Presseschau vom 12./13. Oktober 2011 - zum Wechsel von Armin Petras nach Stuttgart
12. Oktober 2011. Am vergangenen Montag war gemeldet worden, dass eine Findungskomission des Baden-Württembergischen Staatsschauspiels Stuttgart den Regisseur und Intendanten des Berliner Maxim Gorki Theaters Armin Petras als Nachfolger des Stuttgarter Intendanten Hasko Weber empfiehlt.
Im Interview mit Dirk Pilz von der Berliner Zeitung bekräftigt Armin Petras seine Absicht, nach Stuttgart zu wechseln, und macht die Berliner Politik für seinen Abwanderungswillen verantwortlich: Trotz erstmals über 90 Prozent Auslastung im Monat September und Lob seitens der Stadtoberen für das Maxim Gorki Theater, habe es immer stärkere "Abnutzungserscheinungen" gegeben: "In den letzten acht Jahren sind 800 000 Euro Aufwendungen verschwunden, die wir nicht zu verantworten haben", so Petras. "Ich bin nicht der Mensch, der jede Woche nach Geld fragt."
Das Studio des Gorki Theaters müsse das nächste halbe Jahr geschlossen bleiben, "weil wir es nicht mehr bespielen können. Und ich müsste jetzt fünf Leute entlassen. Man muss als Künstler auch ab und zu ein Zeichen setzen." Das Gorki könne "überhaupt nur noch existieren, wenn wir Geld aus Koproduktionen und Projektmitteln einspeisen. Das ist absurd: So kann ich so eine Firma nicht leiten."
Was ihn an Stuttgart reizt? "Stuttgart ist in Deutschland für mich das Fremdeste. Ich habe mich sehr lange mit dem Umbruch im Osten beschäftigt, es sollte für mich jetzt auch mal neue Themen geben. Als ich damals am Gorki angefangen habe, haben ja alle gesagt: Das kann nichts werden. Wir haben eine eigene Sprache gefunden. Warum soll das nicht auch in Stuttgart gelingen?"
(chr)
13. Oktober 2011. Maxim-Gorki-Theater-Intendant Armin Petras und seine Gründe für den geplanten Wechsel Richtung Stuttgart sind heute Thema in mehreren Medien. Auf die Frage, ob die Berliner Politik denn wusste, wie es um das Gorki-Theater stehe, sagte Petras der dpa in einem Interview, das bei Zeit online zu lesen ist: "Doch natürlich. Es gibt nicht nur jährliche Pläne, die vom Theater an den 'Dienstherrn' gesandt werden, sondern auch vierteljährliche Berichte." Zu seinen Wechselgründen sagt er dort: "Bei mir ist es so, dass der Mensch, Autor und der Regisseur Armin Petras nichts lieber im Leben täten als in Berlin zu bleiben. Aber der Intendant Armin Petras sagt ganz klar: Ich kann nicht auf der Bühne politisches und soziales Theater machen und mich dann als Intendant apolitisch verhalten. Deshalb musste ich dieses Zeichen setzen."
In der Berliner Zeitung, in der Petras gestern behauptete, in den letzten Jahren seien 800.000 Euro Aufwendungen verschwunden, fragen Birgit Walter und Dirk Pilz heute, ob das stimme: "2003 bekam das Gorki-Theater Fördermittel von 8,7 Millionen Euro, 2010 waren es nur noch 7,8 Millionen, also 900.000 Euro weniger. Armin Petras aber trat nicht vor acht, sondern vor fünf Jahren seine Intendanz an, die ersten 500.000 Euro waren also schon seinem Vorgänger Volker Hesse weggenommen worden."
Petras habe also gewusst, wie ungerecht mager sein Etat im Vergleich zu den anderen Großbühnen der Stadt ausfallen würde. "Die Tarifsteigerungen wurden ihm zum großen Teil ersetzt. Trotzdem hat Petras heute 400.000 Euro weniger für die künstlerische Arbeit als am Anfang, einfach weil andere Kosten gestiegen sind, die Lagermieten, Bühnenbilder, Probebühnen. Wenn jemand so knapp anfängt, spürt er eben jede weitere Verknappung existenziell."
