Immer noch Sturm - Stefan Otteni beschert Nürnberg nicht nur eine Handke-Inszenierung, sondern die beste Aufführung der laufenden Saison
Das schöne Phantom Gemeinschaft
von Dieter Stoll
Nürnberg, 13. April 2012. Von einer Nürnberger Tradition im Umgang mit Peter Handke wird nun wirklich niemand sprechen wollen. Aber typisch für die furchtsame Haltung der "Provinz" gegenüber dem spröden Poeten ist die Mini-History der lokalen Spielplan-Politik allemal. 1994 wurde auch hier die dialog- und provokationsfreie "Stunde, da wir nichts voneinander wussten" nachgespielt, nicht ohne dass der damalige Spartenchef versicherte, wie gerne er die anspruchsvolleren Stücke ansetzen würde – wenn er das seinen Abonnenten nur zumuten könnte.
Kunst-Messen Abgesang
Das Denkloch klafft nach beiden Seiten, denn seither gab es nichts mehr und zuvor stehen in den Jahrgängen 1968 und 1971 einsam "Kaspar" und "Der Ritt über den Bodensee". In Aufführungen von Günther Büch, dem damaligen Oberhausener Peymann-Konkurrenten in der Entdeckung des Autors, die selbst nach Abzug von Nostalgie-Bonus zu den haltbarsten künstlerischen Ereignissen des Hauses gehörten.
Der Erfolg versickerte, und dass der jetzige Schauspieldirektor Klaus Kusenberg das 2011 nach der Salzburger Uraufführung verhalten aufgenommene Stück Immer noch Sturm so spontan ansetzte, hat mit Regisseur Stefan Otteni, aber sicher auch mit Handkes hier ebenso rarer österreichischer Kollegin Elfriede Jelinek zu tun.
Otteni bescherte dem Staatstheater Nürnberg 2009 einen unerwarteten Erfolg mit "Die Kontrakte des Kaufmanns" und verbandelte seine Handke-Option mit dem Versprechen, dass er keine "hermetische Kunst-Messe" im Text sehe. Das war offensichtlich beruhigend, die Produktion wurde nicht in den Kammerspielen, sondern im großen Haus angesetzt. Soweit die Vorgeschichte. Sie endete jetzt mit stürmischem Beifall für die beste Aufführung der laufenden Nürnberger Saison.
Gelebtes Selbstbewusstsein der Urahnen
Der heutige "Ich"-Erzähler, den manche Exegeten bei der Uraufführung zur Spiegelung des Autors erklärten, kommt in der Nürnberger Fassung direkt aus dem Publikum. Über der leeren Szene zuckt noch unkontrolliertes Licht, wenn er schmunzelnd auf die Bühne klettert, um per Ortsbeschreibung sein Erinnerungs-Spiel einzufädeln. Oder wo, oder wann, oder was – relativiert er die eigenen Angaben wieder, als ob es vielleicht doch sofort ums Gleichnis für die große, ganze Weltgeschichte und nicht konkret um slowenische Familienbande in Kärnten zwischen 1936 und 1945 ginge.
Diese Irritation regelt die Sippe auf pragmatische Art, die Ahnen marschieren aus der Dunkelheit herein, noch ehe ihr Spielleiter genau weiß, was er von ihnen erwartet. Sie setzen gelebtes Selbstbewusstsein gegen den Schöpfer ihrer Charaktere, der damit trotz seiner freundlichen Erfindung von Widerstandskämpfern in der Ahnen-Galerie nicht mehr der Allmächtige des Geschehens ist. Zwar ringt er weiter um die Deutungshoheit der Worte, indem er sie der Verwandtschaft immer wieder wohlgeformt in den Mund legt oder - sofern Brüder, Onkel, Tante, Mutter und Großeltern schneller bei Zunge sind als ihr allzu präsenter Ghostwriter – beim Verfertigen der Gedanken aufspringt. "Immer noch Sturm" in Nürnberg © Marion Bührle
Doch die zunächst abwehrend auf den Ruf der Zukunft reagierenden Geister entschlüpfen der Kontrolle, sie übernehmen das Kommando der Geschichtsschreibung, die ihnen als einzig "unwiderrufliche Instanz" erscheint. Also erzählen sie, was ihnen wichtig ist. In Monologen und Feldpostbriefen, poetischen und pathetischen Ausbrüchen – angetrieben von der Sehnsucht des notorischen Einzelgängers Handke nach dem Phantom der "Gemeinschaft", das er trotz aller Sprachkunst natürlich auch in diesem Stück nicht fixieren kann.
Ein Zweig, ein Hausgrundriss, alles in Leichtigkeit
Regisseur Stefan Otteni und sein Bühnenbildner Peter Scior haben ein paar kluge Grundsatzentscheidungen für die Inszenierung getroffen. Zwischen der Beschreibung der Szene und der Phantasie der Zuschauer gibt es keinen Parkplatz für Illustrationen. Kein Apfelbaum, nirgends. Nur ein Blütenzweig in der Luft und das Garten-Modell zum späteren Zertrümmern letzter Hoffnungen. Auf der Drehbühne baut die Familie ihre Welt in kompakten Andeutungen. Aus Backsteinen entsteht der Haus-Grundriss, in Baumarkt-Portionen wird Heimat-Erde ausgebreitet. Wenn der Krieg verloren und die Welt scheinbar am Ende ist, kippt die Scheibe und räumt krachend alles ab.
