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Die übergroßen Fußstapfen des Matthias Lilienthal

Berlin, 21. Februar 2011. Wie die Berliner Zeitung (21.2.2011) berichtet, ist der "Stellenpoker" um die Nachfolge von Matthias Lilienthal als Leiter des Berliner Hebbel am Ufer (HAU) angelaufen. Die Position ist ab dem Sommer 2012 vakant. Gemeinsam beworben haben sich darauf nun Shermin Langhoff, Leiterin des Ballhaus Naunynstraße, und Jens Hillje, ehemaliger Dramaturg der Berliner Schaubühne und Co-Autor von Nurkan Erpulats Erfolgsproduktion Verrücktes Blut, die von Langhoffs Kreuzberger Theater koproduziert wurde. Die Bewerber werden derzeit geprüft, eine Entscheidung soll es spätestens im Frühjahr geben.

Nach Ansicht von Michaela Schlagenwerth von der Berliner Zeitung steht damit einiges auf dem Spiel. Das HAU habe sich unter Lilienthal "zu dem internationalen Gastspielort in der Stadt entwickelt", der Künstler nicht nur zeige, sondern "auch Künstler macht, sie fördert, begleitet, mit Themen konfrontiert". Wer solle nun "in die übergroßen Fußstapfen Lilienthals treten? Sollte es nicht möglichst jemand sein, der das starke, noch frische Lilienthal-Konzept weiterführt, statt alles neu und vermutlich eher kleiner und schlechter zu machen?", fragt Schlagenwerth. Langhoff, die am 27. Februar auch mit dem Europäischen KAIROS-Kulturpreis ausgezeichnet wird, ist ihrer Meinung nach zwar "eine toughe, gut vernetzte Theaterdirektorin", allerdings seien die Ballhaus-Produktionen ästhetisch "nicht besonders von Belang", was letztlich auch für das gerade zum Theatertreffen eingeladene "Verrückte Blut" gelte. Das Ballhaus mache bislang "Kieztheater mit enormem soziokulturellen Wert, will sich aber nicht darauf reduzieren lassen". Das "eher gesellschaftspolitische und weniger ästhetische Konzept eines 'postmigrantischen Theaters'", für das Langhoff und Hillje stehen, reiche für das HAU allerdings nicht aus.

www.ballhausnaunynstrasse.de

www.hebbel-am-ufer.de

(Berliner Zeitung / ape)

 

Nachtkritiken zu den Ballhaus-Produktionen Der Besuch (R: Hakan Savas Mican, 12/2008), Verrücktes Blut (R: Nurkan Erpulat, 9/2010) und Warten auf Adam Spielmann (R: Hakan Savas Mican, 7/2010).

 

