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Ich will nicht arrrbeiten!

von Sophie Diesselhorst

Berlin, 27. Oktober 2011. "John Gabriel Borkman" ist das vorletzte Stück von Henrik Ibsen. Zwei Jahre später hat er noch ein letztes geschrieben, und auch wenn der vierte Teil der "Ibsen-Saga" von Vegard Vinge und Ida Müller "John Gabriel Borkman" heißt und zum Thema hat, so scheint er doch insgesamt vom Titel dieses letzten Stücks inspiriert: "Wenn wir Toten erwachen".

In dem mega-trashigen Mega-Puppenhaus, das die Bühne ist, wanken Ibsens Figuren im Schneckentempo als stumme Zombies umher. Ein Musikteppich, der aus viel Wagner, ziemlich viel Filmmusik und anderem gewebt ist, wirkt atmosphärisch verstärkend. Jeder Schritt und jedes Rascheln wird außerdem von künstlich erzeugtem Geräusch begleitet. Auch der Text kommt aus dem Off und wird durch stimmverzerrende Mikrophone eingesprochen. Anfallartig quetschen die weiß maskierten Untoten ihre Szenen aus sich heraus, als wären sie Zitronen und Zitronenpressen in einem. Beinahe jeder Satz wird zigmal repetiert – um aus der Wiederholung Leben zu saugen?

Alte Platten neu gespielt

Es ist ja tatsächlich nicht mehr viel zu retten im Hause Borkman. Die Ehe von Gunhild und John Gabriel ist zerrüttet, seit der Bankdirektor wegen der Unterschlagung größerer Geldsummen für acht Jahre ins Gefängnis gewandert ist. Das Haus, in dem sie mit ihrem Sohn Erhart leben, gehört Gunhilds Schwester Ella Rentheim, die nie geheiratet hat, weil sie immer nur den Mann ihrer Schwester geliebt hat. Mit dem Besuch der todkranken Ella beginnt das Stück. Um Geld geht es ihr nicht: sondern darum, den jungen Erhart für sich zu gewinnen, den sie als Pflegemutter großgezogen hat.

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John Gabriel Borkman im Prater © William Minke

Den initialen Machtkampf der Schwestern haben Vinge/Müller in einzelne Arien unterteilt. "Ich bleibe hier, hier bleibe ich, ja, ich bleibe hier", singsangt Ella eine gefühlte halbe Stunde lang mit zittriger Männerstimme, während sie an einem Pullover für Erhart strickt. Gunhild, die vorher schon bekanntgegeben hat, dass sie sich "Genugtuung zu verschaffen wissen" wird, wütet daraufhin zwei Zimmer weiter ebensolang allein vor sich hin. Denn sie will, dass Erhart die Familienehre rettet, statt sich um seine Tante zu kümmern. Im ersten Stock läuft John Gabriel auf und ab. Nur ein Schatten ist von ihm zu sehen, doch auch dieser Schatten darf eine eigene Ibsen-Platte spielen und immer wieder sagen: "Die Masse und die Menge aller durchschnittlichen Menschen, die verstehen uns nicht."

Puppenheim der besonderen Art

Der eigentliche John Gabriel ist indes hinter einer Mauer verborgen. Irgendwann beginnt er, diese Mauer abzubauen und setzt die Einzelsteine (wie fast alles auf dieser Bühne aus Pappe) zu einer Art Skulptur zusammen, bei der man sich fragt, von was für einer Kraft sie zusammengehalten wird. Das schräge Konstrukt, das allen Gesetzen der Statik widerspricht, ist ein gutes Bild für diesen mitreißenden Ibsen-Abend. Denn Vinge/Müller haben mit dem Stück etwas Ähnliches gemacht: Sie haben es in seine Einzelteile zerlegt und diese neu zusammengebaut. Und das funktioniert nicht nur, das schenkt den Figuren darüber hinaus ein explosives Eigenleben.

