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Was wird davon die Folge sein?

Von Dirk Pilz

Frankfurt an der Oder, 20. Oktober 2011. In der Kleist-Stadt Frankfurt an der Oder hat sich im Rahmen der Kleist-Festtage in dem deprimierend seelenlosen Veranstaltungsklotz Kleist-Forum eine Kleist-Premiere der bekannten Dokumentartheatergruppe Rimini Protokoll ereignet, die wenig über Kleist, aber viel über das Geschichtsdenken der Macher verrät.

Gemeinsam mit sechs Laiendarstellern, die Rimini Protokoll zufolge als "Experten des Alltags" zu betrachten sind, wurde das berüchtigte Kleist-Drama "Die Herrmannsschlacht" auf die Gegenwart bezogen. Es heißt jetzt "Hermann's Battle".

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© Barbara Braun / MuTphoto

Bei Kleist wird die blutige Schlacht der Römer gegen die Germanen geschildert; weder die Fach- noch die Kleistlieberhaberwelt ist sich bis heute darüber einig geworden, ob dieses Theaterstück als Beispiel gelungener Geschichts- und Kriegsschilderungsdramatik zu gelten hat oder eher das Scheitern seines Autors dokumentiert, dem Geschichts- und Kriegsgeschehen eine angemessene, in diesem speziellen Fall: eine radikalpatriotische Form zu geben. Es ist ja noch nicht einmal geklärt, was hier angemessen bedeuten soll. Immerhin aber ist es ein Stück von Kleist und also zu würdigen, im Kleist-Jahr zumal – im November gilt es des 200. Jahrestages seines frühen Selbsttodes zu gedenken.

Der Krieg ist schlimm

Mit Kleist haben sich Helgard Haug und Daniel Wetzel von Rimini Protokoll zwar nicht weiter beschäftigt; sie interessierten sich dafür, inwiefern sich im Laufe der Zeiten die Kriegsformen geändert haben. Gerade dafür ist aber "Die Herrmannsschlacht" ein schönes Stück. Indem es nämlich eines ist, das sowohl von der Schlacht im Teutoburger Wald (im Jahre neun nach Christi Geburt) als auch indirekt von der preußischen Militärmaschinerie handelt, in die Kleist selbst verwickelt war. Deshalb kann es als Kommentar auf seine Gegenwart und seine gesamtdeutschen Befeiungshoffnungen gelesen werden.

Rasch stellt man bei der Lektüre zudem fest, dass Kriege zwar immer schlimm, aber doch sehr verschieden und nicht zu vergleichen sind. Rimini Protokoll hat zudem den sie offenbar selbst überraschenden Umstand bemerkt, dass zwischen kriegerischen Auseinandersetzungen damals und den Kampfformen heute ebenfalls allerlei Unterschiede bestehen. Heute nämlich gibt es das Internet, und mit dem Internet kann man ja viele schöne, aber eben auch schlimme Dinge treiben.

Es geht auf und nieder

Hier nun die Beteiligten des Abends. Es spielen mit: Barbara Bishay, eine deutsch-ägyptische "Facebook-(Counter)-Revolutionärin", Remzija Suljic, eine "mutige Frau aus Srebrenica", Nathan Fain, "Hardware Reverse Engineer", Peter Glaser, Veteran des Chaos Computer Club, Käpt'n Rummelsnuff, ein "Eisenkumpel", der derbe Strommusik macht, und Karl-Christoph von Stünzner-Karbe, Oberst a.D. der Bundeswehr.

Peter Glaser ist die Off-Stimme, online aus Berlin-Spandau zugeschaltet. Er liest hin und wieder ein paar Zeilen aus Kleists Text und erklärt, wie das Einhacken ins Rechnersystem des Teilchenbeschleunigers CERN funktioniert und warum das die Hacker tun ("Es ist nur ein Spiel"). Rummelsnuff trägt Muskelshirt, was sich lohnt bei seinen Muskeln, und singt mit selten zu genießendem Knarzbrummen ab und an ein paar Kleist-Verse ("Brüder, Brüder! Es geht auf und nieder!"); dazwischen hockt er in Kriegsdenkerpose auf einem Holzstock.

