Christoph von Dohnányi sagt Budapest-Auftritt ab
Kein Requiem
22. Oktober 2011. Der deutsche Dirigent Christoph von Dohnányi hat aus Protest gegen die Berufung von zwei Rechtsradikalen an die Spitze des Budapester Theaters Uj Szinhaz (Neues Theater) einen Gastauftritt an der ungarischen Staatsoper abgesagt. Das melden u.a. die Süddeutsche Zeitung und Welt-online.
Von Dohnányi habe der Oper mitgeteilt, dass er nicht in einer Stadt auftreten wolle, "deren Oberbürgermeister die Führung eines Theaters zwei bekannten rechtsradikalen Antisemiten anvertraut hat", wird eine Mitteilung der ungarischen Nachrichtenagentur MTI vom Freitag zitiert. Am 3. Oktober hatte der Budapester Oberbürgermeister István Tarlós mit György Dörner und István Csurka zwei bekennende Rechtsradikale und Antisemiten an die Spitze des bislang liberalen Neuen Theaters (Uj Szinhaz) berufen – (nachtkritik.de meldete).
Dörner war u.a. vergangenes Jahr im Wahlkampf auf Kundgebungen der faschistischen Jobbik-Partei aufgetreten und hatte dort Gedichte rezitiert. In seinem Bewerbungsschreiben um die Theaterdirektion hatte er angekündigt, er werde das Haus in "Heimatfront-Theater" umbenennen, und aus der "entarteten, krankhaften liberalen Hegemonie" der ungarischen Theaterszene ausscheren. Ausländische Autoren und Avantgardetheater sollen in Zukunft keinen Platz mehr auf dieser Bühne haben. István Csurka ist seit Oktober 1994 Vorsitzender der von ihm gegründeten rechtsextremen Partei MIEP und fällt immer wieder mit antisemitischen und radikal nationalkonservativen Äußerungen auf.
Christoph von Dohnányi – (dessen Vater Hans 1945 als Widerstandskämpfer gegen die Nazis im KZ Sachsenhausen ermordet wurde, ebenso wie von Dohnányis Onkel Dietrich Bonhoeffer, der 1945 im KZ Flossenbürg starb) – hätte am 28. und 29. Oktober an der Budapester Oper das Deutsche Requiem von Johannes Brahms dirigieren sollen.
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http://pusztaranger.wordpress.com/2011/10/20/ein-problem-mit-dem-system-–-protest-grosdemo-am-23-10-2011/
Der Zusammenhang zwischen Pressefreiheit und der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks springt ins Auge bei diesem Beispiel - so wie man versucht, die Theater durch Neubesetzung in den Griff zu kriegen, bzw. von linkem, bzw. liberalen, d.h. kritischen Impuls zu "reinigen", so engt man auch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit ein.
Es waren v.a. freie Gruppen, die zum Protest aufgerufen haben. Sie sollte man jetzt vermehrt stärken. Ich finde den Boykott von großen, repräsentativen Einrichtungen richtig, aber würde die Basisgruppen ausnehmen, sie sind besonders hart betroffen von dem politisch gelenkten Kanhlschlag und die "Säuberungspolitik".
äußern zu dürfen! Diesmal ist es ein großartiger Künstler, ein
Dirigent, der das Rückgrat hat, sich zu den betrüblichen Ereignissen
in Ungarn mit den Gegnern der jetzigen Machthaber zu solidarisieren.
Herr von Dohnanyi hat wie ich ungarische Wurzeln, gerade deshalb
bin ich betrübt, dass, wie anne (unter Nr. 7 )so richtig sagt, sich nur viel zu wemig zurecht Empörte öffentlich ihrem Unmut und Zorn expressis verbis Ausdruck zu verleihen trauen. Man muss sich nur
vor Augen führen, dass das im Grunde freiheitsliebende Ungarische
Volk ohne Not und vor allem durch nichts begründbar bei ( noch! )
freien Wahlen ein Regime an`s Bein gebunden hat, welches, so
meine Befürchtung, wegen bisheriger Taten für die Zukunft nichts
Gutes erwarten läßt Von der Mitte Deutschlands ist dieses
schöne Land gerademal 90 Flugninuten entfernt. Solche Aufrufe
sollten in großer Anzahl an die Kommission in Brüssel geschickt
werden! Noch ist es nicht zu spät, das jetzige Regime in Ungarn
mit friedlichen, ausschließlich friedlichen Mitteln in die Wüste
zu schicken! P.S. Auch ich boykottiere u.a. die ungarische Salami
und andere Waren aus diesem Lande!
