Unter dem Terror des Apparats

von Esther Boldt

Frankfurt am Main, 14. September 2012. Was für eine Theatermaschine! Im Erdgeschoss der Raumkonstruktion mit ihren schiefstehenden Kammern, die aussehen wie von einem expressionistischen Stummfilm geträumt, spielt eine Band Rockiges von Rolling Stones und Konsorten, im rechten oberen Eck spinnt das Gretchen ihr Garn, ohne sich an der Spindel zu stechen, links führt eine lange, krumme Treppe aus der Höhe herab und rechts vorn, da ist die Studierstube des Faust samt Pult und Bank.

Hauptsache weiterdrehen

Denn der wird hier gespielt, Goethes "Faust. Der Tragödie erster Teil", im großen Haus des Schauspiels Frankfurt. Seit Monaten rollt die Propaganda-Maschine für die großen Faust-Festspiele die in den kommenden Wochen abgebrannt werden, mit 500 000 Euro gefördert von der Deutschen Bank. Der Tragödie erster Teil wird inszeniert von Stefan Pucher, dem ehemaligen jungen Wilden des deutschen Regietheaters, der mit Popmusik und Videoeinsatz die Vormacht des Wortes durchbrach und den Theaterraum intermedial aufsprengte. Und nun flimmern Chris Kondeks immerschöne Videos auch über die Wände des übergroßen Hexenhauses mit seinen verzweigten Kammern und windschiefen Türchen, das Barbara Ehnes entworfen hat. Doch was in dieser spektakulären Theatermaschine gespielt wird, ist eigentlich egal, so fürchtet man bald: Hauptsache, die Drehbühne dreht sich weiter.

© Birgit HupfeldA. Scheer und M. O. Schulze © Birgit HupfeldUnd dabei sind sie so ein schönes Paar: Der stets etwas steife, hohe, ernste Marc Oliver Schulze als lebensgehemmter, geistesgetriebener Faust, mit runden Schultern, vorgeschobenem Schildkrötenkopf, Akademikerbäuchlein und fettigem langem Haar. Übellaunig und heiser grummelt er ununterbrochen vor sich hin, ein furchtbar eloquenter Miesmuffel, der sich zum Leben wie zum Sterben zu schade ist, ein staubtrockener Besserwisser, zu schüchtern, sich unters Volk zu mischen, doch voller Sehnsucht nach all dem Gefühl, von dem er ahnt, aber nicht weiß. Und daneben der überaus elastische, lockerflockige Alexander Scheer als tollkühner, ungeheuer leichter Mephisto, der sich mit bester Volksbühnenattitüde schnoddrig-vergnügt durch den Text haspelt, der immer zu viel Energie hat und diese fortwährend in Schnörkel umleitet – hier noch ein Wink der schmalen Hände, dort noch ein Wippen der Knie, hier noch ein paar Akkorde auf die E-Gitarre gerotzt und da den Mund mit einem falschen Bart abgetupft: "Pardon!"

Verrauscht und verflimmert

Den ausufernden Redeschwällen des Faust begegnet er mit Augenrollen und demonstrativer Lässigkeit, verzweifelt rüttelt er am stockstarr-verzagten Heinrich, um ihn hinaus ins Leben zu treiben, und schließt ihn auch mal brüderlich in seine Arme. Vor dem inneren Auge sieht man dieses Duo Infernale aus Grummeligkeit und Schnoddrigkeit schon großartig durch die Welt ziehen, oder zumindest durch Auerbachs Keller, Hexenküche und Frau Marthes Garten.

Doch man hat nicht mit der Theatermaschine gerechnet, mit dem opernhaften Apparat, der sogar Scheers unsteten Füßen und übergroßen Gesten alsbald ihre Wirkung entzieht, weil er sich immer wieder effektheischend rumpelnd drehen muss, um neue Blickachsen freizugeben, weil die Musik abgespielt und die Videos abgeflackert werden wollen. So vergeht er im Flimmern und Rauschen, der Tragödie erster Teil – daran kann auch die tapfer abgespielte Gretchentragödie (Henrike Johanna Jörisson) nichts ändern.