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Kommentare  
HAU-Bewerbung: HAU ohne Lilienthal geht nicht
HAU ohne Matthias Lilienthal ist nicht möglich. Eine Fortsetzung kann es nicht geben, da der Macher Matthias Lilienthal geht, und das HAU nur durch Matthias Lilienthal zum HAU wurde. Also etwas Neues muss her. Nur das HAU wird's nicht mehr sein.
HAU-Bewerbung: vorurteilsbehaftete Vermutungen
fragt sich, woher frau schlagenwerth die gewissheit nimmt, eine leitung unter langhoff/hillje "verpflanze und erweiterte" das bisherige ballhaus unmittelbar ins hau, wie sie es in ihrem artikel zu verstehen gibt. meiner meinung nach hat matthias lilienthal auch die volksbühne am rosa-luxemburg-platz stehen lassen als er nach kreuzberg ging. allein schon aufgrund der tatsache, daß drei spielstätten zur vefügung stehen werden und versorgt sein müssen, kann ich mich derartigen vermutungen nicht anschliessen - unabhängig davon, dass sowohl frau langhoff, als auch herr hillje bereits in anderen zusammenhängen ihre fähigkeiten unter beweis gestellt haben und es schließlich die einzuladenden künstler und künstlerinnen sein werden, die für die "ästhetische konzeptionierung" ihrer jeweiligen arbeit verantwortlich sind, nicht das leitungsteam. unter lilienthal hat das hau auch nie eine homogene ästhetik vertreten, wie sollte es auch, es war und ist bisher primär gastspielstätte - mit wenigen ausnahmen. zum beispiel eigenproduktionen von nurkan erpulat, der von der autorin nun eindeutig dem ballhaus und somit -aus wie auch immer gearteten ressentiments heraus - dem statusunterlegenem "kieztheater" im vergleich zu "dem internationalen gastspielort" der stadt, zuzurechnen ist. es tut mir leid, aber je mehr ich darüber nachdenke, desto vorurteilsbehafteter und unverschämter in seiner schlußfolgerung liest sich der agitatorische artikel der frau schlagenwerth.
HAU-Bewerbung: lieber Schlewitt oder Malzacher
Himmel hilf, bitte nicht Shermin Langhoff an's HAU! Das hätte auch nichts mit Lilienthal-Linie weiterführen zu tun. Kaum einmal zum bräsigen Theatertreffen eingeladen, glaubt man gleich den Place To Be in der deutschen Gastspieltheater-Landschaft entern zu können. Da braucht's unbedingt jemanden mit mehr Format und künstlerischer Reichweite und vor allem auch Erfahrung. Viel besser und passender wären da etwa Carena Schlewitt (Kaserne Basel) oder Florian Malzacher (Steirischer Herbst).
HAU-Bewerbung: Hillje hat Leitungserfahrung
jens hillje war doch 10jahre gemeinsam mit ostermeier leiter der schaubühne, vielleicht dürfte das als ausweis von leitungserfahrung ausreichen? die arbeit von shermin langhoff kann ich zuwenig beurteilen, aber wie sie das ballhaus öffentlich positioniert hat, spricht doch nun auch für sie.
HAU-Bewerbung: Deuflhard
Wer fragt Frau Deuflhard auf Kampnagel, ob sie zurück nach Berlin kommt?
HAU-Bewerbung: Wo ist das Problem?
finde jetzt erstmal "eher gesellschaftspolitisch als ästhetisch" nicht wirklich ein problem. was schreibt die frau da?
der eine geht, was neues kommt und punkt. und wer auch immer letztenendes das rennen macht, wird hoffentlich ein eigenes neues konzept mitbringen und nicht einfach versuchen dem alten hinterher zu rennen.
HAU-Bewerbung: Wieso steht das in der Zeitung?
eine frage ist ja auch, warum das ganze eigentlich in der zeitung steht?? normalerweise würde es bewerbern ja eher schaden...
HAU-Bewerbung: das dauert zu lang
Könnte Nachtkritik nicht mal die "beste künstlerische Leitung" für das HAU nominieren? Das dauert mir etwas zu lang mit der Nachfolgeentscheidung....und diese Gerüchte...oh je...
HAU-Bewerbung: mehr als nur schlechter Stil
zu 7.: Ja, das habe ich mich auch gefragt. Noch zumal es äußerst schwammig heißt: "... so war nun zu erfahren ...". Sollten die Ballhäusler diese Nachricht selbst lanciert haben, dann haben sie sich innerhalb kurzer Zeit ein zweites Mal heftig ins eigene Knie geschossen. Denn wenn Frau Langhoff und Herr Hillje abgelehnt werden, dann wäre das ein enormer Image-Verlust. Für weitere Bewerbungen an anderer Stelle - keine gute Referenz!
Die Geschichte mit der abgelehnten Einladung und der fadenscheinigen Begründung war schon ungut genug. Immerhin haben sie damit erfahrene Juroren und Festivalmacher brüskiert.
Sollte jemand aus der "Findungskommission" für Lilienthals Nachfolge "gequatscht" haben, wäre das mehr als nur schlechter Stil. Wie man es auch dreht und wendet, ein Pokerspiel, wie es Frau Schlagenwerth in ihrem journalistisch sehr fragwürdigen Artikel schreibt, ist das sicher nicht, denn da könnte jeder sein Gesicht wahren bis die Karten auf dem Tisch liegen.
Darüber hinaus würde mich interessieren, was M. Schlagenwerth geritten hat, sich zu diesen Einschätzungen hinreißen zu lassen.
Sätze wie dieser entbehren doch jeder Realität: "Denn zurzeit wird man im Theaterbetrieb dank migrantischer Herkunft nicht benachteiligt, sondern bevorzugt ..."
Und was soll dieser?: "Regisseure wie Nurkan Erpulat, der ein solides, aber sicher kein Ausnahmetalent ist, schaffen direkt von hier den Sprung in die deutschen Stadttheater." - Beworben haben sich doch J.Hillje und Sh. Langhoff und nicht N. Erpulat. Und sicher haben sich díe beiden mit einem Ernst zunehmenden Konzept beworben - hatte Frau Schlagenwerth da etwa Einblick.
Ich finde es schade, daß die Redaktion von nachtkritik.de so unkommentiert aus dem Artikel aus der Berliner hier eine Meldung macht.
HAU-Bewerbung: Vermutung
@7) Naja, ein paar Tage vorher hat Jens Hillje Michaela Schlagenwerth ein Interview in der Berliner Zeitung gegeben. Vielleicht hat er da unabsichtlich oder nicht etwas preisgegeben, was M. Schl. jetzt verwertet hat.
HAU-Bewerbung: so funktioniert das Spiel
Das Interssante an der Neubesetzung des HAU ist auch die Frage, wie der Senat mit all den von ihm geförderten Gruppen umzugehen gedenkt, die im HAU ihre einzige Spielstätte in Berlin haben. Da findet sich eine ganze Liste von basisgeförderten Companies, deren Basis in diesem Fall mitverhandelt wird. Wer auch immer das Rennen macht, muss sich neu profilieren - so funktioniert das Spiel. Aber wie will der Senat den Gruppen die Förder-Auflage, Premieren in Berlin zu veranstalten, weiterhin ermöglichen? catch-22...
PS: Gibt es überhaupt eine Findungskommission?
HAU-Bewerbung: das können viele
Wozu die ganze Hektik ?

