Gib dem Affen Zucker!

von Kai Krösche

Wien, 7. November 2012. Hach ja, die bösen Kapitalisten. Treffen sich heimlich im stillen Kämmerlein, schieben ihr Vermögen hin und her, hecken skrupellose Deals aus und kümmern sich nur um sich selbst, während sie die Weltwirtschaft in die Krise zocken. Und der kleine Mann? Darf dabei tatenlos zusehen oder auf die Straße gehen, um ein bisschen zu protestieren und wenigstens das Gefühl zu haben, etwas zu ändern. Während die bösen Kapitalisten schon den nächsten Crash herbeispekulieren.

Exklusives Mörderspiel im Wolkenkratzer

Alpha, Beta, Gamma und Delta sind solche bösen Kapitalisten. Die bürgerlichen Namen ihrer Gegenüber kennen sie genausowenig wie deren Privatleben, nur die zig Millionen auf den Konten und der Hang zu maßlosen Deals verbindet die anonymen Spekulanten. Einmal im Monat finden sie sich an einem anderen geheimen Ort der Welt zusammen, meist in einer der oberen Etagen irgendeines Hotels oder Wolkenkratzers. Genau genommen treffen sich die vier hier zum gemeinsamen Killerspieleabend.

"Kill Hill" lautet der Name des einzigartig lebensechten und exklusiven Mörderspiels, in dem es darum geht, die liebevoll virtualisierten Großgrundstücke der Mitspieler zu stürmen und auf reale Sicherheitslücken zu testen. Außerdem führt das Spiel, bei dem man pro Mord 10.000 Euro gewinnt (und bei jedem eigenen Tod dieselbe Summe an den erfolgreichen Killer verliert), zu neuen geistigen Höhenflügen und damit umso spektakuläreren Spekulationen am Finanzmarkt. Als eine dubiose Frau mit Goldmaske erst im virtuellen Geschehen als unbesiegbarer Gegner, dann auf einmal in echt vor den verblüfften Spielern steht und Chaos stiftet, gerät das vermeintlich harmlose Spiel aus den Fugen.

Internationale Spiele-Spiele

Es ist das Spiel in all seinen Variationen, das im Zentrum des Projekts "Generation Icons" steht: In der länderübergreifend zwischen den Wiener Wortstätten sowie Theatern in Prag und Bratislava ins Leben gerufenen Kooperation entstanden in enger Zusammenarbeit österreichischer, slowakischer und tschechischer Theaterschaffender drei Theaterproduktionen. Das Stück "Pokerface" des tschechischen Autoren Petr Koleček sowie die "iPlay" betitelte "Drama-App für Theater" des österreichischen Autors Bernhard Studlar feierten bereits Ende September in Bratislava bzw. Mitte Oktober in Prag Premiere; die Wiener Wortstätten brachten nun das ins Deutsche übersetzte "Kill Hill™" des slowakischen Autoren Viliam Klimáček auf die Bühne des Wiener Theaters an der Gumpendorferstraße.

Unter der Regie der jungen tschechischen Regisseurin Martina Schlegelová wird der ungewöhnliche Zeitvertreib der vier Finanzhaie zum Spiel-im-Spiel-im-Spiel: Nicht nur begeben sich die vier Superreichen in die künstliche Welt des Computerspiels, nein, sie werden zu in Anzüge gekleideten, sprechenden Affen in einem Gehege mit Stroh, Seilen, Massagesesseln und jeder Menge Bananen, die wiederum Business-Leute mimen, die ihrerseits auf virtuelle Minen treten.

KillHill1 560 BarbaraPalffy u© Barbara Palffy

Nächster Halt: Leere

Dass diese zusätzliche, verwirrende Ebene schon bald ins Leere läuft, liegt vor allem daran, dass sie angesichts der Verschachtelung von Spielwelt und (Business-)Realität der eigentlichen Handlung nichts hinzuzufügen weiß: Zu aufgestülpt, zu platt, zu wenig szenisch motiviert wirkt der Affenstall, um dem bereits überspitzten und an Stereotypen reichen Stück eine zusätzliche Deutung abzugewinnen. Als wär's nicht schon genug des Klischees, dass die reichen Spieler von einer eindringenden Hackerin als neurotische Päderasten, Warlords und Waffenhändler entlarvt werden!

Doch nicht nur die Regie, auch das Stück selbst läuft trotz spannender Grundsituation früh ins Leere: Das Erscheinen des Eindringlings und die damit verbundenen "Enthüllungen" bleiben auf irritierende Weise vollständig folgenlos. Auch aus dem anfangs ein wenig Spannung erzeugenden Kniff, Delta als außenstehenden Erzähler zu etablieren, ergibt sich keinerlei Konflikt unter den Vieren. Dass dennoch so etwas wie Reibung auf der Bühne entsteht, verdankt sich den fünf Darstellern: Mit vollem Körpereinsatz, spürbarer Lust am Spiel (und allen gezwungen wirkenden Regieeinfällen wie dem ständigen Affenkreischen zum Trotz) verleihen sie dem Text stellenweise eine Dringlichkeit, auch wenn dieser sie am Ende, da hilft auch kein gutes Schauspiel mehr, nicht einlösen kann.

 

Kill Hill™ (UA)
von Viliam Klimáček in der Übersetzung von Lydia Nagel
Regie: Martina Schlegelová, Ausstattung: Michael Haller, Produktionsleitung: Hans Escher und Bernhard Studlar.
Mit: Erol Ünsalan, Clemens Berndorff, Eva Klemt, Alexander Braunshör und Karin Yoko Jochum.
Dauer: 1 Stunde, keine Pause

www.wortstaetten.at
www.dastag.at

 

Kritikenrundschau

 

Von einem "sehenswerten Stück" mit starkem Ensemble und wuchtigen Szenen spricht Andrea Heinz im Wiener Standard (10.11.2012). Die Figurenszeichnung sei komplex und bei aller Plakativität gebe es auch leise Szenen.

 

 

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