Dass die finanziellen Schwierigkeiten am Gorki, das Petras 2006 übernahm, nicht neu sind, räumt er auch Patrick Wildermann gegenüber im Berliner Tagesspiegel ein. "Schon sein Vorgänger, Volker Hesse, hatte mit hohen Bilanzdefiziten zu kämpfen." Petras sei mit der Losung angetreten: Wir schaffen das mit weniger Geld. Was auch gelang, mit einer Verdoppelung der Premierenzahl schon im ersten Jahr. Allerdings sei dem Gorki genau das zum Verhängnis geworden, was zunächst die Budgetierung aufbesserte und zu einer Art Markenzeichen des Theaters wurde – die hohe Zahl an Koproduktionen und Kooperationen mit anderen Bühnen und Festivals.
"Was wir als Ergänzung zur bestehenden Struktur erfunden haben, hat sich zum Zwang verkehrt", sagt Petras laut Tagesspiegel. "Wir können vielfach gar nicht mehr anders produzieren." Die 800.000 Euro Zusatzausgaben, die das Gorki inzwischen pro Jahr aus dem Gesamtetat kompensieren müsse, setzten sich zusammen "aus Tariferhöhungen, die nicht ausgeglichen wurden, aus Umzugskosten der Werkstätten und vielem mehr. Zwar habe das Haus die Eigeneinnahmen schon von 1,2 auf 2,2 Millionen Euro steigern können." Dennoch sei im März eine Haushaltssperre verhängt worden, die Zahl der Premieren im großen Haus werde in dieser und der nächsten Saison reduziert.
(ZEIT online / Berliner Zeitung / Tagesspiegel / geka)
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Bei einem solch großartigen runterwirtschaften des Hauses können einem am Ende nur die Mitarbeiter leid tun.
in vielen anderen ländern sind die technischen mitarbeiter auch nicht an gewerkschaftliche verträge mit automatischen lohnsteigerungen gebunden, während die subventionen, die bekommen werden dies nicht berücksichtigen...dies ist eine immer wiederkehrendn alte krux in diesem land... und wirkt sich auf die künstler aus, die mit ihren von jahr zu jahr oder von produktion zu produktion frei aushandelbaren verträgen und honoraren dann immer mehr gekürzt werden... genauso wird dann aus not mt dem geld für die üproduktion verfahren...-- daran wird seit jahrzehnten (!) nichts geändernt, weil die ötv einfach wahnsinnig stark ist.. so kommt es,daß ein bühnentechniker manchmal doppelt und dreifach verdient als der auf der bühne hampelnde darateller..und daß man kein geld für das bühnenbild hat, weder für material noch für idee..aber die leute, die es herstelllen sollen, werden super bezahlt...in anderen ländern gibt es oft keine festen ensembles und strukturen, es sind meistens frei truppen, die mal in so einem haus gastieren und die technik wird dann eben kurzfristig dazu eingekauft...billig und keiner kann davon wirklich leben...dies ist nicht vergleichtbar mit deutschland...- wenn es so weter geht, werden wir bald theater mit wunderbaren werkstätten, verwaltungsangestellten ud tehcniker haben..und keine küstelr mehr..ein museum, das sich die zuschauer ansehen können, vielleicht in der kantine noch was trinken..aber der vorhang bleibt unten...doch niemand fühlt sich zuständig, da etwas zu ändern..denn wie schon zu monarchistischen und kleinen grafschaftszeiten entscheiden die politiker (!) oft über die intendanz und die zuschüssse.... und nicht wirkliche kulturkenner...maximal sitzt mal ein beratender intendant mit ihn der kommission,d as fördert aber nur die vetternwirtschaft.. denn auch sein stuhl wackelt in der regel nach vier jahren...oder zehn ..oder so...
Ihre Rechnung ist mir zu einfach.
Wenn ein Intendant ein Haus verlässt, weil es mit 7,8 Millionen Jahresetat unterfinanziert ist, muss man den Herren doch ernst nehmen und darüber nachdenken, ob man mit 7,8 Millionen ein Theater leiten kann. Ich sage: Man kann! Aber nur wenn die Lohnasymmetrie aufgehoben wird - und zwar zu Gunsten der Künstler! Man stelle sich vor: Es soll Bühnenbildner geben, die ihr Bühnenbild gerne selber bauen oder frei entscheiden möchten, wer es wie wann und wo baut. Man stelle sich vor: Es gibt Theatermusiker, die sich ihr Mikrofon gerne selber anschließen und hinstellen. Man stelle sich vor: Es gibt Schauspieler, die sich gerne selber schminken.
