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Allseitige Frustrationen

29. Juni 2011. "In Rostock wird das Volkstheater seit 20 Jahren kaputtgespart", ist in der Süddeutschen Zeitung zu lesen (29.6.2011), und das sei, meint Till Briegleb, ein "Lehrstück über die Kulturlandschaft in Zeiten klammer Kassen".

Seit Februar ist das Große Haus aus Brandschutzgründen geschlossen (hier die nachtkritik-Meldung), Stadt und Land kürzten weiter ihre Zuwendungen, und der Intendant Peter Leonard wolle mit seinem Spielplan trotzdem die Einnahmen verdoppeln. Seit die Ostseezeitung einen Artikel über die Pläne Leonards mit dem Satz: 'Masterplan für Theater: mehr Gassenhauer, weniger Gage' überschrieben habe, klebe das Etikett 'Gassenhauer-Mann' an Leonard.

Der mitleidslose Sparkurs, mit dem die Stadt sein Theater verfolgt, zeige sich in der "blatternarbigen Fassade und an der Einrichtung, die aussieht wie vom Möbel-Discounter". Der dazu gehörige Theaterbau, "zuletzt 1977 ostmodern saniert", erinnere eher an "sozialistische Sicherheits-Paranoia denn an Kunst".

Interesse und Fürsorge vermissten die Theaterleute seit 20 Jahren, "und ihre Intendanten - zehn seit der Wende - haben sich auch selten ihre Vorschusslorbeeren verdient. Da macht der aktuelle noch keine Ausnahme." So hätten die Schauspieler von dem "Circus interruptus" aus den Medien erfahren: "Als sie dagegen protestieren wollten, erhielten sie aus der Intendanz die Anweisung, sie sollten lieber 'schön die Füße still halten', man wolle sich 'bei der Stadt nicht unbeliebt machen'."

Zu dem gestörten Verhältnis zwischen "dem General und seinen Kunststreitkräften" komme "die lokalpolitische Alchemie hilfloser Buchhalter": "Die unzureichenden Zuschüsse der Stadt von 7,9 Millionen Euro werden bis 2014 noch um eine Million abgesenkt." Gleichzeitig werde vom Theater erwartet, seine Erträge um diesen Betrag zu steigern. "Dass man da auf die Idee verfällt, nur Gassenhauer zu spielen, ist keine Überraschung." Allerdings habe Peter Leonard das Wort nie selbst gesagt.

Letztlich sei "die unbefriedigende Produktion des Volkstheaters Resultat allseitiger Frustrationen". Der Intendant hatte die Umwandlung seines Theaters aus einem Amt in eine GmbH 2009 mit einem Geschäftsführer zu bewältigen, "der über Hinterzimmermauschelei an die Stelle kam, weder Ahnung noch Interesse mitbrachte, und nach katastrophalem Missmanagement in seinem Porsche davonfuhr". Auch Rostocks Kultursenatorin Liane Melzer (SPD) reibe sich in Strukturkämpfen mit dem Land auf. Seit 2008 verfolge die Regierung Mecklenburg-Vorpommerns ein Kooperationskonzept, "das nichts anderes bezweckt, als das traditionelle Stadttheatersystem abzuschaffen". Bis 2020 stelle die Große Koalition in Schwerin gedeckelte 38,5 Millionen Euro für alle Theater zur Verfügung, "die diese aber nur erhalten, wenn sie sich schleichend in reisende Landesbühnen verwandeln".

Die Prognose für Rostock, "die allerdings niemand offen aussprechen möchte", laute deswegen, dass das Volkstheater die Sparten Tanz und Jugendtheater verlieren werde.

(dip)

Kommentare  
Volkstheater Rostock: Linktipp
Wenn man das dann hier liest, ein Interview mit einem CDU-Politiker, dann wird einem fast schlecht:

http://www.das-ist-rostock.de/kultur/theater/34389/Frank-Giesen-Ein-Luftschloss-mit-vier-Sparten.html
Rostock kaputt gespart: so ist es auch anderswo
Su unrecht hat der Mann nicht. Zitat: "Fünf Millionen des Theater-Etats von 18 Millionen jährlich sind Personalkosten für das Orchester. Schwerin hat ein A-Orchester, Rostock hat ein A-Orchester. Stralsund hat ein B-Orchester, Neubrandenburg hat ein B-Orchester. Mit etwas Koordination muss es doch möglich sein, ein A-Orchester und ein B-Orchester im Land vorzuhalten. Die könnte man dann auch wieder ordentlich besetzen! Das Problem dabei sind die Verträge, die die Musiker haben – sie werden bei Kündigungen sehr gut abgefunden. Deshalb ist die Personalreduzierung bei den Orchestern ein steiniger Weg. Aber wir müssen ihn gehen. Sonst werden wir bald weder ein Volkstheater noch irgendein anderes Theater haben." So ist es auch anderswo.
Sparen in Rostock: der neue Spielplan macht Hoffnung
warum wird eigentlich NIE über inhalte im vtr gepostet, der neue spielplan gibt doch allen anlass dazu ... und wie lange wird ein stefan rosinski nicht in das operativ künstlerische geschehen eingreifen wollen? spannend, spannend ... herr rosinski wird doch nicht stillhalten und konform gehen, hoffentlich? revolution now
Sparen in Rostock: der Spielplan macht keine Hoffnung
liebe redaktion @überschrift: im gegenteil! wo sind die interventionen, wo das risiko, wo das echte interesse an einer debatte um inhalte im vtr? die überschrift ("Sparen in Rostock:der neue Spielplan macht Hoffnung") ist nicht meine. auf existentiell künstlerische weise mit einer krise wie in rostock umzugehen, dies habe ich in den letzen wochen nicht gesehen und sehe ich auch in den neuen vorhaben nicht. anscheinend interessiert es aber auch keinen! wo ist die intervention, wo finden die debatten statt, wen interessiert die analyse von till briegleb? wer reagiert auf zitate des intendanten, man solle "schön die füße still halten" in bezug auf die stadtvertreter?

"Große Kunst ist immer klassenlos, weil sie sich an alle richtet, die aufnahmefähig sind."

lassen sie uns bitte mit einer echten debatte anfangen, proben wir die revolution!
Sparen in Rostock: no revolution
revolution?: ach scheiße, den gesunden menschenverstand! da macht ja eh keiner mit!!!
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