 

Faust. Der Tragödie erster Teil
von Johann Wolfgang von Goethe
Regie: Stefan Pucher, Bühne: Barbara Ehnes, Kostüme: Marysoldel Castillo, Musik: Christopher Uhe, Video: Chris Kondek, Dramaturgie: Michael Eberth.
Mit: Marc Oliver Schulze, Alexander Scheer, Henrike Johanna Jörissen, Josefin Platt, Mathis Reinhardt, Vincent Glander, Heidi Ecks; Musiker: Michael Mühlhaus/ Leo Auri, Robert Kretzschmar/ Adrian David Krok, Masha Orella/Ramin Bijan.
Dauer: 3 Stunden

www.schauspielfrankfurt.de

 

Der Tragödie Zweiter Teil wurde in Frankfurt am Abend darauf bei den Faustfestspielen von Günter Krämer in Szene gesetzt.

 

Kritikenrundschau

Es sei "kein großer 'Faust', den Stefan Pucher gemacht hat, der große Zeremonienmeister des zeitgenössischen Regietheaters", meint Peter Michalzik in der Frankfurter Rundschau (17.9.2012); es sei ein "durchwachsener 'Faust', der in dem Stück die Geschichte und das Heute sucht, aber beide verliert." Alexander Scheer, "körperlos dünn und von federleichtem Teufels-Elan", sei zwar "ein großartiger Mephisto", der sich "locker zwischen traditionellem Magier und Batman, zwischen Gründgens und Heath Ledger" bewege. Der Funke zwischen Marc Oliver Schulze als Faust und Scheer springe allerdings nicht über: "Beide sind mit sich selbst beschäftigt, jeder spielt für sich allein. Deswegen knallt diese poppige, proppenvolle Aufführung nicht: Man trifft nicht aufeinander."

Die Welt sei in Stefan Puchers "Faust I" "eine Art Hard-Rock-Café", schreibt Gerhard Stadelmaier in der Frankfurter Allgemeinen (17.9.2012), in Wahrheit aber sei das Ganze ein "unsägliches Verkriechen" des Theaters vor der Welt. Marc Oliver Schulze führe "einen bräsig überzwerchen Miesepeter, einen etwas unterbelichteten hysterischen Daseinsstreber als Lebenssitzenbleiber vor, um dessentwillen sich keine teuflische Anstrengung lohnt". Und der "völlig undisziplinierte" Alexander Scheer sei ein Mephisto, der "stets das Böse will, aber immer nur das Blöde schafft: in affig nölend tuntigem Selbstgenuss." Nehme man "das endlose Video-Geflimmer dazu und das dauernde Rockband-Getue, dann hat man in Stefan Puchers ranziger Inszenierung den Inbegriff eines uralten reaktionären Pop-Theaters, das um 1990 mal Mode war."

Gegen andere "Faust"-Inszenierungen der letzten Jahre (Thalheimer, Bosse, Stemann) wirke Stefan Puchers "Geisterbahnfahrt mit Weib, Video und Gesang gar harmlos", meint Vasco Boenisch in der Süddeutschen Zeitung (17.9.2012). "Das Weltallegorische im Stück, Faust als gescheiterter Fortschrittsmensch", interessiere Pucher nicht. Er bediene das Volksstück und baue "dem Teufel die größten, spaßigsten Szenen". "Viele Goethe-Verse und andere Liedzeilen, die in Songs verklappt werden", gingen "im Schrammelrock einer 3-Kopf-Band akustisch unter. Schludrig wirkt das, und das gilt für vieles an dem Abend. Pucher liefert in Frankfurt eine seiner schwächsten Arbeiten ab." Immerhin sei Mephisto-Scheer "ein Charismatiker vor dem Herrn (der Unterwelt), der die Worte wie die Finger spreizt: ein großmäuliger Gaukler und Gambler."

Ausführlich beschreibt Jan Küveler in der Welt (17.9.2012) das Treiben in Stefan Puchers "Faust", insbesondere Alexander Scheer als Mephisto: als "eingefleischtem Castorf-Schüler ist ihm die Rolle als 'des Chaos wunderlicher Sohn' naturgemäß wie auf den Leib geschrieben." Küveler lobt auch "die dauerpräsente Band, angeführt von der erstaunlichen Masha Qrella an der E-Gitarre". Das alles klinge "nach Spektakel, und das ist es auch. Nach der Pause lässt dieser 'Faust' es sogar noch mehr krachen. Die tendenzielle Eintönigkeit des anfänglichen Stationen-Würfelns weicht einem Mehrstimmgesang aus vielen Winkeln. Henrike Johanna Jörissen ist ein entzückendes Gretchen. Es gelingt ihr, der zunehmend hochtourig tösenden Theatermaschine eine liebliche Innerlichkeit entgegenzusetzen, die mehr bezwingt als der läppische Kerker, in dem sie endet."

