Aufhören! Schluss jetzt! Lauter! 12 letzte Lieder - Nicolas Stemann und Team singen gegen die Sinn-Produktion
"Ich will mein 'Nüscht' wiederhaben!"
von Georg Kasch
Berlin, 19. Februar 2011. Aufhören kann ganz schön schwer sein. Manch einer schafft's nie. Nicolas Stemann und sein Team brauchen dafür gute zwei Stunden. "Aufhören! Schluss jetzt! Lauter! 12 letzte Lieder" heißt ihre Show. Worum es geht? Um nichts und alles: die Produktion und Abwesenheit von Sinn, außerdem um die Plagen unserer Zeit. Das Aussteigen wollen und doch durchhalten müssen, um Burn-Out und Rücktritt, um Tod und Verklärung, kurz: um die Freiheit des titelgebenden Aufhörens.

©Arno Declair
"Ich will Sinn! Ganz viel Sinn!", ruft Margit Bendokat einmal. Denn was ist der Unterschied zwischen dem Deutschen Theater und dem (nur wenige Gehminuten entfernten) Friedrichstadtpalast? Etwa der, dass in dem einen Trampolinartisten auftreten, im anderen aber die Schauspieler nur so tun, als wären sie welche? Käme es nicht einer künstlerischen Befreiung gleich, auch an einem Stadt- oder Staatstheater den Sinn abzuschaffen? Geht das überhaupt?
Die Aussteiger der Saison
Und schon stecken Stemann, drei Musiker und fünf Schauspieler mitten in einer diskursiven Nabelschau, die, wo sie noch Un-Sinn behauptet, schon als Relevanzmaschine auf Hochtouren läuft. Oben werfen sie Zeitgeistiges und (Schein-)Provokatives rein, unten kommt ein Reigen heraus zwischen Pop-Revue, Arbeitsverweigerung und Kabarett. Da versuchen sie, uns weiszumachen, nach dem ersten Lied sei schon alles vorbei. Da werden die Aussteiger der Saison durchgekaut von Horst Köhler bis zu Husni Mubarak. Da schwadronieren Maria Schrader, Felix Göser und Andreas Döhler als Dschungelcamp-Bewohner am künstlichen Lagerfeuer vor Topfpflanzenkulisse. Dazu rotiert die mit Instrumenten und einem konstruktivistischen Showtreppenturm vollgestellte Drehbühne, während die Leinwände über den Proszeniumslogen mit live gedrehten Bildern geflutet werden.
Keine Frage: Dieser Abend hat Momente, bei denen es schade wäre, würde man sie verpassen. Etwa die wunderbare Margit Bendokat, die im golddurchwirkten Federboakleid auch die ärgsten Nonsense-Geschichten noch mit einer Intensität und Sprachkunst vorträgt, dass man gebannt und amüsiert zuhört. Wenn sie den Besserwutossi rauslässt und "Ich will mein 'Nüscht' wiederhaben" skandiert oder Kalauer mit ihrer nachschleifenden, widerhakenden Diktion adelt, will man das einen ganzen Abend lang.
"Reicht das für Theater?"
Oder Barbara Heynen, die so wundervoll den Gummipuppenblick stiert und hinstürzt, als wäre sie an der Volksbühne groß geworden. Oder Felix Göser, diese Testosteronschleuder, der sich im glitzernden Abendkleid bewegt, als hätte er nie etwas anderes getragen und dabei so missmutig schaut, als gäb's dafür 'ne Extra-Gage. Auch die musikalischen Arrangements sind oft treffend, finden Nuancen in abgenudelten Hits wie "The Show Must Go On", bauen geschickt Brücken und Assoziationsflächen.
Ja, aber. Der Abend hat seine Längen. Oft wirkt er wie ein selbstreferentieller Running Gag von Theaterwissenschaftsstudenten. Wenn Stemann singt: "Reicht das für Theater? / Sind noch alle da? / Reicht das für das Abo? / Und fürs Repertoire?", dann ist auch das zwar lustig. Aber eben nur für den Augenblick. Zumal angesichts seiner anderen Arbeiten, Die Kontrakte des Kaufmanns etwa oder Die Heilige Johanna der Schlachthöfe, in denen er so kunstvoll Musik und Text, Klang und Sinn miteinander verwob und aneinander rieb. Hier bleibt der Eindruck einer kabarettistischen Nummernrevue, die nicht ganz fertig geworden ist mit Texten, die nicht gerade in den Verdacht literarischer Güte geraten.
Andererseits: Bei einem Abend, der um die Freiheit kreist, ist eben alles möglich – für die Künstler wie für die Zuschauer. Man hat die Freiheit zu lachen. Sich einzumischen. Mitzuklatschen. Nach Zugaben zu rufen. Zu gehen. All das ist während der Premiere geschehen. Man hat allerdings auch die Freiheit, zu Hause zu bleiben – und die Freiheit aufzuhören.
Aufhören! Schluss jetzt! Lauter! 12 letzte Lieder
von Nicolas Stemann, Thomas Kürstner, Sebastian Vogel und Benjamin von Blomberg
Regie: Nicolas Stemann, Bühne: Jelena Nagorni, Nicolas Stemann, Kostüme: Marysol del Castillo, Musik: Thomas Kürstner, Sebastian Vogel, Video: Claudia Lehmann, Dramaturgie: Benjamin von Blomberg.
Mit: Margit Bendokat, Andreas Döhler, Felix Goeser, Barbara Heynen, Maria Schrader, Thomas Kürstner, Rainer Piwek, Nicolas Stemann, Sebastian Vogel.
www.deutschestheater.de
In der Welt (21.2.2011) spricht Matthias Heine eine deutliche Warnung aus: die Aufführung sei "nichts für Zuschauer mit einer Glatzenphobie". Ansonsten biete sie jedoch "immer wieder schöne Reflexionen über den 'Terror' des Sinnzwangs im Theater". Dass Stemann "bei aller Skepsis gegenüber der 'Sinnproduktion' dennoch ein Mann" sei, "der das schlichte Handwerk und den guten Bühneneffekt nicht" verachte, zeige "sich auch darin, dass er eines der besten Lieder für den Schluss aufspart." Dieses sei "so mitreißend, dass man fast wieder vergisst, wie sehr man sich zwischendurch auch mal gelangweilt hat. Und man stellt sich gar nicht mehr die Frage, ob man Theaterabende, in denen die Methoden des Theaters grundsätzlich in Frage gestellt werden, nicht eigentlich schon viel zu oft gesehen hat."
