Pippi Langstrumpf im Herzen der Finsternis

21. Februar 2013. Das Berliner Ballhaus Naunynstraße lud zu einer Veranstaltung ein, in der Positionen der N-Wort-Debatte noch einmal zusammengefasst wurden. Auch wurde der Verstörung über Kälte und Ignoranz Ausdruck verliehen, mit der das deutsche Feuilleton sein Recht auf Rassismus verteidigt.

Von Esther Slevogt

Berlin, 21. Februar 2013. Es war der Abend des Tages, an dem der Tod Otfried Preußlers bekannt wurde, der am Montag gestorben ist: Otfried Preußler, der einer der wesentlichen Ermöglicher der sogenannten Kinderbuchdebatte war. Denn er hatte sich vom Brief eines Vaters berühren lassen, der von der Verstörung seiner siebenjährigen Tochter Timnit über das N-Wort in "Die kleine Hexe" berichtet hatte. Daraufhin hatte er der Entfernung aller rassistisch konnotierten Begriffe aus seinen Büchern zugestimmt.

"Black Intervention" hatte das Berliner Ballhaus Naunynstraße eine Veranstaltung überschrieben, in der wesentliche Positionen der Debatte noch einmal aufgearbeitet wurden. Auch wurde hier der Verstörung über die Ignoranz und Indolenz Ausdruck verliehen, mit der das deutsche Feuilleton so vehement sein Recht auf Rassismus verteidigt.

Wegweiser Otfried Preußler

Diese Haltung zeige, dass wesentliche Ideologen der "Leitkultur", die sich in den deutschen Feuilletons verbarrikadieren, nicht auf Augenhöhe diskutieren wollten, brachte Mekonnen Mesghena seine Einschätzung auf den Punkt. Im Berufsleben ist er Leiter eines Schlüsselreferats der Heinrich-Böll-Stiftung, und zwar der Abteilung "Migration und Diversity" – und im Privatleben der Vater der siebenjährigen Timnit, deren folgenreiche Erschütterung über den herabsetzenden Rassismus in der Sprache eines berühmten Kinderbuchs er an den publizierenden Verlag weitergeleitet hatte.

mekonnen mesghen 280 sleSein Brief an den Thienemann-Verlag löste die Debatte aus: Mekonnen Mesghena. © sleMesghena wies in seinem Beitrag noch einmal darauf hin, dass Preußlers wegweisende Rolle in dieser ideologisch geführten Debatte komplett unterschlagen werde. Stattdessen inszeniere das Feuilleton diesen Vorgang als "Angriff auf das Weiß-Sein", vergleiche die Forderung nach Schutz vor rassistischem Vokabular mit Zensur und der nationalsozialistischen Bücherverbrennung. Doch wer das tue, ignoriere die Tatsache, dass diese Begriffe mit einer langen Geschichte der Entmenschlichung, Misshandlung und Ausbeutung verbunden seien. Mesghena erwies Otfried Preußler noch einmal ausdrücklich seine Reverenz: Dessen Einlenken verbinde ihn und seine Tochter für immer mit diesem Autor. Sein Tod mache traurig, das Zeichen, dass er kurz zuvor noch setzen konnte, jedoch froh.

Wider die hoffnungslos Vorgestrigen

Es war eine denkwürdige Veranstaltung, bei der schnell klar wurde: Die Debatte hat erst begonnen und wird die Kultur dieses Landes nachhaltig umkrempeln. Schon nach dreißig Minuten wirkten die, die da in den großen Feuilletons immer noch um Deutungshoheit ringen, hoffnungslos vorgestrig: Jene, die das N-Wort in den letzten Wochen provokant auf ihre Titelseiten setzten, ebenso wie der verblendete Literaturkritiker Denis Scheck, der sich nicht entblödete, im Fernsehen mit schwarz geschminktem Gesicht (also mit Blackfacing) das N-Wort in Kinderbüchern für schützenswert zu erklären.

Schon der enorme Andrang vor dem Theater machte deutlich, dass dieses Thema keineswegs nur ein Minderheitenthema ist, sondern die Gesellschaft längst damit begonnen hat, ihre Werte und Begriffe neu zu vehandeln. Höchstens die Hälfte aller Interessenten fand am Ende im überquellenden Zuschauerraum des Ballhauses Naunynstraße in Kreuzberg überhaupt Platz. Wer nicht hereinkam, konnte die Veranstaltung per Live-Stream im Internet verfolgen.

Ach, du armes männliches weißes Bildungsbürger-Ich!

Gekommen waren Autoren, Musiker und Performer, die jeweils Arbeiten zur Debatte präsentierten. Die Berliner Landschaftsarchitektin und Kolonialismusforscherin Noa Ha las einen ironisch-melancholischen Text, der die Argumente der aktuellen Debatte reflektierte. Dazwischen flocht sie Fetzen eines Selbstgespräches des gekränkten männlichen weißen deutschen Bildungsbürger-Ichs, das sich von den Folgen von Mesghenas "höflich argumentierendem Brief" nun so tief getroffen zeigt: Nicht nur, dass bereits die Blackfacing-Debatte vor einem Jahr seine bildungsbürgerliche Selbstverständlichkeiten zutiefst untergraben hätte. Nun solle der deutschen Identität auch noch ihre Kindheit genommen werden! Doch könne es nicht sein, fragte Noa Ha, dass dieses Land nicht erwachsen werden wolle?