Stefan Pucher, "der Pop-Star unter den deutschen Regisseuren", lasse "allen Tiefsinn fahren, führt ein Musical, eine Rock-Oper auf und delegiert die Magie des Worts gern an die Musik", schreibt Michael Kluger in der Frankfurter Neuen Presse (17.9.2012). Das Ganze schnurre "ganz lustig und vergnüglich ab", und Überhaupt gebe es "viel zu sehen". Die Gretchen-Tragödie aber werde bei Pucher "so klein, dass Henrike Johanna Jörissen ihr nichts erstatten kann. 'Faust I' – ein hastig flimmerndes Delirium, ein Light-Drama, das hinwegflackert wie ein flottes, flaches Youtube-Filmchen."

Für den ersten Teil der Tragödie hat auch Dirk Pilz in der Neuen Zürcher Zeitung (17.9.2012) nicht viel übrig: "Pucher hat keinerlei Zugriff auf das Stück, sein sonst oftmals intelligenter Umgang mit dem Pop, seine Kunst, verschiedene Zeichenwelten zu verschränken – nichts davon diesmal. Er malt lediglich ein paar Regiekringel zwischen die Verse. Bunt, laut und leer. O weh." Der Faust von Marc Oliver Schulze kenne "genau zwei Sprechtonlagen: schaudern oder schäumen. So viel Blässe, Dünnheit hat Faust selten." Und selbst von Alexander Scheer als coolen Brando-Jagger-Mephisto wisse man, "dass er sehr viel differenzierter zu agieren vermag".

"Es ist ein Gewese und Gewusel durch all die Kicks der Großstadt hindurch, die einen schlechten Geschmack im Mund hinterlassen, aber mehr auch nicht", schreibt Thomas E. Schmidt in seiner Doppelbesprechung beider Frankfurter Fausts in der Zeit (20.9.2012) über Puchers Faust I. Pucher mache "so etwas wie Moraltheater für die Jugend". Sein Faust I sei ein fernsehtauglicher Calderon, von lulligem Gitarrenrock begleitet und in Videos getaucht, die oft ziemlich penetrant nach Robert Wilson aussähen. "Mitten im Tohuwabohu macht sich das Gefühl von Belanglosigkeit breit."