Wer Herrn Lilienthal für einen Mann hält, der große Fußstapfen hinterläßt, sollte nicht kleinmütig werden und vermuten, daß dieser
so garnichts zu seiner Nachfolge beizutragen hätte, daß dieser nicht besonnen mit dem Thema seiner Nachfolge umgehen würde.
Ich denke, er gibt in dieser Hinsicht wenig auf Gerüchte oder auf
irgendeinen Aufhänger, anderweitig gelagerte Konflikte auf dem Rücken seiner NachfolgerInnenentscheidung auszutragen.
Es kommen immer einige Handschriften in Frage, und es sähen immer bestimmte Leute andere bestimmte Leute gerne auf so einem Posten,
klar: aber insgesamt sollte meineserachtens Einigkeit darüber herrschen, daß es allemal besser wäre, vom kindischen Rufen nach den Strahlkräftigen, den "Führerpersönlichkeiten" ein wenig weg
zu kommen: Soetwas wie den "Steirischen Herbst" stellen viele verschiedene Leute auf die Beine, ein Team um Herrn Malzacher zum
Beispiel: mit anderen Worten - ich sehe irgendwie keinen Mangel an Leuten, die das machen könnten, noch nicht einmal aus meiner "Laienperspektive". Wer jetzt immernoch nicht Ruhe bewahren und kräftig durchzuatmen vermag, kann ja von mir aus noch die Personalie Claude-Oliver Rudolph ventilieren: der ist es ja nicht in HH geworden, steht also möglicherweise für das vergleichsweise kleine HAU an (frei nach dem kürzlich gelesenen Motto: "X wurde schon bei diversen Entscheidungen übergangen" -klingt immer so, als gäbe es dafür nen Masterplan ...).
HAU-Bewerbungen: es gibt nicht so viele
@12 Das war kein Motto, sondern eine Feststellung, dass X nicht berufen wurde, obwohl sie äußerst geeignet gewesen wäre (möglicherweise wie andere auch). Und sicher gibt es keinen Masterplan (unnötig zu sagen!), aber eine Menge nicht immer leicht nachvollziehbarer Personalentscheidungen. Und ganz nebenbei, auch wenn es kulturpessimistich klingt: So viele überragende Häuser gibt es derzeit nicht, da schwächeln selbst große Namen. Die Berufung Karin Beiers macht, wie ich finde, einiges deutlich: Aus Hamburger Sicht ist die Entscheidung verständlich, da wollte man nach den schwierigen Jahren des Hauses auf Nummer sicher gehen, und Karin Beier ist die Herausforderung mit Sicherheit zu gönnen. Man mag die Hamburger Entscheidung anderseits aber ängstlich nennen und typisch für Berufungen im deutschen Raum und auch hinsichtlich einer lebendigen Theaterlandschaft bedauern. Anders als Sie behaupten, glaube ich aber nicht, dass es sehr viel geeigneten "Nachwuchs" bei Berufungen gibt und da liegt dann oft auch das Problem. Nicht jeder gute Dramaturg oder Regisseur, der dann berufen wird, ist eben auch ein guter Festival- oder Theaterleiter. Es ist schade, dass es im Theatersystem keine wirkliche Nachwuchsförderung für die Leitungsebene gibt und dass es an vielen Häusern auch die Trennung in einen kaufmännischen und einen künstlerischen Bereich gibt, macht es nicht leichter (wobei mir der Controllinggedanke einleuchtet; die Kunstseite sich aber mitunter zu sehr auf ihre Kunst konzentriert und kein Regulativ hat für die eigene Arbeit; äußere Bewertung etwa durch Kritiken lässt man nur zu, wenn sie gut ist, ansonsten hat es der Kritiker nicht verstanden oder gehört sowieso irgendeiner Gesinnungsmafia an; und bevor Sie etwas einwenden: Ich weiss, Kunst ist nicht planbar, aber die Begleitumstände, und damit recht viel, schon). S. Schwarz war es, der meinte, dass Theater an Stadttheatern zu oft scheitert. Dem kann ich nur zustimmen.