Der Autor Philipp Khabo Koepsell, der sich bereits mit seiner Publikation "Die Akte James Knopf" zu Michael Endes Buch "Jim Knopf" in die Debatte einmischte, beeindruckte mit einer poetry-slamhaft vorgetragenen Fantasie über Pippi Langstrumpfs Vater Efraim, besser bekannt als König von Taka-Tuka-Land. Nicht nur, dass er dieses einst als antiautoritäres Vorzeigemodell verklärte Aussteigerleben als höchst zwiespältig, sozial auffällig, kolonialistisch und semikriminell dekonstruierte. Im Untergrund seines Textes funkelte dieser Pippi-Langstrumpf-Vater ziemlich finster als romantisierte Kinderbuch-Version des bösen Elfenbeinhändlers Kurtz, dem dunklen Zentrum von Joseph Conrads abgründiger, imperialismuskritischer Erzählung "Heart of Darkness" – bei Lindgren allerdings jeglichen kritischen Potenzials beraubt.

joshua kwesi aikins 280 sleWider Denis Schecks Blackfacing: Joshua Kwesi Aikins. © sleDie Regisseurin und Autorin Simone Dede Ayivi, die jüngst einen (auch auf nachtkritik.de) viel diskutierten Beitrag zur Kinderbuchdebatte im Berliner Tagesspiegel veröffentlicht hatte, stellte ihr neues Theaterprojekt vor. Sie hatte ein schmerzhaftes Bonmot im Gepäck: So oft, wie sie stets nach ihren Wurzeln gefragt werde, habe sie eines Tages das Gefühl beschlichen, sie müsse ein Baum sein, aber kein Mensch.

Mangelndes Geschichtsbewusstsein

Der junge Politologe und Historiker Joshua Kwesi Aikins schließlich kam noch einmal auf den unsäglichen Blackfacing-Fernseh-Auftritt des Literaturkritikers Denis Scheck im Januar zu sprechen. Dieser Auftritt, so Kwesi Aikins, belege gerade jenes mangelnde Geschichtsbewusstsein, das die N-Wort-Schützer stets als Argument gegen seine Streichung ins Feld führten: Scheck sei in dieser so tief im rassistischen Denken verwurzelten Aufmachung ausgerechnet am 27. Januar im deutschen Fernsehen aufgetreten, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag. Damit habe er die Opfer des Nazi-Rassismus verhöhnt, unter denen auch Menschen gewesen seien, die auf Grund von nationalsozialistischen Verordnungen, die überquellen würden vom N-Wort, das Scheck so schützenswert finde, misshandelt, sterilisiert und ermordet wurden.

Dann folgte ein so lapidarer wie eindringlicher Vortrag über die 350-jährige rassistische Tradition nicht nur des N-Wortes selbst, sondern auch der Gesellschaft, die so sehr auf seine Weiterverwendung besteht: Vor 350 Jahren nämlich habe der brandenburgische Kurfürst mit dem Handel von versklavten Menschen aus Afrika begonnen. Zu diesem Zweck sei damals übrigens die erste Aktiengesellschaft der deutschen Wirtschaftsgeschichte gegründet worden: die Brandenburgisch-Afrikanische Compagnie. Sprachgeschichte als Wirtschaftsgeschichte? Fest steht, beide Systeme müssen neu verhandelt werden.

 

Alles über die Blackfacing-Debatte auf nachtkritik.de im Lexikon.

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Kommentare  
Black Intervention: Bewertung statt Beschreibung
Statt das Geschehene zu beschreiben, bewertet Esther Slevogt die Vorgänge. Aus dem Literaturkritiker Scheck wird so der "verblendete" Literaturkritiker Scheck. Die Möglichkeit, eine eigene Entscheidung zu treffen, ob jemand verblendet- oder nicht verblendet ist, wird nicht in Betracht gezogen. Der didaktischen Beeinflussung, der einfachen Antwort auf eine komplizierte Frage, wird hier einer tatsächlich tiefgreifenden Analyse der Vorzug gegeben.
Black-Intervention: korrektgeschalteter Zeitgeist
sehr erhellend ist in diesem kontext das zauberhafte interview das samuel l. jackson mit einem ausserordenlich politisch korrekten journalisten führte der sich ausserstande sah das n-wort zu sagen was samuel gar nicht lustig fand.
es scheint da doch noch abweichende meinungen vom korrektgeschalteten zeitgeist zu geben.
Black Intervention: Begriffe oder Werte?
Esther Slevogt schreibt: "dass dieses Thema keineswegs nur ein Minderheitenthema ist, sondern die Gesellschaft längst damit begonnen hat, ihre Werte und Begriffe neu zu vehandeln". Frage: Geht es denn jetzt um Begriffe oder um Werte? Für mich liegt darin ein entscheidender Unterschied. Denn wer allein auf Werte und Moral pocht, muss damit noch lange nicht seine eigene soziale und politische Verantwortung wahrnehmen. Im Gegenteil, oftmals verhält es sich eher so, dass "der entfremdete Glaube an die menschliche Solidarität die unmenschlichsten Taten nicht einmal in Frage stellt." (Erich Fromm)

