Erster Preisträger des Gustaf-Gründgens-Preises wird John Neumeier
Für bedeutende Beiträge der Darstellenden Kunst
Hamburg, 27. Oktober 2011. Der neu ins Leben gerufene Gustaf Gründgens Preis geht an John Neumeier, teilte das Deutsche Schauspielhaus Hamburg in einer Presseerklärung mit. Die Verleihung wird am 22. April 2012 im Rahmen einer Schauspielhaus-Benefizmatinée stattfinden.
Mit dem neu gegründeten Preis sollen Persönlichkeiten ausgezeichnet werden, die durch ihr
Lebenswerk einen bedeutenden Beitrag zur Darstellenden Kunst in Hamburg
geleistet haben. Zugleich soll die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung an den Theatermann Gustaf Gründgens erinnern.
Initiator ist das Deutsche Schauspielhaus Hamburg, Stifter die Mercedes-Benz Niederlassung Hamburg. Verliehen wird der Preis zukünftig alle zwei Jahre von einer Jury, die aus dem Intendanten des Deutschen Schauspielhauses, einem Vertreter des Hamburger Lions Clubs und dem Rektor der Hamburger Hochschule für Musik und Theater besteht.
(www.schauspielhaus.de / sik)
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das hast Du Dir meiner Meinung nach etwas einfach gemacht.
Ich finde ja schon mal spannend, dass Dich "Ahnenverehrung" bei so einem zeitlosen Medium wie dem Theater und seiner Behandlung in einem anderen Medium, dem Internet, mit kalten Empfindungen versieht. Frag da doch mal nach der Relation.
Theatermensch war Gründgens auf jeden Fall.
Lass den aber mal schlafen und geh mit Deiner Kraft gegen die heutigen Nazis an. Hetze gegen Tote führt zu nichts.
Ich finde, den Neumeier kann man schon mal ehren.
Gruß,
Vielleicht ist es auch überheblich zu denken, der Wunsch nach Versöhnung mit eben dieser (sehr deutschen) Vergangenheit, wäre nur Feigheit. Ich weiß es nicht. -
Denn liegt in diesem - tja was? - wiederholten Rehabilitierungsversuch für Gründgens?, nicht auch die Sehnsucht nach einer ungebrochenen Tradition? Anders, jedenfalls, kann ich mir auch die (fast) ungeteilte Verehrung für Herbert von Karajan, Gret Palucca (nach ihr ist immerhin ein Kunsthochschule benannt), Mary Wigman, Marianne Hoppe ... nicht erklären.
Wenn Sie den obenstehenden Kommentar noch einmal lesen würden, dann können Sie sehen, daß es St. M. Weber aber gar nicht so sehr um Gründgens geht, sondern darum, daß das größte deutsche Theater einen Preis mit seinem Namen auslobt.
Informieren Sie sich doch einmal bitte über eine stattliche Anzahl von CDU-Politikern, die nach 45 reüssierten. Was haben die wohl in den dunklen zwölf Jahren getrieben?
Angenommen, es gäbe in der Tradition tatsächlich auch Ungebrochenes (siehe "Schwarze Milch" versus Adorno), so wäre die Behauptung einer ungebrochenen Tradition eher eine Schwächung: was ist, braucht nicht behauptet zu werden, oder ?
Müßten jetzt nicht alle Gazetten aufschreien, wenn angeblich jetzt wieder Gründgens-Rehabilitation das Thema ist ?
Welchem Feuilletonisten traue ich zu, sich des Themas anzunehmen ? Warum finde ich seinen/ihren Artikel jetzt nirgends: Gleichschaltung ??
Welche Gründe sehe ich, warum das Blatt, für das er/sie schreibt, möglicherweise eine solche Unternehmung nicht für opportun hält ??
Habe ich letztlich dem ausgezeichneten Künstler Vorwürfe zu machen, diesen Preis nicht auszuschlagen ???
Nun ja, und Herr Szabo drehte ja 1981 gewissermaßen einen "Gründgens"-Film mit Brandauer als Henrik Höfgen: war das etwa ein Propagandafilm für Gründgens ?! Diese Ungarn aber auch !.