Kommentare  
Faust I, Frankfurt: Kampf der schalen Schauspieler
Wieder mal der Beweis: sogenannte "große" Namen und viel, viel Geld machen noch keinen guten Theaterabend. Selten so schale Schauspieler gesehen (vor allem der Faust: ein einziger Krampf).
Faust I, Frankfurt: Rehakles spricht
geld schießt keine tore
Faust I, Frankfurt: Gegengift von 1953 und Seelenverkäufe
Als Gegengift empfehle ich einen Blick in die (tonlosen) Filmaufnahmen, die H.-J. Syberberg 1953 bei den Proben zum URFAUST im Berliner Ensemble gemacht hat. Man erkennt schnell: Der ruhlose, erkenntnissüchtige Professor ist der Teufel, dem der vorgebliche Teufel, in Wahrheit ein Fremdenführer durchs Triviale, in Auerbachs Keller das Stühlchen rückt. Im Übrigen: Insofern es sich bei FAUST um ein Seelenverkaufsdrama handelt, sollten die beteiligten Kolleginnen und Kollegen ihren tüchtigen Intendanten darauf aufmerksam machen, dass sie ihm mit ihrer Unterschrift unter den NV-Solo nicht ihre Seelen verkauft haben, er daher auch nicht berechtigt ist, dieselben, wie geschehen, an die Deutsche Bank zu verhökern - ausgerechnet in Frankfurt/Main auf dem Höhepunkt der Krise zwischen den Banken und dem Rest der Welt. Und ausgerechnet an die Deutsche Bank, die, soviel wir wissen, an jedem schmutzigen Finanzgeschäft teilhat, das weltweit getätigt wird. Und das nicht erst seit gestern.
Faust I, Frankfurt: Alles Geld ist schmutzig
das mag schon sein, aber erstens leben alle theater von geld, das auch aus schmutzigen geschäften stammt, nämlich von steuern, u.a. der banken, waffenfirmen und pornoindustrie. und zweitens hat die geldfrage nichts damit zu tun, dass das einfach ein sehr sehr lauer abend ist. die lehre ist hier eher: ideen und inspiration kann man nicht kaufen.
Faust I, Frankfurt: linksliberal meckern
Hallo Herr Steckel !
Schön , dass es sie noch gibt die guten alten Dinge !
Linksliberal meckern (...). Das habe ich gerne !
Auch wenn nicht alles gelingt , aber immerhin produzieren die jungen Kollegen noch was !
Gruß
Klaus
Faust I, Frankfurt: Neutralisierung des Geldes
Alle öffentlichen Einrichtungen „leben“ von solchem Geld, auch die Bundesregierung. Während die Kanzlerin der Deutschen Bank jedoch die Ehre zuteil werden läßt, ihren damaligen Vorsitzenden (den Mäzen des Frankfurter Schauspiels) zu seinem 60. Geburtstag mit diesem Geld im Kanzleramt zu bewirten (es bedurfte eines Gerichtsurteils, um der Öffentlichkeit die von ihr zu begleichenden Kosten bekannt zu machen) und sich somit verhält, als wäre es die Aufgabe der Bundesregierung, zur „Imagepflege“ dieses mehr Steuern hinterziehenden als zahlenden Instituts beizutragen, ermöglicht die „Neutralisierung“, die dieses Geld durch seinen Umweg über die kommunalen Kassen erfährt, es den Theatern, ihre Subvention zu Anderem zu verwenden als zum Ruhme des edlen Spenders. Selbstverständlich kann man Ideen und Inspiration kaufen, blicken Sie nur auf die Filmwirtschaft. Nur was das Theater angeht, das macht seine Eigentümlichkeit aus, löst die Ignoranz gegenüber diesen Problemstellungen jene konzeptionellen Taubheitsgefühle und Empfindungslosigkeiten aus, die Sie hier beklagen.

Die kommunalen Kassen verarmen. „Die Politik“ sieht ungerührt bis begeistert zu, wie die „Kulturabteilungen“ privater Geldgeber wie der Deutschen Bank oder der Credit Suisse - zu ihren Bedingungen - Aufgaben übernehmen, die in den Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge fallen. Den Schaden haben wir alle, Macher wie Zuschauer.
Faust II, Frankfurt: ohne Krieg
Kommentare auf hohem Niveau. Auf die Fortsetzung der Debatte darf man gespannt sein. Ich möchte hier nur anmerken, dass das Thema "Krieg" aus Faust II gestrichen ist. Krieg als Folge der Finanzkrise? So genau will man es mit der Aktualität von Goethe dann doch nicht nehmen.
Faust I, Frankfurt: wie bitte?
Lieber Klaus (Nr. 5)

Wie bitte? Ist das ironisch gemeint?
Du beschwerst dich bei dem User Steckel über seine "linksliberale" Kritik und schließt mit den Worten: "Auch wenn nicht alles gelingt, aber immerhin produzieren die jungen Kollegen noch was!"

Soll das heißen, dass es besser ist "immerhin noch zu produzieren" als "linksliberal zu meckern"?
Ich verstehe das als Polemik gegen den User Steckel, weil er den Namen eines bekannten Regisseurs trägt.

Ansonsten wäre das tatsächlich das hirnrissigste Argument, das ich jemals gegen kritische Einwände gehört habe: dass der Kritiker, da er kein Macher ist, lieber den Mund halten soll.

Dann soll es wohl auch gar keine Kritik mehr geben. Ein Theater, das keine Kritik mehr braucht und will, braucht aber erst recht niemand.

Besten Gruß
Faust I, Frankfurt: Gesetzestext und Ringparabel
Sie gehören zwar nicht direkt hierher - aber sei's drum:

3 Reformvorschläge

§ 130

Wer
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt - oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

§ 166

(1) Wer öffentlich den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer beschimpft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
 (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich eine bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft.