Was ich weiterhin als schwierig empfinde ist, dass die Argumentation auf der Begriffsopposition "weiss" vs. "schwarz" aufgebaut wird, anstatt dieses dualistische Denken zu dekonstruieren. Oder anders gefragt: Wird der Literaturkritiker Denis Scheck hier als Verallgemeinerung "des bösen Weissen" gegenüber Otfried Preußler als Verallgemeinerung "des guten Weissen" betrachtet? Und warum wird der Anti-Blackfacing-Diskurs eigentlich überhaupt immer gleich mit dieser unsäglichen Anti-Bildungsbürgerdebatte verschaltet? Heisst das, dass einer, der die Klassiker liebt, automatisch rassistisch sein muss? Stimmt denn das? Wittgenstein schrieb dazu: "Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache".
Black Intervention: pro Scheck
Scheck hat es richtig gemacht. Es war eine hübsche Idee, schwarz angemalt ein Zeichen gegen die Zensur zu setzen.
Black Intervention: Luxus-Probleme
Welche Gesellschaft meint E.S. mit der Aenderung von Werten und Begriffen? Wenn es die westdeutsche ist, dann soll sies doch sagen. Die Ostdeutsche gibts doch schon laengst nicht mehr und die gesamtdeutsche gab es nie. Um was gehts hier denn? Um Disziplinierung der Ausdrucksweisen? Darf ein Tuerke einen Deutschen spielen, darf ein N einen W spielen? Mal abgesehen davon, dass mich das "darf" dabei gar nicht interessiert, interessiert mich eher das warum? Warum verschwenden alle ihre lebenszeit damit, warum gibt die Boell-Stiftung Geld dafuer aus? Ich verstehs nicht. In Deutschland gibt es Armut, besonders in Ostdeutschland gibt es viele Probleme und hier und im Theater werden Luxus-Probleme diskutiert, Warum eigentlich? Wer braucht das? Die krepieren, die keine Zukunft haben? Das sieht alles nicht rosig aus. Hab noch Genug vom letzten Transformationsprozess.
Black Intervention: nicht alles Luxusdampfer
@ Siegfried: Was diese Kinderbuch- bzw. N-Wort-Debatte angeht, stimme ich Ihnen zu. Diese ist tatsächlich vollkommen verschieden von Problemen, die inzwischen immer mehr Menschen angeht, egal welcher Hautfarbe. Es geht dabei um folgendes: Jeder Mensch sollte in der Gesellschaft bzw. der bestehenden Sozialordnung seine Anerkennung finden. Diejenigen, die diese Anerkennung nicht finden, haben das Recht zu rebellieren. Ich würde aber, anders als Sie, auch nicht jedes Theater als "Luxusdampfer" verallgemeinern wollen. Denn wenn es die Kunst nicht gäbe, würden viele ihre eigene Unterdrückung möglicherweise an noch Schwächeren auslassen. Die Kunst ist dazu da, uns das bewusst zu machen bzw. ein produktiver Kanal für diese zerstörerischen Impulse zu sein.
Black Intervention: bemerkenswert
überaus reflektierter beitrag von esther slevogt. und, liebe inga, ich finde schon bemerkenswert, wer sich hier zuerst zu wort meldet. so unüberlegt wie denis scheck, und das literaturverblendungsmagazin aus dem das gesendet wurde.
Black Intervention: Überschreiben statt Umschreiben
@ mein leipzig: Ein "gast" meldet sich hier zuerst zu Wort. Wissen Sie denn, wer dahinter steckt? Dass Denis Scheck sich das Gesicht schwarz schminken muss, um seine Argumente zu verdeutlichen, das wirkt tatsächlich einfach nur dumm. So, als lege er es regelrecht darauf an, billig zu provozieren, anstatt zu versuchen, sich auf das Bewusstsein des Anderen einzulassen und empathisch mit diesem mitzufühlen.

Ausserdem würde ich nochmal unterstreichen wollen, dass die Neu-Konstruktion von Geschichte nie objektiv sein kann, sondern auch in meinen Augen immer von denen ausgehen muss, welche immer wieder in ihren Rechten unterdrückt wurden und werden und so das Vergangene aus ihrer Perspektive palimpsestartig überschreiben müssen. Und dieser Begriff des Überschreibens trifft es vielleicht besser als der Begriff des Umschreibens, welcher zu sehr nach politischer Korrektheit oder absoluter Wahrheit klingen könnte. Aber wie wir ja alle wissen, kann Wahrheit immer nur perspektivisch sein bzw. zwischen Menschen hergestellt werden.
Black Intervention: Sic et non
Für mich wäre auch interessant zu wissen, von wem oder was ist denn Denis Scheck nach Meinung Esther Slevogts verblendet? Wenn sie denn schon werten will. Oder ist das eine Aussage aus der Veranstaltung? Verblendet kann man ja nur aus sich selbst heraus oder durch die Annahme einer bestimmten Ideologie sein. Aus was für einem (weißen, von mir aus) Selbstverständnis heraus handelt denn nun Scheck und was ist daran tatsächlich verblendet, Selbstverblendung, oder sogar Verschleierung und Verharmlosung der eigentlichen Ziele und Hintergründe dieser Debatte? Denis Scheck ist ein angesehener Literaturkritiker, intelligent, kompetent, eloquent und unterhaltsam dazu, bisweilen sogar etwas narzisstisch. Darüber hinaus stellt er hin und wieder durchaus unbequeme Fragen. Ein seltener Vertreter in der Literaturszene, wie vielleicht nur noch Fritz J. Raddatz, deren verstaubte Vertreter sich diese Attribute sonst auch gerne anheften würden und doch nur in der Art eines Reich Ranitzkis den deutschen Literaturkanon herbeten. Seinen Ruf hat sich Scheck durchaus redlich verdient. Er ist im besten Sinne des Wortes weltgewandt und auch -offen. Jetzt nutzt er aber ein öffentlich rechtliches Medium, um seine Privatmeinung über die Tilgung rassistisch konnotierter Begriffe und Bezeichnungen aus Kinderbüchern in Form einer provokanten Satire zu verbreiten. Darüber lässt sich trefflich streiten. Wohlweislich welches Klischee er hier bedient, spielt Scheck seinen Gegnern aber bewusst direkt in die Hand. Das ist aber eine wohl kalkulierte Aufregung, die das Kontra seiner Gegner schon vorausnimmt. Dadurch, dass sich jetzt alle nur wieder auf das Blackface stürzen, tritt seine zwar im üblich beredten Ton verfasste Ansprache, mit ihrer aber recht eigentümlich schwachen Argumentation, völlig in den Hintergrund. Es wäre auch langweilig, sich die x-te Version der Verteidigung des kleinen Negerleins oder der Kunstfreiheit anzuhören. Scheck dreht den Spieß einfach um, und lässt den europäischen Kunstvertreter als den eigentlich verfemten Neger auftreten, und dabei noch mit klaren Attributen. Dazu distanziert er sich zunächst von jeglichem rassistischen Gedankengut und spricht im Anschluss nur noch von der Umschreibung der Vergangenheit in Orwells Roman „1984“ (Was impliziert, man hätte es hier mit einem regelrechten, mit diktatorischen Mitteln geführten Kulturkampf zu tun. Was von der anderen Seite scheinbar auch dankbar aufgenommen wird.) sowie Shakespeare und einem englischen Trottel, der diesen von sämtlichen Anzüglichkeiten bereinigt hatte. Das treibt die Debatte in eine völlig absurde und andere Richtung. Man fragt sich nur dabei, warum Scheck eigentlich nicht als erigierter Penis oder wie einst Woody Allen als desorientierte Spermie aufgetreten ist. Damit hätte er zum Thema Sexismus-Debatte zumindest jetzt beim Karneval eine gute Figur abgeben können. Ignoranz ist natürlich auch eine Art von ideologischer Selbstverblendung und Selbstüberschätzung. Und in diesem Falle ist Denis Scheck, den ich trotz allem nach wie vor für eine Koryphäe der Literaturkritik halte, voll hineingetappt. Er war sich des einhelligen Beifalls der Mehrheit wohl etwas zu sicher. Dass er jetzt für seine Satire selbst in einer Form angegriffen wird, die ihn der Geschichtsvergessenheit und Verhöhnung der Opfer des rassistischen Nationalsozialismus bezichtigt, zeigt wie verbissen dieser Kampf um die Deutungshoheit von Literatur und der Kunst im Allgemeinen zu diesem Thema geführt wird. Es bleibt zu hoffen, dass sich die verschiedenen Ansichten in einem vernünftigen Dialog, vielleicht in Anlehnung an die gute alte Methode des „Sic et non“, doch noch annähern werden. Man muss gegensätzliche Meinung anhören, zulassen und aushalten können. Das gilt für beide Seiten. Und in der Hinsicht scheint mir die besprochene Veranstaltung nicht gerade beispielgebend gewesen zu sein. Aber vielleicht ist auch das nur eine verblendete (klein)bildungsbürgerliche Ansicht von mir.