Denn neben allen Begründungen, die man finden kann, um Gründgens Karriere im „Dritten Reich“ zu rechtfertigen, irritiert doch eher sein durch die Zeiten (Berlin, Düsseldorf, Hamburg) ungebrochenes Credo, seine vehemente Arbeit an einem Theater des Erhabenen, das keine inszenatorische Konzeption oder gar Dekonstruktion eines Textes zwischen Autor und Zuschauer duldet: Die höchste Kunst ist der Text, ist die Sprache!
Gründgens war seit seiner „Berliner“ Zeit (und blieb es bis zu seinem Tod) ein Protagonist des ‘deutschen Antimodernismus‘. Er beklagte sich noch in den fünfziger und sechziger Jahren (also während seiner Amtszeit als Intendant des Hamburger Schauspielhauses) über die ‘abstrakte Kunst‘. Sie „beleidige“, so Gründgens, „ Form, Maß, Anstand und Sitte“.
Er bekräftigte seine Auffassung von Theater schon zuvor 1948 in einer Rede als Präsident des Deutschen Bühnenvereins und 1952 im „Düsseldorfer Manifest“ .
Und gerade dieser Imperativ an das Theater werktreu, groß (erhaben), züchtig und klar zu sein, spielte schon der Nazi-Propaganda in die Hände und später dann der bürgerlich-konservativen Elite Deutschlands, die eine Erinnerung an die Zeit der „Weimarer Republik“ nicht zulassen wollte.
Die folgenden zwei Zitate aus seiner Zeit als Intendant des Preußischen Staatstheaters kennzeichnen im Übrigen seine Bestrebungen, sich dem Nationalsozialistischen Regime anzubiedern.
„Die Maßlosigkeit des Theaters hat man in den vergangenen Jahren eines nachgiebigen Liberalismus spüren können. Man konnte damals bemerken, wie sehr die wankenden staatlichen Ausdrucksformen auch im Theater verbindlich wurden und die Bühne im gleichen Maße an Würde verlor, wie das im Staatsganzen der Fall war.“ – Das war ein direkter Angriff auf Reinhard, Brecht, Piscator.
„Das Staatstheater soll und darf nicht für einen bestimmten, auserlesenen Teil unseres Volkes Theater spielen und verständlich sein – es muß sich mit der ganzen Breite seiner Talente, mit der ganzen Fülle seiner Möglichkeit eben allen Bevölkerungsschichten verständlich machen [ … ] wir wollen Theater für das ganze deutsche Volk spielen, als Kameraden für Kameraden.“ Aus einem Interview mit dem Völkischen Beobachter, 1939.
Und wenn Sie, Herr Flohbär“, schreiben, daß es keine „Nazi-Stücke“ unter Gründgens gab, dann erliegen Sie auch dem Revisionismus-Bestreben der Nachkriegszeit.
Denn:
Hanns Johsts „Schlageter“ verschwand auch unter Gründgens Amtszeit nicht vom Spielplan. G.G spielte auch die Hauptrolle in dem „Alexander“-Drama von HJ-Führer Hans Baumann. Und es gab allein fünf Neuinszenierungen bzw. Uraufführungen aus Hans Rehbergs „Preußen“-Zyklus am Preußischen Staatstheater, der eine dramatische Erzählung von der Gründung Preußens bis hin zum „Dritten Reich“ als ungebrochene deutsch-nationale Tradition ergeben sollten.
Selbstverständlich geht es mir nicht darum, Gustaf Gründgens als Nazi-Verbrecher zu brandmarken. Genauso wenig wie man das mit Wilhelm Furtwängler tun dürfte. Aber alles zusammen genommen verstärkt es oben benannten Zweifel an seiner Eignung als Namenspatron eines Theaterpreises, auch wenn es „nur“ ein Hamburger Lokalpreis ist.
Greife ich etwa zu Bernhard Minettis "Erinnerungen eines Schauspielers", so liest sich das zum -von Ihnen angeführten- Rehberg-Zyklus allerdings ein wenig anders, Minetti schreibt:
"Ansonsten- Gründgens spielte mit der preußischen Vergangenheit bewußt gegen den NS-Heroismus. Darauf griff er zu Rehbergs Stücken, die die preußische Geschichte nicht verklärten, sondern sie analysierten, shakespearisierten, wahr blieben auch im Peinlichen. Das war auch Gegenposition gegen alles, was an neuen historischen Dramen und Germanenstücken auf die Bühne drängte. Gründgens war das bewußt, erst recht Fehling; sie wären, hätten sie die platten NS-Stücke inszenieren müssen, künstlerisch impotent geworden an solchen Stücken."
