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Camelot? Ist nur eine Kulisse!

von Marcus Hladek

Wiesbaden, 11. Juni 2011. Ist "Prinz Eisenherz" komisch? In Wiesbaden ist er es. Vor allem wohl, um die Schwierigkeit zu überspielen, die es aufwirft, wenn zehn großformatige Sammelbände aus 43 Jahren Comicgeschichte zum episodischen Abend von 80 Minuten Dauer werden sollen, ohne den roten Faden zu verlieren. Der Comic "Prinz Eisenherz" ist ja, anders als die "Funnies" vor ihm, bildstark in seinem romantischen Realismus, kennt keine Sprechblasen und hält sich textlich zurück.

Diese Lakonie kann die Bearbeitung für die Bühne nur erschweren. Anhaltspunkte für die passende Diktion gibt es kaum. Zudem ist "Prince Valiant", wie Original des Kanadiers Foster hieß, am beliebtesten unter Jugendlichen, während in Wiesbaden auch, aber nicht nur auf Jugendliche abgezielt wird.

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Dramaturgisch ist das Unterfangen leidlich geglückt. Verwirrung kommt jedenfalls nicht auf, woran der komisch-schief kommentierende und zusammenfassende Troubadix-Gesang eines Minnesängers (Tobias Randel) mit aus dem Off ertönender Leier ebenso Anteil hat wie die überzeugende Bühne.

Vater-Sohn-Konflikt à la Ritter der Kokosnuss

Wer "Prinz Eisenherz" freilich nur daher kennt, dass manch Schöne in angloamerikanischen Filmen und Romanen ihren Märchenprinzen "Prince Valiant" nennt, kann sich nach Wiesbaden schon fragen, was es mit Eisenherz auf sich hat und wen die Inszenierung bedient. Dramaturgie und Regie bleiben da recht unschlüssig, als wollten sie es allen recht machen. Nur sind gerade Komik und ein Hauch von Frivolität Gift für die Romantik des inspirierenden Originals, die hier kaum aufscheint.

Sie wird vielmehr durchweg komisch gebrochen, selbst wenn ein wagnerisierendes Leitmotiv die Auftritte von Eisenherz' Liebe Aleta von den Nebelinseln (Stefanie Hellmann) begleitet. Wolfgang Böhm spielt den Eisenherz als tumben Toren, der, sauer auf Papa wie im Jugendstück, mit dem Holzknüppel und der Salami daran nach Camelot aufbricht, wo er komisch examiniert wird und sein Ritter-Credo ebenso herunterleiern lernt wie Artus vom möhrenfarbenen Haar und Bart nebst Papierkrone (nein, nicht von MacDonalds: Rainer Kühn), der Lebemann-Gawain (Stefan Schießleder) und Lancelot (Benjamin Krämer-Jenster). Was Eisenherz' Salami angeht, wird sie bald darauf von Ilene, der Jungfer in Nöten, ersatzweise betastet wie dessen bestes Stück. Um auf die Frage nach dem Zielpublikum zurückzukommen: Mediävisten zählen schwerlich dazu. Dazu ist der Ja-so-warn's-die-alten-Rittersleut-Tenor auf gewisser Ebene halt doch zu banal.

Klipp-Klapp-Mechanik und schnelle Kostümwechsel

Besser sieht es auf visueller Ebene aus. Jan Hendrik Neidert und Lorena Díaz Stephens stecken die zehn Darsteller in ihren Kern- und Gelegenheitsrollen in Kostüme, deren Farbigkeit und Schnitt direkt dem Comic entstammen. Soviel erkennt selbst der Nicht-Kenner, weil ein riesenhaft vergrößertes Comicbuch im Hintergrund zu sehen ist. Wechselnde Figuren schlagen nach und nach ausgewählte Originalseiten um. Allerlei Türen, aufklappbare Feuerstellen, eine bewegliche Meeresbrandung nebst Möwe in Bild (auf die Szene hängend) und Klang (aus dem Off) sowie die runde Tafel in König Artus' Camelot drängen ironisch in die dritte Dimension.

Foster erschuf seiner Gestalt eine Kunstwelt, die König Artus und die Wikinger in dieselbe Zeit nötigt und sich Rüstungen, Waffen, Minnesang des Hochmittelalters beilegt, kurz: eine Mixtur vom 5. bis 12. Jahrhundert. Hinzu kommen Irrfahrten im Stil des Odysseus und ein Beziehungsgeflecht mit Vater-Sohn-Konflikt à la Tennessee Williams und einer schönen Aleta, die viel von Filmdiven der 1950er hat. Bei ihm geht das an; seine Kunstwelt funktioniert und strahlt Geschlossenheit aus.

