Presseschau vom 29. März 2011 – Die Frankfurter Rundschau über das grüne Schauspiel Hannover

Theaterdampfer auf ökologischem Kurs

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Theaterdampfer auf ökologischem Kurs

29. März 2011. Peter Michalzik schreibt, im Zuge der allgemeinen Grünen-Konjunktur nach dem Wahlsieg der Partei bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, in der Frankfurter Rundschau (29.3.2011) über das Schauspiel Hannover als das "erste grüne Theater Deutschlands".

Seit eineinhalb Spielzeiten verfolge das Schauspiel Hannover einen "ökologischen Kurs". Das sei nicht immer einfach. Lars-Ole Walburg: "Ein Teil des Publikums stand kurz davor, sich von uns abzuwenden, die Hannoveraner waren der Meinung, was wir machen, sei hermetisch und elitär. Die Einschätzung 'Die machen eh nur politisches Theater, da brauchst du nicht mehr hingehen’, drohte sich zu verfestigen. Und in gewisser Weise hatten sie ja Recht. Wir haben in der ersten Spielzeit gearbeitet wie die Berserker und darüber fast vergessen, mit dem Publikum zu kommunizieren."

Negt, Kuttner und ukrainische Liquidatoren

Das Theater in Hannover sei, so Michalzik weiter, "ohne Zweifel politisch". Man kooperiere mit Greenpeace und lokalen Bürgerinitiativen und mache Theater ohne Stars, dafür mit "deutlich erkennbarem inhaltlich-gesellschaftlichem Anliegen". Überregionale Kritik bleibe bisher aus [bis auf, naturgemäß, nachtkritik.de]. Oskar Negt trete hier auf, der philosophierende Redner Jürgen Kuttner und im April "überlebende ukrainische Liquidatoren". Hauptsächlich jedoch biete Hannover das übliche Programm eines Stadttheaters mit Klassikern, Songspiel und Gegenwartsautoren.

Doch "die Rückkehr des Theaters in den sozialen Raum" schaffe Probleme mit der Politik. Als im September ein Hüttendorf auf dem Ballhofplatz errichtet worden sei unter der Überschrift "Republik Freies Wendland – Reaktiviert" fragte die CDU, ob hier etwa Subventionen für "zivilen Ungehorsam" ausgegeben würden. "Unverblümt" wurde da die Auffassung vertreten, dass "Politik nichts im Theater verloren" habe. Man witterte "übelste Indoktrination" auf Staatskosten. Das Konzept "Geschichten und Konstellationen vor Ort" aufzugreifen, fördere eben auch "verdeckte Widersprüche zutage". Inzwischen habe sich die Lage in Hannover entspannt. Die Zuschauerzahlen stiegen kontinuierlich.

Politischer Brei

Trotzdem knirscht es weiter zwischen Politik und Theater. Man sehe dies auf allen Ebenen am neuen Projekt von Hans-Werner Krösinger "Unternehmen Hunger". Dessen Arbeit sei so "ambitioniert und vielversprechend wie gescheitert und überflüssig". Krösinger sei ein "hervorragender Rechercheur", der aber seine gesammelten Fakten über seine fünf "armen Schauspieler" kippe, die dann mit dem unstrukturierten Brei alleine klar kommen müssten. Auch Dokumentartheatermacher seien Theatermacher und hätten "weniger Verantwortung für den Hunger auf der Welt als für das Theater, das sie uns vorsetzen".

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