Es ist ja eine wunderbare Sache, wenn man für jede Tätigkeit neben der Bühne jemand Verantwortlichen hat, aber bevor das Theater geschlossen werden muss, weil es die Künstler nicht mehr bezahlen kann, dafür aber den festangestellten Theaterplastiker, den festangestellten Inspizienten und den festangestellten Theatermaler, sage ich: Geld umverteilen! In Theatern geht es um die Kunst. Und diejenigen, die die Kunst machen, sollen das Geld auch bekommen. Ob und wieviele Techniker/Inspizienten/Kostümfärber dann noch angeheuert werden, das kann man dann ja schauen. Aber bitte lasst das Geld zuerst in die Kunst fließen und dann in die Nebentätigkeiten! Sonst platzen die ganzen Wasserköpfe der Theater bald wie Wasserbomben und dann hat's ein jähes Ende mit der wunderbaren deutschen Theaterlandschaft.
Vielleicht gibt es Sparmöglichkeiten auch hier. Oder wollen sie lieber wie Herr Ackermann leben?
Lesen Sie meinen Beitrag bitte sorgfältiger! Ich bin sehr dafür einen großen und umfangreichen technischen und administrativen Apparat an jedem Theater zu haben. An den wenigen Theatern, an denen es diesen gibt, ohne dass er zu der oben beschriebenen absurden Gehaltsasymmetrie führt, ist das ein Traum von Theaterarbeit. So soll es sein. Es wäre aber realitätsfremd, wenn man nicht feststellt, dass dies tatsächlich heute ein Traum ist. Über diese luxuriösen Bedingungen verfügen doch nur noch ein Bruchteil der deutschen Theater!
7 + 8, Sie scheinen insofern unter einem Mangel an Weitsicht oder Erfahrung zu leiden, denn sonst wüssten Sie, dass sich ein großer Teil der noch existierenden Stadttheater am Existenzminimum befindet, weil der künstlerische Etat schrumpft und schrumpft. Und es ist in Gottes Namen LEIDER nicht abzusehen, dass sich das in absehbarer Zeit ändern wird: Keine wegweisenden Proteste, kein Kulturpolitiker, der gegen den Strom schwimmt. Das Phänomen gleicht sich von München bis Kiel: Die künstlerischen Etats schrumpfen. Die Theater gehen ein wie Pflanzen, die nicht gegossen werden.
Ich glaube, es wäre in vielen Fällen notwendig die Reissleine zu ziehen und das unbewegliche aufgeblähte Stadttheater durch Künstlerhäuser zu ersetzen. Das ist keineswegs eine neoliberale Forderung, sondern 1. eine Feststellung der Verhältnisse, die jetzt schon krass zu Ungunsten der Künstler gelagert sind und 2. ein großes Bedürfnis danach den immer komplexer und vielfältiger werdenden Produktionsformen für Theater Rechnung zu tragen. Sie scheinen zu verkennen, dass selbst finanziell best augestatteste Häuser durch ihre aufgeblähte Organisationsstruktur häufig gar nicht im Stande sind große, frei entwickelte Projekte zu realisieren. Beispiele dafür gibt es genug! Das ist seitens der Stadttheater dann auch nicht nur ein Mangel an Erfahrung mit vom Sechs-Wochen-Rhythmus abweichenden Produktionsformen, sondern vor allem ein strukturelles und damit selbst angeschafftes Problem. Um es etwas überspitzt zu sagen: Die Stadttheater sind als Apparat überfettet und die Künstler leiden unter Hunger. Wie sonst wollen Sie mir erklären, dass das Gorki seine zweite Spielstätte für ein halbes Jahr schließt? Mit einem Etat von 7,8 Millionen Etat!
Ich wünsche mir eine Strukturdebatte über Stadttheater, die sich die Flexibilisierung des eigenen Apparats als Ziel setzt, ohne reflexartig immer gleich die Moralkeulen Sozialabbau und Neoliberalität rauszuholen. Das muss doch bitte möglich sein.
Ihr Kommentar ist ein gutes Beispiel für neiderfülltes, böses, uninformiertes Sprechen, das dazu angetan ist, in seiner Schärfe die Atmosphäre einer Diskussion zu vergiften (wenn sie denn noch nicht vergiftet ist).
