altGanz er selbst

von Sabine Leucht

München, 22. März 2012. Doch, das ist eine Möglichkeit: Man kann David Foster Wallaces 1547-Seiten-Roman auf unglaubliche zweieinviertel Bühnenstunden bringen, ohne sich ganz auf platte Hedonismus- oder Materialismuskritik, Paargeschichten oder familiäre Kommunikationsprobleme einzuschießen. Denn in "Unendlicher Spaß" – durch dessen disparate Sozial-, Sprach- und Gedankenwelten man sich tagelang graben kann, ohne die leiseste Ahnung, wohin es geht – gibt es nichts, was es nicht gäbe. Vor allem mannigfache Abhängigkeiten: von Anerkennung, Erfolg, einem Menschen oder Drogen mit unerhörten Namen.

Thematische Spielzeugkiste

Zugegeben! Bettina Bruinier und ihre Dramaturgin Katja Friedrich haben komplett auf die politische Rahmenhandlung verzichtet. Einige Dialog- und Handlungsfetzen wirken deshalb wie von der immensen Kondensationsschlacht übersehen. So ist etwa einmal von Sponsoren die Rede, aber nie davon, dass die Gegenwart des Buches (und Stückes) eine ist, in der selbst die Jahre an die Wirtschaft verkauft werden und dann zum Beispiel "Jahr der Inkontinenzunterwäsche" heißen. Und weshalb am Ende zwei Kanadier auf die Herausgabe eines Filmes drängen, bleibt diffus, wenn man nicht weiß, dass es sich hier um Québecer Separatisten handelt, die die herrschende "Interdependenz" aus USA, Mexiko und Kanada mit einer "Filmpatrone" angreifen wollen, vor der die Menschen sich selbst vergessen, verhungern und verdursten.

spass 560 arnodeclair u"Unendlicher Spaß" mit Max Wagner, Xenia Tiling, Pascal Fligg. © Arno Declair

Doch diese dramaturgischen Ungereimtheiten sind Kinkerlitzchen im Vergleich zu dem, was hier gelungen ist. Und das Münchner Volkstheater war sicher nicht der erste Kandidat, dem man die Mammutanstrengung zugetraut hätte, ein derart detail- und facettenreiches Buch zu dramatisieren. Obwohl Bettina Bruinier ja bereits ein wenig Anlauf genommen hat mit dem auch nicht gerade schlichten Roman "Schilf" von Juli Zeh.

Haus Incandenza, Tennisakademie, Entzugsheim

Abgesehen von dem Rätsel, warum eine so eindimensionale Schauspielerin wie Kristina Pauls schon wieder die weibliche Hauptrolle spielt, muss man anerkennen: Der Stoff verkraftet den Wegfall seiner größten thematischen Klammer gut. Und indem Bruinier und Friedrich die klug ausgewählten Szenen drei Lokalitäten zuordnen, bekommt die Inszenierung Struktur, ohne unangemessen geradlinig zu geraten. Da wäre zum ersten: Das Haus Incandenza, dessen jüngster Spross Hal eine der Hauptfiguren des Romans ist. Dann die von Hals Vater James gegründete Tennisakademie und zuletzt das Entzugsheim Ennet House, in dem der trockene Einbrecher und Zufalls-Mörder Don Gately vom Patienten zum Betreuer aufgestiegen ist.

Und bei Incandenzas zuhause bleibt nicht etwa nur die Küche kalt: Nachdem bei Tisch in Obst- und Schalentier-Attrappen herumgestochert wurde, erlebt man Madame (Xenia Tiling), wie sie auf existenzielle Fragen ihres behinderten Sohnes Mario, dessen Empathiefähigkeit bei Lenja Schultze schön zu spüren ist, nur syntaktische und semantische Korinthen kackt. Hal, der bei Justin Mühlenhardt nicht ganz unpassend vor allem staunender Beobachter ist, gilt als grenzgenial, ungezähmtes Tennisgenie und drogensüchtig. Überdies ist er "zu viel er selbst", was während der betreffenden Schlüsselszene auch wortwörtlich auf der Bühnenrückwand zu lesen ist, auf der auch mal ein in Selbstachtungs-Fragen bewanderter Guru erscheint oder Körper, die durch eine Art Silo fliegen.