Kurz zuvor gibt Minetti Beispiele von dezidiert nicht gespielten Autoren sowie eine weitere Note zur Mitwirkung Gründgens am Alexanderdrama im Jahre 1940, Minetti:
"Er spielte nicht die neuen NS-Dramatiker wie Eberhard Wolfgang Möller, Heinrich Zerkaulen, Bethge. Von Johst brachte er 1935 nur
noch das Stück aus dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg "Thomas Paine"; als er von Langenbeck den "Hochverräter" ansetzte, war das vor allem eine lang gesuchte - und prächtig ausgeführte Rolle für Kayßler, und Hans Baumanns "Alexander" war schon ein Stück mit Rückschlagseffekt. Die Premiere war zu Beginn des Rußlandfeldzuges, und das Stück handelte vom Scheitern eines Mannes, der auszog, ein Imperium zu gründen und dabei umkam: Alexander der Große."
Was wohl wäre, wenn ein "würdigerer" Namenspatron für einen solchen Preis gefunden worden wäre: würde sich irgendjemand an dem
Sponsor "Mercedes" stören. Und haben die "Silberpfeile" nicht eine ganz andere Rolle gespielt als etwa ein Gründgens ?? Schon merkwürdig, Speer und Gründgens weiter oben in einem Atemzug zu nennen; dazu möchte ich wiederholt den Youtube-"Tanz auf dem Vulkan" (5:22 Minuten-Zusammenschau von "Die Nacht ist nicht allein zum Schlafen da"-Auftritten im fortschreitenden Zuge des Filmes) empfehlen (wie zuvor oben den Szabo-Film und jetzt ausdrücklich die Minetti-Biographie !). lg vom Minettiplatz
Minetti ist als "Zeuge" für Gründgens' Verweigerung Nazi-Propaganda auf den Spielplan zu setzen, untauglich. Sicher auch dadurch, daß er mit Rehberg befreundet war, der ein bekennender Nazi war.
Daß Gründgens ab den späteren 30er Jahren weitgehend "unbehelligt" von den Nazis "sein" Theater durchsetzen konnte, lag weniger daran, daß er sich geschickt dem "System" zu entziehen verstand, sondern eher daran, daß sich Gründgens, Goebbels und Göhrings Ansichten über das "Deutsche Theater" deckten. In Gründgens (und nicht nur in ihm) fanden die "intelektuellen" Nazis genau den Richtigen.
Dazu folgendes Zitat vom "Senator der Reichskulturkammer" und "Preussischen Staatsrat":
„Sagen wir nicht Stil, denn hier wird man zu leicht theoretisch. Sagen wir: Stilisierung. Sie macht jede künstlerische Gestaltung aus. Reichsminister Dr. Goebbels hat es so formuliert: ‚Kunst ist nicht das Leben selbst, sondern eine Art überhöhtes Leben.‘ In diesem Sinne möchte ich den Naturalismus als den Gegensatz von Stilisierung verstehen. Er ist in der Kunst unmöglich, bietet hier einen Widerspruch in sich. [...] Was uns als Ideal vorschwebt, ist das zuchtvolle Theater, dargeboten von den besten deutschen Schauspielern.“
Ich empfehle Ihnen den Film "Taking Sides - Der Fall Furtwängler" (ebenfalls von Szabo) und Gwendolyn von Ambessers Buch "Die Ratten betreten das sinkende Schiff".
Herzlichst, E.E.