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© Barbara Braun / MuTphoto

Remzija Suljic berichtet in Serbisch vom Krieg und Schrecken in Srebrenica und hat sich am Ende eine Tracht angelegt. Nathan Fain klärt uns in Englisch über das anonyme Netzwerk torproject und die Internetwährung Bitcoin auf, mit deren Hilfe man im Internet, zum Beispiel, problemlos einen Killer für, zum Beispiel, Julian Assange bestellen und zudem auf den Tag seines Todes wetten kann; er läuft mit Laptop umher und möchte vor den "Krypto-Anarchisten" im torproject warnen.

Barbara Bishay erzählt, wie sie per Facebook die ägyptische Revolution verfolgt hat und schließlich selbst zum Tahir-Platz in Kairo gereist ist. Karl-Christoph von Stünzner-Karbe erinnert sich an die Übernahme der Nationalen Volksarmee der DDR (NVA) durch die Bundeswehr der BRD und malt einen Schutzhelm blau an.

"Die Herrmannschlacht", sagt er einmal, mit Jägerhut auf dem Kopf und Fernglas in der Hand, "das ist alter Krieg." Der neue Krieg, erfahren wir daraufhin, sei das "Wettrüsten im Internet", wo "Soldaten ohne Waffen" durch die Veröffentlichung von Daten und Namen "digitale Bomben" legen. "Was nun?", knarzt Rummelsnuff, "was wird für dich davon die Folge sein?"

Die Sau im Dorf

Die Folge dieses Theaterabends ist für mich Stumpf-, wenn nicht schierer Unsinn. Denn wer so wie Rimini Protokoll kurzschlüssige Analogien durch die Geschichte legt, wer von der "Herrmannsschlacht" über die NVA und Srebrenica zum Cyber War hüpft, nimmt das historische Geschehen, als sei's nichts weiter als Memory-Spiel. Als wär's bloßes Vergleichsmaterial.

Darin steckt gleichermaßen Zynismus wie Naivität. Naivität, weil die Geschichte derart obenhin nur vergleichen und parallelisieren kann, wer daran glaubt, dass das bloße Aufzählen von Unterschieden und Gemeinsamkeiten irgendeine Form von Erkenntnis produziert. Zynismus, weil die historischen Ereignisse derart aus ihren jeweiligen Kontexten gerissen zum baren Gedanken- und Glasperlenspielmaterial werden. Gerade indem hier "Alltagsexperten" von ihren persönlichen Erlebnissen berichten, der Blick auf die Geschichte also subjektiviert wird, zugleich jedoch jede einzelne Erzählung als Analogiebeweis für die eine schlichte Botschaft (die Kriegsformen ändern sich, der Krieg bleibt schlimm) herhalten muss, wird der Zuschauer dumm gemacht, blind: Alle Unterschiede werden darauf kleingerechnet, dass sie Unterschiede sind.

Das Geschichtsbild dieser Inszenierung gleicht damit der sprichwörtlichen Sau, die durchs Dorf getrieben wird: Für sie ist jede Gasse und jeder Gaffer anders, aber gleich beschissen.

 

Herrmann's Battle
Kleist von Rimini Protokoll
Regie: Helgard Haug und Daniel Wetzel, Recherche und Dramaturgie: Sebastian Brünger, Bühne: Folke Köbberling, Martin Kaltwasser, Musik: Christian Schöfer.
Mit: Barbara Bishay, Remzija Suljic, Nathan Fain, Peter Glaser, Käpt’n Rummelsnuff, Karl-Christoph von Stünzner-Karbe.

www.muv-ffo.de/kleistforum

 

"Experten des Alltags" stehen auch in anderen Projekten von Rimini Protokoll auf der Bühne. Mehr darüber im nachtkritik-Lexikon. Am Premierentag von "Hermann's Battle" wurde übrigens auch vermeldet, dass Helgard Haug, Stefan Kaegi und Daniel Wetzel die erste Poetik-Professur für Dramatik an der Universität Saarbrücken übernehmen.


