König Ödipus - Caroline Stolz' Uraufführung von Bodo Wartkes Motherfucker-Revue
Iokaste – Wat haste?
von Shirin Sojitrawalla
Wiesbaden, 14. Januar 2011. Lange schon bestückt der Kabarettist Bodo Wartke die Bühnen mit "König Ödipus" als One-Man-Show. Nun hat er daraus eine gereimte Revue rund um den unglücksseligen "Motherfucker" gemacht. Das Menschheitsdrama als Lachnummer. Die Regisseurin und Leiterin der Spielstätte Wartburg, Caroline Stolz, die jetzt die Uraufführung der Theaterfassung besorgte, verteilt den Text auf drei weibliche Schultern: Evelyn M. Faber, Stefanie Hellmann und Friederike Ott. Drei Frauen, drei Stimmlagen, drei Temperamente. Jede spielt jeden, und jede mimt mal Ödipus.
Ganz in Schwarz und mit einem weißen Laken kommen die drei Schauspielerinnen herein und pflanzen jeweils ein kleines Podest auf die Bühne. Am rechten Rand steht der Musiker Timo Willecke mit Gitarre vor einem mit allerlei Zeug beladenen Tisch: Instrumente, Alltagsgegenstände, Mikrofone, Kinderspielzeug, Laptop, Knisterfolie, dies und das und jenes, um die drei Frauen musikalisch zu stützen. Mal erfüllt Comicsoundtrack den Raum, dann erklingt Sirtaki. Die Frauen schlängeln sich derweil durch den nach dem Reimschema "Iokaste – Wat haste?" oder "der verwirrte Hirte irrte" amüsanten Text.
Rampensäuische Grandezza
Der dichtet sich zwar nah an Sophokles heran, erzählt aber erst einmal, was davor geschah: Von der Wiege bis zur Bahre oder wenigstens so ungefähr. Wir sehen Ödipus groß werden, seinen Vater töten und Theben retten. Unschuldig schuldig wird er auch bei Wartke. Und richtet sich am Ende selbst. So bluten im Schlussbild auch den drei Damen die Augen vor lauter Lippenstift. Zitat: "Wie man deutlich hier erkennt: Der Story fehlt das Happy End. Das ist zwar ein bisschen schade, doch leider werkimmanent."
Caroline Stolz inszeniert das Stück mit Improtheater-Schnoddrigkeit und Spaß an der augenzwinkernden Anspielung. Damit könnte ihr "König Ödipus" ebenso erfolgreich werden wie schon ihr Kriminalkomödien-Dauerbrenner "Hitchcocks '39 Stufen'". Mit Stefanie Hellmann hat sie eine Schauspielerin, die noch den blödesten Witz mit rampensäuischer Grandezza zündet, Evelyn M. Faber dient ihr als erfahrenes Orakel wie reizend blinder Teiresias, und Friederike Ott rockt den Saal nicht nur mit ihrer rauchigen Mafia-Paten-Stimme.
Der Abend ist nicht dumm, hat Witz, auch Charme, hängt schon mal durch, dauert dafür aber nicht mal eine Stunde. Eindeutig zweideutige Scherze stehen neben feinen Sequenzen. Zu denen gehören Ödipus' Sitzungen beim Therapeuten, wechselnde Ödipusse bei wechselnden Therapeuten, versteht sich. Anderes wirkt altbacken, auch schal, unterhaltsam ist es allemal. Gut möglich, dass sich das Stück als Theater-Renner entpuppt. Das Zeug zum Quotenhit bringt es mit. Was soll man noch mehr dazu sagen?
König Ödipus (UA)
von Bodo Wartke nach Sophokles
Regie: Caroline Stolz, Bühne und Kostüme: Lorena Díaz Stephens und Jan Hendrik Neidert, Dramaturgie: Anika Bárdos
Mit: Evelyn M. Faber, Stefanie Hellmann, Friederike Ott und Timo Willecke (Gitarre / Geräusche / Elektronik)
www.staatstheater-wiesbaden.de
Andere Ödipus-Variationen? Mit archaischer Wucht rückte kürzlich am Zürcher Schauspielhaus Sebastian Nübling in seiner Tetralogie Ödipus und seine Kinder dem Mythos zu Leibe.
Die "schreckliche Geschichte aus Theben" nehme bei Bodo Wartke "ihren heiteren Lauf", berichtet Gerd Klee im Wiesbadener Tagblatt (17.1.2011), und dieser Lauf sei "insgesamt sehr kurzweilig, auch wenn es durchaus die eine oder andere Durststrecke an diesem Abend gibt. Bodo Wartkes Sprache hat Witz und Ironie, Präzision und Tempo auch - allerdings auch gewisse Vorhersehbarkeit. Sei's drum, die drei Damen vom Orakel schlagen sich wacker". Dem Regieteam und dem Ensemble - Klee nennt es eine "gut aufgelegte Dreier-Bande" - habe "es sichtlich Spaß gemacht".
"Scherz und Ironie ohne tiefere Bedeutung" hat Astrid Biesemeier in der Frankfurter Neuen Presse (17.1.2011) bei Bodo Wartkes "Ödipus"-Fassung ausgemacht. Den chorisch gesungenen Rat "Am besten, man bewahrt sich in der Krise den Humor" kommentiert sie mit dem Fazit: "Bei jeder Krise wird dieser Abend sicherlich nicht als Lachmittel helfen, für überwiegend vergnügliche 60 Minuten sorgt er aber schon."
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