Hoffnungsfroher sind die Mädchen, die es bei Handke gar nicht gibt. Ein Chor aus 26 Schülerinnen, allzeit und gerne auch auf Zuruf des "Ich"-Erzählers bereit zum stützenden Rundgesang für alle Anlässe und dem Regisseur Sinnbild der denkbar "unschuldigsten" Realisierung jener Gemeinschaft, die Handke so nachdrücklich verklärt. Wo sie, während die Erwachsenen noch von der Kriegs-Depression geschüttelt sind, fröhlich kichernd in die neue Zeit radeln, gewinnt die Aufführung ihre vorübergehend im Partisanen-Pathos gefährdete Leichtigkeit zurück.
Thomas Nunner ist der spurensuchende Erzähler und bewältigt diese anspruchsvolle Aufgabe als tiefgründelnder Komödiant. Er leitet den selbstironischen Ton weiter, der das "Ich" vom "Ego" des Autors trennt, kann über das Spiel, das er da anzettelte, immer wieder staunen. Nunners Sprache ist so lapidar, dass sie Handkes Text das Schwitzen versagt. Sein stärkster Partner ist Felix Axel Preißler, der den auferstandenen Onkel mit der Liebe zum Apfel und dem logischen Kampfnamen Jonathan mit genau taxiertem emotionalem Hochdruck zwischen Friedens- und Racheengel positioniert.
Gedimmte Dramatik oder öffentliche Meditation
Dem ganzen Ensemble (die sonnige "Ich"-Mutter Elke Wollmann an der Spitze im Damen-Ringkampf mit ihrer trübsinnigen Schwester Anna Keil, den Großeltern Adeline Schebesch und Thomas L. Dietz, den Brüdern Stefan Willi Wang und Philipp Weigand) gelingt ein Netzwerk von Blick-Kontakten, das auch Peter Handkes tosend hereinbrechenden Patrioten-Fanfaren standhält, wo Regisseur Stefan Otteni meint, sie wie ein Zitat an der Rampe ausstellen zu können.
Weitere Fehler hat er nicht gemacht, denn er bleibt dem Spiel treu und die Kürzung des ausufernden Textes auf knapp drei Stunden ist so gefühlvoll, dass der Zuschauer kaum Brüche bemerkt. Die provokante Frage, ob "Immer noch Sturm" gedimmte Dramatik oder eher öffentliche Meditation ist, hatte sich am Ende aufgelöst.
Bemerkenswert, wie gebannt das Premierenpublikum war – und wie die Begeisterung dann explodierte. Von daher könnte die Nürnberger Aufführung nicht nur für die Geschichte des Hauses wichtig sein, sondern den Anstoß für viele weitere Versuche mit Handke an den mittelgroßen Theatern des Landes geben.
Immer noch Sturm
von Peter Handke
Regie: Stefan Otteni, Bühne: Peter Scior, Kostüme: Sonja Albartus, Musik: Bettina Ostermeier, Dramaturgie: Horst Busch.
Mit: Thomas Nunner, Elke Wollmann, Adeline Schebesch, Thomas L. Dietz, Felix Axel Preißler, Stefan Willi Wang, Anna Keil, Philipp Weigand und der Mädchen-Chor der Maria-Ward-Schule Nürnberg.
www.staatstheater-nuernberg.de
Uraufgeführt wurde Immer noch Sturm von Dimiter Gotscheff 2011 bei den Salzburger Festspielen.
"Viel besser" als die Gotscheff-Uraufführung sei dieser Abend gewesen, meint der Nürnberger Stadtrat Utz Ulrich, dessen Urteil sich Hans-Peter Klatt in der Nürnberger Zeitung (16.4.2012) am Ende seines Textes anschließt. Ottenis Inszenierung beschreibt der Kritiker als anwachsendes Spannungserlebnis: Nach einem eindrucksvollen Auftakt mit Thomas Nummer, der als Dichter-Alter-Ego auf leerer Bühne die "Herstellung von räumlicher und sozialer Wirklichkeit durch Sprache, ein zentrales Handke-Thema", vorführe, folge manch eine "szenische Durststrecke". Nachdem aber "Bühnenbildner Peter Scior seine Zurückhaltung" aufgebe, entstehe Eindrucksvolles, etwa ein "erster Gänsehaut-Effekt, als der Mädchenchor der Maria-Ward-Schule summend hereinströmt und magische Worte wie 'Heim', 'Sonne' und 'Schnee' skandiert." Bis zur Pause habe die Inszenierung "mächtig Fahrt aufgenommen", und "(n)ach Selters und Sekt warten Vernichtung und Verzweiflung auf das Publikum" bis zum phänomenalen (Beinahe-)Schlussbild mit der aufrecht gestellten Drehbühne: "Die Welt entgleitet und versinkt, zurück bleibt eine leere schwarze Riesenscheibe, die gleich einer verfinsterten Sonne aufsteigt."