Ganz schön selbstgerecht, oder ? Salamiboykott ! Da kann man wirklich nur sagen, Sie mögen immer schön wachsam sein, frei nach dem Motto "Augen auf beim Käsekauf", daß Ihnen da ja niemand eine ungarische Salami auf die Pizza praktiziert (die Sie vermutlich, trotz Berlusconi, noch frequentieren etcpp.) oder Ähnliches.
Sie schreiben das ja auf nachtkritik de., wo schon mal über den Auftritt von Spaghetti oder Pizzen die Rede sein kann: auch zu Regierungszeiten Berlusconis. Möglicherweise ist also nachtkritik de. für derlei (ich stimme schon zu, oftmals sehr gerechtfertigte) Proteste nicht ganz die erste Anschrift (es wurden zu den diversen Ungarnthreads solche genannt, und diese werden auch keineswegs ignoriert, ganz im Gegenteil !), und möglicherweise versauen Leute wie Sie dem Exil-Ungarn, der hier guten Wein und guten Schinken verkaufen will, dann auch noch sein Geschäft. Da wäre es möglicherweise angebrachter, einmal in sich zu gehen, um sich zu fragen, wie das in Ungarn vor sich gehen konnte, und wie ist zum Beispiel die "deutsche Rolle" in "diesem Jahrhundert" (inklusive 20. Jhd. meine ich) dabei einzuschätzen (siehe ua. Niederschlagung des Ungarnaufstands) ? Sicher kaum dazu angetan, jetzt "Kauft nicht bei den Ungarn" auszurufen und zu behaupten, daß sich keiner wehrt, nur weil man sich hier auf einer Theaterseite nicht allzuhäufig meldet.
Sie liegen meineserachtens richtig: das ist peinlich, was Sie da über ungarische Salamis und deren Boykott schreiben !.
Man nehme sich ein Beispiel an Christoph Schlingensief. Der hat ja auch nicht den Kohlschen Saumagen boykottiert, sondern den Wolfgangsee mit (selbsternannten) Randständigen zum Überlaufen gebracht. "Handeln, Handeln, Handeln!" und "die Politik kunstvoll und die Kunst politisch" zu machen, lautet die Parole! Nicht bloß essen oder nicht essen.
Sehr geehrter Verfasser der soeben gelesenen Antwort!
Wie jeder andere, so haben Sie auch ohne Wenn und Aber das Recht zu
einer anderen Meinung! Wie schon die alten Römer sagten, macht der Ton die Nusik! ( Fortiter in re, suaviter in modo ! ) Ich verwahre mich nur gegen den Vorwurf der Selbstgerechtigkeit! Außer einigen
Kommentaren zu dem Geschehen in Ungarn hat man als kleiner Bürger
wenig Möglichkeiten! Es besteht kein Grund für mich, mich recht-
fertigen zu müssen. Der Boykott der Waren aus Ungarn schadet wahr-
scheinlich einigen Inporteuren, ist aber ein Symbol für aktiven
Widerstand! Schaden will ich niemanden! Warum bedienen Sie sich aber
einer Ausdruckswise wie " Leute wie Sie ? ( so abfällig?) Das geht auch freundlicher! Zudem habe ich Grund, besorgt zu sein! Im Jahr 1956,
ich war 4 (!) Jahre alt, erhob sich das Ungarische Volk gegen
die Sowjets! Das Rattern der Maschinengewehre höre ich noch heute!
