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Grenzüberschreitungen und assoziative Freiräume

Berlin, 14. März 2012. Den mit 20.000 Euro dotierten George-Tabori-Preis 2012 des Fonds Darstellender Künste erhält das Berliner Tanzensemble cie. toula limnaios.

Wie der Fonds Darstellende Künste (FDK) in seiner Begründung schreibt, gehöre die von der Choreographin und Tänzerin Toula Limnaios und dem Komponisten Ralf R. Ollertz geleitete Compagnie zu den "erfolgreichsten Ensembles für zeitgenössischen Tanz in Deutschland". Das Repertoire des seit 15 Jahren in Berlin ansässigen Teams umfasse inzwischen 31 abendfüllende Werke, die nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa, Südamerika und Afrika "Zuschauer und Kritik" begeisterten.

Das internationale Tanzensemble beeindrucke durch "seine außergewöhnlich virtuosen und vielfältigen Ausdrucksformen. Mit großer sinnlicher Perfektion und körperlichen Grenzüberschreitungen, gepaart mit berührenden, verstörenden und poetischen Bildern, fordert es die Sehgewohnheiten der Zuschauer heraus und schafft assoziative Freiräume".

Den Förderpreis in Höhe von 10.000 Euro, verbunden mit einer mehrwöchigen Residenz im Wert von 10.000 Euro im Ostseebad Kühlungsborn, gestiftet vom Kulturverein "Mecklenburg inspiriert", erhält das Performancetheater HUNGER&SEIDE aus München, das die beiden künstlerischen Leiter Judith Al Bakri und Jochen Strodthoff 2006 gründeten.

Weil die Preisjury zur Verleihung des George-Tabori-Preises vorgeschlagen hatte, alle drei für den Hauptpreis nominierten Ensembles auszuzeichnen und weil dieser Vorschlag vom Fonds Darstellende Künste nicht akzeptiert worden war, traf die Nominierungskommission, die auch schon die jeweils drei Kandidaten für beide Preise benannt hatte, nun auch die Entscheidung für die beiden Preisträger. Zuvor hatte die Mitgliederversammlung des FDK die Nominierungskommission dazu aufgefordert, selbst die Entscheidung zu treffen. Der Nominierungskommission gehörten die Kuratoriumsmitglieder des FDK Gerti Köhn-Langhammer und Manuel Schöbel, wie die Vorstandsmitglieder Jürgen Flügge, Wolfgang Kaup-Wellfonder und Ilka Schmalbauch an, außerdem ohne Stimmrecht der Geschäftsführer des FDK Günter Jeschonnek sowie Kirsten Haß als Verteterin der Bundeskulturstiftung, die den Fonds Darstellender Künste mit jährlich 1 Million Euro ausstattet.

Dem 1985 gegründeten Fonds Darstellende Künste gehören nach eigener Aussage fast alle Theater- und Tanzschaffenden Deutschlands, organisiert in 14 Mitgliedsverbänden an. Mitglieder des Fonds sind unter anderem die Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA), der Verband des Kinder- und Jugendtheaters ASSITEJ Bundesrepublik Deutschland e.V., der Bund Deutscher Amateurtheater e.V., der Bund der Theatergemeinden e.V., der Bund deutscher Volksbühnen e.V., der Deutsche Bühnenverein, der Verein zur Förderung der Tanzkunst in Deutschland e.V. und der Verband Deutscher Puppentheater e.V.. 

Der George Tabori-Preis wird am 24. Mai 2012 im Maxim Gorki Theater verliehen. Maria Sommer, Verlegerin des Gesamtwerkes des Preispatrons, wird mit einer Festrede an den außergewöhnlichen und vielseitigen Regisseur und Autor erinnern, der zuletzt von 1999 bis zu seinem Tod 2007 am Berliner Ensemble inszenierte und am 24. Mai seinen 98. Geburtstag feiern würde

Fonds Darstellende Künste (www.fonds-daku.de) / jnm

Kommentare  
Tabori-Preis: mehr Transparenz
... was soll das denn?! Eine Nominierungskommisssion kippt die Entscheidung und erzwingt eine neue Lösung. Was sagt denn die Geschäftsordnung zu diesem Vorgang, und welche kommende Jury wird sich auf das Jeschonnek Spielfeld einlassen? Der FDK wird doch aus Bundesgeldern finanziert, kann man da nicht eine tiefer gehende Transparenz erwarten? Das hört sich nicht gut an...
Tabori-Preis: Farce
eine jury tut, was jurys tun - und der Preisverleiher macht dann was ganz anderes. am ende reden sie sich auch noch mit "demokratie" (mitgliederversammlung hat aufgefordert blabla) heraus. was für eine farce!!

begründungstechnisch mutet das ähnlich an wie beim heidelberger stückmarkt 2010, nur hier (bislang) ganz ohne aufschrei der netzgemeinschaft. warum bleibt der eigentlich aus? weil die heidelberger damals die jury-wertung durchgezogen haben?
Tabori-Preis: wirklich befremdlich
Ein wirklich befremdliches Vorgehen des Fonds DaKu, das den noch so jungen Preis beschädigt!
Tabori-Preis: Jury hätte Gegenvorschläge machen können
Die Jury hatte den Auftrag, jeweils einen Preisträger aus jeweils drei Nominierten zu wählen. Wenn sie sich für fünf von sechs Preisträgern entscheidet, dann ist sie ihrem Auftrag nicht nachgekommen und hat dem Preis noch dazu erheblich geschadet. Wer sagt denn, dass die nominierten Ensembles nicht zur "Weiterentwicklung der freien Künste" beitragen? Vielleicht ist z.B. die Cie Toula Limnaios nicht wie eine Constanza Macras innovativ mit Trash gestartet, aber im Gegensatz zu Constanza Macras, die nun mit ihrem Konzept stehen bleibt, entwickelt Toula Limnaios im Kleinen Gewaltiges. Auch "WildeVogel" ist in Deutschland das führende Figurentheater und auf allen wichtigen Festivals präsent. Nenne mir jemand ein Ensemble (!), das in Deutschland seit längerem arbeitet (!), das schon vom Fonds Daku gefördert wurde (!) und zur Weiterentwicklung der freien darstellenden Künste beiträgt (!). Sind diese Auswahlkriterien für den George-Tabori-Preis dann zu überdenken, wenn keines der nominierten Ensembles diesen Kriterien genügt? Gibt es andere Ensembles, die diesen Kriterien mehr entsprechen? Die Jury hätte hier Gegenvorschläge machen können, anstatt sich arrogant über die Nominierungsauswahl zu stellen. Oder kannte sie sich doch nicht genügend in der Breite und Tiefe der darstellenden Künste in Deutschland aus?
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