"Nach dreißig Minuten hätte eigentlich Schluss sein können", meint Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (21.2.2011). Das Theater wolle "an diesem Abend offenbar mal ausprobieren, was passiert, wenn es auf Inhalte verzichtet und einfach nur um sich selbst, das Showgewerbe, die eigenen leer laufenden Tricks kreist". Der Abend gehe dabei "völlig zu Recht von seiner Überflüssigkeit und Bedeutungslosigkeit aus, das aber mit großem Budenzauber". Vielleicht wolle Stemann "vorführen, dass 'nichts so unerträglich für den Menschen ist' wie die Langeweile, wie der Philosoph Blaise Pascal glaubte", aber "zu einem Schmerz" dringe die Inszenierung nicht vor: "Das alles wirkt wie eine ziemlich eitle Übung saturierter Theaterleute, die sich in ihren Luxusproblemen aalen. Und offenbar selbst nichts mehr von ihrer Kunst erwarten."
Selbstverständlich kenne "jede Branche die Schalheit des Erfolgs", konstatiert Andreas Schäfer im Tagesspiegel (21.2.2011). Während sich aber "der erfolgreiche Nicht-Künstler vielleicht als Sinnersatz einen Porsche kaufen muss oder, weil er es wirklich nicht mehr aushält, beruflich umsattelt oder zur Kontaktaufnahme mit der Wirklichkeit ein halbes Jahr um die Welt reist; während der Nicht-Künstler also etwas ändert, kann der Künstler einfach weitermachen: Er verkauft sein Selbstmitleid einfach als Kunst und seinen Arbeitsekel als gesellschaftliches Phänomen." Allerdings werde "offensiv ausgestellte Ambitionslosigkeit (...) auch nicht durch offensiv ausgestellte Selbstironie besser." Man selbst frage sich, "ob dieses Bauchnabel-Gepule irgendwo hinführt. Ob das Karussell des Selbstbezugs vielleicht irgendwann heißläuft, und - wie damals bei Schlingensief - doch etwas wie Schmerz oder Wahrhaftigkeit aufscheint. Tut es aber nicht."
"Das war ja wohl der koketteste, hinreißendste, lustigste Abend unserer inzwischen unnötig langen, allerdings auch ziemlich gedächtnisschwachen postmodernen Theaterepoche", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (21.2.2011). Es sei in der Aufführung Abschied genommen worden "vom Sinn. Vom Sinn des Als-ob-Theaters, aber auch vom Sinn des sinnlosen Unterhaltungstheaters, vom Sinn des Schauspieler-Daseins im Speziellen, vom Sinn des Familien- und Berufslebens im Allgemeinen." Manches komme "flapsig-ironisch zum Vortrag. Manches wird, um es brechen zu können, mit großer, rührender, identifikationstauglicher Als-ob-Hingabe gespielt. Vom Zerfall oder vom Ende des Theaters kann bei diesem Abgesang also gar keine Rede sein. Vielmehr werden an diesem Abend seine Mittel und seine Möglichkeiten ausprobiert und vorgeführt, es wird das Spiel gefeiert. Es ist ein bühnenlauneprotziger Abend, der dazu geeignet ist, verlorenes oder noch nicht gewonnenes Publikum für das Theater (zurück) zu erobern."
"Der Anfang ist berückend", vermeldet Jürgen Otten (Frankfurter Rundschau, 22.2.2011). Viel Komik stecke "in diesem Beginnen, und so soll und darf es auch weiter gehen, zwei Stunden lang. Dabei ist der Anlass ernst." Denn um nichts Geringeres drehe sich der Abend als um die Frage, "welchen Sinn an und für sich und überhaupt und sowieso Theater eigentlich (noch) hat". Er antworte mit einem den "Diskurs dialektisch auseinander setzenden Diskurs-über-den-Diskurs-Theater". Ein Nummern-Song reihe sich an den anderen, "eine Gaga-Dada-Einlage sticht die nächste aus. Fast möchte man meinen, der Sinn bestünde darin, ihn zu vernichten, ein für alle Mal, nur um zu sehen, was für ein wunderliches Theater aus diesen Ruinen heraustritt." Alles sei "hübsch, heiter, hedonistisch und albern. Und dann doch plötzlich ganz ernst mit der Frage, "ob denn Theater sui generis überhaupt noch ausreicht, um der Welt irgendetwas Geistreiches entgegen zu setzen". Zu erleben sei "Theater ist Theater-Satire ist Theater. Ist kauzig-koketter Theaterkommentar. Was man davon aber halten soll? Das wissen die Götter. Und vermutlich selbst die nicht."
"Nicht alles davon ist geglückt, gerade da, wo sich die Texte literarischen Vorbildern anschmiegen, klingt es schon mal nach ambitionierter Schülerzeitung", so urteilt Katrin Bettina Müller in der tageszeitung (23.2.2011) über die selbst gedichteten Eigenkompositionen von Nicolas Stemann und seinem Team. "Auch das Spiel mit der Provokation des Zuschauers, mit dem Zuschauen aufzuhören, ist eitel geraten." Jedoch entschädige Anderes "für diese Spiegelfechterei": namentlich die unwirschen Auftritte von Felix Goeser sowie zahlreiche "schön arrangierte Songs über schlechte Laune und Depression, mal mit Heimweh nach dem Mangel aus DDR-Zeiten begründet, mal mit dem Recht auf Nichtanpassung an die Maßstäbe von Glück, Leistung und Erfolg". Zudem zeige sich das "eigentlich Romantische an Stemanns Arbeitsweise", indem "alle, die wir da sehen, eigentlich prächtig als Team funktionieren, eine locker organisierte Gemeinschaft, in der im richtigen Augenblick stets jemand am richtigen Platz ist".
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"Auch hier betreibt der Motor der blinden, egoistischen Strebungen das allgemeine Wohl. Mehr noch aber wird ein stets ungestilltes Begehren eingeführt, das mit einer gewissen Grenzenlosigkeit über alle Bedürfnisse und Befriedigungen, über das Fassungsvermögen des leiblichen Behälters hinausführt. Marx wird das später einmal die 'abstrakte Genussucht' des Kapitalisten nennen, dessen Akkumulation von Geld und Kapital sich mit keinem konkreten Bedürfnis abgleichen lässt. [...] Wie Goethes Faust ist dieser ökonomische Mensch nun ein Typ, der in der Fülle das Fehlen verspürt, im Mangel die Bedingung seines Wünschens erfährt und schließlich die Kunst des Verfehlens beherrscht, nämlich im unendlichen Streben endliche und stets knappe Güter zu wollen." (Joseph Vogl, "Das Gespenst des Kapitals")
(...) Warum kommt mir das hier jetzt mittlerweile eigentlich alles so vor wie eine Parodie der Verleihung des FAUST-Theaterpreises? Das ist doch kein Theater! Das ist ja nun wirklich billigste Unterhaltung auf unterstem Niveau. Schund ist das. Wo bleibt die Sinnproduktion? Die Investition in das Theater muss sich wieder lohnen. Das Theater soll den menschlichen Geist erheben und die Menschen in eine Illusion einwickeln, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommen. Ja. Am Ende kommen die wirklich noch auf diesen naiven Gedanken, dass das Geld die Welt regiert. "Nach Golde drängt, / Am Golde hängt / Doch alles. Ach wir Armen!" (Na, von wem war's?) Ach, wenn es wenigstens noch das Gold wäre. Aber der Goldstandard ist längst obsolet. Heute wird mit Derivaten gehandelt. Mit volatilen Werten. Doch lasst euch nicht verführen, das Theater ist nicht bloß das Versprechen auf ein zukünftig besseres Leben, sondern es IST. Es ist der Vollzug von Zeit, von Leben im Hier und Jetzt. Ihr seid nicht bloß Zuschauer eures eigenen Lebens, ihr seid die Akteure! Und da ist er wieder, der Befehl an den homo oeconomicus. Wir müssen hier raus! Wir müssen raus aus dieser GREAT DEPRESSION. Was zählt, ist das Credo des Kapitals. Wir müssen schließlich alle dran glauben. Wir wissen nicht, was diese Welt im Innersten zusammenhält, aber the show must go on. Ein Liederabend zwischen Affirmation und Negation des Verblendungsvorhangs.