Kritikenrundschau

Es "geht um das Aufzeigen von Strukturen, um einen Diskurs, wie das Übernehmen und Eindringen in reale wie digitale Räume gestern und heute erfolgen kann". So schält Hartmut Krug in der Sendung "Kultur heute" auf Deutschlandradio (21.10.2011, 17:35 Uhr) den Punkt dieser Inszenierung heraus und wertet: "Es ist ein dramaturgisch intelligenter, wenn auch gelegentlich arg anstrengender Abend. Leider sind die Darsteller ihrer selbst diesmal wirklich vor allem sie selbst, ohne allzu viel szenische Wirksamkeit aus zu strahlen. Der Abend wirkt szenisch doch sehr steif und kommt über einen dramaturgischen Stehkonvent selten heraus, da mögen die Darsteller noch so oft durch die vielen Türen hin und her wandern."

Es gelänge Helgard Haug und Daniel Wetzel von Rimini Protokoll, radikale Reduktion und Nähe zum Werk gleichermaßen herzustellen, zeigt sich Stephanie Drees in der Süddeutschen Zeitung (26.10.2011) beeindruckt. Kleist werde zu einem "Archiv der Gegenwart". Zwischen Authentizität und Verfremdungseffekten, Nebelschwaden und Dokumentationsmaterial ermöglichten Haug und Wetzel "ein Spiel um Utopie und Realität". Es gebe Wechselwirkungen, aber keine ideologischen Gewissheiten. "Diese Gewissheit des Ungewissen macht die Performance so zeitgemäß."

Nach der Berliner Premiere am HAU2 schreibt Christine Wahl vom Tagesspiegel (16.11.2011): Der neue Abend von Rimini Protokoll sei "vergleichsweise statuarisch", die "Experten des Alltags" wirkten "diesmal sperriger als sonst, scheuer" (abgesehen von "Strommusiker" Rummelsnuff). Allerdings sei das "für diesen dichten, konzentrierten" Theaterabend "überhaupt nicht von Nachteil. Im Gegenteil: Es fördert das genaue Hinhören." Zu hören gebe es Erzählungen, die beleuchten, "inwiefern sich Waffen und Strategien der Kriegsführung verändert haben und welche strukturellen Muster von Patriotismus oder Anstachelungsrhetorik im Gegenzug geblieben sind." Dabei gelinge es Rimini Protokoll "einmal mehr", "durch die Konfrontation unterschiedlicher Blickwinkel universelle Strukturen, aber auch historische Unterschiede herauszuarbeiten."

"Sechs Positionen zum Krieg also, sechs Erlebnisse, sechs Erfahrungen. Aber was hält das zusammen?", fragt Peter Michalzik für die Berliner Zeitung (16.11.2011), ebenfalls nach der Premiere am HAU2. Nicht mehr als diffuse Zusammenhänge entdeckt er in diesem Abend. "An der Aufführung wurde viel geschliffen und gefeilt, Glaser und Rummelsnuff sind mehr Kitt als eigene Position, trotzdem fehlt eine Mitte, ein Gravitationszentrum." Eine Übersetzung der Kleist'schen "Herrmannsschlacht", die "eine Strategie totaler Kriegsführung, die heute im Selbstmordattentäter fortlebt", entwickle, sei hier nicht gelungen. "'Herrmann's Battle' spannt zwar ein komplexes Netz über den Krieg, in dem sich aber wenig verfängt. Hinter der Feinarbeit scheint eine Art Ratlosigkeit zu stehen."