@ 8 Ja, Inga, auch das mit dem Palimpsest ist eine möglich Annährung an den Konflikt. Das menschliche Gedächtnis funktioniert ja auf eine ähnliche Weise. Wobei das Überschriebene als Kerbe, gleich einer überformten antiken Spur im Stein, die wieder oder neu zu interpretieren wäre, weiter existiert.
Black Intervention: zur Verblendung
lieber stefan,

wie soll man anders als verblendet finden, wenn ein renommierter literaturkritiker vom hohen ross der leitkultur (das ihm aber offenbar noch nicht hoch genug war, weshalb er auch noch auf einen stuhl gestiegen ist in dieser unsäglichen sendung) - wenn er also von diesem hohen ross herab menschen beleidigt. und zwar im glauben, er verteidige kulturelle werte. wie soll man anders als verblendet finden, wenn dieser kritiker sich nicht nur vollkommen indolent gegenüber der kränkung zeigt, die bestimmtes vokabular bei damit bezeichneten (bezw. diskriminierten!) menschen verursacht, sondern den ausdruck seiner indolenz auch noch mit der verhöhnung dieser menschen verbindet: in dem er nämlich für seine verkündigung eben jene maskierung wählt, deren verletzungspotenzial durch verächtliches ignorieren ihres rassistischen hintergrundes ja zuvor bereits hinreichend beschrieben war. das blackfacing nämlich. dabei waren alle argumente gegen das n-wort in sehr höflicher form vorgetragen worden: in einem freundlichen schreiben nämlich, dessen inhalt otfried preußler auch gleich eingeleuchtet hat. ein anderer brief kam von einem neunjährigen mädchen, das seine kränkung über dieses sogenannte n-wort dem feuilleton der wochenzeitung "Die Zeit" erklärte. und dann steigt so ein vertreter unserer feinen hochkultur schwarz angemalt auf einen stuhl, um sein recht auf rassismus zu verteidigen!? im öffentlich-rechtlichen fernsehen? ich finde, "verblendet" ist hier noch ausgesprochen höflich formuliert.


freundliche grüsse
Black Intervention: sich selber ändern können
Verehrte Esther Slevogt,

beleidigend, im Sinne von es leid sein, empfinde ich einzig Ihren offensichtlich didaktisch motivierten Beitrag.

