Schaut auf diese Steuer

von Elena Philipp

Berlin, 21. Februar 2013. Frisches Geld für die notorisch unterfinanzierte Freie Szene? In einem Haushaltsnotlageland wie Berlin? Klingt unwahrscheinlich, könnte aber Wirklichkeit werden. City Tax heißt das Wunderinstrument, das Geld in leere Stadtkassen spült und der Freien Szene möglicherweise zu einer Finanzspritze verhilft. Als Bettensteuer oder Kulturförderabgabe wird die City Tax bei Hotelübernachtungen für Privatreisende in zwei Dutzend deutscher Städte bereits fällig, etwa in Hamburg oder Weimar.

In Berlin sollte die neue Steuer ab Januar 2013 erhoben werden. Vereinbart hatten CDU und SPD sie in ihrem Koalitionsvertrag, in der Hoffnung auf zusätzliche Einnahmen von 40 bis 50 Millionen Euro. Die Hälfte davon fordern Interessenvertretungen der Kultur wie der Rat für die Künste oder die Koalition der Freien Szene für die freischaffenden Künstler. Das Geld soll denjenigen zugute kommen, die es erwirtschaften: Denn drei Viertel der Berlin-Touristen bereisen die Hauptstadt wegen des Kunst- und Kulturangebots, wie eine Studie im Auftrag der Tourismus- und Kongressgesellschaft visitBerlin ermittelte.

city-tax u

Mythos vom billigen Leben

Berlin, so lautet die Aufforderung der Künstlernetzwerke, muss endlich investieren in die klamme Kreativszene, die das profitable Image als Kulturmetropole mit begründet. Denn anders als in Nach-Wende-Zeiten lässt es sich im Berlin der Luxussanierungen und steigenden Mieten nicht mehr von ein paar hundert Euro im Monat leben. Die City Tax-Gelder könnten nach Ansicht der Koalition der Freien Szene eine Schieflage in der Berliner Förderpolitik beseitigen: Nur fünf Prozent des Kulturhaushaltes in Höhe von rund 350 Millionen Euro jährlich flössen in die Förderung freier Künstler und Kulturproduzenten, obwohl diese den Großteil der Kulturschaffenden Berlins ausmachten.

Mit rund 20 Millionen Euro zusätzlich ließe sich die Struktur der Freien Szene nachhaltig verbessern, wie die Koalition der Freien Szene berechnet hat. In einem Zehn-Punkte-Programm regt sie neue Förderinstrumente an, unter anderem einen Etat für Wiederaufnahmen und einen Eigenmittelfonds, der freien Künstlern die Antragstellung bei der Kulturstiftung des Bundes oder der EU erleichtert. Besonders betont wird die Forderung nach Honoraruntergrenzen: Berlins freie Künstler arbeiten dem Landesverband Freie Theaterschaffende (LAFT) Berlin e.V. zufolge auch in geförderten Projekten bislang für einen Brutto-Stundensatz von drei bis zehn Euro. Durchaus angemessen findet die Kulturverwaltung diese Forderungen. Dort würde man eine Verdoppelung der bislang für Freie verfügbaren 20 Millionen Euro vermutlich ebenfalls begrüßen.

Juristische Feinheiten

Doch noch ist all das Zukunftsmusik: Aufgrund der unklaren Rechtslage ist die Erhebung einer City Tax in Berlin erst einmal verschoben. Nur Privataufenthalte Erwachsener dürfen einem Urteil des Bundesverwaltungsgericht in Leipzig aus dem Jahr 2012 zufolge besteuert werden. In Berlin entfallen jedoch rund 40 Prozent der Übernachtungen auf Geschäftsreisende oder Jugendliche. Die erhofften Einnahmen würden sich mindestens halbieren. Aus Datenschutzgründen wurde die Steuer kürzlich in Dortmund gekippt: Die Hoteliers müssen von den Gästen erfragen, aus welchem Grund sie bei ihnen übernachten. Unzulässig, befand der Datenschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen. Ein Berufungsverfahren der Stadt steht noch aus.