Kommentare  
Herrmann's Battle, Frankfurt/Oder: ins Knie?
Na, Herr Dr. phil. Pilz, da haben Sie sich aber mit "ein paar Kleist-Verse ("Brüder, Brüder! Es geht auf und nieder!")" bißchen ein Loch ins Doktoren-Rezensentenknie geschossen. ;-)
Herrmann's Battle, Frankfurt/Oder: die Revelge
Na, das interessiert mich jetzt aber auch. Was singt Rummelsnuff denn nun wirklich? Doch nicht etwas die Revelge aus "Des Knaben Wunderhorn"?
"Er schlägt die Trommel auf und nieder,
Er wecket seine stillen Brüder,
Sie schlagen ihren Feind,
Tralali, Tralaley, Tralala,
Ein Schrecken schlägt den Feind."
Wäre zumindest sehr passend.
Gustav Mahler hat den Text für seine Vertonung noch etwas knalliger gemacht.
Herrmann's Battle, Frankfurt/Oder: Wann gibt's die nachtkritik-Disk?
@ Stefan

Hm, für mich sieht es eher so aus, als wenn der Song "Brüder" schlichtweg ein Rummelsnuff-Song ist, der auch nicht unbedingt von Mahler und/oder Kleist inspiriert scheint (scheinbar wissen das hier alle, zumindestens der amüsierte Poster Nr. 1, ohne daß dies sonderlich von Interesse wäre, oder ?, wie dem auch sei ...). Aber nach "Potschertes Lebn" mal wieder ein nachtkritik de.-Song: bald gibt es wohl dann die erste nk-Disk !.
Herrmann's Battle, Frankfurt/Oder: dunkle Metapher
nachkritik wird echt zur tea party des theaters.

(Werte Vicki, was will das besagen? Mit freundlichen Grüßen, Christian Rakow)
Herrmann's Battle, Frankfurt/Oder: Freunde der italienischen Oper
@ Brat Guiskardow
Nun ist mir Rummelsnaff nicht gerade unbekannt, aber man muss deshalb nicht unbedingt alle Songs von ihm kennen. Auch der Song „Brüder“ passt natürlich gut. Frage wäre aber trotzdem, ist das alles, Muskeln zeigen und ein paar Songs zum Besten geben? Da waren die legendären Dresdener „Freunde der italienischen Oper“ noch wesentlich innovativer auch ohne das Label Strommusik. Aber vielleicht liegt es auch nur an der Knarzstimme. Hier ein kleiner Ausschnitt aus einem Konzert im Centraltheater Leipzig 2009:
http://www.youtube.com/watch?v=eF8F_UWYxzE&feature=related
und ein Beitrag der ARD dazu:
http://www.youtube.com/watch?v=bnsn8XFbsfM&feature=related
Herrmann's Battle, Frankfurt/Oder: zu Rummelsnuff
@ Stefan

Naja, bei mir lag der Fall ziemlich entgegengesetzt: Ich muß gestehen, daß ich Rummelsnuff bis heute nicht kannte, mir Kommentar 1 aber irgendwie nahelegte, auch beim Naheliegendsten recherchemäßig anzusetzen und mich bei Rummelsnuff selbst umzutun (immerhin wurde das von nk ja auch verlinkt). Ein wenig Licht ins Dunkel könnte immerhin eine weitere Kritik des Abends bringen, samt
Tonbeispielen vom Abend (Deutschlandradio- Kultur heute, 21.10.2011, 17:35 Uhr), geschrieben bzw. gesprochen von Hartmut Krug. Offenbar hat Rummelsnuff hier eigene Texte und Texte von Kleist wild durcheinandergemixt (und Herr Pilz möglicherweise ein wenig zu Mißverständnissen führend gerade Rummelsnuff "zitiert"), er schreibt zum Rummelsnuff-Komplex des Abends:
"Für den alten Krieg steht Käpt`n Rummelsnuff. Der Darsteller, bekleidet im Muskelshirt überm imposanten Oberkörper, wirkt wie eine Comic-Figur und wie ein Sinnbild aus und für vergangene Zeiten.Von diesen singt er mit rauer Stimme mit Kleists Texten (sic !, BG) von taktischer Gewaltanstachelung...".