Vor allem Erhart, der erst relativ spät auf die Szene tritt. In seinem Jugendzimmer hat er alles, womit sich ein Jugendlicher vergnügen kann: ein Spiderman-Heft, einen Basketball, eine Gitarre und sich selbst. Und dann hat er ja auch noch eine Mutter. Und eine Tante. Die an den Außenwänden seines Zimmers kleben und auf ihn einwüten/-singsangen. Wie Erhart erst ausgiebig wichst und dann mit dem vielfach wiederholten Bekenntnis "Ich will nicht arrrbeiten!" die Emanzipation versucht, das gehört zu den einprägsamsten Momenten dieses Theaterereignisses.

Spiellust, Spielhölle

Weitere einprägsame Momente stiftet Regisseur Vegard Vinge, der immer wieder die Bühne stürmt und irgendwann beginnt, alle, die seinen Weg kreuzen, mit einer Papp-Pistole und einer Flasche Ketchup bewaffnet niederzustrecken. Sein Amoklauf scheint aus einer Mischung von Erharts hilfloser Aggression und John Gabriels verdrängtem Schuldbewusstsein geboren. Immer wieder erschießt er sich selbst – nur um gleich wieder aufzustehen. Denn natürlich ist auch diese Hybrid-Figur ein Untoter, für immer und ewig gefangen in der Hölle seines spezifischen Lebens.

Ibsens "John Gabriel Borkman" endet mit John Gabriels Tod und einer merkwürdig prompten Versöhnung der Schwestern über seiner Leiche. Als hätte Ibsen keine Lust mehr gehabt. Was man von Vinge/Müller und ihren Spielern nicht sagen kann. Obwohl: Eher als Spiellust scheint es Gefangensein in der Spielhölle zu sein, das sie antreibt, weiter und weiter und weiter zu machen mit der gegenseitigen, Selbst- und Bühnen-Zerstörung. "Jede Vorstellung ist anders", verspricht die Volksbühne.


John Gabriel Borkman
von Henrik Ibsen
Von und mit: Martin Aaserud, Lea Basch Opheim, Lukas Besuch, Edwin Bustamante, Dierk von Domarus, Nico Ehrenteit, Robert Faber, Paul Flagmeier, Fredrik Floen, Julia Forne, Florian Gwinner, Marcel Heuperman, Margarita Hoffmann, Franziska Huhn, Sebastian Kaiser, Harald Kolåas, Maria Koulouti, Olivia Meyer, Ersan Mondtag, Ida Müller, Nefeli Myrtidi, Carl Nilsen-Love, stefanpaul, Christina Peios, Marc Philipps, Trond Reinholdtsen, Silvia Rieger, Angela Roudaut, Susanne Sachße, Hagen Schulze, Volker Spengler, Henning Streck, Dana Sauerland, Julia Raabe, Tilman Van Tankeren, Sarah Teichmann, Arnt Christian Teigen, Sonia Wagemans, Dominik Wagner, Vegard Vinge, Lisa-Theres Wenzel, Petter Width Kristiansen, Wojciech Zopoth.
Eine Produktion der Volksbühne Berlin mit Unterstützung durch Norsk Kulturråd und in Kooperation mit Nordwind Platform und Festival.

www.volksbuehne-berlin.de
www.nordwind-festival.de

 

Diese Inszenierung wurde von den Lesern für das virtuelle nachtkritik-Theatertreffen 2012 ausgewählt.

 

Kritikenrundschau

"Also, jetzt bin ich vielleicht doch schon lang genug im Geschäft, um einmal sagen zu dürfen: Ich habe schon einiges erlebt, aber noch nicht so etwas zugleich Wildes, zu Tränen Rührendes, Nervtötendes, Schockierendes, Fantasievolles, Schmerzendes, Langweilendes, Ekel- und Besorgniserregendes", gibt Ulrich Seidler in der Berliner Zeitung (29.10.2011) zu Protokoll und fügt kleinlaut hinzu: "Einmal reicht mir dann aber vorerst auch." In pflichtschuldiger Erfüllung seiner Informationspflicht als Kritiker listet Seidler allerlei Einzelheiten des Abends von Regisseursschamhaar, Gleitmittel, Kokain bis hin zu Vergewaltigungen und Hubschraubern auf. "Hat das was mit Ibsen zu tun?", wird dann nachgefragt. "Vermutlich. Zumindest ist es egozentrisches, größenwahnsinniges Hochkunstweltbaumeister- und -zerstörungstheater, wie es den Helden Ibsens − besonders Peer Gynt oder eben Borkman − wohl zusagt. Die bei Ibsen angelegten seelischen Konflikte werden ins Monströse getrieben und mit brachialem Tamtam ausagiert − am und im eigenen Künstlerleib."