Sie unterstellen dem Kritiker Scheck eine Verblendung, gleichzeitig sind Sie nicht imstande, die Reaktionen auf Ihre Sicht selbstkritisch zu hinterfragen. Sie verlangen von anderen etwas, was Sie selber in keiner Weise leisten. Sie schreiben von einem Nichtachten, von einem Verletzungspotential und nicht zuletzt von dem Missbrauch eines Mediums. Dass Sie in der Weise, wie Sie Ihre Meinung hier multiplizieren, nichts anderes tun, lässt die Aussicht zu, dass es mit Ihnen anstatt des etablierten Personals zu keinem mehr geeigneten Diskurs kommen könnte.
Die Veränderung, die Sie so vehement einfordern, nimmt ihren Anfang im Kleinen, sie muss bei Ihnen selbst erfolgen. Sich selber ändern können, das wünsche ich Ihnen und bin, mit besten Grüßen,

Ihre Melitta
Black Intervention: Argumentieren vs. provozieren
Sehr geehrte Melitta,
es ist Ihnen aber schon klar, dass das, was Sie von Esther Slevogt hier einfordern, von Herrn Scheck eben nicht erfüllt wurde in der in Rede stehenden Sendung? Und nachtkritik.de im Internet mit dem deutschen Fernsehen auf eine Stufe zu stellen, was die Massenwirksamkeit betrifft, würde ich als kühn bezeichnen. Slevogt argumentiert. Scheck in schwarzer Maske mit weißen Handschuhe provozierte sehr bewusst und gezielt. Er zielte nicht auf weiße Menschen, sondern auf Menschen mit schwarzer Hautfarbe, als hätten die sich Machtmissbrauch zuschulden kommen lassen, indem sie sich einmal nicht mit Gewalt, sondern in Diskussionen zur Wehr setzten. So kann Ihre Forderung genauso an Sie zurückgegeben werden: "Die Veränderung, die Sie so vehement einfordern, nimmt ihren Anfang im Kleinen, sie muss bei Ihnen selbst erfolgen. Sich selber ändern können, das wünsche ich Ihnen..."
Black Intervention: Bericht oder Kommentar
Lieber Nikolaus Merck,

wie jeder andere Kritiker auch, sollten Sie und Ihre Kollegen sich entscheiden, ob Sie einen Bericht schreiben wollen oder einen Kommentar verfassen. Eine Argumentation ergibt sich jedenfalls nicht aus einem Aufzählen von Befindlichkeiten. Ich bin überzeugt, dass zumindest ein Teil Ihrer Leser imstande ist, sich eine eigene Meinung zu bilden. Dieses zu begreifen und auch zuzulassen, dürfte der Massenwirksamkeit Ihres Portales förderlich sein. Aus der Mühle des harten Kritikeralltags befreit, wird der ein oder andere von Ihnen dann vielleicht auch einmal eine eigene Fernsehsendung bekommen. Ich freue mich drauf. Ihre Melitta
Black Intervention: nachgeordnete Forderung
Liebe Melitta,

jetzt haben Sie die Ebene aber gewechselt, oder? Ich halte die Frage "Bericht oder Kommentar. Entscheiden Sie sich bitte!" für nachrangig gegenüber den Forderungen, die Sie oben erhoben haben. Für Ihre Freude, falls die eine oder der andere nachtkritik-Redakteur einmal eine eigene Fernsehsendung bekommen sollte, bedanke ich mich, auch im Namen der KollegInnen.
Black Intervention: machen Sie es besser
Lieber Nikolaus Merck,

Ihre geschlechtergerechte Schreibweise kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sie auf den Inhalt meiner Schreiben nicht eingehen. Und genauso funktionieren Ihre so genannten Diskussionen. So viel Aufwand wird betrieben und so wenig kommt dabei heraus. Am wenigsten für die Unterdrückten und Vorgeführten, für die Sie hier so ostentativ eintreten. Wie es wird, so wird es jedenfalls nichts. Machen Sie es gut oder besser: machen Sie es besser.
Black Intervention: nicht zuordnen
@ Selbstkommentar. Jetzt verstehe ich die Debatte erst. Also Slevogts Argumentation gut, Scheck Fernsehplakation ueberfluessig. Na ja, hab halt keinen Fernseh und kam aus der Nachtschicht nach Hause, da konnte ich den Kontext nicht gleich zuordnen, sorry.
Black Intervention: erholsam und ermutigend
Es scheint so, daß das hier zu einer Debatte (!) zu werden droht, ob eine Autorin/Kritikerin (darüber hinaus nachtkritik.de-Redaktionsmitglied) ihre Ansicht zu einem Thema äußern oder doch eher verhehlen soll. – Ich lasse das unkommentiert.

Viel eher noch einmal etwas zum Anlaß und zur Wirkung (sehr subjektiv) der besprochenen Veranstaltung.
Es war äußerst erholsam und ermutigend, ein paar Stunden in der Gemeinschaft von Menschen zu verbringen, Reflektionen über das Thema Rassismus in Kunst und Literatur zu hören, ohne wiederholt beleidigt und diskriminiert zu werden.
Dafür meinen herzlichen Dank an Wagner Carvalho, Nora Haakh und alle anderen vom Ballhaus, an Noa Ha, Mekonnen Mesghena, Simone Dede Ayivi, Noah Sow, Philipp Khabo Koepsell, Joshua, Kwesi Aikins und Nadine Golly.

Denn wissen Sie ‚Stefan‘, das hier: „Man muss gegensätzliche Meinung anhören, zulassen und aushalten können.“ – Das gab es in den letzten Wochen wahrhaft genug!
Wiewohl ich so etwas nicht als ‚Meinung‘, eher als Häme und Angriff bezeichnen würde:
„Es gibt [aber auch] feigen vorauseilenden Gehorsam vor den Tollheiten einer auf die Kunst übergriffigen politischen Korrektheit.“ Denis Scheck

„Es ist die vorauseilende Entschuldigungsbereitschaft, die das politische Lektorat vom Ernsthaften ins Lächerliche führt.“ Jan Fleischhauer

"Sehr geehrter Herr Mesghena,

wie armselig Sie sind!

Ihrer albernen Initiative haben wir es also zu verdanken, dass der Thienemann Verlag sich als Zensor von Kinderbuchklassikern aufspielt.

Heinrich Böll würde sich im Grab umdrehen bei dem Mist, den Sie unter dem Deckmantel und Briefkopf seiner Stiftung veranstalten!