Unendliche Raffinesse, unendliche Schönheit

Die Videobilder kommentieren und komplettieren das, was auf der Bühne oft nur angetippt wird. Ein Tennis-Ballett etwa, zu dem der Trainer den Takt schlägt, erspart manch langwierige Auslassung über Selbstverleugnung und Drill. Außer Mühlenhardt und Pauls (als an ihrer Perfektion leidende Joelle) übernehmen alle Schauspieler mehrere Rollen. Was Gelegenheit bietet, sich noch einmal besonders über Oliver Möller (Guru, Trainer, Gately) und auch andere Neuzugänge dieser Spielzeit zu freuen, die das Volkstheater wirklich gut gebrauchen kann.

Doch mitten im Drogen-Teil, wo die Ticks und Absonderlichkeiten der Süchtigen allzu selbstverliebt ausgewalzt werden, verliert der Abend an Spannung, der ansonsten so eigenständig ist, dass er einen Traum zum Fast-Happy-End umformatiert und andererseits von seiner Vorlage so viele Originalzitate übernimmt, dass die unendliche Raffinesse, die Schönheit und der Witz jener Sätze deutlich wird, mit denen ein großer Autor vor allem sich selbst zu erklären versuchte, wie Leben geht. Dass man sich selbst nicht entkommen kann, wusste die grenzgeniale und klinisch-depressive ehemalige Tennishoffnung nur zu genau, die sich mit 46 Jahren erhängte. Und der Jahrhundertroman, den Wallace hinterließ, weiß es auch: Der Erfolg, der Ruhm, die Perfektion – sie helfen nicht.

Unendlicher Spaß (UA)
nach dem Roman von David Foster Wallace
Regie: Bettina Bruinier, Bühne: Markus Karner, Kostüme: Justina Klimczyk,Video: Clemens Walter, Dramaturgie: Katja Friedrich.
Mit: Jean-Luc Bubert, Pascal Fligg, Justin Mühlenhardt, Oliver Möller, Kristina Pauls, Pascal Riedel, Lenja Schultze, Xenia Tiling, Max Wagner.

www.muenchner-volkstheater.de


Kritikenrundschau

Im Deutschlandradio Kultur Fazit (22.3.2012) ärgert sich Christian Gampert ausgiebig – zunächst allgemein über den "Wahn des bundesdeutschen Stadttheaters, das sich alles, was sich bewegt und nicht beizeiten auf den Bäumen ist, unter den Nagel reißen und vermantschen und verramschen muss". Dann auch konkret über Bettina Bruiniers Inszenierung. "Unglaublich schwache Jungschauspieler dürfen sich hier auf der Bühne ausagieren oder bedeutungsvoll rumstehen, mitten in München, und keiner sagt was." Foster Wallace's Mischung aus Überdrehtheit und Trauer, seine Methode der ständigen Querverweise, Fußnoten, Selbstbefragungen, seine Wortneuschöpfungen und Wissenschafts-Ekstasen, seine tödliche Unterhaltsamkeit und sprachliche Hyperaktivität – all das würde nicht einmal angedeutet. "Das Ensemble ist radikal zu jung, und das Staatstheater ist hier nur die Fortsetzung des Schülertheaters mit mehr finanziellen Mitteln." Die Inszenierung von Bettina Bruinier sehe sich an, "als habe jemand Beethovens Neunte für ein Blockflöten-Ensemble umgeschrieben".

Als "(zum Glück) nach 130 Minuten endlichen Unspaß" beschreibt Gabriella Lorenz es in der Abendzeitung München (23.3.2012). Diesen Roman auf die Bühne zu bringen, sei todesmutig, aber unmöglich. Bettina Bruinier und ihre Dramaturgin Katja Friedrich versuchten, Erzähl-Stränge herauszudestillieren. "Sie gliedern fein." Aber das scheint nichts zu bringen: "Ein paar starke Bilder und hübsche Einfälle, aber am Ende hat einem die Inszenierung nichts erzählt."