Barbara Bogen beschreibt für BR 5 (16.4.2012, der Nürnberg-Beitrag im Podcast startet etwa bei Minute 11:00) eindringlich, wie sich zunächst das Dichter-Alter-Ego und dann eine "Choreographie der Ahnen" die anfangs leere Bühne erobern. "Große Miniaturen" gelängen Regisseur Otteni, "oft wie skizziert, flüchtig hingeworfen mit leichter Geste"; zudem ein imposantes Finale mit abhebender Drehscheibe. Fazit: "Peter Handkes durchaus auch heimatshungriger und sentimentalitätsgefährdeter, an sich komplett unzeitgemäßer Erinnerungsparcours" werde durch die "psychologisch feinsinnige Regie" Ottenis und sein "sich hier selbst förmlich übertreffendes Nürnberger Ensemble" zu einem "dreistündigen garantiert kitschfreien Poem, einem schwebendem Traumspiel, das das Publikum zu Jubelstürmen animierte".
Auch für Bernd Noack von den Nürnberger Nachrichten (16.4.2012) besitzt Ottenis Inszenierung eine Nähe und Dringlichkeit, die der Rezensent in der "texthörigen" Salzburger Uraufführung von Dimiter Gotscheff noch vermisste: "Drei Stunden erzählt er in ruhigen, poetisch-schönen, magisch-überraschenden Bildern von den Idyllen der Heimat, um sie in ebenso brutal eindeutigen, beängstigen Momenten zu gefährden und zu zerstören". Die "Wechselspiel" gelinge "wie ein Sog, der immer tiefer in diese diffuse Bühnen- und Scheinwelt zieht". Souverän gehe Otteni mit den "oft pathetischen Beschwörungen Handkes" um. Er lasse des Dichters "komischen Ernst perfide blitzen" und gebe dem Abend etwa mit dem Auftritt des Mädchenchors eine "tiefmenschliche, anrührend unkitschige Wahrhaftigkeit".
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auch peter handke ist selbst nicht spröde -
aber er entzieht sich auf seine (österreichische) weise . . .
Das bekannte Thema,das der Mädchenchor im IV.Akt singt,summt und pfeift ist das Landserthema aus dem 1.Satz der Leningrader Sinfonie (Nr.7) von Dmitri Schostakowitsch.
Fremde bedeuten das Fehlen von Klarheit, man kann nicht sicher sein, was sie tun werden,
wie sie auf die eigenen Handlungen reagieren würden; man kann nicht sagen, ob sie Freunde oder Feinde sind - daher kann man nicht umhin, sie mit Argwohn zu betrachten.
(Bauman ist polnisch-britischer Soziologe und Philosoph)
Genau das scheint mir die Auseinandersetzung Handkes in "Immer noch Sturm" zu sein: Das Ich und seine Fremdheit in der "Heimat", und die Fremdheit seiner slowenischen Vorfahren.
bei ihm nicht sagen, ob er Freund oder Feind ist.
Immer noch Sturm:
(...)
Er begegnet seiner Mutter als junge Frau
sowie später als Schwangerer, mit ihm als Ungeborenem im Bauch. (...)
Peter Handke als Schwangerer, mit ihm(selbst) als Ungeborenen im Bauch
begegnet seiner Mutter und seinen Vorfahren.
Das - ist sein "Ich" und sein Stück - vielleicht.
da hätte er länger daran schreiben(arbeiten) müssen.
jedes jahr ein buch: handke hat keine zeit als(immer noch) erfolgsautor.
oder liege ich da völlig falsch und tu ihm unrecht - -
nein gebt ihm keinen preis, er hat schon so viele.
aber seine anfänge waren schon sehr eindrucksvoll und vielversprechend.
Ich glaube, man glaubt Peter Handke nchts mehr -
wie viele Jahrzehnte nichts mehr?
das kann ja wohll nicht wahr sein?
ich glaub mein schwein pfeift
sehr geehrter herr martin baucks -
schreiben sie uns doch etwas kluges, richtiges und wichtiges
über immer noch sturm
nachdem wir kulturinfarktisch
so viel gescheites von ihnen lesen konnten
frei-willig
seiten-weise
finde); immerhin war (!) der Hausherr des BE sehr lange der Uraufführungsregisseur neuer Stücke Peter Handkes (bis, wie es seinerzeit hieß, eine Auseinandersetzung der Herren Handke und Peymann über Michael Hanekes "Das weiße Band" gewissermaßen Anlaß dafür geworden ist, daß das Band zwischen diesen gerissen ist und es so zur Uraufführung durch Gotscheff wie den (viel-) beachteten Nachspielen durch Ciulli und Otteni kam), und ich kann mich noch gut daran erinnern, wie weitläufig darüber geschrieben wurde, daß Claus Peymann zB. "Die Fahrt im Einbaum- das Stück zum Film vom Krieg" geradezu vom Blatt und im schlechten Sinne als "Kunsthandwerk" hat spielen lassen, papiern, dem "großen Meister" ergeben: so hieß es landauf, landab. Und das war nicht das einzige Peter-Handke-Stück, bei dem das so ging ! Insofern ist es geradezu erfrischend, jetzt von beherzten Strichen bzw. Bildfindungen, Übersetzungen zu Handke-Stücken zu lesen, ehrlich, gerade das "Einbaum"-Stück würde ich liebend noch einmal zB. in einer "Marthaler"-Weise sehen (um ein Beispiel zu nennen), ja, noch erfrischender wäre es gewiß, es gäbe demnächst einen "Handke" oder Vergleichbares gleich als Uraufführung in Nürnberg: warum nicht ?