"In die höhepunktarme Theatersaison mit ihren braven Déjà-Vus und ärgerlichen Flops stürzt 'John Gabriel Borkman' wie ein torkelndes Ufo", schreibt Georg Kasch in der Berliner Morgenpost (29.10.2011). Natürlich sei der rekordverdächtig lange Ibsen-Kommentar in seiner Überforderung unerträglich. "Und zugleich genial. Nervtötend. Und komisch", fügt Kasch hinzu. "Allein die Bühne: alles aus Pappe. Ein Comic-Puppenhaus für böse Kinder, im Drogenrausch zusammengezimmert. Drunter gähnt später das Höllenloch, außerdem ein Stollen, in dem der alte Borkman (sein Vater war Bergmann) seinen Sisyphos-Stein wälzt. Hier stampfen, schreiten, trotten und trippeln die Ibsen-Zombies herum, ferngesteuert von einer höheren Macht. So geht das Stunde um Stunde – pausenlos." Das deutsch-norwegische Künstlerduo hat aus Sicht dieses Kritikers dennoch das späte Ibsen-Drama auf unheimliche Weise ans Heute angedockt.

"11 Stunden Ekel-Sex, Blut und Massaker – und wir alle zahlen dafür!", schüttelt sich in höchster hypokritischer Erregung die Bildzeitung (29.10.2011) über "Berlins perversestes Theaterstück". Weiter müssen Sie aber bitte selber lesen.

"Genialisches Berserkertum, lärmende Oper, expressionistischer Geisterbahnhorror", ruft Anne Peter in der taz (31.10.2011) aus. In dieser "Borkman"-Version trete das Inzestuöse der Mutter-Sohn-Ersatzliebe zwischen Gunhild und Erhart, die das Vakuum zwischen den Eheleuten füllen muss, genauso klar zutage wie die Gewaltsamkeit des Borkman'schen Liebesverrats an beiden Frauen. Somit sei das "hochkomplexe, technisch ausgeklügelte Gesamtkunstwerk" weit mehr als die Summe jener Skandalmomente, in denen sich der Regisseur in den Mund uriniert, sich live seiner Schamhaare entledigt oder sich zu besonderem Action-Painting einen Pinsel in den Anus schiebt. Sondern: "Das merkwürdigste, radikalste, krasseste, durchleidenswerteste Theaterereignis, das seit Langem zu erleben war."

Die Berliner Zeitung (15.12.2011) geht in einem längeren Beitrag noch einmal auf das Phänomen Vinge-Borkman ein und fragt sich: Wie viel Theater hält man aus? "Was kostet das Durchstehen einer 'Borkman'-Nacht die Künstler, die Bühnenarbeiter und die Zuschauer?", sinniert Doris Meierhenrich. Und: "Werden wir alle Splatter-Szenen, Anal-Bearbeitungen, Live-Urinirereien und Lärm-Attacken diesmal durchhalten − mit intellektuellen Gewinn?" Zweimal war die Autorin schon da und hat es jeweils nicht ganz bis zum Ende ausgehalten, nun, kurz vor Schluss, wagte sie es ein drittes Mal: "Es hilft nichts, wir müssen noch einmal hin und diesmal durch." Meierhenrich lässt sich also einmal mehr begeistern von "jenem Spuk ganz anderer Art, den Vegard Vinge mit seinem ungreifbaren, allumfassenden Amalgamtheater aus Happening und Formstrenge, Textreue und Textverweigerung, Maschinenkunst und Geisterspiel, Comic und großer Oper aufreißt." Eine ungekannte Herausforderung für den Betrieb seien dieser "Borkman" und seine alltägliche Funktionstüchtigkeit genauso, wie für das künstlerische Selbstverständnis, "das immer wissen will: Ist das nun grandios oder grandioser Humbug? Ist das überhaupt noch Theater, was sich da abrackert?"