Sehenswert, unterhaltsam und bedenkenswert findet Michael Schleicher die Inszenierung im Merkur (23.3.2012). Brunier und ihrer Dramaturgin Katja Friedrich sei es tatsächlich gelungen, aus dem 1500-Seiten-Werk eine dramatische Handlung zu destillieren, die als Theaterstoff funktioniert. Sie hätten die Stimmung von David Foster Wallaces Sprach- und Satz-Ungetümen ebenso auf die Bühne gerettet wie viele seiner Assoziationsbandwürmer und Mengen der ausgeprägten Adjektiv-Diarrhö des Autors. Auch für die Umsetzung des Stoffs habe Bruinier mit ihren spiellaunigen Darstellern immer wieder gute Lösungen gefunden. Natürlich sei nicht der ganze Abend zwingend inszeniert. Bruinier habe es aber zumindest weitgehend geschafft, die unterschiedlichen Niveaus der Darsteller auszugleichen.

"Bettina Bruinier und Katja Friedrich haben unerschrocken die Textfluten geteilt und zwar nicht gerade einen Königsweg gefunden, aber doch einen mäandernden Eselspfad, der ins schwarze Herz dieses untröstlichen Panoramas der amerikanischen Gesellschaft führt", urteilt Christopher Schmidt in der Süddeutschen Zeitung (24.3.2012). In drei Etappen teile sich der "doch etwas ziellose" halluzinogene Theatertrip, doch durch die mehrfach besetzten Schauspieler bleibe die Einheit dieser Szenencollage gewahrt, "als würden die Protagonisten sich häuten, als wäre jeder von ihnen nur eine andere Transfiguration desselben Schmerzes". Dass die Inszenierung handgemacht wirke, "unplugged", dass aus literarischem Stadionrock ein Kammerkonzert werde, machten die tollen Schauspieler nicht nur durch Einsatz, sondern mit durchaus filigraner Darstellungskunst vergessen. "Ihnen zuzusehen ist ein großer - aber mit zwei Stunden Spieldauer zum Glück endlicher Spaß."

Für die Frankfurter Rundschau (24.3.2012) hat Dirk Pilz eine Inszenierung gesehen, "die sich derart auf Fußnotengröße verzwergt, dass man meint, sie wolle Zeugnis ihres eigenen ästhetischen Analphabetentum ablegen". Der Abend tue so, als erzähle Wallace lediglich von der "Das-hat-doch-alles-keinen-Sinn-Krise", "als sei das Leben ein Badeteich mit lauter Friedfischen". Entsprechend aufgeräumt gehe es zu. In allem herrsche "das bare Veräußerlichungstum". "Wallace würde sagen: Man sieht die Aufziehschlüssel, die diesen 'seelenschmodderigen' Figuren im Rücken stecken." Sie spielten aufgedreht, aber seelen- und damit in diesem Fall weitgehend ahnungslos.

Kommentare  
Unendlicher Spaß, München: unangebracht
Man muss anerkennen:
Der einleitende Satz des vorletzten Absatzes über Kristina Pauls ist das Infantilste, Unreflektierteste, Amateurhafteste, Unseriöseste, Deplazierteste und Disqualifizierendste, was ich seit langem in einer Theaterkritik gelesen habe. Das Rumgehacke auf den Regisseuren, die das schöne Stadttheater mit dem bösen Regietheater verseuchen... ok... das können die verkraften. Aber die generelle Arbeit einer Schauspielerin an einem Haus mit einem solchen Satz einfach mal so aus dem Handgelenk nieder zu stadelmeiern... Mir ist unbegreiflich, was jemanden zu so etwas triebt. Wenn Schauspielen simpel wäre, wenn es anständig bezahlt wäre, wenn Theater ein angstfreier Raum wäre, wenn die Zusammenarbeit zwischen Regie und Schauspiel immer gut funktionieren würde, wenn der Probenprozess (Gott bewahre!) für jedermann einsichtig wäre... selbst dann empfände ich solche Formulierungen von einem Menschen über einen Menschen, die sich (hoffentlich) beide demselben Medium verschrieben haben, als in hohem Maße unangebracht. Bitte, tauschen Sie ein Jahr lang mit einer Schauspielerin an einem Stadttheater, und dann versuchen Sie noch mal, so etwas zu schreiben.
Unendlicher Spaß, München: wir können nicht nur jubeln
Sehr geehrter „Schauspieler“,

