Theatertreffen 2012
Before Your Very Eyes – Der Shorty zum Gastspiel beim Berliner Theatertreffen 2012
Auf Never Ending Tour
von Wolfgang Behrens
Berlin, 17. Mai 2012. Nun sind sie wieder ein Jahr älter geworden seit der Premiere im April 2011. Auch wenn man noch keine der bisherigen Vorstellungen von Gob Squads "Before Your Very Eyes" gesehen hat, meint man das zu merken: Faustijn, Zoë, Ineke, Martha, Jeanne, Spencer und Gust sind nun keine 8- bis 14-jährigen Kinder mehr, sondern 9- bis 15-jährige. Der Abstand zu den 2009 aufgenommenen ersten Videoaufnahmen, mit denen die Kinder in der Aufführung konfrontiert werden, ist größer geworden, und es ist nicht mehr lange hin, dann wird man einige von ihnen nicht mehr Kinder nennen.
Wie selten im Theater wird man hier daran gemahnt, dass die Bühnenkunst eine vergängliche ist. Mag auch beispielsweise Martin Wuttke am Berliner Ensemble in Heiner Müllers Inszenierung des "Arturo Ui" seit 17 Jahren gegen diese Vergänglichkeit anspielen, so bleibt es doch eine Binsenwahrheit, dass Aufführungen mit ihren Darstellern altern. Und "Before Your Very Eyes" wird besonders schnell altern. Denn irgendwann – bald! – wird der Witz weg sein, dass Kinder (schau-)spielend ihr eigenes Erwachsenenleben (und gar ihr eigenes Sterben) vorwegnehmen.
Obwohl ... Noch während man beim Theatertreffen-Gastspiel von "Before Your Very Eyes" diesen Gedanken nachhängt, hofft man und sehnt sich förmlich danach, dass diese Produktion auf eine Never Ending Tour gehen werde. Alle zwei oder drei Jahre vielleicht würden Faustijn, Zoë, Ineke, Martha, Jeanne, Spencer und Gust (oder die Alternativbesetzung, die es auch gibt) wieder beim Theatertreffen Station machen. In nicht mehr ferner Zukunft würden wir junge Erwachsene sehen, die zuerst Kinder spielen, dann sich selbst und dann ältere, schließlich alte Erwachsene. In fernerer Zukunft sähe man 40-Jährige, die Kinder spielen, dann junge Erwachsene, dann sich selbst und so weiter. Und immer würden sich Faustijn, Zoë, Ineke, Martha, Jeanne, Spencer und Gust diesen Videobildern aus den Jahren 2009 bis 2011 stellen müssen, in denen sie ihre zukünftigen Ichs fragen: "Was habt ihr aus eurem Leben gemacht? Habt ihr geküsst? Seid ihr glücklich? Habt ihr Kinder? Und wo ist eigentlich mein kleiner Eisbär?"
Irgendwann – in ganz ferner Zukunft – würden nur noch sechs oder fünf der Darsteller dabei sein. Die Kinder, die schon längst keine Kinder mehr sind, würden eine allerletzte Vorstellung spielen, die sie dem oder den Verstorbenen widmen werden. Dann ist Schluss. Ich würde bei dieser letzten Vorstellung nicht mehr dabei sein können. Wäre ich dabei, ich würde weinen, denn ich hätte in nur einer guten Stunde gesehen, was es heißt, ein Leben zu leben.
Hier entlang zur Nachtkritik der Premiere am Berliner Hebbel-am-Ufer im April 2011.
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