altTalentiert und gefährdet

8. Juli 2011. Die Theater- und Filmschauspielerin Maria Kwiatkowsky, die zuletzt zum festen Ensemble der Berliner Volksbühne gehörte, starb am 4. Juli 26-jährig aufgrund eines Herzstillstands.

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Maria Kwiatkowsky in "Der Kaufmann von Berlin". © Thomas Aurin

Die 1985 in Berlin geborene, außergewöhnlich talentierte, psychisch jedoch gefährdete Maria Kwiatkowsky sammelte erste Schauspielerfahrungen im Theaterjugendclub P14 der Volksbühne, ehe sie 2004 neunzehnjährig beim Filmfestival von Locarno für die Darstellung der Alice in Ayse Polats Film "En Garde" den Silbernen Leoparden gewann. In dem Fernsehfilm "Liebe Amelie" spielte sie kurz darauf die manisch-depressive Titelfigur, auch für diese Rolle wurde sie ausgezeichnet: mit einem Förderpreis beim Filmfest München 2005. Im gleichen Jahr sollte sie an der Volksbühne in Andrij Zholdaks Inszenierung "Medea in der Stadt" spielen, kurz vor Ende des Probenprozesses legte sie jedoch Feuer an einen Kindergarten in Prenzlauer Berg. Die zweijährige Jugendstrafe, die ihr infolgedessen auferlegt wurde, wurde zur Bewährung ausgesetzt.

2006 wurde Maria Kwiatkowsky Ensemblemitglied des Freiburger Theaters, in den folgenden Jahren arbeitete sie auch am Theater Neumarkt in Zürich mit der Regisseurin Barbara Weber oder am Düsseldorfer Schauspielhaus mit dem Regisseur Sebastian Baumgarten. Ab der Spielzeit 2009/2010 war sie wieder an der Berliner Volksbühne zu sehen, sie spielte dort etwa in Frank Castorfs großen Inszenierungen Ozean, Der Kaufmann von Berlin oder Nach Moskau! Nach Moskau!, wofür sie im Jahr 2010 mehrere Nennungen bei der Kritikerumfrage der Zeitschrift "Theater heute" in der Kategorie "Beste Nachwuchsschauspielerin" erhielt. 2010 bekam sie zudem den Nachwuchspreis des begehrten Film- und Fernsehpreises "Die goldene Kamera" verliehen, die "Lilli Palmer & Curd Jürgens Gedächtniskamera".

In einer Pressemitteilung der Volksbühne heißt es: "Mit Maria Kwiatkowsky verliert nicht nur die Volksbühne ein außergewöhnliches Talent. Ihr dynamisches und in ihrer Jugendlichkeit doch lebensweises Schauspiel hinterlässt eine gewaltige Lücke."

(wb)

 

Presseschau

Sie war "eine tolle Erscheinung", schreibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (9.7.2011): "präsent, agil, brennend, giftig, unkontrolliert. Sie sprach mit schiefem, schnellem, bissigem Mundwerk, konnte singen, beherrschte alle Pop-Posen und brachte sie auf der Bühne auch an, wenn man sie ließ. Ihr Darstellungstrieb war nicht zu zügeln." Und "wenn sie ihre Blicke von der Bühne in das Saaldunkel bohrte, konnte man sich in seinem Theatersessel nicht mehr so richtig sicher fühlen. Dieser Hunger in den Augen, diese Aggression, diese Verletzlichkeit. Ja, dachte man, hier kommt eine, die es mit den Volksbühnen-Diven aufnehmen kann, mit Sophie Rois, Silvia Rieger oder Kathrin Angerer." Da sei eine gewesen, "die nicht wusste, wohin mit ihrer Kraft, eine, die die Professionalität und Routine ankotzte, diese Trennung zwischen Kunst und Leben. Her mit dem Spielrausch! Her mit der Erschöpfung! Ihr Ideal war die Authentizität. Oder war das auch nur inszeniert?"

"Ihr Talent war naturgegeben, aber offenbar kamen aus der gleichen Quelle auch die Zweifel und die Empfindlichkeit", schreibt Matthias Heine (Die Welt, 9.7.2011). Noch am vergangenen Wochenende habe sie im nordrhein-westfälischen Leichlingen zusammen mit Mario Adorf für den Kinofilm "Die Erfindung der Liebe" vor der Kamera gestanden. Darin sollte sie die Rolle einer Schauspielstudentin bekleiden, die eine sterbenskranke Millionärin um ihr Vermögen bringen will. Maria Kwiatkowsky stammt aus dem Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Sie spielte, berichtet Heine, schon während ihrer Schulzeit am dortigen Camille-Claudel-Gymnasium Theater.