Zu nichts habe ich gerade mehr Lust, als ein Kinderbuch zu verfassen, in dem es von Negern, Eskimos, Türken, Zigeunern, Scheichs und Indianern nur so wimmelt, und alle essen Negerküsse oder Mohrenköpfe.

Danach hat dann bestimmt auch "das" Familienminister Schröder noch ein bißchen Anlaß zur Empörung und kann dann gemeinsam mit Ihnen beim Vorlesen erröten. Oh, Gott - Erröten! Das geht ja gar nicht! Und sich auch noch als Türke oder Indianer verkleiden, good gracious!

Warum kümmern Sie sich nicht lieber ein um die Literatur ihrer Heimat Äthiopiens statt um die des Landes, das Sie aufgenommen hat? Da können Sie doch bestimmt auch vielen mit ihrer lächerlichen political correctness auf die Nerven gehen?!

Mt aufmerksamen Grüßen,
Claus Cornelius Fischer

Schriftsteller"

(Dieser Brief wurde bereits veröffentlicht. Z.B. hier >> http://www.diaxsrake.de/language/de/2013/01/20/claus-cornelius-fischer-rassist/ oder auch hier >> http://stoptalk.wordpress.com/category/do-something-right-now/)
Black Intervention: Vermengung zweier Debatten
@ Stefan

Sie schreiben "Scheck dreht den Spieß einfach um und läßt den europäischen Kunstvertreter als den eigentlich verfemten Neger auftreten". Offen gestanden, ich habe diesen Scheck-Beitrag seinerzeit nicht gesehen, aber er ist ja mediathek-technisch jederzeit kostenlos abrufbar (diskutiert jetzt irgendjemand darüber, daß dieses sich so verhält ?- es wundert mich schon, daß jetzt nicht auch hier Stimmen laut werden, die weiteren "Reproduktionsmöglichkeiten" entgegentreten, nun gut), und so habe auch ich dann diesen Beitrag gesehen. Ein wenig ratlos hinterläßt er letztlich auch mich, weil ich gerade die Ineinsschaltung des "Blackfacings" mit der Verwendung des Wortes "Neger" für immer noch ziemlich fragwürdig erachte, und bei der freiwilligen Zurücknahme von Begriffen durch zwei Verlage geht es ja nicht ums Blackfacing, und es geht eigentlich eben auch nicht um einen Kulturkampf, wenngleich der Auftritt des Briefschreibers im Rahmen einer Veranstaltung, bei der möglicherweise doch wieder Kulturkämpferisches mit von der Partie ist ("Bildungsbürger" in eindeutig negativer Konnotation ist nicht unbedingt völlig fraglos zu akzeptieren); leider trägt Schecks Auftreten dann noch fahrlässig dazu bei, daß das Konfusionspotential keineswegs reduziert wird, sondern eher angestachelt !
Dennoch habe ich, um auf Ihren Satz zurückzukommen, Denis Scheck jetzt keineswegs in der Rolle (!)des von Ihnen attestierten gedrehten Spießes gesehen, er hat meineserachtens keine Rolle gespielt, spricht für sich, wollte von Beginn an als Denis Scheck durchdringen und verstanden werden und in der Aufmachung für meine Begriffe ganz offensichtlich auf den fremden Kontext der "Minstrel"-Shows hinweisen.
Es ist ja nicht leicht, auf der einen Seite offenbar einen Baum eher als einen Menschen anzusprechen, wenn man nach den Wurzeln fragt, andererseits aber beständig auf eine Tradition hingewiesen zu werden, die offenbar umso kräftigere Wurzeln hat, die nun sogleich Wirkungsmacht auszuüben hat über das, was Menschen hierzulande bislang so miteinander angestellt haben. Doch diese Minstrel-Shows haben nun einmal ihre Wurzeln woanders, und dort, wo sie ihren Ursprung haben, ist man wohl zurecht dafür sensibilisiert worden. Das muß man nun nachträglich nicht als große Sensibilität des anglo-amerikanischen Raums würdigen, wenn nun auch hierzulande in globalisierten Verhältnissen "Farbigschmink"-Praxis, auch ganz und gar nicht grundlos, siehe Blackfacing-Debatte, zunehmend kritisch ins Visier gerät. Die Debatten ums Blackfacing zB. waren gewiß einflußreich genug,
nicht gleich wieder den weißen Bildungsbürger bemühen zu müssen, wenn man freundlich darauf hinweist, daß eine bestimmte Praxis als verletzend empfunden wird und Verletzungen sicherlich nicht weniger schwer wiegen, wenn die besagte Praxis gut und gerne vermeidbar gewesen wäre. Ich denke, um den Kontext "Minstrel"-Shows als etwas (Debatten-) Fremdes zu markieren, würde Denis Schecks Vorgehen sogar taugen, würde er nun auf die Vermengung verschiedener Debatten anhand des Beispieles zweier Verlage, würde er nun also auf den dahinterstehenden "Kulturkampf" abheben und diesbezüglich Roß und Reiter nennen, aber er handelt(e) da seinerseits nicht minder vorauseilend als er es anderen vorhielt und dafür dann wieder zu uneindeutig und verkürzt, und als Beitrag zum engeren Thema des Vorgehens der Verlage, kann ich nur denjenigen zustimmen, welche hier deutlich von der Vermeidbarkeit des Mittels, nennen wir es "Blackfacing" oder "Scheckschen-V-Effekt seiner selbst", künden. So in etwa ist das um Denis Scheck bei mir rumgekommen; das Gekläffe in den Kommentarspalten diverser Großblätter zeigt allerdings wirklich ein bedenkliches Bild meineserachtens, und insofern kann ich letztlich auch die Reaktionen der nachtkritik-Redakteure verstehen, wenngleich ich wie "gast" hier mehr Wertung als Beschreibung (und zudem Themenvermengung)
finde und die Wertung der "Verblendung" für falsch halte..
Black Intervention: Herr Fischer ist zerknirscht
@ 17