ist bei der nachtkritik dann auch bald mal schluss mit theaterwissenschafts-bashing? oder werden jetzt alle autoren auf dirk pilz linie gedrillt, um bei nachtkritik schreiben zu dürfen?
und nein, ich bin selber kein theaterwissenschafts-student.
kleingeistig ist das. gähn.
Mit gestutzten Fühlern, ameisenfleißig, zieht es uns allabentlich in die Theater,
die für den hohlen Zahn wären; aber da schauen noch vier, fünf Leutchen aus dem
Zahn, den man uns mit der Zange zu ziehen trachtet oder vielleicht doch mit ner neuen Goldkrone verziert, wir würden verbluten, keine Grillen mehr im Kopf haben oder ausstellen, um den Kopf frei zu bekommen. Ein langsames Ausbluten, Gericht für Gericht, für Gericht: Braten, Kochen, Garen, Grillen.
Orientierungslosigkeit allenthalben- desletzt hat mich ein Hund, der augenscheinlich an ADS litt, ein eigentlich gesundes, junges Tier, angelaufen, schon überlege ich, ob das nicht ne Marktlücke wäre: Bewegungsmelder für Wachhunde - Hunde und Herrchen gleichen sich immer mehr, und die Herrchen sind schon heute orientierungslos: sieht jeder, weiß jeder, kennt es mitunter bei sich selbst.
Stimmt nicht, was § 4 sagt, ganz nebenbei, das "Illusionstheater" kommt doch auch nicht besser weg.
Da brummt mir der Kopf, und am DT wird dann vielleicht auch mal ein pattgesetzter Abend lahm durchgerockt, ist das so arg, so schlimm ??
Wer sind wir, und wenn wir wer sind: wieviele ?!
Ähnliches fragen unsere führenden Theaterkritiker: Das Illusionstheater ist tot,
allerdings, was lebendig ist, ist eigentlich nur als Illusion lebendig.
Zu Moder mutt ans letztlich doch wedn, und an diese Hochzeitsrede im Hause Buddenbrook hat mich, liebe Agneta, Ihre kleine Faustrede hier erinnert.
Vielen Dank dafür !
Und: Auf diesem Wege gute Besserung nach Lübeck ! Es gab dort gestern einen Unfall im "Zauberberg", der hoffentlich keine allzuargen Folgen hatte (die Vorstellung mußte kurz nach der Pause abgebrochen werden). Eine Frau mit kurzen Fühlern an der Garderobe: "Können die nicht weiterspielen, ist ja nur einer ausgefallen, der garnicht mehr großartig auftreten soll ... ."
"Grobleben": solche Namen kommen auch nicht aus heiterem Himmel..
Man spielt Pollesch und Schlingensief nach, flattert wirre,- und Achtung ganz neu: Life-Videos auf die Projektionsflächen, krampfhaft bedient man sich der Kunst aus dem Katalog (...). Über all dem liegt auch noch ein musikalischer Kitsch, etwas Grönemeyerhaftes, etwas Roxette und dazu etwas zu alte Schauspieler die modern sein sollen. Anstrengend, sag ich doch.
Die ganzen abstrakten Texte, die wir nicht verstehen sollen, sollen sicherlich zum Trash gehören und uns die Tiefe sagen. Sehe ich nur nicht. Stattdessen sehe ich nervig zusammengeschnipseltes Theater von 1992 mit Westernhagenklängen von einem Regisseur, der (...) uns was über Radikalität und Revoluzertum vorsingt und sein eigenes Spielfeld ja so sehr anzweifelt. Das kann man anscheinend im DT machen, denn einige Omas freuen sich sicherlich über die freche Arbeit, aber alle anderen schreiben das Jahr 2011 und Theater gibt es doch schon so so lange.
zu 4.: Gehen Sie ins DT, dann verstehen Sie auch den Hinweis von Herrn Kasch. (Denn, das ist alles andere als "theaterwissenschafts-bashing".)
Ich war bestens unterhalten. Müßte im Detail vieles aus der nachtkritik wiederholen. Die Zeit erspar ich mir aber und tue lieber irgendetwas sinnloses.
Übrigens, ich bin immer ich. Und ich möchte auch gar nicht ein Anderer sein, schon gar nicht der "Herr Friedrichsstadtpalast", welcher in der Feier der reinen Präsenz das Bewusstsein des (eigenen) Todes als Abwesenheit des Sinns ja gerade verdrängt.
Was dieser Abend nun allerdings mit der "Hochzeitsrede im Hause Buddenbrook" zu tun haben soll, das müssten Sie bitte mal präzisieren. Oder meinten Sie damit die kritische Hinterfragung der Repräsentation der Rolle der Frau (Barbara Heynen) als aufblasbare Gummipuppe?
Es ist sehr schön, Frau Bendokat beim Lesen lustiger, alberner Geschichten zu zuhören und zu zuschauen. Es ist sehr schön, schöne Menschen in sehr schönen Kostümen zu sehen. Es ist schön, seltsame Lieder mit schöner Musik zu hören. Es ist sogar schön zu sehen, wie Menschen darüber grübeln, ob das was sie da tun, sinnvoll ist. Es ist schön, sich nicht eine Minute zu langweilen.
Vielleicht sei mir eine Art von Richtigstellung erlaubt: Ich würde den „Showtreppenturm“ eher als DEkonstruktivistische Bühnen-Licht-Skulptur bezeichnen, die das Thema dieses Abends wunderbar aufnimmt und weiter führt. Dazu folgendes Zitat, das das Geschehen des Abends treffend beschreibt:
„Ein dekonstruktiver Architekt ist (…) nicht jemand, der Gebäude demontiert, sondern jemand, der den Gebäuden inhärente Probleme lokalisiert. Der dekonstruktive Architekt behandelt die reinen Formen der architektonischen Tradition wie ein Psychiater seine Patienten – er stellt die Symptome einer verdrängten Unreinheit fest. Diese Unreinheit wird durch eine Kombination von sanfter Schmeichelei und gewalttätiger Folter an die Oberfläche geholt: Die Form wird verhört.“
– MARK WIGLEY
Es ist im Übrigen auch sehr unterhaltsam, diese Arbeit im Kontext der anderen Inszenierungen und Projekte Stemanns und seiner Mitstreiter zu sehen. Die Sinnsuche der Protagonisten in „Ulrike Maria Stuart“, „La Périchole“, „Die Heilige Johanna…“, „Die Kontrakte des Kaufmanns“ führt für mich direkt zur Suche nach einem Sinn im eigenen Tun für einen Regisseur wie Stemann. Er (und seine Schauspieler und Musiker) hat (haben) diese Suche sehr zu meiner Unterhaltung (wie oben erwähnt)veröffentlicht.
