6. Mai 2011. Man ist ja schon froh. Dass man in diesem Jahr einfach seiner Wege durch die Kassenhalle drängeln darf. Kein Sand, keine Holzstege, kein Strand unter dem Theaterpflaster in Berlin. Und kein Motto. Gott sei Dank. Die Motti haben ausgedient und die flankierenden Maßnahmen zur Förderung der Marke ebenso. Theatertreffen boomt. Wenigstens wenn man das Kriterium öffentliche Aufmerksamkeit ansetzt. Ein Minister eröffnet, oder doch immerhin ein Staatsminister, das Radio sendet live, die Fernsehkameras schwenken heftig, die Lichter blenden, - alles gut so. Nur die Decke fehlt im Festspielhaus. Passend zu Jelineks "der Mensch will immer höher bauen, aber am Ende siegt die Natur" ist, natürlich, die Renovierung des Berliner Festspielhauses, wiewohl immerzu als hinter uns liegend apostrophiert, alles andere als abgeschlossen.

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© Anne Peter

Nackter Beton, Kabelläufe an den kassettierten Betoninnereien der Foyerdecke, das Rohe, Ungemachte, das Pittoreske vergangener Industrie dringt vor bis in die Kastanienbezirke des Berliner Westens? Ach nein, viel banaler. Auch die Berliner Festspiele, eine mächtige, von der Bundesregierung bezahlte Kulturinstitution vermögen eben zuletzt nichts gegen den Berliner Handwerker. Den Meister der leeren Versprechung. Der stiehlt nun nicht wie die Werkleute in Köln die Armier-Eisen aus den U-Bahn-Schächten, um sie auf dem Schwarzmarkt zu verkloppen; wir wissen nicht, ob wir dem Berliner Handwerker ein solches Maß an krimineller Energie überhaupt zutrauen können.

Der Berliner Handwerker treibt Obstruktion gleichsam in Handarbeit. "Natürlich wird ihr Bau fertig zum 2. Mai. Können Se sich verlassen!" Und du zahlst deine Raten und vertraust. Und dann stirbt dem Berliner Handwerker die Großmutter, die Frau läuft weg, die Kinder bekommen Keuchhusten, das Dach seines Eigenheims stürzt ein. Wir wissen nicht, was der Berliner Handwerker wirklich treibt, in der Zeit, in der er auf unserem Bau arbeiten sollte, es aber nicht tut. Vielleicht macht er sich einen Lenz. Oder muss noch etwas besorgen. Weil der Berliner Handwerker immer etwas besorgen muss. Oder er rödelt schwarz auf anderleuts Baustelle. Wir wissen es nicht und werden's nie erfahren. Jedenfalls ist zum Schluss, wenn der Minister kommt und das Fernsehen und wenn im Saal Kathrin Wehlisch halbnackt als Erde tanzt und Caroline Peters indigniert ihr Abendkleid auswringt, weil das Wasser uns bald schon bis zum Hals gestiegen sein wird, währenddessen ist draußen die Decke halt nicht fertig. Schön, dass es anderen auch so geht.

(jnm)

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