Caroline Stolz' Regie müht sich redlich, dem eine tragfähige Bühnenversion abzuringen, und weist auch einige brauchbare Ansätze auf. Ein überzeugendes Gesamtbild entsteht jedoch nicht.

 

Prinz Eisenherz
von Daniel Heßler, nach dem Comic von Harold R. Foster
Regie: Caroline Stolz, Musik und musikalische Einstudierung: Ernst August Klötzke, Bühne und Kostüme: Jan Hendrik Neidert und Lorena Díaz Stephens, Kampfchoreografie: Peter Theiss, Dramaturgie: Maya Schöffel.
Mit: Wolfgang Böhm, Tobias Randel, Uwe Kraus, Stefanie Hellmann, Stefan Schießleder, Rainer Kühn, Benjamin Krämer-Jenster, Friederike Ott, Julius Bornmann, Sybille Weiser.

www.staatstheater-wiesbaden.de


Mehr zu Caroline Stolz: wir besprachen ihre Inszenierung von König Ödipus im Januar 2011 am Staatstheater Wiesbaden und Jede Menge Kohle, das sie im Oktober 2010 in Essen uraufgeführt hat.


Kritikenrundschau

Zwiespältig fällt das Urteil von Matthias Bischoff in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (16.6.2011) aus. Daniel Heßler habe in seiner Bühnenfassung aus dem Comic-Klassiker "eine rasante achtzig Minuten lange Szenenfolge geformt". Die Inszenierung von Caroline Stolz besitze in dem riesigen Buch mit Originalzeichnungen einen "bestechenden Bildeinfall". Zudem entstehe durch die "pointierten Kostüme und Masken" ein "lebendig gewordener Comic, in dem Bilder und Action dominieren." Andererseits zeigt sich der Kritiker vom "Krawall und nicht selten auch Klamauk" nicht vollauf begeistert. Heßler habe "keine sprachlichen Mittel gefunden für die subtile, augenzwinkernde Travestie der frühmittelalterlichen Recken-Saga mit ihrem scheppernden Pathos". Gesamturteil: Ein "wenig geistreicher hätte die im Leerlauf kreischende Blödel-Variante des Tafelrundenritters Eisenherz ruhig ausfallen dürfen."

Ähnlich urteilt Marie-Sophie Adeoso in der Frankfurter Rundschau (14.6.2011): "Es ist ein Abend mit dem Potenzial, Kindheitserinnerungen wiederzubeleben – aber auch mit der Option sie zu entzaubern." Neben der dramaturgischen Leistung, den Reisencomic komprimiert zu haben, wird Lob vornehmlich dem "grandiosen Bühnenbild" und den "wie im Comic mit Schatten-Schraffierungen auf Haut und Stoff versehenen Kostümen" zuteil. "Beeindrucktes Raunen und wiederholter Szenenapplaus würdigen die fantasievolle Kulisse." Auf die tumbe Figurenzeichnung und die Einkürzung der moralischen Dimension der "in ihrer Ursprungshandlung einem Entwicklungsroman gleichenden Comic-Serie" und die Verknappung zur "unterhaltenden Mittelalter-Parodie" hätte die Kritikerin dann anscheinend aber gern verzichtet.

Es "ist ein launiger 80-Minüter geworden", schreibt Gerd Klee im Wiesbadener Tagblatt (14.6.2011). Auch hier wird das Bühnenbild hervorgehoben als "witzig und dramaturgisch klug". Die Regisseurin gebe ihrem Protagonisten "ebenso die lange Leine wie dem weiteren Ensemble", so dass dieser "Prinz Eisenherz" ein "spaßiges Vergnügen für kleinere und größere Kinder" sei, "in dem viele, viele Register des Theaters – reichlich Kampfszenen inbegriffen – gezogen werden."

Das Bühnenbild sei eine "eindrucksvolle Hommage an den detailrealistischen Stil der Vorlage", lobt auch Stefan Benz im Darmstädter Echo (14.6.2011). Caroline Stolz, die fürs "Leichte und Schräge (…) erwiesener Maßen ein Händchen" besitze und als Leiterin die Wiesbadener Nebenspielstätte Wartburg "zur prächtigen Juxbude" entwickelt habe, breche "den hohen Ton der edlen Recken mit klamottigem Spiel" und rücke so den Comic in die Nähe der Comedy. Insgesamt wünscht sich der Kritiker "eine schärfere Gangart", also "mehr Schmackes und weniger Respekt".

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Prinz Eisenherz, Wiesbaden: angekündigt mit Herbert Fritsch
Im Jahresprogramm von Wiesbaden war Herbert Fritsch als Regisseur von "Prinz Eisenherz" angekündigt. Schade, dass er die Inszenierung nicht gemacht hat, inzwischen ist er wohl "überbucht".
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