Ob man dem nun viel beimißt oder nicht, jedenfalls heißt es in einem weiteren Blog, in dem der von Ihnen zitierte Brief ebenfalls nachzulesen ist, daß es seitens Herrn Fischers mittlerweile ein Entschuldigungsschreiben ("zerknirscht" heißt die Wertung des Bloggers) an Herrn Mesghena gegeben hat.
Black Intervention: Autorin setzt sich Debatte aus
@Melitta, ich verstehe überhaupt nicht, worüber Sie sich aufregen. Dieser Beitrag von Frau Slevogt wurde hier unter der Überschrift "Debatte" veröffentlicht. Also wieso wundern Sie sich, wenn der Text nicht nur (neutral) berichtend, sondern auch (subjektiv) kommentierend ist? Wieso darf Frau Slevogt keine Meinung haben? Und wieso kritisieren Sie die Autorin nun auch noch dafür, dass Sie Stefan Ihre Haltung erläutert und unterstellen ihr, dass es zu "keinem mehr geeigneten Diskurs kommen könnte". Warum?
Wissen Sie, dass das, was Frau Slevogt hier tut, nämlich sich und ihren Text den Kommentaren hier aussetzen und darüber hinaus auf Nachfragen antworten, mehr ist, als die allermeisten Feuilletonisten in dieser Debatte geleistet haben oder zu leisten bereit wären? Welcher Zeit-Autor antwortet schon auf die Kommentare unter seinen Texten auf zeit online? Ich kenne keinen. Wenn Sie einen kennen, belehren Sie mich eines Besseren. Aber schimpfen Sie nicht auf die, die sich Mühe geben, eine Diskussion zu stiften.
Black Intervention: Scheck-Exegese
Liebe Esther Slevogt,
da haben Sie mich wohl irgendwie falsch verstanden. Ich hatte die Frage nach der Verblendung eher rhetorisch in den Raum gestellt. Danke, dass Sie dennoch geantwortet haben. Ich will mich zwar nicht nur an Denis Scheck abarbeiten, aber er hat sich mit seiner Aktion ja geradezu zum Bashing selbst angeboten. Und eigentlich sind wir, was Herrn Scheck betrifft, doch auch einer Meinung. Nur das ich zunächst versucht habe, hinter die Ursache der angeblichen Verblendung zu kommen. Ich kann mir nämlich die Verbissenheit, mit der hier um jedes Wort gekämpft wird, nicht wirklich erklären. Es hat mit Sicherheit mit dem deutschen Selbstverständnis zu tun, einer gebildeten, aufgeklärten Kulturnation anzugehören. Und daher zunächst einmal allem, was aus dem angloamerikanischen Raum kommt, wie auch die political correctness, skeptisch gegenüber steht. Man stellt die Meinungs- und künstlerische Freiheit über alles, weil man eben meint, aus der Geschichte gelernt zu haben. Die Ignoranz, andere Sichtweisen zuzulassen, ist besonders im Fall des sich sonst so eloquent und weltoffen gebenden Literaturkritikers Denis Scheck so verwunderlich. „Si tacuisses, philosophus mansisses.“ hat hier jemand in einem anderen Thread geschrieben. Das trifft nun wohl auch auf Scheck zu. Obwohl er sicher viele hinter sich weiß, die ihre Meinung aber nicht öffentlich kund tun, sondern eher in anonymer Form.
Sie, Frau Slevogt, erregen sich darüber das Scheck in seiner Höhe auch noch auf einen Stuhl steigt. Scheck will damit wohl eher die in seinen Augen nicht vorhandene Relevanz des Themas karikieren. Die Debatte um das „kleine Negerlein“ also, das erst auf einen Stuhl gehoben werden muss, um überhaupt in Diskurshöhe zu gelangen, die Scheck mit dem Druckfrisch-Band andeutet. Das hat schon einen sehr perfiden Witz und braucht einiges an Hybris. Wie sie richtig bemerken, schützt er aber auch das N-Wort in der Kunst gegen vermeintlich übergriffige PC-Aktivisten, die es ins Visier genommen haben. Warum das so ist, verschweigt Scheck bewusst. Einerseits das Herunterspielen der Debatte, andererseits übertriebene Verteidigungsrede mit Orwell und Shakespeare als Anwälte des hilfsbedürftigen „Negerleins“. Dass er sich dazu noch schwarz anmalt, soll, wie schon erwähnt, nur davon ablenken, dass er, außer Zensur zu rufen, nichts Neues zu sagen hat. Wie auch schon andere vor ihm. Dass die ARD-Redaktion ihm auch noch Schützenhilfe gibt, indem sie sich auf Peter Zadek und Shakespeares Othello beruft, zeigt deutlich, dass man sich auch in den öffentlich rechtlichen Redaktionsstuben noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt hat. Diese Persiflage auch nur in die Nähe von Zadek und Shakespeare zu rücken, ist vollkommen lächerlich.
Black Intervention: nicht mit dem Holocaust argumentieren
Schecks Auftreten auch öffentlich zu kritisieren scheint mehr als angebracht. Wenn nun aber Joshua Kwesi Aikins Schecks Aktion in die Nähe des Holocaust rückt, wird es in Deutschland gefährlich. Gerade als Historiker sollte er nicht auf den Zug der relativierenden Vergleiche springen, die hier so gerne bemüht werden. Auch wenn das in diesem Fall vielleicht nahe liegt. Aikins steigt hier nicht nur auf eine Stuhl, sondern auf einen Hügel, unter dem schon Millionen von Opfern aller Art begraben liegen. Auch Quentin Tarantino hat sich ja bekanntlich anlässlich seines Films „Django Unchained“ dazu hinreißen lassen. Was angesichts der Tatsache, dass es sich bei der Sklaverei natürlich auch um einen planmäßig begangenen Völkermord aus wirtschaftlichen Interessen handelte, an dem sich auch Deutschland maßgeblich beteiligt hat, nur allzu verständlich ist. Der Verweis auf den Holocaust hat natürlich auch immer ein gewisses Empörungspotential. Was die unterstellte bewusste Verhöhnung und Beleidigung durch das Blackfacing betrifft, ist meine Empörungsbereitschaft nicht ganz so hoch, als die der sich hier angegriffen Fühlenden. Es lohnt sich meiner Meinung nach schon, die Sache genauer und differenzierter zu betrachten. Man kommt auch so, ohne sofortige Empörung zu dem Schluss, dass Scheck hier in die falsche (Schmink)Kiste gegriffen hat. Ihm das auf eine geeignete Art und Weise klar zu machen, würde vielleicht sogar bei ihm und so manch anderem bisher Erklärungsresistenten irgendwann ein Umdenken bewirken. Ich bin da nicht ganz so hoffnungslos, wie die, welche die Deutschen per se als unverbesserliche Rassisten ansehen. Heute habe ich im Internet ein Zitat von Astrid Lindgren gelesen: „Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern.“ Es gibt natürlich auch kein Verbot noch im Alter seine Meinung ändern zu können. Das ist Otfried Preußler kurz vor seinem Tod gelungen. Und das diese Entscheidung auf die Initiative eines siebenjährigen Mädchens zurückzuführen ist, ist das eigentlich Schöne daran, da sie aus der direkt betroffenen Zielgruppe stammt, die, so hofft man, noch nicht auf die eine oder andere Weise verblendet ist.
Black Intervention: N-Wort ist keine Meinung
lieber stefan,
worauf wollen sie eigentlich hinaus? die verlage haben sich entschieden, in zukunft rassistische, beleidigende,diskriminierende begriffe auszulassen. auch autor otfried preußler hat sich dafür entschieden. daraufhin haben aber weiße, restaurativ gesinnte bürger einen unsäglichen "shitstorm" losgetreten. wer soll sich hier also wem annähern? aufeinander zugehen kann doch nur bedeuten: progressive schritte weg von rassistischen bezeichnungen zu unterstützen. sollten es die menschen, die sich auch hier wieder blind aufregen, nicht begrüssen, endlich mal auf die koloniale geschichte ihres landes aufmerksam gemacht zu werden? vieviel wissen sie selbst eigentlich darüber? gab es dazu etwas in ihrem schulunterricht?
liebe inga: das dualistische denken lässt sich vielleicht irgendwann dann mal dekonstruieren, wenn zb nichtbetroffene weiße wie sigfried aufhören, die bekämpfung rassistischer sprache als "luxusproblem" zu bezeichnen. ohne eigene rassismuserfahrung kann man natürlich locker darüber hinwegreden.
es ist überraschend, wie weit die meisten kommentare hier hinter den sozialpolitischen status quo zurückfallen. "meinungen aushalten", das sind argumente von überraschender naivität. das N-wort ist keine meinung, sondern eine beleidigung. und beleidigungen sind justiziabel, so einfach ist das ganze. überhaupt ist es bemerkenswert, wie affektiert hier argumentiert wird, besonders diese extrem absurde ablenkung vom thema seitens melitta ist ja an durchschaubarkeit nicht zu überbieten. wie lässt sich E.S. klare argumentationslinie bitte mit der rassistischen showeinlage von D.S. vergleichen? also bitte: einfach mal über den eigenen schatten springen. schreibt ein weißer. schönen abend.
Black Intervention: verstehe jetzt besser
@stefan: wärend des schreibens sind 5 kommentare dazugekommen, darunter 2 von ihnen: ich verstehe ihren standpunkt jetzt deutlich besser...
Black Intervention: weiterer Brief
Sehr richtig, es gab zwei weitere Brief von C.C. Fischer. Beide ebenfalls an anderer Stelle veröffentlicht. Darum seien sie auch hier nachgereicht.