Über Regisseur und Hauptakteur Vegard Vinge wisse man nicht viel, außer dass er 40 Jahre alt sei und vor sieben Jahren als Regieassistent in der Komischen Oper Berlins mitgemischt habe. Spätestens nach diesem Borkman wisse man nun auch: "Er will das Leben seinen Theatermaßlosigkeiten unterwerfen, will es zu einer anderen Wirklichkeit zwingen. Der praktische Konflikt ist Kern dieser radikalen Ästhetik – und eigentlich der älteste Künstlertraum überhaupt." Wichtigstes Mittel dieses Theaters sei die Überbietung. "Die Überbietung auch im Verschwinden eigenen Lebens in der Kunst, weshalb Vinge um sich und sein Team eine Mauer des Schweigens zieht." Gesprächsbitten, Nachfragen, so Meierhenrich, prallten unerbittlich ab. "Die Kunst soll für sich sprechen, lässt er ausrichten." Für die Autorin funktioniert das: "Schaut man genau hin, findet man in diesem lebendig-toten Totaltheater auf fast jede Frage eine Antwort. Denn was man im Laufe einer 'Borkman'-Nacht erlebt, ist sowohl der ernst-irre Versuch, eine Art faschistoider Kunstvollendung zu zelebrieren, als auch das Scheitern daran."

In ihrer dritten "Borkman"-Überforderung sucht Meierhenrich trotzdem mal das Gespräch mit den am Rande Beteiligten. Ein Wagner-begeisterter Brandschutz-Dienst schüttelt den Kopf über Vinges Exzesse, ein Philosophie-Student, der als Einlasser arbeitet, fragt sich, ob die Bilder nicht gerade in dem Exzessiven, das dort herrscht, verbrannt werden. "Er finde Ibsen einfach nicht wieder, worauf sein Kollege neben ihm fachmännisch antwortet, im Theater sollte man doch nichts wieder-, sondern neu finden, unbekannte Tiefenschichten freilegen." Währenddessen, so berichtet ein Zuschauer, der kurz Pause macht, reißt Vinge drinnen gerade die Zuschauerbänke aus und wirft sie auf die Bühne. Es ist kurz nach drei. Und Doris Meierhenrich scheint's, "als arbeite die schiere Dauer des Ganzen auch wie ein Schädel-Dietrich: Gegen die Verstörung durch die radikalen Bilder setzt sie den Willen des Dranbleibens, Wiederversuchens und der gedanklichen Prozesse in Gang, wie in keinem konventionellen Zweistunden-Stück." (sd)

In ihrem Bericht vom Nordwind Festival skizziert Stephanie Drees in der Süddeutschen Zeitung (16.12.2011) den Abend als "Extrem-Theater, das an (und über) Grenzen geht. Der titelgebende Patriarch stampft mit dröhnenden Schritten, Rüstung und nacktem Hintern durch das Obergeschoss. Im Erdgeschoss singen blondierte Zombies verzerrte Schmerzenslieder. Ein Eisbär mit Perücke labt sich am Körper einer Puppe. Zwölf Stunden lang geht das so, jeden Abend ein wenig anders. An diesem nimmt Vinge als maskierter Terrorist die Freud'schen Ablösungskonflikte besonders ernst: Er kackt höchstpersönlich auf die Bühne."

In der taz (28.12.2011) beschreibt Esther Slevogt anhand von Müllers/Vinges John Gabriel Borkman und Alvis Hermanis' Eugen Onegin wie das Theater sich aus seinem gegenwärtigen Glaubwürdigkeitsproblem zu retten versucht. Spätestens wenn Regisseur Vinge, am Geruch deutlich identifizierbar, während der Vorstellung einen veritablen Haufen auf das geblümte Sitzkissen neben einem mache, und man sich durch diese kalkulierte Schockaktion zwar von seinem Platz, nicht aber aus seiner Zuschauerrolle vertreiben lasse, würden, so die Kritikerin, die Fragen akut, die dieser provozierende Abend über den Zusammenbruch bürgerlich-kapitalistischer Werte und Ordnungen stelle: "Das sind auch Fragen über das Theater, das ja wie der Kapitalismus auf der Figur des Tauschs von einem realen Wert in einen symbolischen gründet. Womit nun die Frage, was echt ist und was nicht, ins Zentrum rückt. Wie und ob Dinge überhaupt noch darstellbar sind. Ob am Ende nicht auch der Haufen von Herrn Vigne ebenso im Als-ob eine Verwandlung erfährt wie die berühmten Tränen von Ulrich Matthes (Bitte verzeihen Sie, Herr Matthes! Aber diese Frage muss hier jetzt leider gestellt werden …) in Jürgen Goschs Inszenierung von Anton Tschechows Onkel Wanja 2008 am Berliner Deutschen Theater." Denn die Zuschauervertreibung findet in Müller/Vignes Inszenierung von "John Gabriel Borkman" erst statt, nachdem zunächst über viele Stunden lang eine ästhetisch sehr zugespitzte Version des Ibsen-Stücks gespielt worden ist.

