Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern richtet Theater zugrunde

Politisch verordnete Theaterinsolvenz

Angesichts der Berichterstattung in der lokalen Presse am 17. und 25. März 2011 zur Unterfinanzierung und drohenden Insolvenz des Mecklenburgischen Staatstheaters, die mit großer Sorge und Bestürzung vom Betriebsrat zur Kenntnis genommen wurde, ist aus unserer Sicht klar, dass Bildungsminister Henry Tesch auf ganzer Linie versagt hat. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses sind in Aufruhr, denn eines der bundesweit erfolgreichsten Theater droht eine Abstrafung in Form einer Insolvenz, nur weil die Landesregierung ihre Zuschüsse seit 1994 eingefroren hat.

Was Bildungsminister Henry Tesch durch die nochmals um neun Jahre gedeckelten Zuschüsse als Planungssicherheit für die Theater in M-V verkauft, bedeutet nichts anderes als Arbeitsplatzabbau im großen Stil. So müssen nach Berechnungen seines Bildungsministeriums ca. 350 Arbeitsplätze bis 2020 wegfallen das bedeutet, ein Viertel aller derzeitigen Theatermitarbeiter im Land. Nur offiziell wird das nicht bekannt gegeben.

Eine Theaterreform an der die Landesregierung mit vielen hochbezahlten Fachkräften über viele Jahre gefeilt hat, ist gescheitert. Milliarden werden für marode Banken aufgebracht, Ministerien lassen sich von sogenannten Investoren täuschen, um Millionenbeträge in dunkle Kanäle versickern zu lassen, Jachthafenresidenzen werden subventioniert, Flughafenbetreiber wird der Kaufpreis erlassen, aber für den soliden Wirtschaftszweig Theater, der seit Jahrzehnten in der Landeshauptstadt funktioniert und nachweislich zahlungskräftige Kundschaft ins Land holt, ist nicht ausreichend Geld da?

Die Statements des Ministerpräsidenten sind Zynismus pur

Ministerpräsident Erwin Sellering lobte erst kürzlich im Rahmen einer Festveranstaltung der Theaterfreunde, die großartigen Erfolge und die besondere Ausstrahlung des Mecklenburgischen Staatstheaters und seiner Freunde auch über die Landesgrenzen hinaus. Man denke nur an die Einladung des Schweriner Schauspiels zum Berliner Theatertreffen die einem Theater-Oskar gleichkommt. War dem MP da bewusst, dass einigen dieser Schauspieler nun die Kündigung droht? Weiß Herr Sellering nicht, was in seinem Land vorgeht? Da sind uns die Politiker in Hamburg doch um einiges voraus. Der Kulturetat wurde zukunftsweisend erhöht und künftige Tarifsteigerungen werden auch übernommen.

Landesrechnungshof liefert absurde Vorschläge

Nicht nur die Landesregierung macht sich lächerlich in der gesamten Republik. Auch der Landesrechnungshof kommt mit so absurden Ideen, wie das Rostocker Volkstheater, dessen Großes Haus derzeit geschlossen ist, mit Schwerin fusionieren zu lassen. Eine nachweislich gute, gewachsene Struktur wie in Schwerin soll mit einem Haus in einer 100 Kilometer entfernten Stadt zusammenkommen, die ihr Theater über Jahre hinweg bereits zugrunde gerichtet hat? Mit solch Vorschlägen von Menschen, die von Theaterarbeit keine Ahnung haben, kann man sich nur lächerlich machen.

Ein Gespenst geht um in M-V

Eine Kündigungswelle wird unaufhaltsam und fast unbemerkt von Bürgerschaften und Stadtvertretungen durch die Theater gehen. Leiden werden in erster Linie die Menschen, die in die Arbeitslosigkeit gehen. Von einer lebendigen Theaterkultur in M-V, einem Land, das sich den Tourismus und die Kultur als eines ihrer wichtigsten Güter auf die Fahnen schreibt, wird man bald nicht mehr reden.

 

Schwerin 27. März 2011

Andreas Fritsch

Betriebsratsvorsitzender

Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin gGmbH

Kontakt: andreas.fritsch@theater-schwerin.de

mehr porträt & reportage

Kommentare  
Erklärung des Betriebsrats in Schwerin: konzertierte Zerstörungsaktion
Liest man die Meldungen, die sich allein auf dieser Seite über die Theater in Mecklenburg-Vorpommern finden (Schwerin, Rostock, Greifswald/Stralsund, Neustrelitz/Neubrandenburg, Anklam), drängt sich nicht nur mehr der Verdacht auf, sondern muss endlich als begründet öffentlich ausgesprochen werden: Hier arbeiten Landesregierung und Kommunen in Absprache und planmäßig an der Zerstörung der Theaterlandschaft. Wie unverhüllt von Woche zu Woche mal hier und mal dort ein Insolvenzverfahren angedroht wird, dass sich selbstverständlich nur durch Personalabbau abwenden ließe, wie Spielstätten aus "technischen" Gründen geschlossen werden, um wenig später erneut die alten abstrusen Fusionsphantasien medial zu streuen, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten.
Diesen Vorgängen kommt allerdings das entsolidarisierte Verhältnis zwischen den Theatern in MP nur entgegen. Die jahrelange kooperative Zermürbungstaktik der Landesregierung und der Kommunen wird aufgehen, wenn es den Theaterschaffenden in MP nicht gelingt, jede Gefährdung der benachbarten Theater auch als eine gemeinsame Bedrohung wahrzunehmen, die einzig kollektiv bekämpft werden kann.

Tobias Sosinka
Kommentar schreiben