Dann gingen meine Eltern mit mir in den Freien Westen! Das Sowjet-
imperium brach erst vor 20 Jahren zusammen! Als ein in Ungarn
geborener Deutscher habe ich sehr wohl das Recht, gegen die Entwick-
lingen im heutigen Ungarn zu sein! Zudem geht es ja nicht nur um das
Neue Theater! In Ungarn gibt es Jobbik. die MIEP, weiterhin Antisemitismus, Beschränkung der Pressefreiheit, paramilitärische Gruppen jagen Roma ind Sinti durch`s Dorf! Auch dagegen äußerte ich
mich schon! Last, but not least: Durch gegenseitiges Aufrechnen von
Schuld kommen wir nicht weiter. Ich weiß sehr wohl von der fürchter-
lichen Rolle Deutschlands u.a. im 20. Jahrhundert! Das 3. Reich
unter dem Megaverbrecher Hitler kostete über 50 Millionen Menschen
das Leben! ( 2. Weltkrieg! ) Der Antisemitismus ( Judenhass ) war
Ursache für den grauusamen Mord an 6 Millionen Menschen! Genau-
so gut weiß ich, dass das damalige Ungarn um 1944 mit dem 3. Reich
verbündet war, mindestens ebenso Juden hassend war und etwa 550,000
Ungarn jüdischen Glaubens vernichtet wurden! ( Pfeilkreuzler ! )
Die Horrorliste ist unendlich! Wehret den Anfänden!
Sehr geehrter Alexander !
Sie haben vollkommen Recht, was die Formulierung "Leute wie Sie" betrifft, ich bitte, mir diese Flapsigkeit an dieser Stelle zu verzeihen, ich wollte wahrlich hier niemandem auf die Füße treten, sondern lediglich in sehr bescheidenem Umfange (auch meinerseits trifft das zu) zu bedenken geben.Dem Motiv "Wehret den Anfängen", wer könnte dem nicht zustimmen ? Und doch: Sogar das "Wehret" kann zum Problem werden und auch Anfänge können dies: Wo den Anfang machen ? Womit den Anfang machen ?? Nun, ich halte den Salamiboykott dahingehend für einigermaßen ungeeignet, wird er auch so schnell keine Existenzen bedrohen; soviel Salami werden die Boykotteure vermutlich dann doch nicht gegessen haben zuvor (symbolisch: das trifft die Sache schon ganz gut). Ungarns Politik stellt sich ins Abseits: warum sollten Mc Donalds oder Nestle oder oder jetzt winzigklein ganz anders als symbolisch gut davon haben, wenn "man" -wie Sie- jetzt den Anfang mit der Salami macht (die Salami-Strategie hat ja auch sonst eher zweifelhaften Ruf ...), womit ich nicht sagen will, daß Sie so einer wären, der dann stattdessen zu Mc Donalds läuft. Wie ich auf das Bild kam: Nun, ich war 1992 in Budapest und wohnte dort für eine Woche ganz in der Nähe des Eifel-Bahnhofes- und dann dieses Bahnhofscafe: Mc Donalds de luxe, puh, einmal durchatmen, sweet Emma, dear Böbe, so ähnlich erging es mir seinerzeit. Sehr wahr aber, auch meineserachtens: Wehret den Anfängen ! Auch denen in der eigenen Wortwahl: sorry !.
Erst einmal Dank für die prompte Antwort! Natütlich nehme ich die
Entschuldigung an! Schwamm drüber. So sehr ich mich stets bemühe, so
gelingt mir nicht immer die zur Sache geeignete Ausdrucksweise!
Sie haben sicherlich nicht unrecht, wenn Ihnen der Ausdruck
" Wehret " nicht gefällt. Mir wäre es sehr Recht, wenn die Menschen
auf Gewalt gegeneinander verzichten könnten. ( wollten )
Zu " Ostzeiten " war ich schon des öfteren in Ungarn, vor allem in Budapest, und natürlich auch nach der Wende! Ein Freund der
US- Kette McDonalds war ich noch nie und bin es auch nicht.
Kurz zurück zur Politik, zu Ungarn. Leider kann ich nicht viel
gegen das Kabinett Orban tun. Ein weiterer kleiner Schritt war
das Unterzeichnen ( elektronisch ) einer Petition an die Kommission
der EU in Brüssel, welche von HaGalil in`s Netz gestellt wurde.
Die EU in toto könnte sehr viel mehr gegen die schleichende
Abschaffung der Demokratie in Ungarn tun, aber Sie wissen ja selbst
wie wenig zu Jahresbeginn zu Zeiten der Ungarischen Ratspräsidentschaft gegen das neue Pressegesetz getan wurde.
In dem Sinne, uns Allen und Ihnen alles Gute.
P.S. Viel Sinn macht der Salamiboykott wirklich nicht!