ihre goldig eloquente Wortwahl in Verbindung mit einer bemerkenswerten, schier unendlichen erscheinenden, Aufzählung von Begriffen die der Duden gerade noch hergibt, offenbart ihre Einstellung zu ihrem Beruf.
Es ehrt Sie gewiss, dass Sie ihrer Zunft heroisch in die Bresche springen. Ebenso bin ich mir gewiss, dass Frau Pauls ihren selbstlosen und edlen Beschützerinstinkt zu würdigen weiß. Jedoch komme ich nicht umher mich zu wundern. Ist es denn nur erlaubt, positiv über einen Schauspieler zu urteilen? Ein Schauspieler (und das muss ich Ihnen ja nicht erklären) steht auf der Bühne und in der Öffentlichkeit. Sie (wie auch die Regie, Ausstattung, etc.) stellen sich dem Zuschauer, der mit Ihrer Arbeit einen Abend verbringt. Es ist dem Zuseher und Kritiker freigestellt, sich dazu eine eigene Meinung zu bilden. Auch wenn es sie schmerzt: Diese kann auch negativ ausfallen.
Wenn ein Schauspieler über mehrere Stücke verteilt nichts weiter zu bieten hat, als immer ein und dieselbe Figur in ihrem Spiel, dann darf man dies getrost eindimensional nennen.

Ich kann Sie trösten, denn alle Berufe bringen nicht nur Sonnenschein mit sich, wie Sie es dem Leser in der 2. Hälfte gekonnt erklären. Vielleicht kann ich ihnen es begreiflich machen, was Sie als so unbegreiflich empfinden:
Es ist mir als Zuseher letzten Endes komplett egal wie gut Sie bezahlt werden (dabei bin ich mir Sicher, dass mit dem Talent die Bezahlung steigt, aber das nur als gut gemeinter Denkanstoß), ob Sie sich vor Angst die Knie wundreiben, ob Sie Kindergeburtstag mit der Regie gefeiert haben, oder mit der Regie durch das Stück gestolpert sind. Ich bin gekommen, spende meine Zeit und Geld um unterhalten zu werden. Das ist Theater. Mich interessieren keine herzzerreißenden Making Ofs. Ich will für mein Geld und meine Zeit die mir versprochene Unterhaltung genießen. Und wenn ich unzufrieden bin, dann darf ich das ebenso formulieren wie wenn ich beglückt wurde.
Ich muss Sie enttäuschen! Auch auf die Gefahr hin Sie komplett zu desillusionieren: Wir können nicht nur immer Jubeln, wie gut das doch alles war. Wie gut es doch hätte sein können, wenn nicht die Zusammenarbeit mit der Regie, die ungerechte Bezahlung und überhaupt. Sie machen Theater, stellen sich dem Publikum und saugen wie ein Schwamm gute Beurteilungen auf. Aber Sie müssen dann auch die gemeine dunkle Seite mitnehmen: Jemand der nicht gut ist, bekommt dies auch gesagt.
Unendlicher Spaß, München: Möglichkeit der Kritik
Naja, Herr Schauspieler, so wie sie das jetzt formuliert haben, immunisieren sie aber jede schauspielerische Leistung gegen jede Form der Kritik und das kann ja nun auch nicht richtig sein.
In dem Moment, wo Künstlerinnen und Künstler auf der Bühne irgendetwas tun, dann muss es eben auch möglich sein, das nicht gut zu finden und dieses Unbehagen zu artikulieren.