Immerhin hat Peter Handke auch schon einmal die Mannschaftsaufstellung des FC Nürnberg "verdichtet" ("Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt"). Daß die Länge von "Und immernoch Sturm" sowieso eigenständigen Regisseurs- und Dramaturgenaufwand erfordert ist das Eine, das Andere ist die Genese dieses Textes über Jahrzehnte hinweg ! Genau mit den Brüdern
der Mutter (siehe den bekannten initialen Traumbrief an die Mutter, in dem Handke als (!) einer der Brüder im Traum erlebt- ein Dissertationstraum) hebt doch die Schreib-Vita Peter Handkes an; es spannt sich da ein weiter Bogen von "Die Hornissen" über "Langsame Heimkehr", "Über die Dörfer", "Abschied des Träumers vom neunten Land" bishin jetzt zu "Und immernoch Sturm"-: daß dies allerlei Raum für verschiedenartigste Gewichtungen, auch für Zitate aus früheren Werken etcpp. ergibt, liegt eigentlich auf der Hand. Man könnte ja sogar -um auf den Streit mit Peymann zurückzu-
kommen- die Sache ein wenig zuspitzen und die Behauptung (möglicherweise auch inszenatorisch erhärtet ?) wagen (wollen), daß
"Und immernoch Sturm" sehr wohl deutlich hervorspüren läßt, daß Hanekes Film geradezu als Denuntiation dessen wirken könnte/müßte, was Handke in "Und immernoch Sturm" leistet.
Ich bin fast erstaunt darüber, nach jenem Streit diesen (für mich naheliegenden) Gedanken nicht ansatzweise vorgefunden zu haben..
politisch. hat er nicht milosevic verteidigt?
Und übrigens, Arkadij: Keiner hat je den Streit ums Weiße Band thematisiert, weils ein Mythos von Peymann ist: Handke hat ihm die Uraufführung weggenommen, weil Peymann wohl nie inhaltlich mit ihm über den Text geredet hat, sondern immer nur überlegt hat, mit welchen großen Namen man dieses Stück zu einem Erfolg macht. Glauben Sie Peymann kein Wort!
und öffentlichkeit, und celine ist für mich kein großer autor.
endlich ist es hier ausgesprochen.
In dieser Hinsicht sollte auch sein Stück und die Aufführungen kritisch gesehen werden...
Sturm), der Weihnachtsengel flüstert: Friede! Friede!
Wie wollen Sie verhindern, daß eine Autorin/ ein Autor , der x tut oder getan hat (sagen wir zudem auch, angesichts des konkreten Anlasses, getan haben soll - Handke hat Milosevic, soweit ich es überblicke, nicht verteidigt, er hat sich als "Umwegzeuge" versucht, hat viele kritische Striche zB. zur Berichterstattung und zur Teilung "Jugoslawiens" verfaßt, hat eine Beerdigung besucht -Letzteres mißfiel auch mir- etcpp., aber never ever Milosevic verteidigt !!), ein Stück über y schreibt ? Klingt übel- Ihre Formulierung : Hände festbinden, einsperren, oder wie ?!
Auch ist dies keineswegs "nur" ein Stück über "Partisanen im zweiten Weltkrieg", wie Sie es schreiben, möglicherweise hilft Ihnen dabei der Blick auf die Nachtkritiken bzw. Pressespiegel zu den Inszenierungen von "Und immernoch Sturm" in Hamburg/Salzburg (Gotscheff), Mülheim (Ciulii) und Nürnberg (Otteni) -all diese: Naive ???- , die Stückvorstellung im TheaterHeute-Jahrbuch 2011 von Joachim Lux,
die Inszenierungsbesprechungen in der TheaterHeute des laufenden Monats, nicht zuletzt der Blick auf die Begründungen zur Vergabe des Mülheimer Dramatikerpreises 2012
an Peter Handke- müßten wir nicht eigentlich dort Ihre Fragen diskutieren, im Thread zur Vergabe des Mülheimer Dramatikerpreises (jedenfalls fällt auf, daß Sie sich jetzt erst melden, wobei das Stück andernorts schon viel länger läuft)?.
@ 52
Wäre ja schön, Sie fingen damit an, hier Beispiele einer solchen kritischen Würdigung beizusteuern, oder wollten Sie nur ein wenig ironisch sein ?
@ R. Bienert
Vielen Dank für Ihre Konkretisierung(en) sowohl unter @ Zarthäuser wie unter
@ Arkadij !
