Presseschau vom 29. Dezember 2012 – Die FAZ fragt, wie teuer Kultur sein darf

Andere Lasten aufgebürdet

Andere Lasten aufgebürdet

30. Dezember 2012. "Wie teuer darf Kultur sein, wenn die öffentliche Hand sie finanzieren soll?" fragt Sebastian Balzter gestern in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf Seite elf unter der Überschrift Bühne frei für den Verteilungskampf. Die Begriffe, "mit denen gemeinhin Märkte beschrieben werden – Angebot, Nachfrage, Konkurrenz" – führen Balzter Ansicht nach in die Irre, wenn von Schauspiel, Oper und Tanz die Rede ist.

"Denn sie werden im großen Stil bezuschusst. Wirtschaftswissenschaftler sprechen von politisch gewollten, sogenannten meritorischen Gütern, für deren Bereitstellung der Markt allein nicht im gewünschten Maß oder zu den gewünschten Preisen sorgen würde." Schulen und öffentlicher Nahverkehr sind für ihn weitere Beispiele dafür – "mit dem Unterschied, dass sich deren direkter Nutzen für die Allgemeinheit schneller erschließt als der Vorteil, den höhere literarische und musische Bildung für eine Gesellschaft birgt." Im Fall der Theater komme jedoch hinzu, "dass es zwar verschiedene Anbieter gibt, aber keine Chancengleichheit im Wettbewerb um die Zuschauer." Fazit des Journalisten: "Ohne Subventionen bliebe in der deutschen Theaterlandschaft kein Stein mehr auf dem anderen stehen."

Bis ins vergangene Jahrhundert hinein seien es vor allem Herrscher und Mäzene gewesen, die Regisseure, Schauspieler und Musiker für ihre Arbeit bezahlten; feste Theater habe es in Deutschland zuerst an den Fürstenhöfen gegeben. "An ihre Stelle sind seither die Bundesländer, Städte und Gemeinden getreten, die für rund 140 öffentliche Theater aufkommen – ein Erbe der Kleinstaaterei, das in seiner Vielfalt auf der Welt einzigartig ist."

Am Subventionsbedarf der großen Häuser habe sich im Lauf der Jahrhunderte nicht viel geändert: "Das Hoftheater im thüringischen Gotha etwa, dessen Finanzen für die Spielzeit 1778/79 detailliert dokumentiert sind, unterstützte Herzog Ludwig Ernst II. mit rund 6600 Reichstalern und trug damit gut drei Viertel des Budgets." Die Städtischen Bühnen in Frankfurt bestritten Balzters Informationen zufolgen ihren Etat von 78 Millionen Euro im vergangenen Jahr sogar zu rund vier Fünfteln aus kommunalen Zuwendungen. "Das Einspielergebnis, die Einnahmen aus dem Verkauf von Eintrittskarten, habe in beiden Fällen nur einen Bruchteil der Kosten gedeckt."

Gewöhnlich ende, so Balzter weiter, die Subventionsdebatte an diesem Punkt. Die naheliegende Anschlussfrage komme "erst durch die Hintertür eines Rechenexempels aufs Tapet: Wie defizitär muss ein Bühnenbetrieb eigentlich sein, um als vorzeigbarer Kulturträger gelten zu können?"

Auf knapp 3 Milliarden Euro belaufe sich etwa der Haushalt der Stadt Frankfurt in diesem Jahr.  Etwa genauso viel geben Sebastian Balzter zufolge alle Kommunen, Länder und der Bund insgesamt für Musik und Theater aus. Das seien, rechnet er weiter, " 0,14 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. Steigen werden die Zuschüsse angesichts trüber Konjunkturaussichten kaum, weder für die Dickschiffe der kommunalen Bühnen noch für die kleinteilige freie Szene. Die Hoffnung auf Sponsoren ist vage. Eher sind, wo es bislang noch nicht dazu gekommen ist, Schließungen und Verteilungskämpfe zu erwarten (...)  Die öffentliche Hand hat sich derweil andere Lasten aufgebürdet, die deutlich teurer sind als alle deutschen Theater zusammen: Allein der Bankenrettungsfonds Soffin zum Beispiel hat seit 2008 einen Verlust von 23 Milliarden Euro angehäuft."

(sle)

 

 

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