"Was zählt, ist das Credo des Kapitals. Wir müssen schließlich alle dran glauben."
Alle zu Moder, alle dran glauben: das lag meineserachtens auf der
Hand; und, obschon ich dem Abend wahrscheinlich auch allerhöchstens prinzipiell freundlich gesonnen wäre (ich kann das nur vermuten,
denn ich kommentiere hier nichts, was ich sah oder hörte, sondern wundere mich schlicht über Ihre Reaktion auf so einen Abend) wie der Hochzeit eines guten Freundes zB., auch wenn mir dergleichen "Feiern" nicht liegen, er scheint mir der Anlage nach wenig geeignet zu sein, und die Anlage kann ich in Kenntnis einiger Stemannscher Produktionen etwas einschätzen, der Seite Nachtkritik ein "Bashing der Theaterwissenschaft" zu unterstellen (der Boldt-Blog ist verlinkt, die Fischer-Lichte-Nachfolge ist eine Nachricht wert, Frau Slevogt schrieb gerade etwas zu Einzelteilen, in welche das Illusionstheater zerfallen sei ..., Spötter nannten nachtkritik de. sogar Netzversion von "Theater der Zeit" ...)
oder hier die selbsteferentielle Insiderparty von Menschen, die Faust zitieren können, zu geißeln.
Wenn "Sinnsuche", dann muß auch das Thema "Artistische Dekadenz"
und der latente Selbstvorwurf, dergleichen zu verkörpern,
früher oder später auftauchen: Was über dem TT als Motto stehen könnte, ist nicht "Stillstand", nicht "Weiter so", sondern ist immerhin "Quo vadis", jedenfalls sehe ich das nachhaltig so und kommentierte das auch im TT-Thread, dazu scheint dies der Abend in etwa zu sein, nicht mehr, nicht weniger; Ihr Beitrag, Agneta, erinnerte mich insofern an Groblebens Hochzeitsrede bei den Buddenbrooks,
mehr war da jetzt eigentlich für mich nicht.
Oder doch ?
Texte, die nicht in den Verdacht literarischer Güte geraten.
Wenn die Jelinek-Texte auf diese Weise noch einmal kontrastiert worden sein sollten, daß man hier vielleicht die Neigung verspürt, nachzuweisen, daß die vielleicht auch nur zu Unrecht der literarischen Güte verdächtig sind, dann wäre schon mehr erreicht,
als hier einige Kommentierende bemerken (wollen); auch wenn der neue Slevogt-Blog mit seinem "Bernhard als Vorfahre Polleschs" der Frage begegnete "Und was ist mit " Pollesch- Epigone Bernhards" ?", wäre einer gewissen Einseitigkeit Vorschub geleistet.
Wohlgemerkt, wahrscheinlich würde mir der Abend auch nur mäßig gefallen, aber wenn Stemann sich auf diese Weise ein wenig aus dem Jelinek-Kosmos befreit haben sollte, einem Kosmos voller Wege wohlgar, die noch kein Wandrer kam zurück ..., dann ist das nur zu begrüßen, hoffentlich nicht, um dann einen Schiller oder eine Adaption vom "Mann ohne Eigenschaften" nachzuliefern, nein,
vor allem dann, wenn Herr Stemann sich jetzt möglicherweise einmal der jüngeren Dramatik zuwenden würde. Warum nicht mal nen Laucke von Stemann oder eine Anne Habermehl etcpp. ??
Aber den Vorschein einer solchen Linie scheint mir von dem Abend auszugehen, wie ich ihn hier einschätze..
Es kann tatsächlich sein, dass ich da ein wenig was verdreht habe, im Hinblick auf diesen Sparkassenangestellten und das youtube-Pornovideo. Letztlich aber wollte ich damit nur aufzeigen, dass es im Leben wie auf dem Theater nicht allein um das Credo des Kapitals gehen kann. Wenn das Theater nämlich wie der Markt funktioniert und also in einem L'art pour l'art-Status vollends systemrelevant geworden ist, dann hat es für mich aufgehört zu existieren. Denn der Markt interessiert sich weder für Vergangenheit noch für die Gegenwart, sondern nur für zukünftige Gewinnaussichten. Zitat Joseph Vogl: "[...] so ist der Traum dieses Kapitals Vergessen; er handelt von der Macht der Zukunft und erfüllt sich in einem Ende der Geschichte."
Ein Theater der gegenwärtigen bzw. immer wider aufgeschobenen Zukunft? Ein Theater ohne Anfang und Ende und damit ohne Geschichte? Ja und nein. Wir leben zwar im Hier und Jetzt. Aber unser Leben erschöpft sich nicht allein darin, denn es steht immer auch in einem Bezug zum umgebenden historischen Kontext. Und zu Geschichte kann etwas nur dann werden, wenn man es wieder-holen, das heisst re-präsentieren kann. Lebt das Theater nicht vor allem davon, uns gegenüber der wettbewerbs- und profitorientierten Feier einer fortschrittsgeilen und nach immer wieder neuen und vermeintlich einzigartigen Produkten (zum Beispiel Üma, die Mannfrau vom Friedrichstadtpalast!) gierenden Gegenwart die eigene historische Gewordenheit bzw. Vergänglichkeit bewusst zu machen? Geht es im Theater nicht immer noch vor allem um die sprachliche Vermittlung von Welt gegenüber dem ADSH-Terror der Medien-Bilder, youtube-Filmchen, facebook-Selbsbespiegelungen usw.? Für mich wird das besonders in den Szenen deutlich, wenn Margit Bendokat diese wunderbar banalen und doch über den banalen Alltag hinausreichenden Geschichten vorliest. Dafür braucht man keine Bildungsbürger-Romane. Zum Beispiel liest sie diese melancholische Allegorie von dem Blatt, welches sich, schon ganz braun geworden, im Herbststurm vom Ast eines Baumes löst und auf dem Rücken eines Igels steckenbleibt. Dieser Igel hat mit einem anderen Igel ganz schnell Sex. Doch das Glück währt nicht lange, weil ein Trecker mit seinen großen Scheinwerfern vorbeikommt und das Igelpärchen überfährt. Das klingt beinahe wie aus dem Kinderbuch "Der Maulwurf Grabowski" (für die, welche dieses Buch kennen). Und das ist tatsächlich mehr wert als der Klatschspalten-Mehrwert zum Aussteiger Hotte Köhler, welcher sich angeblich auf wilden Technoparties vergnügt. Kurz: Wir brauchen das Geheimnis des Undarstellbaren bzw. der Imagination möglicher Welten. Wie heisst es dazu noch in Goethes "Faust II"?:
"So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!
Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,
Ihn schau ich an mit wachsendem Entzücken.
Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend
Dann abertausend Strömen sich ergießend,
Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.
Allein wie herrlich diesem Sturm ersprießend,
Wölbt sich des bunten Bogens Wechsel-Dauer,
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,
Umher verbreitend duftig kühle Schauer.
Der spiegelt ab das menschliche Bestreben.
Ihm sinne nach und du begreifst genauer:
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben."
Agneta ? Wegen der Schafe aus den "Kontrakten des Kaufmanns" ??
Hätte ich nicht tun sollen, mich hier zu einem nicht gesehenen Stück zu äußern, wenn
nicht ausdrücklich Grundsätzlicheres thematisiert wird: Asche auf mein Haupt !
Der Abend wird im Mai vermutlich noch laufen: dann werde ich noch einmal darauf eingehen.
Groblebens Rede ist eine "Memento-Mori-Rede" anläßlich einer Hochzeit.
Als eine Art Hochzeitsveranstaltung faßte ich den Abend aus den diversen Schilderungen hier halt auch auf, und dann las ich Ihre feuerwerfenden Zeilen und mußte an diesen großartig gespielten Grobleben aus der alten Buddenbrookver-
filmung mit Hans Jörg Felmy (siehe Arthaus-Collection zu Thomas Mann, die neben dem "Lübecker-Mann-Ring" (Buddenbrooks, Felix Krull, Zauberberg,Doktor Faustus)
noch "Königliche Hoheit" (siehe Delphinenhof ...) enthält -ich schaute die Filme halt im Zuge meiner Lübeck-Vorbereitung(en)) denken -auf youtube gibt es diese Rede
gesondert, vielleicht können Sie dann doch noch schmunzeln-.
Ich vermute hier wirklich eine Art Abschied von den "gitarrenbeflissenen" Stemanns
der letzten Spielzeiten und insofern eben auch eine Art Hochzeit mit dem Theater:
enttäuscht wäre ich insofern erst beim nächsten Konzert dieser Art; ich denke tatsächlich, ein Stemann zu einer jüngeren DramatikerInnenstimme (wie oben angedeutet) wäre höchst konsequent (und ich rechne damit).
Die Form allein der Jelinekabende zuvor noch einmal populärmusikalisch zu befragen, halte ich nicht für uninteressant- vielleicht sollte "Mei potschertes Lebn"
noch integriert werden-, ich würde mir das ansehen/anhören, aber es gibt für meine Begriffe wohl auch Reizvolleres zu entdecken (wie offenbar den Mitchell-Abend
in Köln, immerhin einer Roman-Adaption !, die in der FAZ, beinahe dem Zentralorgan
wider die Romanmode, von Herrn Rossmann in den allerhöchsten Tönen gelobt
wird).
Denn seine Philosophie passt irgendwie besser zu diesem Abend: "Das ist nur Unterhaltung. Das ist Entertainment und nichts mehr".
Also, dazu dann doch noch ein "Wort":
Unterschätzen Sie mir die Raabs, Gottschalks und Jauchs bitte nicht
und schon garnicht das, was Sie leichtfertig ihre "Philosophie"
nennen: Diese Leute halten sich und das, was sie tun, für nicht
weniger als mindestens staatstragend und sich für um Längen für unentbehrlicher als es selbst ein Peymann zuwege brächte, geschweige denn ein Stemann (Mann, stee mir pey...).
Nicht nur, daß "TV Total" als Format im Grunde als direkter Nachfahre des Schwarzen Kanals gehandelt werden könnte, wenn nicht müßte, die kleinen Bildeinspielungen mit den sehr eigenwilligen verfälschenden Texten
dazu, nein, schauen Sie ruhig ein wenig genauer auf Menschen, die einst antraten, das Volk vor Ver-Siegel-ung zu schützen, und nun jegliche Konkurrenz zu Lena auf geradezu stalinistischem Höchstniveau zu verhindern verstehen, daß es nicht plötzlich noch heißt: Taken by a stranger.
Kommt die "feindliche Übernahme" dann doch irgendwann, werden sie quieken wie der Nero Ustinows und vermutlich um einen Schirm bitten, ähnlich dem Bankenschirm: solche Leute, denke ich, sind das, und die dahinterstehende Philosphie sollte man wohl nicht den
Turiner Pferden überlassen, indem "man" sie bagatellisiert..
und: wovon redet ihr eigentlich?
Für mich ist dieser Abend ein Angriff auf die eigenen niederen Gelüste des Publikums, und so hat mich auch das Bühnenbild bzw. diese Showtreppe komischerweise zuallererst an diesen Scheiterhaufen in "Antichrist" von Lars von Trier erinnert. Es verhält sich ja so, dass Nicolas Stemann die Erwartungen der Zuschauer schon von vornherein ent-täuscht, und zwar indem er ihnen anbietet, den Saal jederzeit verlassen zu können. Ausser wohl jenen, welche "sich besser im Griff hätten". Vielleicht geht's genau darum. Um dieses Phänomen, dass wir einerseits Dinge wollen, welche wir nicht können (der bildungsbürgerlich geprägte Zuschauer will, dass der Schauspieler ihm das ideale Leben vorspielt, was er aber in seinem eigenen Alltagsleben nur allzu oft selbst nicht hinkriegt) und andererseits tun, was wir nicht wollen (er verachtet zwar eigentlich diese grenzdebilen RTL-Castingshows im Fernsehen, bleibt im Theater aber dennoch sitzen, wenn ihm genau diese aus der eigenen Wahrnehmung verdrängten bzw. kontingenten Wirklichkeitsentwürfe gespiegelt werden).
Der Zuschauer wird also mit einer anderen Version derselben Realität, wie wir sie zum Beispiel aus der "Gala" (die wir ja wirklich immer nur und ausnahmsweise beim Zahnarzt lesen!) oder diversen Castingshows kennen, konfrontiert. Gerade darüber wird der Raum für die Hinterfragung solcher inszenierter Wirklichkeiten eröffnet, welche uns die eigene Eitelkeit und Sensationslust spiegeln und zugleich den darin liegenden Mangel an utopischer Vorstellungskraft spüren lassen. Jedenfalls ging es mir so.