Ich will mich kurz fassen, ein längerer Text als Antwort auf Ihren § 48 ist mir gerade abgestürzt, ja: Auch ich glaube, daß es gut gewesen ist, daß es zu Inszenierungen gekommen ist, die nicht der angestammte "Uraufführungsregisseur" besorgt hat, und
das sollte, denke ich, auch in anderen Fällen im Laufe der Zeit maniriert wirkender
Autor-Uraufführungsregisseurs-Erbhöfe Schule machen.
Was den Komplex zu "Das weiße Band" angeht, wird natürlich aus meinen obigen Andeutungen einigermaßen leicht ersichtlich sein, daß ich jetzt nicht einfach hinter Claus Peymann zurücktreten kann (von ihm auf eine "falsche Fährte" gesetzt); es spielt für mich eine untergeordnete Rolle, ob das eine Legende ist oder nicht.
Spannender ist schon, was man sich von so einer Legende denn versprechen könnte. Wenn Herr Peymann sich als glühender Haneke-Filmfan outet, wobei es vielleicht nur um den Unwillen sich dreht, sich auf Peter Handkes "Und immernoch Sturm" einzulassen, dann ist zwar "Substitution" nicht zwingend (also, daß Peymann Handke ähnlich ignoriert wie Haneke möglicherweise all das filmisch wegoperiert, wo bei Peter Handke das Erzählen ansetzt und gerade bezüglich eines solchen dörflichen Settings wie auch in "Und immernoch Sturm" lediglich auf Zwangsmechanismen focussiert und meineserachtens dem Publikum sensationalistisch gefärbte Abstandnahme von zunächst nur angeblich Vergangenem leicht macht), aber immerhin: mir kam in etwa ein solcher Gedanke.
Freilich muß ich bei der Gegenüberstellung des Handke-Stücks und des Haneke-Films keineswegs über die 1950er-Jahre hinaus gehen.
Sollte ich irgendwann eine eigene Seite bewerkstelligen, werde ich ganz sicher, zB. anläßlich des 70. Geburtstages Peter Handkes am 6.12.2012, auf diese Gegenüberstellung zurückkommen, denn auf diese kam es mir an, nicht auf Herrn Peymanns Strategien und Glaubwürdigkeiten bei der Selbstdarstellung. Ich kann mir aus der Lektüre diverser Schriften Peter Handkes jedenfalls sehr wohl vorstellen, daß die Art und Weise der Hanekeschen Focussierung, seine "Kardinal-Filmerart" (wie ich das nenne), gerade bezogen auf dieses dörfliche Sujet !, dem Dichter sauer aufgestoßen sein dürfte,
will mich hier allerdings auch nicht hinter Handke verstecken und zu einem Haneke-Thread abdriften- zumal mir nichts ferner liegt, als die Köpfe vermeintlicher Autoritäten hier gegeneinander auszuspielen (wie es leider hierzulande nur allzu üblich ist und zB. von Handke in "Nachmittag des Schriftstellers" scharf kritisiert wird), bevor ich mir sowohl auf den Film als auch auf den Thalia-Handke zweite Blicke gegönnt habe und eigene Formulierungen gefunden; insofern nur kurz: ich mag den Film halt selbst nicht- und befinde mich da durchaus in einer Minderheit, die freilich (noch) keine slowenische ist.
Was also die "politisch" motivierte Handkekritik angeht, die sich hier andeutet, schlage ich ernsthaft vor, das dort zu diskutieren, wo es meineserachtens besser hingehört, in den Thread zur Vergabe des "Mülheimer Dramatikerpreises 2012", etwa unter der Fragestellung "Lauter Naive in Mülheim- ein Preis-Vergabeskandal ??"
Und zuletzt hinzusetzen: Wenn Autorinnen und Autoren nicht zu NACHNAMENUNGETÜMEN verkommen, über die jede und jeder im Federstreich
zu verfügen können vermeint, sondern uns immmer wieder spüren lassen, daß wir uns geradezu herausgefordert sehen durch sie, nicht nur "JELINEKGRASSHANDKE"
zu sagen, sondern immer wieder "Elfriede", "Günther", "Peter" hinzu, gerne auch "Biljana" im entsprechenden Fall, dann sollten wir uns eigentlich glücklich schätzen, und wo nicht glücklich, ein wenig glücklicher jedenfalls..
jelinek-krass-handke
peter hält übrigens nichts von den "glücklichen"
er schwört auf die freude
das ist wirklich interessant, was Sie schreiben: Ich bin aber nicht Ihrer Meinung, nicht nur, was das Weiße Band betrifft. ich glaube ja auch, wenn ich die strenge, stilisierte und doch so lebendige Aufführung vom "Sturm" in Nürnberg sehe, dass das Regieteam durchaus Bewunderer vom Weißen Band sein könnte - der Blütenzweig, das angedeutete Backsteinhaus, das ist ästhetisch sehr gelungen, aber eben puristisch, schwarz-weiß. Trauen Sie dem Peter Handke ruhig mal eine größere ästhetische Bandbreite zu. Er läßt solche respektlosen Auführungen wie die Nürnberger allemal geschehen. So ganz eng kann er nicht sein.