Hau-Bewerbung: das ein oder andere mitgegeben
Entschuldigen Sie, das Hamburger Beispiel unter "Motto" zu fassen, war sicherlich vorschnell gegenüber diesem Einzelfall, und kommt dann freilich flapsig bis zynisch rüber: dabei hätte ich Frau Carp in HH sehr gerne gesehen !
Ich freue mich, ehrlich gesagt, daß Sie an dieser Stelle eingehender auf die Ursachen dafür zu spechen kommen, warum es vielleicht letztlich doch nicht so viele Bewerber geben mag, die für das HAU in Frage kommen, wie von mir mehr angenommen und gehofft als letztlich behauptet (für ein Behauptung weiß ich schlichtweg nicht genug, nur wehre ich mich lieber einmal zuviel als einmal zu wenig gegen allerlei Engführungen bzw. Alternativlos-darstellungen)).
Ich denke allerdings weiterhin, daß, wenn Herr Lilienthal selbst den Eindruck hätte, keiner könne hier nur annährend ähnlich gute Arbeit leisten, er jetzt nicht aufhören würde mitsamt der Ankündigung, woanders (im Stadttheater vielleicht) weiterzumachen;
im übrigen wird er in seinem Umkreis so gewirkt haben, daß er Vieles auch weitergegeben haben dürfte (mir selbst haben gute Lehrer auch das Eine oder Andere in anderen Bereichen mitgegeben, ohne daß ich ihnen und/oder mir es gerade leicht gemacht hätte, das läßt mich immerhin hoffen): im übrigen ist ja in diesem Thread auch schon der eine oder andere Name gefallen, der nicht sofort Abwehrreaktionen bei mir erzeugt: will sagen, ich bin sowohl für die Nachfolge in Köln, wieso eigentlich nicht dort Frau Carp ??,
als auch für diejenige am HAU eher zuversichtlich gestimmt.
Die Nachfolge in Köln tritt dann in ein hoffentlich spannungsreiches Verhältnis zum Nachbarn Holm in Düsseldof, und die Nachfolge in Berlin trifft auf eine neue Leitung der Berliner Festspiele, an "Flamenfreunden" wird es also auch in Berlin kaum
mangeln..
HAU-Bewerbung: Zweifel an der Kulturpolitik
@14 Das ist ein interessanter Punkt, es wäre gar nicht schlecht, wenn es jemand aus dem Umfeld von M. Lilienthal sein würde. Das wäre ja eine Art Nachwuchsförderung. Laut Kölner Express steht in Köln übrigens Merkwürdiges bevor: http://www.express.de/regional/koeln/laufenberg-wird-generalintendant/-/2856/7318724/-/index.html
Da kommen schon Zweifel an der Kulturpolitik, wenn das so zutrifft.
HAU-Bewerbung: Neues entstehen lassen
Ich kann auch nur darum bitten, dass in Berlin nicht alles so weiter läuft wie eh und je, und das eine öffentliche Position mit einer anderen Person, die ebenfalls eine solche begleitet ersetzt wird, das haben wir in anderen Kulturbetrieben, wie den KW, NGBK und nun sogar der Kunsthochschule Weissensee schon zur Genüge.
Wir brauchen keine guten Kulturpolitiker in unseren Institutionen sondern Menschen mit Visionen, die in der Lage sind über ihre eigenen Bedürfnisse und Anliegen hinaus zu blicken und Neues entstehen zu lassen.
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