Natürlich mag es Intendanten geben, die ihre öffentliche Stellung ausnutzen. Aber gewiss gibt es noch viel mehr Intendanten, die ihrerseits bescheiden und angemessen leben, wie Sie es wohl für sich selbst in Anspruch nehmen, wenn ich es recht verstehe.
Und selbst wenn, wäre die Maßlosigkeit der Intendanten heute tatsächlich das vorrangige Problem der Theater? Wäre dies, träfe Ihre Behauptung denn zu, der wichtigste Strukturfehler?
Kommentare wie Ihrer legen vielmehr die Vermutung nahe, dass Internetforen wie das von nachtkritik.de tatsächlich epidemisch heimgesucht werden von böswilligen Zeitgenossen.
Es muss doch möglich sein, anders als mittels Unterstellungen und in rüdem Ton miteinander zu diskutieren?
Mit Grüßen
nikolaus merck
Mich irritiert viel mehr die reflexartige Reaktion auf die Frage, wohin das Geld in Theatern fließen soll - das Infragestellen der Strukturen wird dann sofort mit dem Argument neoliberal erschlagen. Und dass die freien Künstler und Techniker in anderen europäischen Ländern von ihrer Kunst nicht leben können, ist ein in Deutschland gerne wiederholter Mythos - schauen Sie sich die "freien" Ensembles und ihre Arbeitsbedingungen in zum Beispiel Flandern doch mal genauer an. Das funktioniert aber nur, wenn das Geld viel besser auf die verschiedenen Aktoren verteilt wird, und nicht fast alles an Riesenstrukturen gezahlt wird.
Und was wenn die Strukturen doch nicht das Problem sind? In der Spielzeit 2009/2010 hatten von den 172 Mitarbeitern des Gorki 90 bereits einen NV-Vertrag. (vgl. DT 282 Mitarbeiter / 104 NV) Arbeiten also im weitesten Sinne künstlerisch. Haben flexible Arbeitszeiten und haben frei verhandelbare Gagen. Dazu kommen nocheinmal 120 mit Gast- und Werkverträgen. Offensichtlich ist der angemahnte Strukturwandel am Gorki schon ziemlich weit fortgeschritten... Solche Zahlen kann man nachlesen.
ich kann mich Herrn Merck nur anschließen was ihren Ton angeht. Und versuchen, ein bißchen gegenzusteuern. Wer Petras schon mal erlebt hat, der weiß, dass dieser Intendant selbst im Winter oftmals mit dem Fahrrad ans Theater fährt. Und da es kein Tandem ist, nehme ich auch nicht an, dass er einen Chauffeur hat. Und man mag es sich kaum vorstellen, aber auch in der Kantine isst er von den selben Tellern und das gleiche Essen, wie die anderen am Gorki arbeitenden Menschen auch.
Dagegen arbeitet das Gorki unter Armin Petras seit Jahren an der Belastungsgrenze aller und hält auch mal Abende ab (wie zb die Visiothek) die in ihrer Produktion rein gar nichts kosten DÜRFEN, um überhaupt den Weg zum Publikum finden zu können. Das also überhaupt noch Kunst und Publikumsnähe am Gorki geschehen und zelebriert werden, ist vor allem Armin Petras und einem wahnsinnig idealistischen Team um ihn herum zu verdanken und dabei verdient sich keiner eine goldene Nase. Petras hat es auch selbst gesagt (zum Antritt seiner Intendanz), dass er als freier Regisseur mehr verdient hätte, als als Intendant des Gorki Theaters. Er wollte aber eine Theatervision leben, statt nur "seinen Stiefel".
Es tut mir also schrecklich leid, aber ihr unbedarftes Misstrauen ist glücklicherweise völlig Fehl am Platze.
das stimmt nicht, was die da behaupten, sorry...leider kenne ich mich sowohl in den benelux-staaten als auch in frankreich und sogar in skandinavien in der theater und vorallem "freien"-theaterszen gut aus..d.h. diese ensembles, die sich zusammentun und dann in einem stadttheater für eine produktion gastieren..NEIN!! sie können NICHT davon leben!! sie kellnern! unterrichten!! machen andere jobs! proben drei stunden am tag und arbeiten den res..darunter leider die qualität der arbeit sehr!! sie sind immer nur wochenwiese angestellt...es gibt nicht genug etat..- was glauben sie, warum so viele niederländer so gerne in deutschland arbeiten?? ganz bestimmt nicht, weil deutsch so eine schöne sprache ist...hmhm..