"Mächtig ins Zeug !" ? Spotten Sie nur, Herr Uwe ! Die Neigung der einen oder anderen "Handkeleserin", des einen oder anderen "Handke-
lesers" geradezu eifersüchtig ihren/seinen "Handke" ins Feld zu führen, kann in der Tat hin und wieder stutzig machen ("An ihren Früchten ..."), mir ist hier nun wirklich nicht nach einem "Handke-Meistersingerdiskurs zu Nürnberg" zumute. Wer die Formulierung "glücklich/glücklicher schätzen" wählt, verpflichtet sich doch keineswegs auf irgendeine Spielart von Utilitarismus und/oder outet sich als Glückssucher, Glücksapostel, Glücksjäger oder nicht zuletzt Glücksspieler. Ich verwende "Wir sollten"-Sätze sehr selten, aber ganz sicher nicht eben mit Freude/freuen: Wir sollten uns freuen ! Nein, ich sprach von politischer Vernutzung bzw. Besetzung von Künstlern und Kunst und von deren Widerständigkeit, deren Fähigkeit, immer wieder auch zu überraschen, muß mir auch nicht jede einzelne Überraschung gefallen, gar Freude bereiten. Dieses "Politische", zB. Künstler wie eine Monstranz für eigene politische Absichten ins Feld zu führen (ein Vorwurf an Peter Handke war ja, es dem "Milosevicclan" nur allzuleicht gemacht zu haben, genau dieses zu tun), ist nun wirklich nicht "Nunc stans" oder "Gegenstand" der Freude, und "glücklich schätzen" sicher sprachlich etwas Anderes als "glücklich sein", ich meinte schon "glücklich schätzen" als ich das schrieb, und ich schrieb es auch nicht als "Stellvertreter" Handkes oder so, auch wenn ich nicht glauben kann, daß Peter Handke jetzt jedwede Verwendung von "glücklich" aus dem Sprachschatz verbannt haben möchte. Ich begrüßte hier ausdrücklich beherzte Interpretationen von Texten Peter Handkes, und die Diskussion drehte sich ja hauptsächlich um die Striche der Nürnberger Inszenierung (die ich nicht sah übrigens), Peter Handke dagegen hat in einem Interview mit Peter Stephan Jungk (WELT, 23.10.2010 "Immer noch Sturm" ist Handkes persönlichstes Stück) auf die Frage, ob es ihn (Handke) nicht ein wenig Sorgen bereite, daß nun nicht Peymann sondern Gotscheff die Uraufführung (Salzburg) bestreite, anders geantwortet. Jungk schreibt: "Handke ist zuversichtlich:"Ich hoffe allerdings, daß nicht viel gestrichen wird. Schön wäre es, wenn das Stück über viele Stunden ginge. Ähnlich wie 1982 Wim Wenders Inszenierung von "Über die Dörfer", in der Salzburger Felsenreitschule, die fünf Stunden andauerte. Das gefiele mir: beinahe ein ganzer Tag "Immer noch Sturm". Aber das Stück hätte natürlich ans Wiener Burgtheater gehört nicht unbedingt auf die Perner Insel in Hallein."
Freude verbindet sich bei mir immer wieder mit dem Lesen von Handke-Werken (gerade beschäftige ich mich wieder mit den drei Versuchen 1989-1991), und ich schätze mich glücklich, ihn für mich recht zeitig entdeckt zu haben (was mich natürlich nicht verpflichtet, überall seiner Meinung zu sein !), stehe aber weiterhin durchaus zu begründeten Strichfassungen oder eben "Marthalereien". Es wäre zB. ein Leichtes gewesen, der "Medienkritik" Peter Handkes aus den "Jugoslawienbüchern" marthalernd etwas von Biljana Srbljanovic unterzujubeln (siehe TdZ
"Fünf Jahre danach"), obschon in der öffentlichen Wahrnehmung und anhand von allerlei Eigenaussagen die Akteure Srbljanovic/Handke gegeneinander standen, an soetwas denke ich ungefähr.
@ Slowenische Minderheit
Na klar können die Nürnberger glühende Verehrer des Haneke-Streifens sein und ein Handke-Stück inszenieren. Ich mochte seinerzeit ja auch sowohl Biljana Srbljanovics Stücke "Belgrader Trilogie" und "Familiengeschichten Belgrad", was mich nicht hinderte, mit Freude immer wieder zu den diversen Jugoslawienbüchern Peter Handkes zu greifen. In Peter Handkes Werk ist nun wirklich eine große Bandbreite an von ihm selbst thematisierten künstlerischen Entwürfen, er hat vielen anderen künstlern in seinem Werk einen Platz eingeräumt, viele ihn entgegengehen lassen sozusagen, so daß es wohl lächerlich wäre, anzunehmen, daß Handke seine Entscheidung, ob er sein Stück zur Inszenierung in XYZ freigibt, davon abhängig macht (in Abwandlung der Gretchenfrage) wie der jeweilige Regisseur es mit Haneke hält.
Dergleichen möchte ich hier nicht angedeutet haben..
Ich teile Ihre Meinung, daß man sowohl die eine künstlerische Position wie auch die scheinbar entegegengesetze inspirierend aufnehmen kann - sonst wäre ja die Kunst genauso voller Dogmen wie die Politik.
