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KulturSubventionsKunstSprech

von Katrin Ullmann

Hamburg, 19. Oktober 2011. Alle Kunst will Ewigkeit und alle Kunst braucht Geld. Letzteres gibt es etwa von Stiftungen, Behörden und Vereinen – aus Politik, Privatvermögen und Wirtschaft. Für den frei schaffenden Künstler, der Kunst und Existenz sichern will, heißt dies Anträge schreiben, kalkulieren, hofieren, präsentieren. Jedes Jahr aufs Neue. Oder der frei schaffende Künstler stellt sich ins Warenlager von H&M, telefoniert sich durch Callcenter, bewacht Tiefgaragen und Shoppingmalls und kämpft so um seine Kunst und sein Überleben.

In der Kontaktzone

Über das Minusgeschäft der künstlerischen Arbeit, das einer beständigen Ko-Finanzierung bedarf, hat der Tänzer und Performer Jochen Roller im Jahr 2000 in "No Money, No Love" nachgedacht. Ironischerweise war dies seine bis dahin bestverkaufte Produktion.

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Christian Bayer und Anna König
© Ellen Coenders

"In die Kampfzone von Kunst, Geld und Politik" - so die Anmoderation – hat sich nun auch die Autorin und Schauspielerin Laura de Weck begeben. Auf Kampnagel hat sie dazu ihre erste eigene Inszenierung "Mit freundlicher Unterstützung von" auf die Bühne gebracht, ein "Sprachkonzert". Tatsächlich wird, mit freundlicher Unterstützung von DJ Viktor Marek, recht viel gesungen an diesem Abend. Der Sprechgesang der Darsteller wird unter und über harte Beats gelegt – der DJ sitzt mit auf der Bühne. Christian Bayer und Anna König bestreiten die schauspielerischen Parts, sind (Stell-)Vertreter aus Politik zum einen, und freier Kunstszene zum anderen. Sie sprechen und schnauben (meist in Mikrofone), nähern sich einander an, küssen und verlieben sich ein bisschen und verstehen sich am Ende doch nicht wirklich. Zu verschieden sind die Welten.

In schöne, recht verspielte Texte fasst de Weck die bittere Erfahrungen zusammen, die sie in der bürokratischen Welt der Projektförderung gesammelt hat, fügt Absagen, Eröffnungsreden und so selbsterklärende wie selbstentlarvenden Künstlergeständnisse aneinander. Sie persifliert Kunstförderer ("Wir wollen den Kulturstandort Hamburg stärken!"), Kunstkonsumenten ("ganz nett!") und Kunstproduzenten ("Ich habe ein Projekt"), wobei natürlich ihre Hauptkritik den nicht immer freundlichen Unterstützern gilt. Dazwischen flackert dann auch mal Diskolicht durch den leeren Bühnenraum, werden passende Gesten geübt und die Texte von einer absurden Choreografie begleitet.

Tendenziell wutfrei

Christian Bayer macht sich sehr gut als noch nicht ganz verstaubter und irgendwie doch auch total aufgeschlossener Kulturbehördenbeamter. Anna König gibt die freie Künstlerin. Mal ist sie selbstbewusst, mal zweifelnd, mal ahnungslos. Ihre absolut überzeugende Figur scheitert nicht nur an der Unfähigkeit einen Förderantrag zu stellen, sondern auch an ihren Selbsterklärungsversuchen, bei denen sie sich immerzu auf international bekannte Kunstgrößen beruft. Letztlich gelingt ihr nicht mehr als der leise Protest gegen die fürchterlich fürsorglichen Nachfragen ihrer Eltern.

Laura de Weck hat in "Mit freundlicher Unterstützung von" eine schön-schreckliche Sammlung von Eindrücken aus dem Kunst-Geld-Politik-Dreieck zusammengestellt. Mit ihren Texten trifft sie oftmals den allzu bekannten Ton, zeigt Klischees und Phrasen. Sie mischt Politikerreden mit Kunstkennergequatsche, Konfetti-Glamour mit innerer Verzweiflung. Doch insgesamt wirkt ihre wenig überraschende Bestandsaufnahme merkwürdig distanziert und teilnahmslos. Statt wilder Wut und scharfer Kritik, verbünden sich darin zarte Ironie mit bunten Wortspielen, freundlicher Humor mit harmlosen Mini-Sketchen. Es ist ein recht leidenschaftsloser, allzu spielerischer Abend um ein Thema, das eigentlich kein Spiel mehr ist. Wohlklingende Nietzsche-Zitate gibt’s obendrauf – denn "alle Lust will Ewigkeit". Und alle Kunst will es bekanntlich auch.


Mit freundlicher Unterstützung von (UA)
von Laura de Weck
Konzept, Regie und Text: Laura de Weck, Musik: Viktor Marek, Lichtdesign: Ueli Kappeler.
Mit: Anna König, Christian Bayer.
Koproduktion Kampnagel Hamburg, Fabriktheater Zürich, Theater in Freiburg und Kaserne Basel.

www.kampnagel.de


Mehr zu Stücken von Laura de Weck: SumSum2 wurde im Juni 2010 am Theater Basel aufgeführt, am selben Ort kam auch Für die Nacht im April 2011 heraus.

 

Kritikenrundschau

Für -itz vom Hamburger Abendblatt (21.10.2011) ist Laura de Wecks "Mit der Unterstützung von" ein "höhnisch-lockeres Sprech-Musik-Stück" über den "existenziellen Konflikt zwischen Kunst, Leben und Geldbeschaffungsmaßnahmen für die Kunst". In der Inszenierung ironisiere Christian Bayer lässig "die Verbindung von wirtschaftlichem Denken und künstlerischer Kreativität, die hiesige Kulturpolitiker oft genug kurzschließen". Seine Parodie halte er dabei "mit dem untrüglichen Taktgefühl in der Balance zwischen Karikatur und Wirklichkeit". Fazit: "Ein amüsant aufmüpfiger Kommentar zur desolaten Lage freier Künstler, der interessierten Zuschauern Einblick darüber gibt, welche Kämpfe und Nerven es kostet, ein Künstler zu sein."

Zwischendurch gebe es viele sehr lustige und aufmüpfige Dialoge über die korrekte Betrachtung von Bildern in einer Galerie; über die Migros, an deren wohltätigem Tropf die ganze Schweizer Kulturindustrie irgendwie hängt; über den Idealismus des Kulturbeamten, schreibt Simone Meier im Tagesanzeiger (14.5.2011) anlässlich der Premiere in der Roten Fabrik Zürich. Am Anfang ergebt das noch Sinn, "da hält der Beamte eine hübsch verklemmte Rede zu Annas Ausstellungseröffnung; aber weil er die Kultur so sehr liebt, schleicht sich eben die Kunst in seine Stimme, und es gibt keinen Halt mehr vor den grossen Tönen." Und so wird die Förderung von Kunst eben selbst zu einer Kunst. Oder zu einem Koitus mit der Kunst. Was dann ja auch noch ausführlich zelebriert wird. "Auf Dauer ist das aber doch überambitioniert. Weniger Kunst wäre der schlanken Treffsicherheit der kulturkämpferischen Texte auch gut bekommen. Vielleicht gar besser."

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