Ich habe die hier zur Debatte stehende Aufführung nicht gesehen und will ihnen negative Erfahrungen im Stadttheaterbetrieb auch gar nicht in Abrede stellen, als einziges Erklärungsmuster taugen sie jedoch nicht.

Gestern Abend beispielsweise habe ich eine Inszenierung gesehen, bei der von zehn Leuten, die auf der Bühne standen, acht nicht gut gespielt haben. Das könnte ich ihnen auch in jedem Fall ganz sachlich argumentieren und sie könnten das meinetwegen in jedem Fall sachlich widerlegen.
Aber allein die Möglichkeit der Kritik können Sie doch nicht wegnehmen wollen, oder?
Unendlicher Spaß, München: immens enttäuscht
Ich habe die Aufführung gesehen, an der Premiere, und ich war immens enttäuscht. Von Bettina Bruinier hätte ich - trotz "Solaris" - mehr erwartet und im Volkstheater München Leitungsmitglieder vermutet, die so ein Quatsch verhindern.

Der Roman ist großartig. Die Sprache ist wundersam - zum Teil aber auch in der tollen Übersetzung dem Original nicht gerecht werdend.

Es gab ein paar schöne Bilder (z.B. Madame Psychosis in ihrer Radiobox), es gab ein paar tolle Einzelmomente (z.B. der Tennismonolog) - ansonsten ist die Regieidee hinter dem Ganzen eine den Abend nicht tragende Anfängereingebung (kaputte Einzelpersonen erzählen eine kaputte Gesellschaft - hui, wie spannend), die Stückfassung ist dilettantisch (wenn man schon, komplett gegen den Roman gehend, einen stringenter Erzählstrang baut, dann bitte auch alles rauslassen, was unverständlich ist und nicht in letzter Sekunde doch noch Politik und Sprachgewalt einfliessen lassen), das Bühnenbild langweilig und sinnlos (ach, ich reiß dahinten mal einen Lappen runter wenn ich rausgehe... das erzählt zwar nichts, aber die Regie wollte das so), die eingesetzten Darstellungsmittel sind immer gleich (Dialoge immer lauter werden lassen, in die Wiederholung gehen, Sätze zusammenschrumpfen - hach, wir sind ja so kaputt) und die Schauspieler haben zum größten Teil nicht genug Erfahrung oder Können, um aus der Aneinanderreihung von Leere unbeschadet herauszukommen.

Im Black - nach unendlich erscheinenden 130 Minuten - kam ein kurzes "Buh" aus dem Publikum, dann seicht-freundlicher Premierenapplaus. Sogar für das Team. Unverständlich, vielleicht Usus in München, aber noch akzeptabel. Vollkommen ärgerlich sind die vielen positiven Kritiken. Auf was bezieht sich das? Wirklich auf das Theatererlebnis oder vielleicht doch eher auf den tollen Stoff und das tolle Wagnis - und darauf, dass man das Volkstheater nicht schlecht machen möchte, weil es einen tollen, volksnahen Intendanten hat und so toll zu München passt?

Das wären die Fragen, die mich interessieren. Nicht gekränkte Schauspieler - entschuldigung, das ist ein Beruf im Lichte der Öffentlichkeit. Sie müssen bitte mit so was umgehen lernen, auch um Ihrer selbst willen.
Unendlicher Spaß, München: Danke für die Spende
Es freut mich, dass mein Anstoss so detaillierte Reaktionen hervorruft, da möchte ich die Diskussion gleich aufnehmen:

Lieber Herr Zuschauer,
es geht mir gar nicht darum, kritische Stimmen über die schauspielerische Leistung von Schauspielern generell zu verdammen, aber wäre es auch für die Leser einer Kritik von Vorteil, wenn die Kritik differenziert ausfällt? Was genau ist denn an Frau Pauls "so eindimensional"? Mit Ihrer Interpretation des Adjektivs haben Sie schon mehr investiert, als Frau Leucht es offensichtlich getan hat.