Wenn Sie sich mit den drei "Versuchen" von Handke beschäftigen, wird es Sie interessieren, Herr Zarthäuser, daß Otteni am Theater Karlsuhe demnächst Handkes "Versuch über die Müdigkeit" zu einem Theaterabend verarbeitet. Wir haben seine Nürnberger Arbeit gesehen und freuen und jetzt schon.
ein einsilbiges wort, - glück ist einfach nicht schön - freude - freude geht immer
zu anderen - glück ist man halt - ein glücks - ein glücksklumpen ist man, so wie im
märchen - glück ist sehr - egoistisch, nicht, und nervt auch die andern - unglückliche leute machen mich - wecken mich eher, - meine sinne mehr - also meine
gedanken auch mehr als wenn irgendeiner mit seinem glück herumprotzt - -
jetzt hat er aber doch glück gehabt beim preisgewinn, könnte man sagen...
"Und merk Dir: Sau haben heißt bei uns: Glück haben, und auf die
Saualp gehen heißt bei uns: glückselig gehen, ohne Bleifüße gehen."
(ich habe versucht, mir diesen Text, "Und immernoch Sturm" (Seite
12, unten), bis zum jetzigen Eintrag zu merken, so oder ähnlich heißt es im Stück- klar, Sie können jetzt allemal entgegnen zB., wie der Erzähler von "Nachmittag eines Schriftstellers" (1987) gerade seine schweren Schuhe lobpreist, die ihm das Zuschnellgehen
verwehren...). Aber, vielen Dank für den Hinweis auf das Interview,
das sich übrigens auf youtube anschauen und anhören läßt. Sätze (ähnlich, siehe "Merkproblem" oben)wie
"Das ist jetzt aber etwas unanständig, oder ?, aber ist ja fürs Fernsehen !" (etwa um die 24.Minute des 42 minütigen Interviews)
sind wahrlich eine Rarität.
@ Karlsruherin
Das klingt irgendwie dann nach einem Termin, den ich in Karlsruhe werde wahrnehmen "müssen". Alles sieht ja so aus, daß es dem Regisseur ernst mit Peter Handke ist (in Karlsruhe soll der "Versuch über die Müdigkeit" auf "Die Müdigkeitsgesellschaft" treffen); möglicherweise wird er hier keine "Strichfassung" ins Auge nehmen, sondern in der Tat "Handkesche Zeitmaße" strapazieren
(wie es ein vielstündiger Abend zu "Und immernoch Sturm" gewiß kann), der Versuchsschrift ein situatives Gegenspiel zukommen lassend. Vielleicht ist Otteni so ein "Dritter", der gekommen ist zu denken, zu bedenken statt zu gedenken und heraufzubeschwören wie es anfänglich in "Und immernoch Sturm" heißt -aus der Kieler Ferne entsteht immerhin dieser (positiv besetzte) "Anfangsverdacht" gegenüber dem Regisseur..
Eine Heimatlose
Heimatlosigkeit.
wenn es um einen text geht
Und tut es die Sonne auch? Vielleicht, aber würden wir uns dann mit der Frage der Heimat überhaupt beschäftigen? Entscheidend ist die Kluft zwischen der sozialen und der personalen Identität. Je größer und vielschichtiger, desto größer und schmerzhafter die Distanz zur Gemeinschaft, die man Heimat nennen muss oder will, die sich aber als Fremde entpuppt.
Wollten uns Handke und die Regie das sagen? Und betonen, welch zentrale Rolle in dieser Situation die Sprache spielt?
Im Nürnberger Fall fordert die geniale Umsetzung jeden Zuschauer heraus. Und berührt den offenen Zuschauer – so wie sich Handke auch seinen Leser vorstellt: als etwas Energetisches!
Viele Grüße an alle, die ebenfalls die Bezeichnung Bleibe vorziehen, und alle anderen.
auch wenn ich in NÜrnberg meine scheinbae Heimat habe, ziehe ich auch das Wort Bleibe vor - und finde, die Stelle spielt der Schauspieler des Großvaters besonders gut. Aber vielleicht wollte der Regisseur ja sagen: Die Heimat, die Bleibe liegt vor allem in der Sprache: Denn das Slowenisch spielt ja im Nürnberger Abend doch eine große Rolle, und wird von allen auf der Bühne mit einer Begeisterung und Liebe gesprochen, daß es eine Freude ist
Wir tranken Bier...
Die mir schon vertrauten Beleidigungen, die der Dichter gegen mich ausstieß, verletzten mich nicht. Zwar rief er, als ich ihn bat, etwas lauter zu sprechen:
"Lecken Sie mich am Arsch!" -
auch die Behauptung, ich würde "Nur Blödsinn" reden, mußte ich wieder hören...
O.F. aus Hannover zeigte sich überrascht über so viel Arroganz und künstlerische Selbstverliebtheit.
Eine Frau M. aus Würzburg fragte: "Wozu die seitenlange Publizierung von Dummheit?"
Frau Wilde aus Berlin konstatierte ein "schrilles, mißtönendes Kläffen".
Aus Tübingen kam anonym ein Paket. Der Inhalt:
Ein Haufen säuberlich in Zeitungspapier gewickelte Scheiße.