Zwischendurch kann man sich aber auch einfach mal an dem so betitelten und aber nicht ganz so harmonisch wie nachgefragt gelieferten schönen Liederabend erfreuen. Besonders schön ist zum Beispiel auch dieser Song von Felix Goeser zum "Hausfriedensbruch". Eine Begegnung des Zuschauers mit den eigenen entfremdeten Arbeits- und Lebensbedingungen. Oder: Wenn der Tomatensaft alle ist (warum müssen die über den Wolken, wo die Freiheit so grenzenlos sein soll, auch alle Tomatensaft trinken? Hallo Lifestyle als Gewinnung des Bewusstseinsanteils im Kulturkapitalismus!), dann ist der eben einfach mal alle. Punkt. Aus. Aufhören! Schluss jetzt!
Der "Archetypus Cowboy [...] ist der anarchische Spießer, der konservative Rebell, der wir in der Tiefe unserer Seele alle sind: Wir alle wollen Freiheit und Sicherheit, Wildheit und Kontinuität." (Mathias Horx)
@ Error: Sie gehen wohl nicht viel ins Theater, oder? Ein Liederabend wird im Theater meistens dann angesetzt, wenn man das Haus mal wieder voll bekommen möchte. Gute Unterhaltung zieht immer. Das mögen alle. Oder auch nicht. Aber das Geld ist trotzdem weg. He he. Besonders bekannt in diesem Genre sind zum Beispiel auch die Liederabende Franz Wittenbrink.
Stemann als matter Schlingensief-Epigone.
Bühnenbild, Thema (Kunst-/Sinn-Produktion), Familien-Setting und der Regisseur als Mitspieler stammen aus "Kunst und Gemüse".
Ich fordere den Rücktritt Stemanns vom Amt des Regisseurs wegen Hochstapelei und Plagiarismus.
Bloß nicht hingehen. Sie langweilen sich zu Tode.
And I feel so much smaller;
The moon is twice as lonely
And the stars are half as bright..."
(T.S.Eliot)
Übrigens, ich habe gerade heute in der "SZ" einen interessanten Artikel von Johann Schloemann zum Thema "Partisanen der Erkenntnis" gelesen. Passt vielleicht zu diesem Abend. Schloemann zitiert darin den Philosophen Reinhard Brandt mit folgenden Worten:
"[...] er bietet als Begriffsarbeit eine zentrale These. Sie lautet: 'Erkenntnis unterscheidet sich vom Wissen. (...) Wissen kann passiv absorbiert werden. (...) Erkenntnis ist dagegen eine Tätigkeit.'"
Ja. Genau. Erkenntnis ist wesentlich abhängig von der Position(ierung) des Betrachters. Eine Theateraufführung lebt vor allem von der Wahrnehmung und Reflexionsarbeit des Publikums. Theater generiert keinen Profit, sondern Kommunikation. Und wenn Sie sich zu Tode langweilen, ist das vielleicht ein willkommenes Antidot zum Verzinsungsmotto "Zeit ist Geld".
mit der freiheit in berührung zu kommen..jaja..
leider tut stemann das in einem total abgesicherten, finanziell hoch gepolisterten rahmen und hat von theater-freiheit KEINE ahnunh... hätte er das außerhalb des betriebes geleistet, in irgendeiner abgehalfterten fabrikhalle, ich hätte es geil und mutig gefunden .. so ist es nur eine verhöhnung derjenigen, die so etwas wirklich mal versuchen.. ohne netz und sicheren boden und wahrscheinlich noch super geil bezahlt...und wirkt auf mich nur eine ermüdungserscheiung seines bisherigen konzeptes auf fast faule und traurige weise...- und ist nicht mutig...und nicht lustig... obwohl die schauspieler sichtlich ihre freude hatten... sich auf der probe an seinen ach so scheinbar mutig. verweigernden ideen zu erfreuen bedingt noch nicht , daß auch die zusehenden später das erfreulich finden...- wirklich freiheit sieht fpr mich anders aus, sich selbst in frage stellen.. den betrieb in frage stellen, mal ne zeit was anderes zu riskieren, mit der prämisse, wirklich aus dem betreib herausfallen zu können.. aber dazu ist stemann viel zu ängstlich.. und vielleicht auch berechtigt.. vielleicht fehlt ihm das wahrschienlich wirklich der mut.. aber dann soll er bitteschön nicht mit dem mut und der scheinbaren freiheit flirten..und weiter faust stemmen...
" " fehlen dieses Mal vermutlich beim -wieder aufgetauchten-
"Sebastian Hartmann" (Herr Besserwisser)
Nicht, daß ich mich noch -siehe Hysterie ("Charakteranalyse" Wilhelm Reich , Seiten 194 ff. -kleiner Scherz)- für diesen Hinweis entschuldigen muß, sorry ...: §25 " " ???
das sind leider Leerformeln. Insofern erkenne ich eine geistige Kongenialität mit diesem Abend.
Ich liebe und verehre Erkenntnisprozesse im Theater: wenn aber die Erkenntnis darin besteht, dass hinter der Tür, gar nichts ist (Strindberg: Traumspiel) oder dass der Kaiser gar nichts an hat oder dass der Kopf leer ist, dann ist das tatsächlich schade um die Zeit (und die Menschen/Strindberg). Die anti-ökonomistische Phraseologie mag zwar trendgemäß und mit Recht Zustimmung finden. Es gibt aber zuviele kluge Köpfe und tolles Theater (z.B. Perplex oder Dritte Generation an der Schaubühne), als dass man seine Zeit mit leerlaufender Theater-Routine zwecks monatlichem Gehaltsbezug des Kunstarbeiters verschwende muss. Wenn Herrn Stemann zum Aufhören nichts einfällt, dann ist das sein Privat-Problem. Wer einsam ist, ist selber schuld, hat Ariane Mnouchkine mal gesagt. Das gilt für existenzielle Leere ebenso. Und was wäre das für ein Thema gewesen: Das Aufhören. Kann man aber nicht eben mal so aus dem Ärmel schütteln.
Und noch etwas: Zeit ist Geld? Die Toten haben keine Zeit mehr. Man kann nicht nur Geld "verbrennen", sondern auch Zeit. Kennen Sie "Momo" von Michael Ende? (...)
Und was sagen Sie eigentlich zu den Plagiaten.
Herzliche Grüße
Ihr Guttenberg
Die Plagiate von K.-T. zu Guttenberg zeigen, dass hier die eigene Erkenntnisleistung im Sinne einer individuellen "Schöpfung" bzw. Gestaltung fehlt. Weil der angehende Verteidigungsminister angeblich in einer privaten Krise bzw. Überforderung durch familale Pflichten steckte, hat er nur noch aneinandergeklebt bzw. kleben lassen, anstatt über eigenständige Denkprozesse etwas Neues zu entwickeln. Er steckte offenbar in demselben Burnout, welches durch diese Stemann-Inszenierung thematisiert wird. Hauptsache, der hochgetunte Lebenslauf stimmt. Es geht ja schließlich um den egoistischen Profit, um die Titelsucht der eigenen Karriere.