Die Online-Ausgabe der Berliner Morgenpost (9.7.2011) berichtet zudem, Maria Kwiatkowsky habe "Probleme im Umgang mit Betäubungsmitteln gehabt".

"Aber hier stand eine, die nichts füllen wollte und in keinerlei vorgestanzte Formate passte, sondern eine unvergleichlich eigene Energie und Unbedingtheit verströmte", schreibt Christine Wahl im Berliner Tagesspiegel (11.7.2011) über einen Auftritt in Frank Castorfs "Ozean"-Inszenierung. "Mit solchen Schauspielerinnen, dachte man, könnte die Volksbühne den Sprung in eine neue Ära schaffen." Nur schwer könne man sich dagegen wehren, "die außergewöhnliche Durchlässigkeit und unbedingte Selbstverausgabung, die auf der Bühne solch eine suggestive Kraft entwickelt, im Nachhinein noch einmal in einem anderen Licht zu sehen. Dass Maria Kwiatkowsky, die nie eine Schauspielschule besuchte, sich nicht in Handwerkstricks und Routinen rettete, sondern immer wieder mit dieser kompromisslosen Unbedingtheit zur Disposition stellte, war ein wesentlicher Teil der Faszination, die von ihrem Spiel ausging."

Wer Maria Kwiatkowsky auf der Bühne gesehen habe, "wird sie nicht vergessen", schreibt Peter Laudenbach in der Süddeutschen Zeitung (11.7.2011): "Eigen, auch rau, im Spiel gerne in Extreme gehend, nicht wohldosiert und bis in die Fingerspitzen kontrolliert, sondern ganz im Gegenteil eine Schauspielerin der Verausgabung, eine Berliner Diva aus eigenem Recht und mit strahlender Bühnenpräsenz." Auch im Film habe ihre Karriere zuletzt Fahrt aufgenommen. Ihr Tod hinterlasse eine große Ratlosigkeit "und die Frage, ob das Theater diesen Preis der Selbstgefährdung wert ist".

"Die enorme künstlerische Präsenz dieser bis zur Selbstzerstörung Berührbaren schillerte zwischen Inbrunst, Dünnhäutigkeit und Aggressivität", so Irene Bazinger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (12.7.2011). "So fremd, wie sie wirken konnte, ist sie vielleicht auch gewesen".

(dip/geka)

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Kommentare  
Maria Kwiatkowsky: unfassbar
Unfassbar.
Maria Kwiatkowsky: an sich selbst verglüht
Bei aller Freude heute in der Spanischen Fliege an der Volksbühne stimmt mich diese schreckliche Nachricht wieder sehr nachdenklich. Welch großes Talent ist hier an sich selbst verglüht.
Maria Kwiatkowsky: allein, allein
Danke, verehrter Stefan. Doch an sich selbst verglüht? Vor einigen Tagen schrieb sie noch via facebook: mir ist langweilig ... allein, allein? ALLEIN VERGLÜHT. Nichts hilft - nur trauern. Ich weine.
Matia Kwiatkowsky: Trauer
@ Ludwig: ja - ich weine.
Maria Kwiatkowsky: so viel Energie
Werde sie nie vergessen in "Nach Moskau, Nach Moskau" - so viel Energie, Witz und Esprit ...
Maria Kwiatkowsky: ein eigener Glanz
Es ist unfassbar traurig. Das habe ich bei nachtkritik über Maria Kwiatkowsky gelesen. Danke! "Auch Maria Kwiatkowsky stammt aus Maukschs P14-Schule, die im November das schrundige Pathos von Frank Castorfs ausufernder Volksbühnen-Wiedereröffnungsinszenierung Ozean mit einem sehr eigenen Glanz erfüllte.

