Offener Brief

3. Dezember 2010. Sehr geehrte Frau Prof. Dr. von Schorlemer,

die sächsische Theater- und Orchesterlandschaft steht nach Ihren Verlautbarungen in der Leipziger Volkszeitung vom 2.12.2010 offensichtlich vor fundamentalen Veränderungen. Seit Jahren ist mit dem Kulturraumgesetz des Freistaates Sachsen eine verlässliche Struktur für die Planbarkeit der künstlerischen Einrichtungen vorhanden, um die uns andere Bundesländer beneiden. Galt bis heute die gesetzte Struktur, die jedem Kulturraum in Sachsen ein Mehrspartenhaus mit Theater und Konzerten garantiert, als gesichert, so ist nach Ihren Einlassungen in der Presse zur Finanzierung der Kulturräume und zur Neustrukturierung der Landesbühnen Sachsen eine Kehrtwende um 180 Grad geplant.

Als gäbe es die Verwaltungsvorschrift des SMWK vom 22.07.2008 nicht, die den Landesbühnen Sachsen den Auftrag erteilt, ein "künstlerisch hochwertiges Angebot in den Kulturräumen, wo kein hinreichendes Angebot durch andere Theater und Orchester sichergestellt werden kann, zu machen", staune ich ungläubig, wenn von Ihnen verlautbart wird, "dass die Regionaltheater doch bitte schön ihre Zurückhaltung gegenüber den Angeboten der Landesbühnen endlich aufgeben sollten". Um nicht missverstanden zu werden: Die Landesbühnen Sachsen sind eine bedeutende traditionelle Einrichtung des Freistaates Sachsen, dessen Mitarbeiter seit Jahrzehnten maßgeblich zur Reichhaltigkeit der sächsischen Kulturlandschaft beitragen.

Unübersehbar ist allerdings auch, dass ihr kulturpolitischer Auftrag nicht mehr so umgesetzt wird, wie es vor Jahren mit vielen Bespielorten abseits der Theaterzentren im gesamten Land möglich war. So kam es dazu, dass seit Jahren ein wesentliches Betätigungsfeld des Ensembles die Bespielung des König-Albert-Theaters in Bad Elster ist, einer Einrichtung, die vom Theater Plauen-Zwickau in der Vergangenheit regelmäßig bespielt wurde. Eine Bespielung wäre jederzeit auch gegenwärtig möglich, wenn dies von der Leitung des König-Albert-Theaters gewollt wäre.

Stattdessen rollen allmonatlich Lastwagen und Busse an unseren Standorten von Radebeul aus kommend vorbei, um den Kurort mit Theater- und Konzertangeboten zu bespielen. Ca. 30 000 Euro Steuergeld sind dabei pro Auftritt im Einsatz. Weder das Land Sachsen als Träger der Sächsischen Staatsbäder und der Landesbühne, noch der Kulturraum Vogtland-Zwickau beschäftigten sich in der Vergangenheit intensiv mit diesen Doppelstrukturen in Westsachsen. Statt also in langfristiger Planung die nachvollziehbare Überführung der Landesbühnen in ein Kulturraumtheater zu betreiben, wird kurzerhand der Rotstift bei den Einrichtungen, die seit Jahren Vorsorge treffen, angesetzt und eine ausgewogene regionale Kulturplanung unmöglich gemacht.

So steht ernsthaft zu befürchten, dass die weder sachlich noch finanziell nachvollziehbaren Absenkungen von mehr als 3 Mio. € für die Kulturräume trotz Steuermehreinnahmen, aufblühender Wirtschaft und nicht zu überhörendem Protest der Bevölkerung zum Schaden von Generationen durchgezogen werden sollen. Für das Theater Plauen-Zwickau ist die Entwicklung nicht hinzunehmen, da durch die Fusion der Theater in Plauen und Zwickau vor 10 Jahren die Veränderungen in den Strukturen eingeleitet wurden, die sowohl den demographischen als auch den finanziellen Gegebenheiten Rechnung trugen. Und auch aktuell beschäftigen sich Gesellschafter und Belegschaft mit den Herausforderungen des Abschlusses eines neuen Haustarifvertrages, der noch einmal Einsparungen in Höhe von 3,1 Mio. Euro vorsieht.

Sehr geehrte Frau Ministerin von Schorlemer, bitte bedenken Sie Ihre strategischen Ausrichtungen für die sächsische Kulturlandschaft der kommenden Jahre noch einmal. Was Sie planen ist eine Ohrfeige für alle Kulturarbeiter in den ländlichen Regionen. Die schon unter Ministerpräsident Milbradt gewünschte Schlechterstellung der ländlichen Regionen gegenüber den Metropolen wird von unseren Besuchern und vielen Kulturinteressierten nicht hingenommen werden.

Mit freundlichen Grüßen

Roland May
Generalintendant des Theaters Plauen- Zwickau

Nachrichtlich als Offener Brief an: Presse, Gesellschafter, Aufsichtsratsvorsitzenden, Fördervereine Theater Plauen und Zwickau, Bühnenverein Sachsen, Herrn Michael Kretzschmer CDU-Generalsekr. Sachsen, alle Abgeordnete des Kulturraums Vogtland-Zwickau, Fraktionsvorsitzende des Landtags