Man muss raus aus dem Hausalt

von Sarah Heppekausen

3. April 2011.

 

"acht karohemden auf einem ubahngleis!

mindestens

jetzt alle in blaufarben

mit tasche

slightly kreativ

geisteswissenschaftler wahrscheinlich

andere träumen noch davon…

mal was mit kunst machen oder so…

und am ende landen wir alle wieder hier."

Wo denn? Im U-Bahnschacht? In irgendwelchen Projekten? Oder doch im Stadttheater?

 

schauspiel kln shepp
Unternehmen mit Zukunft? Zirkuspferd vor dem Schauspiel Köln
©Sarah Heppekausen

Unfreiwillige Teilnehmer

Gesine Danckwart hockt zusammengekauert auf einem Stuhl in der Kölner U-Bahnstation Rudolfplatz. Mitten drin im Stadtraum. Die Kapuze weit ins Gesicht gezogen. Unauffällig, am liebsten unsichtbar. Als würde sie hier nicht nur Wartezeit, sondern auch manche Nacht verbringen. Aber sie beobachtet und schreibt, solche Sätze wie oben zitiert. Das Notebook liegt auf ihren Beinen.

Zwei Gleise weiter, am gegenüberliegenden Bahnsteig sind ihre Worte auf einer Leinwand zu lesen. Gesine Danckwart hat über Passanten geschrieben. Unfreiwillig sind sie zu Partizipienten im Theaterprojekt "Sometimes I think, I can see you" von Mariano Pensotti geworden.

.... die, die nicht zum theateraffinen Bürgertum gehören

"Mich stört, dass Partizipation zum Allheilmittel wird", hat DT-Intendant Ulrich Khuon einige Stunden vorher im Kölnischen Kunstverein gesagt, beim Intendantengespräch unter dem Motto "Theater als Langzeitprojekt". Und HAU-Chef Matthias Lilienthal: "Es gibt die Stichworte kulturelle Bildung und Migration. Und wenn du beides verbindest, kriegst du erst recht Geld." Also liegt die Zukunft unserer Stadttheater allein in der Hand der Geldgeber?

Oder entscheiden die Zuschauer? Neue Zuschauerschichten anzusprechen, war ein Ziel der Heimspiel-Förderung der Bundeskulturstiftung. Natürlich wolle man denen etwas erzählen, meint Khuon. Denen, die nicht zum theateraffinen Bürgertum gehören, die Institution aber trotzdem mitfinanzieren. Dabei müssen sich die Häuser gar nicht über leere Zuschauerreihen beschweren. "Das Publikum ist ja da", so Khuon. "Aber ich finde es heterogen schöner, irgendwie." Trotzdem: Theater für alle sei eine totale Überforderung.

Einfach nur rezipieren

Einig sind sie sich, die Herren und die eine Dame (Karin Beier fehlte), die allesamt Heimspiel-Projekte an ihren Häusern herausgebracht haben: Man muss raus aus dem Haus. Aus diesen "vernagelten Kästen in den Städten, die niemanden reinlassen" (Lilienthal). Damit sich auch "Peripherie und Zentrum begegnen" (Barbara Mundel, Intendantin am Theater Freiburg), um die "soziale Gegenwart zu reflektieren" (André Bücker vom Anhaltischen Theater Dessau).

Auch wenn der Heimspiel-Fonds 2013 ausläuft, wird es sie also auch weiterhin geben, die Partizipationsprojekte, Stadtviertel-Erkundungen und U-Bahnhof-Besetzungen. Theaterformen, wie es sie in diesem Extrem in der freien Szene übrigens schon seit zehn, fünfzehn Jahren gebe, wirft Lilienthal noch ein. Aus dem (Stadt)Theater als moralische Anstalt ist das Theater der Teilhabe geworden.

Nichts gegen sich öffnende, Alternativen erprobende Stadttheater. Im Gegenteil! Aber manchmal will ich einfach nur rezipieren, nicht partizipieren. Und manchmal einfach nur U-Bahn fahren.

 

www.heimspiel2011.de

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