alt

Besetzt die Theater jeder Stadt!

14. September 2011. Im Online-Magazin Berliner Gazette schreibt Alexander Karschnia, Gründungsmitglied der freien Gruppe andcompany&Co., über die brisante Lage der Kulturschaffenden in Italien und den Niederlanden. Er fasst noch einmal die Besetzung des Teatro Valle (die wir hier und hier schildern) zusammen, erläutert den Kultur- und politischen Sittenverfall im Nachbarland (hier von uns dargelegt) und verknüpft beides mit der Stadttheaterdebatte: "Alle freien Theaterschaffenden wissen: Das Stadttheater einer kleinen Provinzstadt hat ein größeres Budget als die gesamte sogenannte freie Szene in Deutschland. Erst in den letzten Jahren kam es zu zaghaften Schritten einer Annäherung zwischen freier Szene und dem System der Stadt- und Staatstheater." In den Niederlanden konnten freie Gruppen hingegen dank staatlicher Förderung und öffentlicher Würdigung "über einen langen Zeitraum arbeiten, manche seit über dreißig Jahren".

Damit ist es nun vorbei, lediglich die Strukturen werden überleben. Der neue Bildersturm der rechtskonservativen Regierung "sollte dem Rest von Europa ein Lehrstück sein: Im Mutterland des Liberalismus zeigt sich dessen Doppelgesicht – oder die Hässlichkeit des zweiten Gesichts – nun besonders deutlich. Der Vorgang erinnert an die Veränderungen in der Migrationspolitik vor wenigen Jahren. In kurzer Zeit wandelte sich das einstmals offenste Einwanderungsland Europas zum repressivsten."

Viele Künstler würden erst jetzt erwachen, wo es ihnen selbst an den Kragen geht: "Warum, fragen auch die Autoren des Kunstarbeiter-Dokumentes, haben wir uns so lange geweigert, uns mit anderen sozialen Gruppen zu verbünden, die auch keine Job Security haben?"

Karschnias Hoffnung und Forderung: Dass die Künstler "ein neues Modell entwickeln, das die Gegensätze von Freiberuflichkeit und Festanstellung überwinden hilft zugunsten einer neuartigen, ebenso kreativen wie kooperativen Struktur." Sein Artikel endet mit einem Aufruf: "Die Theater waren schon immer hervorragende Versammlungsorte: BESETZT EIN THEATER IN JEDER STADT, rufen uns deshalb die italienischen Kulturarbeiterinnen und –arbeiter zu. Vielleicht beginnen wir – mit der Schaubühne… (Bringt Tomaten!)"

(geka)

Kommentare  
Presseschau Karschnia: Wiener Maßnahme
Burgtheater besetzen.
Presseschau Karschnia: griechische Kürzungs-Tragödie
In der kriselnden Eurozone ist es natürlich am Schlimmsten - hier ein Link zur 'griechischen Tragödie': im Bereich der klassischen Musik werden bis zu 65% gespart, Griechenland wird "Subventionskürzungsweltmeister" - im Theater machen die freien Häuser dicht, das einzige was gefördert wird sind Museen, also die Verwaltung des Alten (das steckt ja schon im Wort verwALTung): http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=7621562
Presseschau Karschina: auch in Sao Paulo
In Brasilien werden gerade 2/3 der Bundesmittel für Kultur gespart - dort wurde gerade eine sozialdemokratische Regierung wiedergewählt (wenn auch mit neuer Präsidentin)! In Sao Paulo haben die Gruppen das wichtigste Bundesgebäude FUNARTE besetzt und mehrere Videos gedreht. Es gibt auch einen Aufruf, leider nur auf portugiesisch: "Arbeiter aus der Kulturszene, es ist Zeit, die Geduld zu verlieren!"

http://www.culturaja.com/

Es gibt einen starken Begriff von "public art" und daher die Forderung, öffentliche Gelder für öffentliche Kunst & Kultur zu verwenden, d.h.: für umsonst. Die Privatisierung der Kultur soll gestoppt werden (öffentliche Gelder werden oft von nicht-öffentlichen Kulturmanagern verwaltet), die Strukturen transparent gemacht und den Künstlern ein Mitspracherecht eingeräumt werden.
Presseschau Karschnia: so protestiert man anderswo
Dutch and Deutsch watch - this is how do it:http://www.youtube.com/watch?v=uiOpPvx_EZU

Privatization = toiletization!
Presseschau Karschnia: noch ein Protest
Mittlerweilen wird sogar die Wall Street besetzt - vom Arab Spring zum American Fall: http://www.marketwatch.com/story/occupy-wall-street-will-lay-siege-to-us-greed-2011-09-06

Out of nowhere thousands on facebook and then in public: Wall Street theatre
Presseschau Karschnia: Großdemo in Le Hague
In Holland haben sich die Künstler mit sozialen Gruppen zusammengeschlossen, um gegen das Minderheitenkabinett zu protestieren. Morgen ist die große Demonstration in Le Hague: http://www.walkofshametour.nl/index.php
Presseschau Karschnia: bittere Übernahme
DAS nenne ich Kulturkonterrevolution: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,790622,00.html
Presseschau Karschnia: Besetzung nicht gleich Neubesetzung
Es war auch der SPIEGEL, der in einer Ausgabe über den "Abschied vom schönsten Land der Welt" den "Berlusconismus" als "kulturelle Konterrevolution" bezeichnet hat, bzw. diesen Ausdruck von einem italienischen Philosophen übernommen hat. Doch diese hat mit Berlusconi nicht angefangen... Privatisierungen sind die eine Seite, Neubesetzungen von Posten mit solchen Leuten wie Czurka in Ungarn die andere.
Theaterbesetzung: Theater Embros in Athen ist seit dem 11.11. besetzt
Das Theater EMBROS ist ein historisches Theater der Stadt
Athen, das seit 2006 vom griechischen Kulturministerium verlassen bleibt. Das Mavili Kollektiv, das vornehmlich aus jungen
Theaterschaffenden besteht in Kooperation mit der Versammlung der
Einwohner von Psyrri (der Stadtteil in dem das Theater sich befindet) versucht seit dem 11.11.11 diesen Raum zu reaktivieren.

Weitere Informationen auf dem täglich aktualisierten Blog www.mavilicollective.wordpress.com

Mavili Collective: Gigi Argyropoulou, Anestis Azas, Argyro Chioti,
Giorgos Kolios, Kostas Koutsolelos, Georgia Mavragani, Vassilis Noulas
Theaterbesetzung: Tagesspiegel
http://www.tagesspiegel.de/kultur/sparen-heisst-bluten/6052650.html
Kommentar schreiben