Und das Argument, dass Schauspieler qua ihres Berufes in der Öffentlichkeit stehen, und damit scheinbar Rechte anderer Arbeitnehmer abgesprochen bekommen sollen, finde ich fragwürdig. Wie gesagt, ich bin nicht gegen die Möglichkeit der Kritik, wie Parsifals Schwester schreibt. Aber ebenso steht dann ein so eindimensionaler Kritikersatz in der Öffentlichkeit. Und ein Schauspieler, der aus einer Passion heraus diesen Beruf ausüben will, steht meines Erachtens nach nicht mal im selben Maße "in der Öffentlichkeit", wie ein DSDS-Kandidat, der "es sich ja auch selbst ausgesucht hat, von Bohlen beleidigt zu werden". Sie können auch Musiker sein, ohne den Paparazzi Ihr Leben zu opfern, aber Sie können nicht ohne Publikum schauspielen.

Bis hierhin finde ich den Diskurs mit Ihnen sehr fruchtbar. Nun zu Ihrer zweiten Hälfte:
Ich schließe, Sie sind gegen jede Form von gewerkschaftlicher Arbeit, da Ihnen ja komplett egal ist, was Lokführer/Flughafenarbeiter/Krankenschwestern verdienen, solange für Sie die Bahn fährt, das Flugzeug fliegt, und die Spritze kommt? Sie werfen der Schauspielerzunft Illusion und Aufsaugen von guten Beurteilungen vor? Das im Theater "mit dem Talent die Bezahlung steigt" ist denke ich eine größere Illusion. Aber das kann Ihnen gerne wurscht sein. Und die größte Desillusionierung, die Sie mir beschert haben, ist Ihre folgende Gleichung:
Theater = Zuschauer spendet Zeit + Geld x Unterhaltungswert für den Zuschauer
Wenn man Spendet, bekommt man im Allgemeinen nichts dafür, außer vielleicht einem gestreichelten Ego. Herzlichen Glückwunsch also dazu, und danke für die Spende. Und wenn die schauspielerische Leistung von Menschen auf der Bühne nur an deren Unterhaltungswert für Sie zu messen sind, dann kann ich mir vorstellen, wie leicht man eine solche Leistung eindimensional nenne kann.
Unendlicher Spaß, München: Zuschauer-Antwort Teil I
Nur um ein paar Dinge in das rechte Licht zu rücken, lieber Schauspieler:
Ihren ersten Kommentar empfand ich bei weitem nicht als Anstoß, sondern lediglich als Beschwerde, die von tiefster Kränkung und verletzter Ehre zeugte.

Ich muss ehrlich gestehen, dass ich selber gar nicht wüsste, was Frau Leucht im Bezug auf Eindimensional noch groß zu erklären hätte. Der Begriff an sich ist doch selbsterklärend und wunderbar beschreibend.

Aber nun zu den eigentlichen Punkten, denn wir verlagern uns ja eher auf das Thema der Schauspieler an sich und als solches. Ich würde mir bei ihnen sehr wünschen, dass sie nicht der Versuchung verfallen, alles zu etikettieren und in Schubladen zu stecken, auch wenn das die Welt einfacher machen sollte. Noch mehr bitte ich Sie mir keine Schlussfolgerungen zu unterstellen, welche ich nie getroffen habe. Nirgendwo spreche ich dem Schauspieler aufgrund seiner Öffentlichkeit den Arbeitnehmer ab, ich halte Gewerkschaften per se für unverzichtbar und mir ist gerade die Krankenschwester (als Platzhalter für alle soziale Berufe) enorm wichtig. Wenn Sie diskutieren wollen, dann bitte ich sie genau zu lesen und mir keine wilden Thesen in den Mund zu legen.