Natürlich, auch der Griff ins Bücherregal zum "Minetti-Erinnerungs-
buch" muß nicht unproblematisch, repräsentativ möchte ich ihn gewiß auch nicht nennen (bei Piscator heißt es sinngemäß "Mit denen nie wieder" (obschon, meine ich irgendwo gelesen zu haben, Minetti zB. dann doch bei ihm gespielt hat späterhin), Kortner sieht meineserachtens kühl-distanziert, aber auch mit Respekt auf Gründgens Intendanz "Aller Tage Abend") sein; ich tat ihn geradezu reflexhaft, das gestehe ich sofort ein, als ich bei Ihnen von den "Revisionismusbestrebungen der Nachkriegszeit" las, denen meine aktuelle Sicht dann, so sagte ich mir, möglicherweise auch
erlegen ist. Mein Bücherregal zum besagten Gegenstand ist überschaubar -vielen Dank für Ihre Tips-, und das erste Buch, das mir dazu ins Auge fiel, war dasjenige von Minetti. Ich hätte ebensogut zu Günther Rühles "Theater 1887-1945" greifen können (auch Rühle hat zudem häufiger auf Minetti zurückgegriffen), und dieser spricht von einem Gründgens und einer Spielplangestaltung, welche an Schachzüge gemahnt (fast ein Affront die erste Ansetzung "Minna von Barnhelm", "preußisch, aber nicht völkisch" flankiert vom Auftakt des Rehberg-Zyklus, gebrochen durch die "Herrmannschlacht",
kontrastiert durch "Ein Glas Wasser" - gut, vermutlich läßt sich das auch anders auffassen, mir erschien das aus meiner Sicht, die fernab der Ereignisse liegt, recht schlüssig immerhin; auch "Der Tanz auf dem Vulkan" (1938) folgt einem Drehbuch von Rehberg, und Freundschaften, auch die von Gründgens und Ernst Busch, will ich eigentlich eher aus einem Fürundwider ausgespart wissen ...).
Aber der Vorwurf an Gründgens ist ja auch desmeist eher jener, dem Nazi-System als Feigenblatt gedient zu haben: Auf Vulkanen tanzt man nicht ! So in etwa. Erst recht doppeltärgerlich, wenn man dann verführerisch gut zu tanzen versteht !! So lese ich es hier und da zu diesem Gegenstand, und da trifft sich die Linie ja auch wieder mit dem Höfgen von Klaus Mann. Ich bin bei jeglicher Quelle -sei sie biographisch, sei sie historisch- letztlich auf mein Gespür
verwiesen, und obwohl auch "Gespür" mit "G" beginnt, sehe ich es und auch Gründgens nicht auf einer Linie mit GöringGoebbels: vielleicht tanzt man wirklich nicht auf Vulkanen; aber deswegen muß man noch lange nicht "modernistisch" sein und nur da Leistungen vermuten bzw. anerkennen. Womit in aller Kürze zum Preis übergeleitet werden kann: ich halte solche Preise, bei denen "Gründgens" oder zB. auch "Minetti" etcpp. wie eine Monstranz vor vermutlich verborgene (Werbe-) Interessen gehalten werden für ähnlich geschmacklos wie Preisverleihungen an Künstler post mortem; da nun Gründgens schon einmal als "Feigenblatt" fungierte, wäre es meineserachtens sogar anzunehmen, daß dieser sich jetzt dagegen verwahrt hätte, wieder irgendwie vorgehalten zu werden, aber es stimmt, dieser Gedanke führt nicht allzuweit. Dennoch stellt sich so ein Lions-Club und so ein örtlicher Mercedes
jeweils in eine merkwürdige Tradition: und, wenn dann schon von Geschichte die Rede ist, warum dann nicht von der Geschichte des Wirkens solcher (Lions-) Clubs und solcher Sponsoren ??! Was mögen die bezwecken, wenn sie, Manila übergehend, hier Gründgens ans Licht zerren ?? Diese Frage wurde hier im Forum ja durchaus zurecht aufgeworfen: vielleicht antwortet ja mal ein "Löwe", es muß ja nicht gleich der "König der Löwen" sein. Freilich dachte ich mir angesichts zB. des Platznamens "Minettiplatz", ob es aus ähnlichen Gründen wie bei Gründgens jetzt auch derlei Einwände gegen Minetti als Namenspatron gegeben hätte; ich wage das ein wenig zu bezweifeln.. lg aus Kiel (dieses Mal vom Dreiecksplatz)
Und Ida Ehre, um nur ein Beispiel zu nennen, wäre eine weit würdigere Namensgeberin gewesen.
Erwähnen möchte ich noch, dass auf meine Protestschreiben hin immerhin die Hamburger Lions, wenn auch eher lapidar und unbefriedigend, und Florian Vogel vom Schauspielhaus sehr ausführlich, ernsthaft und mit bedenkenswerten Argumenten reagiert haben. Der erste Preisträger in spé, John Neumeier und sein Hamburger Ballett, sowie die Kulturbehörde und die Kultursenatorin Kisseler fanden es offensichtlich unnötig, sich zu äussern.
Möge die Diskussion und die Auseinandersetzung trotzdem fruchtbar weitergehen...