Daß ein "Rummelsnuffcharakter" durchaus auch in einer regisseurstheaterlichen Bearbeitung eines Kleist-Dramas derlei Texte in den Mund gelegt bekommen könnte, sei ganz nebenbei ebenso erwähnt wie, daß es einem mit Kleisttexten ganz ähnlich gehen kann wie mit Rummelsnufftexten: man kennt in der Regel nicht schlichtweg jeden davon, es sei denn, man machts wie Zeltingers "Asi mit Niwoh", liest Lyrik auf dem Klo und poliert punkt, punkt, punkt
Herrmann's Battle: Kleist, ein Gefühlsterrorist
@ Brat Guiskardow
Autsch. Na dann wollen wir mal hoffen, dass Dirk Pilz beim nächsten Berghainbesuch nicht Rummelsnuff auf dem Klo begegnet, wegen punkt, punkt, punkt. Aber zurück zu Herrrmann`s Battle. Da Rummelsnuff eine Kunstfigur ist, eignet er sich natürlich besonders gut zur Abbildung von Ambivalenzen jeglicher Art. Ihn aber als plumpen Germanendödel oder Comicfigur abzutun, zeigt nur wie missverständlich solche Art von Kunst sein kann. Passt aber gut zu Kleists Herrmannsschlacht. Ein anderes Beispiel dafür wäre die slowenische Band Laibach. Dass nun Rummelsnuff für ein Relikt aus dem Teuteburger Wald herhalten muss, liegt wohl daran, dass man kein Original mehr zur Verfügung hat und das Ereignis, wie Geschichte nun mal allgemein, zum Mythos geworden ist. Danke für den Tipp mit der Kulturradiobesprechung von Hartmut Krug, hier wird es etwas deutlicher, nicht nur was Rummelsnuff betrifft, sondern zum ganzen Konzept von Rimini Protokoll. Das der moderne Krieg im Internet statt findet, mag für uns hier in Europa gelten, aber es wird den Menschen nicht gerecht, die tatsächlich und nicht nur im Netz davon betroffen sind. Kleist war Idealist, er hat die Auseinandersetzung gesucht. Man muss sein Werk immer im Zusammenhang mit seiner Biografie und den damaligen Verhältnissen in Europa sehen. Das kann dann durchaus auch aktuelle Bezüge haben. Es gibt ein schönes Zitat von Claus Peymann, der sagt, dass Kleist ein Gefühlsterrorist war oder auch ein Terrorist im Denken. Das macht ihn aktuell. Wer Kleist und seine Stücke losgelöst von der Zeit betrachtet, wird sich immer an irgendetwas stören. Das macht die Ambivalenz aus, nicht unbedingt ein muskelbeladener Teutone.
Ich bin schon sehr gespannt auf das Kleistfestival im Gorki, wo Armin Petras mit seiner Münchner Version zu sehen ist und ab 14.11. dann Rimini Protokoll mit Rummelsnuff im HAU 2.
Herrmann's Battle, FFO: Thema wird immunisiert
@ Stefan