Der schrille Schrei "Ich will leeeeeben!" von Borkmans wohlstandsverwahrlostem und emotional bedrängtem Sohn Erhart gehe einem speziell in (und auf Grund) der furchterregenden Künstlichkeit durch Mark und Bein. "Denn diese Kunstfiguren scheinen in der radikalen Ästhetik der Inszenierung ebenso eingesperrt wie der Mensch an sich in dieser Gesellschaft. Deshalb wirkt die Zerstörung des Repräsentationsraums Theater im Verlauf dieses Abends nur wie die Markierung der Notwendigkeit weitreichenderer Zerstörungen." Weil sich das, was früher Wirklichkeit hieß, aus Slevogts Sicht längst nur noch als medial inszenierte Benutzeroberflächer darstellt, betrachten es viele Theatermacher inzwischen als ihre Aufgabe, diese Benutzeroberflächen zu dekonstruieren oder als solche zumindest kenntlich werden zu lassen. Was aber eben nicht selten auch eine Entzauberung des Mediums Theater selbst zur Folge habe.

Alvis Hermanis' Eugen Onegin sei da in seinem Anspruch auf Annäherung dem von Vigne/Müller gar nicht so unähnlich: "Zwei in ihrer Form ebenso gegensätzliche wie radikale Versuche, das Theater als Kunstform zu retten, dessen grundsätzliche Gestalt längst ebenso porös und unwahr wirkt wie die vorgetäuschten Werte, mit denen der Kapitalismus seine ruinösen Luftgeschäfte macht." (sik)

Stimmen zum Gastspiel der Produktion beim Berliner Theatertreffen 2012:

Der Ressortleiter Kultur beim Berliner Tagesspiegel Rüdiger Schaper würdigt in seiner Zeitung (7.5.2012) Vinges/Müllers "Terror-Spektakel" als "Herkulesarbeit, die den Augiasstall aber nicht ausmistet, sondern immer mehr zumüllt", und rückt es in den Kontext großer norwegischer Errungenschaften der Moderne (Edvard Munchs "Der Schrei", Henrik Ibsens Werk in itself). "Abstoßung und Anziehungskraft der Inszenierung" hielten sich "die Waage". Diese "Dauer-Performance wandelt psychische Energie und Qual in handgreifliche Gewalt um. Sie nervt, sie fasziniert, die comichaften, an Jonathan Meese geschulten Bilder gehen unter die Haut".

Ulrich Seidler von der Berliner Zeitung (7.5.2012) hatte für sein Blatt bereits die Premiere im Oktober 2011 in ihrem ganzen Spektrum von "Lärm, Ekel, Schock, Rührung, Lachen, Ratlosigkeit, Wut, Krieg, Angst" besprochen (siehe oben). Zur seiner jetzigen Wiederbesichtigung des Abends sagt er: "Die Fassungslosigkeit über diverse körperliche Extravaganzen und gewisse Ausscheidungsvorgänge ist kleiner geworden. Es war lustiger und entspannter als beim Ur-Erlebnis im Oktober." Hervorgehoben wird die Endloszahlenreihe zu Beginn. Und dann: "Nach zwei Stunden Zeitverschwendung ging der Vorhang auf, unter Lust-Jubel."

Für nachtkritik.de (6.5.2012) bespricht Christian Rakow das Theatertreffen-Gastspiel der Produktion mit einem Shorty.

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