinen sich um kopf und kragen zu improvisieren landen allerdings immer wieder zielsicher beim kern des konflikts - hier zeigt hartmann ein mir unbekanntes vertrauen in seine schauspieler um dann extrem genau mit dem wir erzähler ( bertling richtig gut) wieder in den mann text einzusteigen - ja die behinderteten die spiegelung des duells vorwegnahme der großen verunsicherung im dritten teil vielleicht voltaire oder auch tarkowski (nostalgia) schon damals in traumspiel zitiert - das bild mit dem zitternd suppe essenden castorp geriet mir dann doch wenn auch eindrücklich etwas zu logisch - der dritte teil der komprimierteste - hier ist hartmann so dicht wie selten gesehen am geschehn - oper madame peeperkorn donnerschlag seance inklusive holger schneetraum und krieg in einer stunde unglaublich - schauspieler die wissen was sie tun und nicht einem ton hinterher hechten - gern verzeihe ich die ironie des fight clubs - mann hätte auf pitt gestanden - ich finde pilz sehr verklemmt reagierend auf den leipziger mut....
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