Die systematische Versteppung einer Theaterlandschaft

von Klaus Pierwoß

20. April 2011. Wer die Entwicklung der Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern seit 1989 beobachtet, der kann die neuesten Tendenzen nur mit Schrecken und Wut registrieren. Das Land, die Kreise und Kommunen als Theaterträger erweisen sich durch eine kompetenz- und phantasielose Kulturpolitik als die wahren Theaterzerstörer.

Rostock, unter Hans Anselm Perten noch eine der führenden Bühnen der DDR, hat seit 1990 nicht weniger als 10 (!) Intendanten verschlissen, eine Fehler-Quote, die von keiner anderen deutschen Theaterstadt mehr übertroffen wird: eine existenzbedrohende Diskontinuität. In illusionärer Fehleinschätzung der Endergebnisse ist die Rede von Fusionierungen, Kooperationen und reisenden Truppen - das gebetsmühlenartige Geplapper der Ahnungslosen. Unterstützung erfährt das Ganze noch durch einen Präsidenten des Landesrechnungshofes, der die magische Leerformel von den Strukturreformen nachbetet.

Das haben die in Mecklenburg-Vorpommern arbeitenden Theatermenschen nicht verdient. Gerade hat beispielsweise das Staatstheater Schwerin mit seinem Generalintendanten Joachim Kümmritz und seinem Schauspieldirektor Peter Dehler nachhaltig demonstriert, dass auch unter schwierigsten Bedingungen künstlerische Erfolge möglich sind: so wurde das Staatstheater mit dem Biberpelz zum Berliner Theatertreffen eingeladen.

Die Theatermenschen haben beeindruckende Sparanstrengungen unternommen, die aber von den Theaterträgern nicht honoriert werden. In Rostock wird aufgrund einer überfälligen Bausanierung (die lange bekannt war) und dem nicht realisierten Neubau das Theater zwischen Abrissbirne und Schließung zum Spielball der Mächtigen. Die Kürzungen werden bis zum Super-Gau getrieben – diese Ökonomisierung ist die neue Form der Barbarei.

Alle debattieren über die Notwendigkeit kultureller Bildung, aber die Theater, die dafür stehen, werden in der Existenz bedroht. Das Land hat es geschafft, seinen Etat schuldenfrei aufzustellen. Eine entsprechende Stabilisierung haben auch die Theater in Mecklenburg-Vorpommern verdient.

 

Prof. Dr. Klaus Pierwoß, 1994-2007 Generalintendant des Bremer Theaters

 

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