was intendanten verdienen sollten sie nicht mit den ausübenden künstlern vergleichen, sondern mit anderen managern aus der wirtschaft zum beispiel...und selbst ein besser verdienender generalintendant (nicht zu vergleichen mit dem schauspielintendanten herr petras,der ganz bestimmt einen bescheidenen lebensstiul pflegt) verdient nicht so ne goldene nase wie die leitungspositionen in vergleichbareb institutionen..- und was mich am meisten ärgert: warum redet niemand über die subventionen (!) , die ein amt bekommt: warum dürfen finanzänter zum beispiel ungefragt ne menge an gehälter einsacken und bei den theater wird alles öffentlich gemacht..ein neubau eines amtes wird einfach realisiert...ein theater wird drangsaliert..und ich finde ein theater mindestesten genauso wichtig wie ein finanzamt...und glauben sie mir: die künstler verdienen im schnitt die hälfte verglichen mit dem, was noch vor zehn jahren war..und die ensembles werden immer kleiner...halbiert..verjüngt..verbilligt....ein supermarkt,ein ausverkauf...und niemand beschwert sich...weil alle angst um die wenigen letzten jobs haben..-
und dann der vergleich mit dem ausland...man kann sozialwohnungsbewohner nicht mit der "obdachlose- haben -es -noch -schwerer- und -überleben- auch"-keule drohen..so wirkt mir ihr vergleich...-- und ich kenne SEHR viele schauspieler, die NOCH NIE ein auto besaßen, -trotz führerschein!!,- weil ihr gehalt es einfach NIE zuließ!!
Ich habe nicht von den Niederländern, sondern von den Flamen gesprochen (das liegt in Belgien, etwas weiter südlich...). Die können sehr wohl von ihren Gagen - die meistens übrigens Gehälter sind - leben, und was die künstlerische Qualität betrifft, so verweise ich auf die Anwesenheit dieser Gruppen im Ausland.
Mir will einfach nicht in den Kopf, dass mit 7,8 Mio € Zuschuss ein Theater nicht zu betreiben ist. Ich bin nicht für die Abschaffung der Stadttheater, aber dafür, für eine Vielfalt in der Theaterlandschaft zu sorgen, die der gesamten Szene gut tun würde. Und das muss im Land mit der höchsten Bezuschussung der Kunstszene doch möglich sein, oder?
Dann lieber mit den Leuten, die man hat, 5, 6 schöne Stücke machen, und fertig is die Laube. WEIL WIR (KÜNSTLER!)MEHR NICHT LEISTEN KÖNNEN/WOLLEN. FÜR DAS GELD.
Ach, das Theater als Utopieort, als Gegenwelt, es könnte schön sein.
Und, wie es bei den Schauspielern innen drin ausschaut, bei Fliessbandähnlichen Bedingungen, interessiert sowieso keinen. Solange es läuft.
ja ich nm bin der nm von nk.
Ich habe am Theater gearbeitet, in den 90er Jahren, und sehe auch, dass es da sehr unterschiedliche materielle Chancen gibt. Kaum welche für Hospitanten, einige für Regisseure, noch mehr für Intendanten.
Ich zum Beispiel, zu der Zeit Dramaturg, habe als Mitautor einer Marlowe-Textfassung damals ein Honorar bekommen. Namhafte Regisseure haben in den siebziger, achtziger und neunziger Jahren überall regelmäßig ihre Regiegagen aufgebessert durch Verwendung der eigenen Shakespeare-Textfassungen für die sie wiederum Tantiemen bekam.
Ja.
Das halte ich für Verschwendung.
Dennoch bestehe ich darauf, dass meinetwegen überhöhte Intendantengehälter und Privilegien nicht das strukturelle Problem der deutschen Stadttheater ausmachen.
Ein strukturelles Problem ist vielmehr, dass der Schauspieler nicht einen Stuhl auf die Bühne tragen darf (in der Regel) und der Bühnentechniker keine Scheinwerfer ausrichten darf usw. Weiter: dass Künstler und andere Angestellte rechtsförmig unterschiedlich beschäftigt werden, dass die Apparate große Teile der Etats verschlingen, dass die Apparate an den Theatern schwerfällig sind – all das halte ich für wesentlich wichtiger als, noch einmal gesagt: möglicherweise überhöhte Intendanten-Gehälter.