betten petra-bork pixelio.de uIn Berliner Hotels übernachten außer Geschäftsleuten vor allem Kulturreisende
© Petra Bork pixelio.de
Ungeklärt ist in Berlin zudem, ob die City Tax als Steuer oder als Abgabe eingeführt wird. Und damit steht und fällt auch, wieviel Geld wirklich der Freien Szene zufließen könnte. Eine Abgabe muss zweckgebunden verwendet werden und - ähnlich wie die Kurtaxe -, denjenigen zugute kommen, die sie bezahlen, also den Touristen. Besucherstarke Kultureinrichtungen wie das Pergamonmuseum oder die Gedenkstätte Berliner Mauer dürften sich in der Schlange potentieller Geldempfänger weiter vorne einreihen als die freien Kulturschaffenden. Die Freie Szene plädiert deshalb für eine Steuer, weil der Senat frei über die Mittelverwendung entscheiden kann. Allerdings droht auch die Gefahr, dass die Gelder im allgemeinen Haushalt versickern oder für andere kostenspielige Projekte draufgeht. Allein die Tariferhöhungen bei den Opernhäusern werden Berlin ab 2015 jährlich 20 Millionen Euro kosten - damit wären die Einnahmen dahin.

Die Stimme der Freien Szene

Klug taktierend haben sich die Berliner Kulturlobbyisten spartenübergreifend zusammengeschlossen, um mit einer Stimme für ihr Anliegen zu werben. Und sie haben sich schon im Vorfeld der Sympathien aller Parteien im Abgeordnetenhaus versichert: Die kulturpolitischen Sprecher der Fraktionen unterstützten bei einer Veranstaltung des Rats für die Künste im Deutschen Theater Ende 2012 die Forderungen der Freien. Doch wie die Chancen beim Gerangel um den Geldtopf letztlich stehen, das ist ungewiss.

"Ein Teil der Gelder soll der Förderung von Tourismus und Kultur zugute kommen", verlautbarte Berlins Regierender, der seit 2006 in Personalunion auch Kultursenator ist, Ende letzten Jahres reichlich unkonkret. Tourismus und Kultur, das könnte auch Marketingmaßnahmen oder Marathonläufe meinen. In Hamburg, wo die Kultur- und Tourismustaxe zu Jahresbeginn eingeführt wurde, werden etwa die Junioren-Ruderweltmeisterschaft oder das Galopp-Derby gefördert. Für die Freie Szene wurde ein "Elbfonds" nach Vorbild des Hauptstadtkulturfonds eingerichtet, ausgestattet mit nur 500.000 Euro.

Es geht auch mit der Deutschen Oper

Sollte die City Tax kommen, würde der Kultursenat wohl einige der quasi-institutionalisierten Förderungen aus dem Hauptstadtkulturfonds lösen - vermutlich Festivals wie Tanz im August oder die Ausstellungsförderung im Martin-Gropius-Bau, wie das Büro des Kulturstaatssekretärs André Schmitz auf Anfrage mitteilte. Der Freien Szene stünde dann wieder ein größerer Teil der Bundesmittel zu, die ursprünglich für sie gedacht waren.

Falls es nicht klappt mit einer Kulturfördersteuer könnte Berlin ja noch auf den radikalen Vorschlag der Piratenfraktion zurückgreifen, der Deutschen Oper die Subventionen streichen und die 39 Millionen Euro in die Freie Szene investieren. Zwei Millionen Euro würden frei, sofern es Wowereit und Schmitz gelingt, Sasha Waltz wegen chronischer Unterfinanzierung aus der Kulturmetropole zu vergraulen. Ob das allerdings eine erstrebenswerte Umverteilung ist? Die Koalition der Freien Szene lehnt es jedenfalls explizit ab, institutionell geförderte Kultur um ihre Mittel zu bringen. Sie setzt auf frisches Geld.

 

Mehr dazu: Im November 2012 fassten wir einen Presseartikel zusammen, der beschrieb, wie die Berliner Freie Szene von der City Tax profitieren möchte.

mehr debatten