Theatergeschmäcker sind verschieden. "Perplex" würde ich nicht so hoch handeln (sic!, he he). Die "Dritte Generation" halte ich da schon für relevanter. Und gerade gestern habe ich eine durchschlagende Inszenierung gesehen, "Gertrud", inszeniert von Armin Petras (Maxim Gorki-Theater). Ein unbedingt gelungener Sprung hinein in die geschichtliche Gewordenheit heutiger Frauengenerationen. Das Vergangene ist nicht tot. Es ist nicht einmal vergangen. Oder: "... Weder im Kopf noch im Körper finde ich Antwort. Kirche, Buch, Funktionär, keiner kann sagen, warum wir leben. Ich bin ein anderer in mir, den muss ich fragen." (Einar Schleef)
Aber was hat all dies mit diesem Theaterabend zu tun ? Will Stemann neuer Verteidigungsminister werden ? Wohl kaum. Also wie bringen sie das zusammen, Frau Clara ? - Aber interessant, vor was für einem Hintergrund sie so Kunst denken und von was für einem Standpunkt aus. Rechtschaffenheit, das Einklagen von Wahrheit, alles nur Widerlicher Kram, zu Vernachlässigendes...und dann noch diese waghalsige Verbindung zum Axolotl. Kunst, Wissenschaft alles eins. Da kann man sehen wie eine junge Künstlerin mit schlechtem Beispiel voran geht und welche Wirkung sie damit erzielt.
Ganz ehrlich, ich bin zutiefst davon überzeugt, dass man den Theatern für mindestens ein halbes Jahrzehnt alle Mittel entziehen sollte. Dann wird der Markt sich völlig neu aufstellen. Denn es werden viele von denen die heute staatstragende Protagonisten sind dann überhaupt kein Theater mehr machen und in andere Branchen, wo man freilich ungescholtener plagiieren und lügen kann abwandern. Auch für die Schauspieler würde es eine Zeit der Genesung werden. Denn sie müssten ihrem Publikum anders und neu begegnen. Dann nach fünf Jahren kann man sich ja den Markt neu anschauen und sehen, wenn man fördern möchte. Aber so. Wenn die Theater nur noch solche Zuschauer, wie sie haben, macht es doch keinen Sinn mehr. Oder ? Warum weiterhin diesen Haufen stützen, der über weite Strecken, von wenigen Ausnahmen mal abgesehen, nur ein taktisches Verhältniss zur Wahrheit pflegt ?
auch sie sitzen der propaganda auf...zuerst wurde die bundeswehr affäre, erinnern sie sich an gocrhc fock? - festgestellt, guttenberg hat einige entlassen,..die leute hatten angst, daß die bundeswehr reformiert wird..und plötzlich findet jmd fehler in der doktorarbeit..nun redet niemand mehr vond er bundeswehr reform und dem skandal, der endlich mal nach so vielen jahren im sumpf des bundes schwelte..(unfähige, alkoholkranke, machtbessene offiziere, haarsträubende behandlung der soldaten), sondern alle reden über fußnoten, tolles ablenkungsmanöver..und KEINER merkts!! oder will es merken!! sind die medien soooo blöd?? und gorch fock..bremen..und eine bremer professor findet die fu0noten!!! ..wenn das kenen zusammenhang hat...also...ich finde das widerlich..
das hat nichts mit den fähigkeiten einer beurteilung auf seiten herrrn guttenbergs zu tun,..sondern ausschließlich mit propagande..und selbst sie, der mir als kluger kopf erscheint..fallen drauf rein...ohjeee..und , wie gesagt, ich bin sonst eher links..aber in diesem falle muß man mit gesundem menschenverstand und klarsicht agieren..#was das mit stemann und seinem werkchen zu tun hat?#
nicht so viel..vielleicht mit dem versuch, es sich durch angebliche erneuerung von der tatsache abzulenken, daß jemand mal einfach keine lust hatte, in der tiefe zu bohren..und etwas propagiert hat, was er eigentlich nicht vertreten kann (wie bei guttenbergs kritiker, die doch nicht ihn meinen, sondenr verhindern wollen , daß da dinge anslicht kommen, die nicht ans licht kommen sollen...wikileaks phobie läßt grüßen)
aber nun, ja, sie haben recht, sollte diese debatte nicht hier, sondern in einem politikforum geführt werden, ich glaube, ich muß man wieder coriolan auf die bühne bringen...dann können wir gerne weiterdiskutieren..
Oh je. Jetzt bin ich Opfer meiner eigenen Legende geworden. Das Problem der Ironie. Wen sie wörtlich, statt metaphorisch genommen wird, hebelt man sie aus.
Ich wollte hier keine Guttenberg-Debatte anstoßen, sondern wissen: Wie stehen Sie zu Stemanns Plagiaten?
Sicher fördert die "Finanzialisierung" des Lebens die Produktion von Leerformeln, Plagiaten und Windeiern. Aber der Markt spornt bekanntermaßen auch den Erfindergeist an. Vom Erfinder des Buchdruckes bis zum Erfinder von Facebook. Der Marxist Arnold Hauser geht in seiner "Sozialgeschichte der Kunst und Literatur" sogar so weit, zu behaupten, der Begriff künstlerischer Originalität (Unverwechselbarkeit) sei im Florenz der beginnenden Renaissance überhaupt nur deshalb entstanden, weil die um Aufträge und Absatz konkurrierenden Malerwerkstätten sich von einander abheben musste, um im Wettbewerb zu "gewinnen".
Ich kann in Stemanns "Aufhören" leider nur müde Routine und Ironie-Routine entdecken. Ich kann nicht entdecken, dass die Aufführung den "Burnout" thematisiert. Sie ist sein Phänomen. Wie toll hat Schlingensief diesen Burnout in "Kunst und Gemüse" auf das Theater gebracht: indem er sämtliche Kunstproduktionstechniken der Avantgarde durchexerziert hat und damit zeigte, dass es immer nur Nachahmung, Epigonentum, nie Avantgarde ist. Wo ist bei Stemann dieser Kipp-Punkt? Er stellt nur den Schlingensief noch einmal auf die Bühne. Und zwar viel schlechter. Und ohne sich mit dem Problem des Fakes auseinander zu setzen.
Wenn es ihm um Ökonomisierung der Kunst ginge, dann hätte er in dieser Inszenierung mit seinen Kontoauszügen spielen müssen, hätte sagen müssen, wieviele Inszenierungen im Jahr er machen muss, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, wieviel Zeit er dafür braucht, wie ihm seine Ideen unter diesen Umständen kommen oder nicht kommen usw. Fassbinder hat Ähnliches 1969 oder so mit Goldonis Kaffehaus mal gemacht (bezogen auf menschliche Beziehungen, deren Rendite ständig durch gerechnet wurden). Uwe Johnson hat in seiner grandiosen Büchner-Preis-Rede mal vorgerechnet, wieviel Leben und Kunst die Preissumme ermöglicht/generiert. Verglichen mit solchen Giganten spürte ich von einer Ökonomie-Kritik in Stemanns Aufhören kaum einen Hauch.