Andre Müller, Interview mit Peter Handke 1988
Außenseiter. Und die Leute tun ihm immer wieder den Gefallen und nehmen das ernst. Auch beim Thema Serbien. Dabei muß man sich nur einmal den Dialog durchlesen - oder ansehen - wo sich das Handke-Ich in "Immer Noch Sturm" mit seiner toten Mutter unterhält: Ein schüchterner, Fußball guckender Sohn, der zaghaft antwortet. Und auch im Fußball gilt für ihn: "Ich halte es mit den Verlierern."
Im Gegenteil, der Preis ist voll gerechtfertigt: Schon lange gab es in Nürnberg keine Vorstellung mehr, die so reinfährt. Die Qualität besteht ja gerade darin, daß der Abend so spröde daherkommt und nicht nach Gefühlen fischt. Wenn Sie nicht angesprochen werden, liegts ja vielleicht an Ihren Gefühlen...
der böse böse bube peter (schwarzer peter doch nicht) handke
lauter böse buben und madeln aus dem österreichischn:
bernhard und jelinek. und die unbekannten.
wie sich die alle auf-führen!
So ein theater!
Die Aufführung in Nürnberg ist vielleicht nicht nach Ihrem Geschmack, Herr Sattler, aber ich finde, Sie könnten trotzdem bei der Wahrheit bleiben, allein für die, die das hier lesen und den Abend nicht gesehen haben: Ästhetisch ist das, was die Nürnbergr machen weit von der Salzburger Aufführung entfernt (Sie schreiben "Wiener Inszenierung" - es gibt keine Wiener Inszenierung von diesem Stück, da fängts schon mal an): In Salzburg/Hamburg rieseln vier Stunden lang grüne Schnipsel von der Decke (ein Mittel, das die Bühnenbildnerin übrigens schon ca dreimal eingesetzt hat) - in Nürnberg geht mit Drehscheibe, Erde und Ziegelsteinen eine ganze Welt unter, sehr sparsam und klug gemacht. Wo haben Sie das schon gesehen? Hier zu lügen ist einfach, wenn man keine wirklichen Argumente hat.
(...) "Bernhard wurde jetzt bei jeder Gelegenheit beschimpft, was dieser mache, sei
"keine Literatur", seine Tiraden seien "Nichts", moserte Handke, Bernhards Bücher seien "sträfliche Machwerke", die er nur verachten könne. Die üble Nachrede gipfelte 2OO6 in der These, dass Bernhard "seine Schreiberseele dem Teufel verschrieben" habe.
Also Genie, Dämonie und große Erfolge - sind sie nicht alle mit dem Teufel im Bunde?
handkes stück i s t textgewaltig!
der dichterische überton, für den man handke ja auch leidenschaftlich leiden kann.
ein text, der kreist und schwebt und trotzdem sicher trifft...
peter handke als aufgewühlter, verunsicherter, zweifelnder, fragender und suchender - -
Das auf einer Bühne so drastisch und schonungslos verhandelt zu sehen, überstieg meine kühnsten Erwartungen, die ich hatte, als ich das Theater betrat. Und mir erschienen die Figuren der Nürnberger Schauspieler auch vor allem als ein Grüppchen Verlorener, die mit Wut und Humor dem Verlust der Heimat trotzen.
Daß dann angesichts der Wucht dieser Aufführung hier über die Farbe von Ziegelsteinen diskutiert wird ist albern und ein bißchen traurig.
Das Lied am Ende des Stücks heißt "Das Radl der Zeit" und ist von der Kärntnerin Gretl Komposch (ehem.Leiterin des "Grenzlandchor Arnoldstein")
B. und M. Werner
Es muss ja nicht alles so lang sein wie Unendlicher Spaß in Berlin. Letzlich ist es ja eh subjektiv, was man als lang oder zu lang empfindet. Ich fand wie viele andere den Gotscheff-Sturm am Thalia zu lang, den in Nürnberg nicht. Warum? Keine Ahnung. Vielleicht, weil die Nürnberger Aufführung handfester ist, nicht so raunt.
Im Magazin "Format": "Solange es Männer gibt auf dieser Welt - Männer wie Dich -
einäugig, unnachgiebig, machthungrig und Ego-breit - wird es auch Waffen geben und somit Kriege."
Also eine Abrechnung. Aus einem Trennungsstreit.
"Wer bist du denn, daß Du Dich so wichtig nimmst? Bist weder groß, noch edel oder gar bescheiden und aufrichtig. Ein eitler Schreiber bist Du, der sich sonnt in der Rolle des "einsamen Rufers"".
"Irgendwie wirst Du diesem Krieg dankbar sein, denn er befriedigt auf perverse Weise Dein unstillbares Verlangen nach öffentlicher Anerkennung."
Marie Colbin bestätigt nur die Ahnung und den Verdacht, dass Handke weder groß ist, noch edel, bescheiden und aufrichtig.
Er ist unaufrichtig in seinen Werken. Man hört es an seinem "falschen Ton". . .
LEBEN heißt - dunkler Gewalten
Spuk bekämpfen in sich.
D i c h t e n - Gerichtstag halten
über sein eigenes Ich.
(Ibsen, Ein Vers, Gedichte)