Ich diskutiere das übrigens völlig losgelöst vom Maxim Gorki Theater und seinem Intendanten.
Und: wissen Sie, manchmal platzt einem beim Freischalten der Kommentare einfach der Kragen, wie rasch und unbedacht einfach irgendwelche Behauptungen hingeschmissen werden, deshalb die regelmäßigen Beschwerden, die Sie dann von mir lesen können.
Mit Grüßen
Unwidersprochen ist, dass der größte Teil eines Theaterbudgets für Personalkosten draufgeht und dass Technik und Verwaltung in der Regel die meisten Mitarbeiter stellen. Milchmädchenrechnung (oder die Rechnung des aufrechten Künstlers): weniger Menschen in den Abteilungen = mehr Geld für die Kunst. Allerdings stimmt auch, dass ein gewisser technischer Apparat notwendig ist, um in einem Theater Kunst überhaupt zu ermöglichen. Gerade der Repertoirebetrieb mit vielen Vorstellungen funktioniert nur mit einer ausreichenden Personaldecke. Und auch in den Gewerken wird und wurde kontinuierlich Personal abgebaut. Darüber hinaus darf man nicht ganz vergessen, dass in dem Augenblick, in dem ein Theater nicht mehr in seinen eigenen Werkstätten Bühnenbilder und Kostüme produzieren kann, diese extern gefertigt werden müssen. Das kann dann gerne die Kosten verdreifachen. Also ganz geht die Rechnung des aufrechten Milchmädchens nicht auf: Es kann sehr gut sein, dass die Einsparungen beim Personal durch Einnahmeausfälle (weniger Vorstellungen) und erhöhte Produktionskosten wieder aufgefressen werden, also gar nicht erheblich mehr Geld für die "Kunst" zur Verfügung steht. Es hat sich dann nix geändert, es sind eben nur ein paar Menschen mehr pro Theater arbeitslos...
Und trotzdem stimmt es, dass sich Strukturen ändern müssen. Sicherlich ist eine Form Stadttheater denkbar, die die positiven Elemente des jetzigen Systems (Ensemble, Repertoire, techn. Möglichkeiten, Kontinuität, Publikumsbindung, gesicherte Beschäftigungsverhältnisse etc.) erhält, und trotzdem flexibler arbeitet, mehr Geld für die Produktionen bereitstellt und auch dafür sorgen kann in den Häusern bestehende Ungerechtigkeiten beseitigt werden. Um N. Mercks Argument zu erweitern: Sicher muss ein Schauspieler einen Stuhl auf die Bühne tragen können und genauso sicher müsste ein Bühnenhandwerker geteilte Dienste zu machen können.
Die reinen Schauspielhäuser haben es ja noch vergleichsweise gut, denn dort gibt es "nur" drei unterschiedliche Tarifverträge für die Festangestellten (TVÖD/TVL, NV-Bühne Solo, NV-Bühne Technik). In den Mehrspartenhäusern kommen noch NV-Bühne Chor, TVK und evt. NV-Bühne Tanz dazu. Also treffen Menschen bei der Arbeit aufeinander, für die jeweils unterschiedliche Voraussetzungen gelten, was Arbeitszeiten, Gehälter und eventuelle Zulagen auf die Gehälter angeht. Dazu kommen noch die Gäste in der Kunst und ggf. Aushilfen in den Gewerken, für die diese ganzen Regelungen nicht oder nur eingeschränkt gelten – und alle arbeiten dann zusammen und machen Theater. (Dass das meistens reibungslos funktioniert ist übrigens an sich eine ziemliche Leistung und spricht dafür, dass es allen „um die Sache“ geht.)
Diese Tarifvertragswirrwarr ist ziemlicher Blödsinn und führt eben auch zu Ungerechtigkeiten innerhalb eines Theaterbetriebs, wobei die größten nicht einmal zw. Technik und Kunst auftreten – innerhalb der künstlerisch arbeitenden Kollegen gäbe es viel größeren Änderungsbedarf: Chor vs. Solisten. Orchester vs. alle anderen. Schauspieler vs. Dramaturgen. Die Reihe wäre zu verlängern.