Mir ist IHR Verdienst als Schauspielers komplett egal. Sie sollten glücklich und dankbar sein, dass sie die Möglichkeit haben in einem wunderschönen und privilegierten Beruf arbeiten zu können. Falls sie persönlich dem Ensemble des Münchner Volkstheater angehören um so mehr, denn es gibt selten Häuser, die jungen Talenten so große Chancen bieten.

Das Pflegepersonal arbeitet ca. 155 Std. / Woche, um das Leben der kranken Menschen erträglicher zu machen und diesen zu helfen. Aktuell beschlossener Mindestlohn (West): 8,50 EUR => 1.309,-- EUR / Monat. Die Mindestgage für Solokünstler beträgt 1.600 Euro. Knapp 500 Euro mehr. Um falschen Folgerungen ihrerseits keinen Vorschub zu leisten: Das ist nicht üppig, aber eben auch der Mindestlohn - mal abgesehen von der Möglichkeit des Schauspielers hin und wieder Werbungen zu drehen, Hörspiele zu sprechen, oder bei Filmen mitzuwirken. Dies haben sie dann on-top - auch, weil ihre Arbeitszeit vermutlich nicht 155 Std. / Monat sind (sonst kann ich mir die Arrangements vieler ihrer Kollegen nicht erklären).

Zitat: „Das im Theater "mit dem Talent die Bezahlung steigt" ist denke ich eine größere Illusion.“ Ich bitte sie mir dies zu erklären. Der Mindestlohn ist festgeschrieben und wie hoch ihr Verdienst geht ist dann Verhandlungssache. Wenn Sie angesagt und gefragt sind, dann können es im Schnitt bis zu 4.500,-- EUR werden (Deutscher Bühnenverein). Ich hätte gedacht, je besser ein Schauspieler, desto gefragter, desto bessere Position in der Verhandlung. Aber sie können meine Sichtweise gerne berichtigen. Ich bin gespannt.

Zweiter Teil folgt, da alles sonst zu lange wird:
Unendlicher Spaß, München: Zuschauer-Antwort Teil II
Fortsetzung:

Theater = Zuschauer spendet Zeit + Geld x Unterhaltungswert für den Zuschauer;
Nicht schlecht und sehr griffig. Wobei ich Zeit spende, aber nicht das Geld. Mir wird Unterhaltung (und u.U. Kunst) geboten und dafür muss ich zahlen - nicht spenden! Aber ich bin gerne bereit ihnen ganz persönlich auch eine Spende zukommen zu lassen, denn Theater ist für mich tatsächlich wichtig. Nur bei einer Spende erwarte ich überhaupt nichts. Im Theater für bares Geld schon. Ich bitte sie inständig sich kurz zu erden. Sie sind ein Arbeitnehmer, ein Dienstleister. Sie bieten Ihre Dienste an und wollen dafür vergütet werden. Haben sie Lust, ihr Auto aus der Werkstatt zu holen und der Mechaniker sagt: Sorry, wir haben gerade keinen angstfreien Raum, meine Bezahlung ist elendig, die Zusammenarbeit mit dem Meister funktioniert auch grade nicht so gut und darum ist ihr Auto auch nicht richtig repariert. Zahlen sie dann dennoch mit Freude die volle Rechnung, hacken es halt als Spende ab und juckeln mit Fehlzündungen, aber einem seligen Lächeln vom Hof?
Kunst und Kultur sind ein hohes Gut der Gesellschaft. Aber wenn es hart auf hart kommt, dann ist der Schauspieler für die Gesellschaft komplett verzichtbar. Die Krankenschwester nicht.

Im Grunde bleibt es doch dabei: Wer arbeitet und dafür Geld verlangt muss sich auch einer Kritik stellen (können) und dies bitte ohne Verweise, wie schlecht es einem doch geht, welche äußeren Umstände daran Schuld sind, etc. Wenn dem wirklich so ist, dann kann man das Stück einfach nicht auf die Bühne bringen und Geld verlangen. Des weiteren will auch keiner wissen, warum, weshalb, wieso. Man will Unterhalten werden mit dem, was auf der Bühne passiert und nicht was hinter der Bühne abging.
Vielleicht ist das Problem nur, dass für einige mit „Eindimensional“ alles gesagt ist und keine weitere Erklärung bedarf und für sie halt nicht. Da es aber zudem in der Kritik um das ganze Stück geht, würde es doch den Rahmen sprengen sich elaborierend über jeden Darsteller auszulassen.
Da muss dann halt auch mal eine einfache Formel (Schauspieler: Charakter Stück A + Charakter Stück B + .... = 1;-) reichen.

