altTour de Force mit Liebestrank

von Annette Hoffmann

Basel, 19. April 2012. Gelegenheit macht Diebe, und wo ein Strick ist, findet sich auch jemand, der bereit ist, darein zu springen. So auch am Theater Basel, wo man den Umweg über Aki Kaurismäkis Film "I hired a contract killer" nimmt, um mit Tristan und Isolde zu einem der größten Liebespaare der Musikliteratur zu kommen. Man erinnere sich: Liebestrank, fortgesetzter Ehebruch und Liebestod. Lange muss die Schlinge, die vom Schnürboden vor milchiger knisternder Folie hängt, nicht warten. Henri (Jan Viethen) greift sich eine Bank, steigt auf sie und legt sich das Seil um den Hals – und natürlich reißt es, gerade als Margaret (Nicole Coulibaly) vorbeikommt. So schnell kann man also neuen Lebensmut fassen.

Derweil verlangt es Isolde (Hanna Eichel) nach Tristan, vorerst aus Rache, sie fühlt sich hintergangen. Und Martin Butzkes Tristan ist kein strahlender Held, wie Henri trägt er Overall. Und auch wenn er in Philipp Berwergers Bühnenbild, mit Granulatboden und rostiger Wand sein Schwert hineinrammt, macht er sich rar, hält er sich zurück. Später wird er, dann als Oskar Kokoschka, von der Puppe erzählen, die dieser nach Alma Mahler fertigen ließ und die Isolde so ähnelt, und wie er mit ihr Auto fuhr, sie in die Oper mitnahm. Aus Tristan ist ein Autosuggestionskünstler geworden.

Mittelalterlichen Ständegesellschaft und modernes Kino

So wie im Titel von Astrid Meyerfeldts Inszenierung "I hired Tristan und Isolde" Film und Liebesmythos ineinander übergehen, sind auf der Kleinen Bühne auch beide Erzählstränge präsent. Margaret ist nicht nur Protagonistin in Henris sehr privatem Kino, sie ist zugleich die Zofe von Isolde, die von Tristan dem König Marke übers Meer als Frau zugeführt wird. Henri wiederum gehört zur Schiffsbesatzung. Simon hallström v.l.n.r.: Jan Viethen, Martin Butzke, Hanna Eichel © Simon Hallström

Was jedoch die Idee hinter dieser Verbindung beider Stoffe ist, darüber lässt sich auch nach der zweistündigen Inszenierung nur mutmaßen. Ist es die Aktualisierung einer Geschichte aus der mittelalterlichen Ständegesellschaft in unsere kapitalistische Lebenswelt, zieht die Regisseurin mit der Liebesbeziehung zwischen Henri und Margaret eine Ebene unterhalb von Königinnen und Königen ein, weniger pathetisch und womöglich sogar weniger tragisch?

Fahrt durch die Stoffgeschichte

Astrid Meyerfeldt, die während Elias Perrigs Schauspieldirektion am Theater Basel immer mal wieder als Gast auf der Bühne zu sehen war, zuletzt in Schnitzlers Das weite Land, begibt sich bei ihrem Regiedebüt in "I hired Tristan und Isolde" auf eine Tour de Force durch die Stoffgeschichte von Gottfried von Straßburgs Epos. Wagner darf da nicht fehlen, das Programmheft nennt einen Roman von Joseph Bédier, aber auch Oskar Kokoschka und Alma Mahler nehmen einiges an Raum an. Mag sein, dass dies auch dem Genius loci geschuldet ist, denn Kokoschkas "Windsbraut", die anfangs nach Alma Mahlers Lieblingsoper "Tristan und Isolde" benannt war, hängt im Kunstmuseum Basel. Doch so sehenswert die schauspielerischen Leistungen dieses Abends sind, so locker assoziativ ist seine Struktur, so wenig ergibt sich ein schlüssiges Ganzes.

Marke (Florian Müller-Morungen) kann nicht sterben und die Aufforderung an das Publikum seinem Herzklopfen zu lauschen, meint auch, seiner Geschichte zuzuhören. Als er Isolde das erste Mal sieht, gelingt dieser es kaum, das Brautkleid zu schließen, derart stürmisch war die Überfahrt. Gottfried von Straßburg erzählt in seinem Versepos von Menschen, die durch den Liebestrank einander unbedingt verfallen und ihr Liebes- zu ihrem Lebensglück machen.

Das Pathos der Oper

Am Theater Basel sieht man Abziehbildchen, plissierte hellgrüne Roben mit Straußenfedern am Saum (Kostüme: Kathi Maurer) lassen bei Hanna Eichels Isolde viel Wagner durchscheinen, überhaupt gibt die Oper das Pathos vor, immer wieder werden einzelne Passagen gesungen. Malte Preuss' elektronische Klänge, das Akkordeon bilden da Kontrapunkte.

Wird's ritterlich, sind auf die rostige Schiffswand verwackelte Filmsequenzen von Menschen auf Pferden, die mit langen Schwertern vor prächtiger Frühlingslandschaft hantieren, projiziert. Da fallen Tische, Boxen oder Duschen nicht auf die Füße und doch schreit jemand auf, wenn Isoldes Ring bemerkt wird, fragt jemand kalauernd, ob er aus Rhein-Gold sei. Sind Tristan und Isolde schließlich den Liebestod gestorben, werden die beiden, die in einer Nische liegen, einfach nach hinten geklappt. So schnell kann man sich eines Mythos' entledigen.


I hired Tristan und Isolde
Regie: Astrid Meyerfeldt, Bühne: Philipp Berweger, Kostüme: Kathi Maurer, Musik: Malte Preuss, Video: Viviane Andereggen, Dramaturgie: Martina Grohmann.
Mit: Martin Butzke, Nicole Coulibaly, Hanna Eichel, Benjamin Kempf, Florian Müller-Morungen, Malte Preuss, Jan Viethen.

www.theater-basel.ch

Kommentare  
Tristan, Basel: groß gedacht, musikalisch gefügt
Liebe Frau Hoffmann,

schade, dass Ihre Kritik nicht über die Aufzählung hinauskommt, was es denn auf der Bühne zu sehen gab – dafür gibt es nämlich Regiebücher, Requisiten- und Kostümlisten. Denn was „I hired Tristan & Isolde“ so interessant macht, ist die alles andere als beliebige, sondern vielmehr höchst musikalische Komposition all dieser Dinge, Texte, Zitate und Bilder. Die Geschichte von Tristan und Isolde einerseits durchgehend zu erzählen, sie andererseits durch Anreicherung von disparatem Material komplex zu überlagern und trotzdem zu einem stimmigen Abschluss zu bringen, sodass der Bogen der Erzählung geschlossen, der Abend selbst in seinen Assoziationsangeboten für den Zuschauer hingegen weit offen bleibt, ist eine grosse Leistung. „I hired Tristan & Isolde“ verflicht Geschichten aus Film und Literatur, die durch die Zusammenführung zu einer neuen werden, setzt dabei mit leichter Hand Schwerpunkte und Kontrapunkte, verwebt Theorie und grosses Gefühl, koppelt Reflexion und distanzierte Analyse mit anzitiertem Pathos und uraltem Mythos, kombiniert feinen Slapstick mit Tragik, ist politisch und privat, gross gedacht und detailreich zugleich.
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