Zusätzlich werden dem Straftäter nach §§ 130, 166 das hundertmalige Abschreiben der sog. Ringparabel aus dem dramatischen Gedicht NATHAN DER WEISE von G. E. Lessing sowie dessen freier mündlicher Vortrag vor Publikum auferlegt.
Faust I, Frankfurt: Gestern hilft mir nicht
Lieber Bernward ! ( Bernhard ?)
Wie auch immer ! Ja , war ironisch gemeint . Aber ein Teil der Wahrheit ist : viele reden vom
Gestern . Ich muss ( 26 und leider noch ziemlich blöd ) mit dem
Heute klarkommen und deren gestern hilft mit dabei nicht . Oder wenn , dann sagen sie mir bitte wie .
Faust I, Frankfurt: Reisetipp
Lieber Klaus

Da du mich schon fragst, wie du mit "26 und leider noch ziemlich blöd" mit dem Heute klarkommen sollst: Wie wärs denn für den Anfang mit ein bisschen Respekt anderen (auch Älteren) gegenüber.
Da wirst du für den Anfang viele interessante Erfahrungen machen können. Dass du mit deinen 26 Jahren schon eine solche Aversion gegen Linksliberale nährst, gleichzeitig interessierter Theatergänger bist und dich auf dieser Seite hier herumtreibst, finde ich immerhin bemetrkenswert. Und davon abgesehen: wenn Steckels Video-Tipps dich nicht befriedigen, dann leiste dir doch mal ne Fahrt nach Hamburg und schau dir dort im Thalia Theater Stemanns "Faust" an. Der ist richtig toll und wird deinen kritischen und wachen Sinnen sicher einiges von dem erwünschten Futter geben können. Herzlich
Faust I, Frankfurt: Hilflosigkeit
Faust I...
Mephisto der zur Premiere nicht mal den Text kann… mir fehlen die Worte.Es war leider mehr Klamauk als gutes Theater. Kein Funken der Übersprang! Eine überfordert wirkende Leitung, unkündbare Verträge, fortwährend geringe Offenheit für neue Beschäftigte und Ideen- wenn wundert das Ergebnis. Zu so großer Hilfslosigkeit ist leider nur ein Stadttheater in der Lage.
Faust I, Frankfurt: nicht ohne Schmerzen
"Ohne Schmerzen werde es nicht gehen, räumte Jürgen Fitschen ein. Als er diesen Satz sagte, saß der neue Co-Chef der Deutschen Bank neben seinem Kollegen Anshu Jain auf dem Podium im Frankfurter Hermann-Josef-Abs-Saal und stellte die Strategie des größten deutschen Geldhauses vor. Das ist nun gerade mal eine gute Woche her. 4,5 Milliarden Euro wollen die neuen Chefs künftig einsparen. Wie viele Stellen den ambitionierten Plänen zum Opfer fallen? Dazu kein Kommentar." (SZ, 21.9.12)
Faust I, Frankfurt/M: schon wieder nicht
naja also: schon wieder nicht theater des jahres . sorry olli.
Faust I, Frankfurt/M: diskursvergessen
Lieber Köbes

Da kann ich dich beruhigen. Die Frankfurter wollen sicher nicht Theater des Jahres werden. Sonst würden sie ja nicht so einen völlig ranschmeißerischen, diskursvergessenen Quotenspielplan machen. Das machen sie immerhin konsequent und haben ja wohl bei einem Teil des Publikums sehr großen Erfolg.
Faust 1, Frankfurt: kaputt machen und aufsagen
Alexander Scheer macht das Spiel der anderen kaputt mit seinem unberechenbaren Laientheater, Jörissen sagt nur Text auf, aber tolle Musik und schöne Videos, die Geschichte geht leider flöten... "Goethe spielt Flöte auf Schiller seinem Piller" Gute Nacht Franfurt...
Faust I, Frankfurt: selbst ein Bild machen
also ich traue es mich kaum zu schreiben, aber mit hat die Aufführung gefallen. Besser man macht sich selbst ein Bild und geht ins Theater!
Faust I, Frankfurt/M: die Feinde Schweegers?
Lieber Bommel
und da hast du natürlich recht. Alle sollen ins Theater gehen. Darum diskutieren wir hier ja.