Sie spielte eine blinde Waise, die mit einer derartigen Leuchtkraft die Bühne enterte, dass sie damit augenblicklich auch die autistischen Unschärfen der Figuren in ihrem Umfeld konturierte. Tak, tak, tak, phrasierte das Schlagen ihres Blindenstocks auf den Bühnenboden die Auswüchse dieses Abends ins Unübersichtliche. Und wenn sie das Wort ergriff, dann tat sie das im Sinne des Wortes und warf es in den Zuschauerraum: also dorthin, wo man viele anderen der Schauspieler jenseits von Reihe 13 gar nicht mehr hören konnte. Wobei der Volksbühnenauftritt bei Castorf fast schon eine Art Comeback für die Fünfundzwanzigjährige war, die bereits mit zwanzig den Schauspielpreis des Filmfestivals in Locarno gewann."
Maria Kwiatkowsky: so traurig
sehr sehr traurig.
Maria Kwiatkowsky: angeschlagen
Ich kannte sie nur ein bißchen, habe "Ozean" und "Nach Moskau" nicht gesehen, habe nur eine kleine Sache mit ihr gemacht, kann mir kein Urteil über ihre Person erlauben. Trotzdem bin ich heute sehr traurig und angeschlagen. Mehr weiß ich nicht zu sagen.
Maria Kwiatkowsky: keinen Halt
Wie überflüssig! Keine/r konnte Maria Kwiatkowski aus ihrem Schwierigkeiten helfen. In jenem Gewerbe, dem sie sich wunderbarerweise verschrieben hat, hat sie leider nicht die Menschen getroffen, die ihr genug persönlichen Halt geben konnten, um diese Katastrophe zu verhindern. (...)
Maria Kwiatkowska: für den Frieden
auf dass deine seele nun ihren frieden findet.
r.i.p.
Maria Kwiatkowsky: keine Schubladen mehr bitte!
hört doch in diesen blogs zu solchen ereignissen auf mit dem quatsch: oh der konnte in diesem gewerbe keiner helfen ...schade- die meisten die hier zu wort kommen kannten maria nicht und kennen womöglich auch nur teile des kulturbetriebes- macht die sorgen von anderen doch nicht zu euren und hört auf schubladen zu öffnen
Maria Kwiatkowsky: eine sehr eigene Stimme
Eine ganz große Künstlerin, die mich in ihrer Spielweise und mit ihrer sehr eigenen Stimme immer fasziniert hat. Sie wäre sehr groß geworden.

Sie hat auf mich, egal ob auf der Bühne oder außerhalb des Theaters, stets einen fragilen Eindruck gemacht, was sicherlich kein Gemeinplatz ist, ich denke, den Eindruck teilen viele mit mir.

Only the good die young... oder so ähnlich.
Maria Kwiatkowsky: schöner Nachruf
Sehr schöner Nachruf von Ulrich Seidler übrigens.
Maria Kwiatkowsky: traurige, lustige, seelenvolle Schauspielerin
es ist so unendlich traurig, egal ,was man schreibt, - egal, wie man es schreibt..und es ist auch traurig, daß anscheinend niemand da war, als sie gestorben ist... (...) klar, jeder hat eine eigene verantwortung für sein leben..aber trotzdem: daß NIEMAND - trotz facebook, freundschaft, berühmtheit - auf dieser welt da war, um sie einfach zu begleiten..das ist total traurig und UNSER aller Verantwortungsfehler, die wir - leben -!! , weiter leben.. ich wünsche maria, daß sie ihren weg findet..jetzt, trotzdem, da draußen irgendwo, was weiß ich..auch wenn es altmodisch klingt: ich werde für sie beten. an sie denken. und mir vorwürfe machen, daß ich sie im stich gelassen habe, obwohl ich nicht mit ihr befreundet war...aber einfach so: stellvertretend für alle anderen, die nicht da waren...niemand hat schuld und JEDER hat schuld..alles liebe, maria, du warst eine wundervolle, sehr traurige , aber nicht immer!! - und doch wahnsinnig lustige, seelenvolle schauspielerin..gehe weiter und ich wünsche dir ruhe und die umarmung, die du nicht gefunden hast--trotz ruhm...
Maria Kwiatkowsky: Kondolenzbuch oder Kommentarstrang
"An sich selbst verglüht" , "Kein Halt", "Es ist schwer, nicht ins Spekulieren zu geraten" !
Vielen Dank, liebe "erna", dergleichen Kommentare stimmen mich auch ratlos.
Eine junge Schauspielerin, die ich zu wenig kannte bzw. gesehen habe, ist an Herzversagen gestorben. Natürlich ist das traurig, Frau Kwiatkowsky ist jung gestorben und gewiß eine sehr gute Schauspielerin gewesen, sehr schade, daß wir sie jetzt nicht mehr auf der Bühne erleben werden können. Es gehört freilich, soweit ich es einzuschätzen in der Lage bin, zu den Mißlichkeiten eines Kommentarstranges, wenn nicht ganz klar zu sein scheint, ob das ein "Kondolenzbuch" quasi sein soll oder hier ernsthaft ein Todesfall kommentiert werden "soll". In der Trauer verwandelt sich jeder "Unsinn" in eine Bekundung von Trauer: das Urteil "Unsinn" scheint da ausgeschlossen !; insofern wird ein Kommentarstrang, der Kondolenz und Kommentar nicht auseinanderhält sehr schnell anfällig für "immunisierten Unsinn". Ich will die Kommentare von "Stefan" und "autor" ausdrücklich nicht als Unsinn bezeichnen, weil sie, denke ich, Ausdruck ernsthafter Betroffenheit durch diesen plötzlichen Tod sind; insofern sollten wir darauf verzichten, tiefer zu bohren, auch wenn sich die Frage stellen ließe, was Anderes es ist als eine Selbstbezichtigung, wenn man einerseits offenbar der Verstorbenen so nah stand, von jener "Haltlosigkeit" zu sprechen, andererseits, trotz des Sonahestehens kein Halt sein konnte etcpp.: ich wähle nur dieses Beispiel, um oben angedeutete Mißlichkeit für etwaige zukünftige Fälle zu befragen. Wäre es nicht besser seitens nachtkritik de., entweder nur die Todesnachricht ins Netz zu stellen oder ein Netz-Kondolenzbuch, aber ausdrücklich keinen Kommentarstrang ??
Maria Kwiatkowsky: bigott
Die Frage ist doch auch, warum diese Gesellschaft immer noch so bigott ist, die Todesursache nicht offen auszusprechen. Das würde hier auch sofort zensiert werden. Nur warum? (...)