Das empfiehlt sich allemal, sich dann letztlich selbst ein Bild von dem Abend zu machen: schade, daß ich ihn so schnell nicht werde wahrnehmen können. Der "Wallenstein" seinerzeit am HAU (au weia, der Name paßt natürlich auch wieder) lieferte ja durchaus eine ansprechende phänomenologische Breite, und in der Regel sucht Rimini Protokoll wohl auch eine solche;
möglicherweise ist so eine Art "Auftragswerk für ein Kleistfest"
da eher hinderlich, ganz und gar unverkrampft zu seinen Spannbreitensetzungen anzuheben (scheint ja doch teilweise zäh zuzugehen auf der Bühne), aber das kann ich hier nur so in den Raum hineinvermuten. Bei Herrn Pilz liest es sich so, als sorge der Abend eher für "Themen-Immunisierung" als für Akzentuierung, bei Herrn Krug schlichtweg so, daß hier das "Kriegsthema" (und speziell ein deutscher Bezug dazu) letztlich nicht beherzt genug ausgefaltet und
forciert genug ausgemessen wurde, so daß letztlich der Abend gar zu allgemein und beliebig (siehe dazu wieder Dirk Pilz) gerät. Ist die Rede von Bosnien in etwa gewesen, so wäre allein schon "Sliwowitz" von Rummelsnuff eher ein Einstieg gewesen beispielsweise (wäre der erfolgt, hätten wir es wohl zu lesen bekommen), um auf die deutsche Rolle bei den "Jugoslawienkriegen" zu sprechen zu kommen (derlei scheint durch Kleist einfach näher zu liegen als über moderne und alte Kriegsführungsarten zu handeln). "Rummelsnuff" ironisieren ihren Auftritt hinreichend, was ich mir jetzt so angehört habe, insofern scheinen Sie nicht falsch zu liegen, daß hier Teutonen-Plakativität bzw. Comic-Haftigkeit die Aussage eher zu verfälschen, mindestens abzuschwächen droht. Aber auch, wenn man, wie Herr Krug, hier moderne und alte Kriegsführungsformen zeigen wollte, so bleibt letztlich immer die Frage nach konkreten menschlichen Opfern. Erstens findet das dann ganz konkret körper- und seeleversehrend und nicht mehr im Internet bloß statt, zweitens treten auch die "neuen Formen" stets im Verein mit älteren auf. Zum Beispiel die "Brüder-Formation" im Rummelsnuff-Video - das können Sie so sehr ähnlich tagein, tagaus "genießen", daß Ihnen solche Grüppchen in trendigen "Draußen zuhause"-Uniformen etwa beinahe die Funktionslust am einsinnigen Geradeausgang verleiden, währenddessen ZEIT-Verkehrsideologen gentrifizierungsblind (im St. Georg-Falle in Hamburg) von "Shared streets" schwärmen, daß ich kaum umhin komme, mit Hobbes schon die "Kriegsneigung" als Krieg aufzufassen, um more geometrico vom Kleinen ausgehend Größeres zu befragen. Wenn da aber nur allzubekannte Blöcke phänomenologisch aneinandergereiht worden sein sollten, ich kann wie gesagt nur vermuten, so könnte ich sowohl einen gewissen Statik-Effekt für den Abend verstehen wie eine gehörige Mißstimmung ob der gesellschaftlichen Realitäten..
Herrmann's Battle, FFO: Wallenstein auch Auftragswerk
one point of information: wallenstein war auch ein auftragswerk. von staatstheater mannheim zwecks schiller- jubiläum. comprende?
Herrmann's Battle, FFO: nichts gegen Rimini Protokoll
@ 9
Vielen Dank für diesen Hinweis, Frau Mewes, ich habe nichts gegen RIMINI PROTOKOLL, rozumiesz ?! Jetzt könnte ich natürlich fortsetzen : "Kleist feiern ist vielleicht anders als Schiller feiern, und auch Mannheim und FFO sind ja ziemlich unterschiedlich ..."; aber kurzum: ich vermutete ja nur. Es wäre nicht der erste Abend, der geradezu mit "heißer Nadel gestrickt" erschiene; beim "Wallenstein" hatte ich diesen Eindruck nicht; und das, was ich zum "Herrmann" bisher las, deutete für mich schon eher auf so etwas hin. Umso besser, wenn ich mich täusche ?.
Hermann's Battle, FFO: der Abend funktioniert
Ärgerliche Kritik
Hermann's Battle mag nicht das beste Stück von Rimini Protokoll sein, die Experten sind ein bisschen zu schwach, es mag auch ein bisschen zu kopflastig sein, aber trotzdem funktioniert der abend, weil er den Zuschauer mit einer neuen Perspektive auf das Thema konfrontiert und mir immer noch viel mehr erzählt, als fast alle anderen aktuellen Inszenierungen.

Ärgerlich finde ich Kritiker, bei denen man nicht merkt, ob sie sich inhaltlich für Theater bzw Inhalt interessieren, bei denen eine Kritik wie ein lästige Auftragsarbeit daber kommt und deren einzige Freude wohl darin besteht, sich über das 'seelenlose depremierende Kleistforum' zu äußern, sowie den Regisseuren allerhand eigenartige Motive, Gedanken und Geschichtsbilder zuzuschreiben. Eine seelenlise, depremierende Kritik ist das...
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