Reeses bisherige Intendanz in Frankfurt interessiert mich allerdings als Phänomen. Was ist da los? Seit etwas mehr als drei Jahren ist er jetzt am Schauspiel Frankfurt, stieg im ersten Jahr kometenhaft in der Gunst des Feuilletons nach oben. Im zweiten Jahr dann Stagnation, und seitdem werden die Echos immer mäßiger. (Ausgenommen, Bommel, natürlich das des immer noch begeisterten Frankfurter Publikum.) Aber gerade die Autoren, denen um 2010 gar kein Attribut schwärmerisch genug sein konnte, hauen ihm jetzt mit fühlbarer Unerbittlichkeit immer häufiger und immer heftiger aufs Dach. Was stimmt da nicht? Der Intendant ist immer noch derselbe, die Regisseure großenteils dieselben, das Ensemble ebenfalls. Sind die alle miteinander schlechter geworden? Oder waren sie nie so gut, wie es am Anfang hieß? An Reese Gehaltserhöhung kanns ja nun alleine auch nicht liegen. Denke ich. Der Zeitgeist? Stand er 2009 für irgendetwas, das auf einmal seine Gültigkeit verloren hat. Oder waren es tätsächlich die versammelten Feinde von Elisabeth Schweeger, die den Reese hochgeschrieben haben, um ihr nachträglich nochmal eins auszuwischen. Frag ich mich.
Faust I, Frankfurt: man gewöhnt sich an das Niveau
So ein quatsch, die Feinde Schweegers. Es war einfach besseres Theater. Lulu war die beste Inszenierung von Kimmig, Ödipus/Antigone die beste von Thalheimer. Die Inszenierungen waren teilweise besser, es hat aber auch den Zauber des neuen verloren. Die Schauspieler spielen auf höherem Niveau als bei Schweeger, das ist klar, aber man gewöhnt sich an das Niveau und den zweiten Blick vermisst man Themen, die sich mit der Stadt auseinandersetzten, die kontovers sind. Zu gefällig, zu schön, zu schick, zu wenig Mut...
Faust I, Frankfurt: niemals kontrovers
Das Problem bei Reese ist die absolute Kalkulierbarkeit bei gleichzeitiger völliger Wertfreiheit. Sein Theater ist wie ein Blockbuster von Roland Emmerich, in jedem Fall erfolgreich, oft nahe dran an den Modethemen der Zeit, aber niemals mutig oder kontrovers. Das kann man sehen, man kann auch Spaß haben daran, aber die Avantgarde findet woanders statt. Gibt es irgendeine politische oder gesellschaftliche Haltung, eine lokale Verortung oder ein soziales Anliegen, wofür das Schauspiel Frankfurt steht?
Faust I, Frankfurt: alles ausverkauft
Habe heute versucht Karten für eine der vielen FaustI oder Faust II oder Faust I/II Aufführungen zu bekommen, um mir die Mißglücktheit anzusehen. Alles ausverkauft, innerhalb von vier Tagen. Das Publikum ist auch einfach zu dumm.
Faust I, Frankfurt: doller Film
Lieber Wolfgang K

Puh, dann hast du ja nochmal Glück gehabt.
(Im Eldorado läuft jetzt übrigens der neue Haneke: "Liebe". War am Wochende drin. Doller Film. Also, ehe du dich langweilst.)

Viele Grüße
Faust I, Frankfurt: Kartenwunder?
@wolfgangk:

Ja, dummes Publikum? Ich war gerade auf der Website des Schauspiel Frankfurt, um mir das Elend mit den Karten einmal anzusehen. Hatte nämlich letzte Woche ebenfalls gesehen, dass da alle Faust-Vorstellungen, insbesondere "Faust 1" ausverkauft waren. Aber siehe da: heute kannst du Karten für die Vorstellung von heute Abend, außerdem am 26.9. (das ist morgen), am 27.9., am 29.9. und am 30.9. kaufen - keine davon ausverkauft.
Ausverkauft ist im Dezember überhaupt nur noch "Der Große Gatsby" am 29.9. - soviel zum Frankfurter Kartenwunder.
Hmmm? Kommen diese Karten aus dem Vorverkauf zurück und waren deshalb bisher nicht zu haben? Aber warum dann nicht für den "Großen Gatsby"? Lieber wolfgangk, nimm die Beine in die Hand, die Missglücktheit soll dir nicht vorenthalten bleiben.
Faust I, Frankfurt: wochenlang rot
P.S.
Entschuldigung, ich wollte natürlich sagen: im verbleibenden SEPTEMBER (nicht Dezember) ist keine Vorstellung - und auch kein Faust - in Frankfurt ausverkauft, außer einer Produktion im Kammerspiel.
Und falls du, wolfgangk, eigentlich den Oktober meintest: dann entspann dich mal: in Frankfurt ist der Spielplan immer wochenlang rot vor lauter Ausverkauft-Vignetten, eine Woche vor der Vorstellung wird er dann aber wieder schwarz.
Faust I, Frankfurt: Werbetrick
Kinder, das ist doch ein Werbetrick. Vielleicht auch wichtig für den Sponsor des Projekts, die Deutsche Bank, die nach dem künstlerischen Flop wenigstens glauben will, dass das Publikum verrückt nach diesem Faust ist.
Faust I, Frankfurt: schlechte Kritiken locken auch
Also in diesem speziellen Fall ist das Rückspringen von "Ausverkauft" auf ein paar Restkarten vielleicht dadurch zu erklären, dass für die jeweiligen Tage das Restkontingent aus den Faust-Marathon-Paketen des Frankfurter Touristikbetriebs zurückgekommen ist. Ich glaube irgendwie nicht, dass sich das Theater einen so billigen Werbetrick erlauben würde - und schlechte Kritiken (hab zu beiden Inszenierungen übrigens auch schon ganz ordentliche gelesen) locken ja doch auch einige Besucher, die sich selbst von der missglückten Inszenierung überzeugen wollen.
Faust I, Frankfurt: unverständliche Kartenpolitik
...keine Ahnung ob das ein Werbetrick ist. Fakt ist, dass Vorstellungen bei Reese immer schnell ausverkauft sind. Dann kommt auf den Spielplan vor den Kammerspielen immer so ein kleiner roter Ausferkauft-Aufkleber. Das ist dann bei fast allen Vorstellungen. Dass man Abends an der Kasse aber keine Karten bekommt, passiert eigentlich nur an Premieren oder bei ganz beliebten Vorstellungen, so zb Medea. Ich verstehe diese Kartenpolitik nicht...
Faust I, Frankfurt: vom Gesichtspunkt des Vertriebs
Das kommt davon, wenn hier nur Leute aus der Dramaturgie schreiben, nicht aber aus dem Vertrieb! Das ist doch an jedem Theater ganz normal: Es gibt diverse Kontingente, Presse-, Dienst und sonstige Karten, die alle zu unterschiedlichen Zeitpunkten in den freien Verkauf gelangen. Da muss man doch nicht immer gleich an die große Verschwörung glauben!
Faust I, Frankfurt: Verwendung von Sponsorengeldern
Sponsorengelder künftig nur noch wie folgt verwenden:
a) zur Ermöglichung des verbilligten Theaterbesuchs,
b) zur Ermöglichung des kostenlosen Theaterbesuchs,
c) zur Ermöglichung des bezahlten Theaterbesuchs (sog. Altattisches Modell).
Faust I, Frankfurt: Altattische Modell
Wunderbar, Steckel, das Altattische Modell, ich habe eine Bildungslücke geschlossen. Im Ernst: Frank-Patrick Steckel, Sie (oder auch Thomas Rothschild) nutzen den Kommentarblog von Nachtkritik so, wie ich mir das vorstelle, mit vollem Namen, polemisch, wenn es sein muss, jedenfalls unabhängig, als niemands Interessenvertreter. Schöne Grüße aus Frankfurt
Wilhelm Roth
Faust I, Frankfurt: athenische Demokratie
Frage: Ist ein bezahlter Theaterbesuch ein freiwilliger bzw. interessegeleiteter oder ein unfreiwilliger Theaterbesuch? Die Hamburger Band "Die Sterne" haben mal einen Song über Politiker gesungen, Titel: "Sie werden dafür bezahlt".