Trotzdem, bleibt die Frage: wie das ändern. Den jeweiligen Gewerkschaften jedenfalls kann nichts daran liegen, für einen Zustand zu sorgen, der ihre Mitglieder schlechter stellen würde als zuvor. Außerdem sind die meisten Solisten (Schauspieler, Sänger, Dramaturgen, Assistenten ...), die ein besonderes Interesse an einer Veränderung haben müssten, nicht einmal Mitglied der GDBA. Die gern geschmähten Theaterleitungen sitzen auch zwischen Baum und Borke. Sie sind ja an die Tarifverträge gebunden. Einzige Spielräume um aus dem Personalbudget Geld für die Produktionen zu generieren: Gagen im Bereich NV-Solo/Technik, Gagen für die Gäste oder auch mal eine freigewordene Stelle unbesetzt lassen und die Arbeit auf die verbliebenen Mitarbeiter verteilen. Das verschärft die angelegte Ungleichbehandlung nur noch: Die Gagen im NV-Bereich sinken, weil sie frei verhandelbar sind.
Also Frage ans Forum: WAS tun? Und vor allem WIE?
Sie haben ja so Recht mit Ihrer Einschätzung. "Ohne Menschen geht es nicht!" Für mich schließt sich dnn die Frage an, welche Aufgaben hat ein Intendant.
Zwei liegen auf der Hand: das Haus nach Außen repräsentieren und für die künstlerischen Richtlinien sorgen und einstehen. Es muss aber noch einiges mehr dazu kommen, um aus einem Menschen mit aufregendem künstlerischen Profil einen guten Intendanten zu machen. Denn da die Leistung eines gesamten Theaters mit seiner Person verbunden wird, muss er (oder sie natürlich) auch Verantwortung für das gesamte Haus übernehmen, für alle Sparten und für alle Mitarbeiter. Und auch wenn das Verhältnis zu den "Künstlern" wahrscheinlich ein engeres ist, jeder Bühnenhandwerker, jeder Beleuchter, jeder Mitarbeiter der Kasse und jeder Pförtner muss informiert, motiviert und mitgenommen werden. Die Arbeitsteilung in kaufmännische Geschäftsführung und künstlerische Geschäftsführung, die in vielen Theatern zu finden ist – also der Intendant kümmert sich um die Künstler, die kaufm. Geschäftsführung um den Rest – zementiert die Teilung der Häuser in Kunst und nicht Kunst. Und natürlich muss diese Kommunikation und Information schon ganz früh anfangen. Ein Unding, dass immer wieder bei einem Leitungswechsel so getan wird, als beginne eine ganz neue Zeit und als wäre alles was unter der alten Leitung entstanden schlecht gewesen. Ästhetik kann man erklären, und wer sich die Zeit nimmt Schauspieler und Sänger zu überzeugen, kann sich auch die Zeit nehmen, den Rest des Betriebs zu überzeugen. Das ist sicherlich anstrengend, aber das ist einer Kunstform angemessen, die öffentlich (auf der Bühne) immer wieder antikapitalistische oder humanistische Ideen vertritt und gesellschaftliche Fehlentwicklungen thematisiert.
Eine weitere Aufgabe besteht natürlich darin, das knappe Geld und die Ressourcen des Hauses so zu verteilen, dass die einzelnen Produktionen arbeiten können. Hier wird der Intendant dann zum Manager, aber mit gutem Grund: er ist eben nicht nur für die Kunst sondern auch für ein paar Hundert Angestellte verantwortlich. Auch das ist bei stagnierenden oder sinkenden Zuschüssen kein Spaß, aber das ist der Job.
Und zuletzt muss ein Intendant natürlich seine Persönlichkeit die Zusammenarbeit im Haus befördern und seinen Kopf hinhalten. Für jede seiner Entscheidungen, für jede Produktion des Hauses, für jedes Engagement und leider auch für jeden überzogenen Etat.
Das alles rechtfertigt dann natürlich das vergleichsweise hohe Gehalt ;-)
PS. Das was ich über Kommunikation, Motivation und Überzeugungsarbeit geschrieben habe, gilt für natürlich die gesamte Leitung inkl. Dramaturgie
"der Petras" sucht andere Problemfelder, eine neue Herausforderung. Das geht aus dem Interview deutlich hervor. Und die "Schwaben" verhalten sich in "Neu New York" leider überwiegend doch etwas anders als "Spanier, Amerikaner, Japaner, Rheinland-Westfalen, Polen, Schweizer, Franzosen, Russen, Israelis - und Hamburger". Die "normalen" (und auch die älteren) "Schwaben" reizen Petras eben mehr. Und das ist nachvollziehbar.