Ach und zum Schluss: Man kann sich einer Kritik auch annehmen und selber erarbeiten, was gemeint war. Danach sollte man einordnen, ob etwas dran sein könnte und wenn ja, versuchen es zu ändern.
Unendlicher Spaß, München: neugierig
@ parsifals schwester:

Das war doch bestimmt in Düsseldorf, was sie da gesehen haben, oder? Da bin ich jetzt aber neugierig auf ihre sachlichen Argumente.
Unendlicher Spaß, München: unprofessionell
"Abgesehen von dem Rätsel, warum eine so eindimensionale Schauspielerin wie Kristina Pauls schon wieder die weibliche Hauptrolle spielt.."
Das ist eine der überhandnehmenden Beschimpfungen, die sich Kritiker leisten um sich zu profilieren.
Ein Kritiker kann darüber urteilen, dass der oder die SchauspielerIn in der betreffenden Produktion schlecht war, und zwar aus diesen oder jenen Gründen. Aber im ALLGEMEINEN einer Schauspielerin Eindimensionalität vorzuwerfen, ist ganz einfach unprofessionell und beleidigend.
Ein Theaterkritiker ist kein einfacher Zuschauer!
(Ein Zuschauer kann natürlich immer sagen, oder auch in die Szene brüllen, dass ihm die Nase auf der Bühne nicht gefällt..)
Unendlicher Spaß, München: Nachtkritik-Watch
mit verlaub, poster no9, das ist doch blödsinn. warum soll das denn die kritikerin das nicht beurteilen können, sofern sie das haus und seine schauspieler auf dauer und aufmerksam begleitet?!

sabine leucht hat eine (ich gehe zumindest davon aus) professionelle wertung in ihrer kritik vorgenommen. wir sollten vielleicht schon so langsam schauen, dass wir weiterhin mit tw. auch harten statements leben lernen und nicht sofort die empörungs- und vorschriftenmaschine anwerfen.

wenn ihnen das nicht gefällt, sollten sie vielleicht ein "nachtkritk-watch" ins leben rufen...
Unendlicher Spaß, München: nicht vernichtend
Eine Beschimpfung oder Beleidigung ist für mich doch eher, wenn man die "Nase" einer/s Schauspieler/in nicht gefällt und dieses dann auch noch in eine Szene ruft. Und das ist unabhängig davon, ob man Kritiker oder Zuschauer ist. "Eindimensional" ist eine Kritik, die sicher hart ist, aber nicht vernichtend. Da habe ich schon viel härtere Dinge gelesen. Eindimensional ist nicht gleich komplett schlecht. Aber etwas an dem man arbeiten sollte. Wenn ein Kritiker die Leistung auf der Bühne so empfindet, darf er das auch schreiben! Vorrausgesetzt, er (in diesem Fall sie) hat über längeren Zeitraum das Spiel des Betroffenen verfolgt. Davon gehe ich bei Frau Leucht mal aus. Zugegeben, man hätte es charmanter ausdrücken können.
Unendlicher Spaß, München: wieso Düsseldorf?
@altbierbodo

Lustig, dass sie sofort auf das Düsseldorfer Schauspielhaus kommen, wenn von schlechten Schauspielern die Rede ist.
Wie auch immer, da die Inszenierung, auf die ich mich oben bezog, dankenswerterweise hier besprochen wurde, werde ich am Wochenende mal einen Debattenbeitrag an der dafür angemessenen Stelle formulieren. Lassen Sie sich überraschen ...
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