Und ist die athenische Demokratie eigentlich ein nachahmenswertes, politisches Modell? Nach folgendem Zitat kam bei mir doch einige Skepsis auf:

"Die antike athenische Demokratie schloß bekanntlich 80 bis 90 Pozent der erwachsenen attischen Bevölkerung von der Beteiligung aus - Frauen, Sklaven, ortsansässige freie Fremde und andere, die nicht den strengen Abstammungsrichtlinien für Bürger entsprachen."
(Wendy Brown, in: "Demokratie? Eine Debatte")
Faust I, Frankfurt: herbstliche Karten-Teilung
@28:
Lieber "Besucher", danke für die Beförderung zum Dramaturgen. Du als Besucher bist aber auch ganz gut informiert, wie das am Theater so läuft mit den Karten-Kontingenten. ("Presse-, Dienst- und sonstige", die nun einmal nicht alle gleichzeitig "in den freien Verkauf gelangen".) Tatsächlich hab ich allerdings auf "wolfgangk" geantwortet (unter Nr 21), der die Stimme des Publikums geltend machen wollte, das ja offensichtlich "dumm" sein müsse, wenn es durch sein Interesse an den Vorstellungen zeigen würde, dass es anderer Meinung als die harschen Kritiker in Frankfurt sei. Hatte er, wolfgangk, doch versucht, im Vorverkauf eine Karte für den nächsten Monat zu erstehen, aber: "Alles ausverkauft, innerhalb von vier Tagen." Das bezog sich auf den anstehenden Oktober. Geschrieben gestern, am 25. September. Seitdem ist ein Tag vergangen und laut Website des Schauspiel Frankfurt von heute gibt es im Oktober Karten für die "Faust"-Aufführungen am
1.10.
2.10.
3.10.
5.10.
8.10.
12.10.
13.10.
14.10.
18.10.
21.10.
also eigentlich für die allermeisten Vorstellungen.
Hat sich wolfgangk also das mit dem komplett ausverkauften Monat ausgedacht? Oder hatte er den authentischen Eindruck, dass im ganzen Oktober wirklich nichts zu haben sei? (Dazu fällt mir auch der Teilnehmer Bieberpelz auf (Nr 27): "Fakt ist, dass Vorstellungen bei Reese immer schnell ausverkauft sind.") Wenn wolfgangk allerdings gestern wirklich dachte, dass er im Oktober nicht mal eine Karte mehr bekommt, heute aber zwischen zehn verschiedenen Vorstellungstagen wählen kann, dann glaube ich gar nicht an "Verschwörungen", sondern nur dass sich das Schauspiel Frankfurt selber "dumm" anstellt, wenn es seinen Besuchern nicht vermittelt: liebe Leute, augenblicklich haben wir keine Karten, es kommen aber innerhalb von 24 Stunden wieder welche für bis zu zehn nicht ausverkauften Vorstellungen.
Faust I, Frankfurt: fürs iPhone ist Geld da
Genau - fürs iPhone ist das Geld da, aber fürs Theater ...
Faust I, Frankfurt: hätte auch das Doppelte bezahlt
Ich danke der Deutschen Bank für diesen wunderschönen Abend. Die zersetzenden Kräfte der Gesellschaft, die mitunter die nahezu unerschütterlichen Mechanismen unseres Staatswesens zu unterminieren suchen, wurden durch diesen originären Auftritt gebunden und in ein Spiel voll heiterer Eleganz aufgelöst. Zu diesem Behuf wurde etwas ins Werk gesetzt, was in Deuschland - und nicht nur hier - seinesgleichen sucht. Ich hätte auch das Doppelte bezahlt.
Faust I, Frankfurt: Faustbook
Passend zur Faustunterschlagung auf der großen Bühne hat das Schauspiel Frankfurt jetzt ein so genanntes "Faustbook" ins Netz gestellt. Unter dem Motto "sags mit Faust". Da kann man einen Zweizeiler aus Goethes Faust aussuchen und mit einem Foto kombinieren. Am Ende gibt es einen Preis für das schönste Bild zum Text. Der Clou? Aus dem ganzen Faust darf man aber nur unter 30 möglichen Zitaten aussuchen. Wer weiß, was da sonst noch zum Vorschein hätte kommen können. Goethe unzensiert? Lieber nicht. Lieber Faust gefesselt, auf dem Geldberg der Deutschen Bank. Occupy Occupy. Expropriiert die Expropriierten. So gesehen: auch wieder originell.
Faust I, Frankfurt: Werbung
@21, "Besucher": noch einmal an alle, die unser "Besucher" entmutigt haben sollte: Es gibt noch immer Karten für die FAUST-Vorstellungen am 12.10., 17.10., 18.10., 20.10. (Faust-Marathon) und 21.10. (Faust-Marathon). Sowie Restkarten für die Vorstellungen am 8.10. (heute), 13.10., 14.10., und 19.10.. Viel Vergnügen
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