Guttenberg
Jetzt kann man weitergehen und sich fragen, ob wir es im aktuellen Kontext nicht längst mit einer Verwischung der Grenzen zwischen den ausdifferenzierten Teilsystemen der Gesellschaft zu tun haben. Das heisst zum Beispiel: Was schwingt da mit, wenn heute in der politischen Debatte von der "Systemrelevanz" der Kunst gesprochen wird? Worum geht es umgekehrt, wenn die Politik bzw. die Öffentlichkeit (wie zum Beispiel im Fall Guttenberg) sich mehr um das Bild, um das Image, kurz: um die Selbstinszenierung ihrer Politiker Sorgen macht als um deren eigentliche politische Aufgabe?
In meiner Wahrnehmung thematisiert Stemann den Widerspruch, dass das Kunstsystem mitsamt seiner Sinn-Produktion von real existierenden und/oder verschleierten Verantwortlichkeiten ablenken und diese zugleich kritisch beleuchten soll. Das Kunstsystem soll immer wieder Neues bzw. neue Aufmerksamkeit produzieren und zugleich das repräsentative Gesamtsystem am Laufen halten. Und wie wir alle beobachten können, ist auch die Kritik am System längst zum Marketingprodukt mutiert. Oder: Ich zieh mir ein T-Shirt mit dem RAF-Symbol drauf an, und schon bin ich voll dagegen.
Es stellt sich also die Frage: Wie kann die Kunst Vergangenes wieder-holen, ohne in der Reproduktion des Immer-schon-da-gewesenen bzw. der stickigen Werktreue zu verharren? Natürlich bezieht sich die Kunst immer auch auf ihre künstlerischen Vorläufer, und so bezieht sich Stemann vielleicht auch auf Schlingensief (wobei ich diesen Bezug gar nicht so sehr gesehen habe). Vielleicht bezieht sich Stemann aber auch eher auf den Markt-Mechanismus rund um Schlingensiefs Leben (und seinen Tod). Anders gefragt: Ist es der Erinnerung an Schlingensiefs künstlerisches Werk nicht eher hinderlich, wenn man ihn jetzt, nach seinem Tod, zum staatstragenden Künstler stilisiert, was er zu Lebzeiten mit Sicherheit gerade nicht sein wollte? Erweckt Schlingesiefs künstlerische Ideen zu neuem Leben, aber vermarktet ihn nicht zu Tode! Oh Gott.
Da sich nun doch wieder einer zum Club der Zurückgetretenen gesellt hat, sollte Nicolas Stemann unbedingt noch bis zur Vorstellung am 1. April, als kleinen Scherz sozusagen, ein jetzt schlägt`s 13 allerletztes Lied in sein Programm aufnehmen. Ich mach da schon mal einen Vorschlag und es hat mir diebisches Vergnügen bereitet, ganz in Hegemann- und Guttenbergscher Manier, das Internet zu durchforsten, um den ultimativen Rücktrittssong zu finden, ihn auseinander zu dröseln und mit etwas eigenem Hirnschmalz neu zusammenzukleben. Sicherheitshalber habe ich einige Fußnoten eingefügt, um nicht auch noch in Rücktrittsnöte zu kommen. Alle die ich eventuell, natürlich in totalem Stress und zwiegespaltener Doppelbelastung, vergessen habe, bitte ich um Vergebung. Aber man hat ja schon (Turiner) Pferde kotzen sehen, denen man auch noch (silberne) Bären aufgebunden hat.
Besonderer Dank gilt natürlich Prof. Dr. Dr. C. W. Müller für dieses schöne Kleinod politischer Kabarettkunst, das mir als Vorlage diente.
ZURÜCKTRETEN BITTE
Waltz with KT
Text (1) geändert, Kehrreim original nach: Stud. phil. Carl Wolfgang Müller (2), 1953
Musik (wechselnd zwischen schnellem Foxtrott und langsamem Walzertakt): Willi Lechler (3)
Stephanie läßt sich scheiden heut’,
Nach zehnjähriger Ehezeit,
Da zieht sie endlich aus.
Der Doktor war nur copy ’n’ paste.
Wer weiß woher der Freiherr ist?
Nun ist die Sache raus.
Und KT steht allein am Bahnsteig 3,
Und der Kairos der alles bezwingt ist vorbei,
Und KT mit sehr viel Herzblut klagt.
Doch die Zeit läuft ab und Chronos sagt:
Zurücktreten bitte,
Zurücktreten bitte,
Der Zug, der fährt gleich ab (gleich ab).
Zurücktreten bitte,
Zurücktreten bitte,
Ich hebe jetzt den Stab (den Stab),
Die Türen schließen
Und Vorsicht am Zug
Wir haben Verspätung,
Wir haben genug.
Wir fahren jeden Augenblick,
Drum, treten Sie bitte zurück.
Drum KT, zack zack,
macht uns den Schmubarak.
Deutschland an vielen Fronten steht,
Nur ein gegelten Haarschopf geht.
Wird es für immer sein?
Sein oder Nichtsein, so wird geblufft,
KT hat es noch immer geschafft,
Grüß Gott, zur Hintertür herein.
Und KT steht weiter auf Bahnsteig 3
Und sagt uns Adieu und wie kraftlos er sei,
Erst Kundus, Gorch Fock, dann Wehrdienst a.D.
Und Chronos mit der roten Mütze ruft: “Geh!”
Zurücktreten bitte,
Zurücktreten bitte,
Wir fahrn alleine ab (ja ab).
Zurücktreten bitte,
Zurücktreten bitte,
Ich hebe jetzt den Stab (den Stab).
Die Türen schließen
Und Vorsicht am Zug.
Es tut uns leid,
Doch wir haben genug.
Wir fahren jeden Augenblick,
Und KT der tritt zurück.
So geht das alte Lied,
Zurück ins 2. Glied.
Fußnoten:
(1): Originaltext gefunden in Der Spiegel 35/1953
(2): Carl Wolfgang Müller ist heute u.a. Dr. phil. in Publizistik- und Theaterwissenschaft sowie Germanistik, emeritierter Professor für Erziehungswissenschaften und Sozialpädagogik der TU Berlin (geb. 12. 11.1928 in Dresden). Er studierte bis 1956 an der FU Berlin und schrieb Kabaretttexte und politische Gassenhauer. (Quelle: Wikipedia)
(3) Zum Komponisten sind keine weiteren Angaben verfügbar.
„Irgendwann sitzen wir alle in Bayreuth beisammen und begreifen gar nicht mehr, wie wir es anderswo aushalten konnten.“ - Friedrich Nietzsche
Aus dem Werbevideo der Uni Bayreuth auf YouTube.
(Komplette Kritik: stage-and-screen.blogspot.com/)
Jeder, der das Theater leid ist, sollte dahin gehen, die andern können ruhig zu Hause bleiben.
bezeichnet sein
kann mir das einmal einer erklären
Gute Idee. Aber wo kann man denn in Wahnsinn promovieren?