(Werter autor,
bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir in diesem anonymen Forum keine Spekulationen oder unüberprüfbaren Tatsachenbehauptungen veröffentlichen können.
Beste Grüße,
Anne Peter für die Redaktion)
Maria Kwiatkowsky: so traurig / Erinnerung auf Youtube
http://www.youtube.com/watch?v=2AdaYmOw2LA

Du warst oft so wunderbar Maria. Es ist so traurig, dass du nicht mehr lebendig bist - du warst ein großes Geschenk an uns alle.
Maria Kwiatkowsky: unwiederbringlich
@ hannah: ja, so traurig das alles -
unwiederbringlich verloren dieser begabte mensch -
allein : gelassen?
Maria Kwiatkowsky: allein
@ kim
ja, allein - allein ..
gelassen.
Maria Kwiatkowsky: Schließt diesen Thread!
Bitte schließt diesen Thread. Was die Leute hier schreiben ist geschmacklos.
Maria Kwiatkowsky: Dankbarkeit
Maria Kwiatkowskys Tod ist ein Grund zur Trauer, Anlass für Erinnerung an große, aber viel zu wenige Theaterabende, für Dankbarkeit auch, diese erlebt haben zu dürfen. Sicher nicht für Spekulationen, gegenseitige Vorwürfe oder billigen Voyeurismus. Fakt ist, dass eine hochtalentierte und sehr junge Schauspielerin, wichtiger noch, ein junger talentierter Mensch, nicht mehr unter uns ist. Ich werde ihre starke und doch immer ein wenig zerbrechliche Bühnenpräsenz vermissen und ich glaube, damit bin ich nicht allein.
Maria Kwiatkowsky: einfach traurig
Ich finde es einfach nur traurig. WAS ist in dieser Welt nur passiert????????????????ß
Maria Kwiatkowsky: Mitgefühl für alle, die sie vermissen
Fast ein Jahr später bekomme ich mit, das diese junge Frau verstorben ist. Ich sehe sie in der Reihe der Verstorbenen bei der Filmpreisverleihung "Lola" und bim geschockt. Wieso habe ich diesen verlusst nicht mitbekommen?
Mein tiefes Mitgefühl an alle Menschen die sie vermissen. Ein Mensch der durch seit Tun auffiel wird von mir vermisst.
Maria Kwiatkowsky: erst gestern erfahren!
Habe erst gestern, schon vier Jahre nach Maria's Tod, davon erfahren !!! Ich war sehr betroffen, fand ihre schauspielerische Qualität ganz großartig und werde Maria unter den Ausnahmetalenten schmerzlich vermissen !!! Menschlich ist es sehr traurig, dass sie wahrscheinlich an sich selbst zerbrochen ist !! R.I.P.
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