Brief Nr.2:

"Sehr geehrter Herr Meshgena,

wie ich dem anhängenden Schreiben entnehmen kann, haben Sie meine Mail an Sie auf Ihrer Facebook Seite veröffentlicht. Das freut mich, dann muß ich mich nicht selbst um die Verbreitung kümmern. Wie ich der Presse entehmen kann, hat das Einknicken des Thienemann-Verlages vor Ihrer befremdlichen Kritik zu einer empörten Massenreaktion gefüht, die der Verlag auch wirtschatlich spürt. Gut so. Ich bin also nicht allein.

Ansonsten unterliegt meines Wissens auch eine e-mail dem Briefgeheimnis und darf nur mit Einverständnis des Absenders öffentlich gemacht werden. Unabhängig von den erfreulichen Nebenwirkungen Ihrer Veröffentlichung werde ich meine Anwälte bitten, deswegen Kontakt mit Ihnen aufzunehmen.

Hochachtungsvoll,

C. C. Fischer"
Black Intervention: weiterer Brief
Brief Nr.3:

"Sehr geehrter Herr Meshgena,

nachdem Sie meine Mails auf Ihrer Facebook Seite veröffentlicht haben, habe ich eine ganze Reihe von Zuschriften bekommen, die mir Chauvinismus, Rassismus, Anmaßung, rechtes Gedankengut und noch einiges andere vorgeworfen haben – vor allem aber den Tonfall meiner Beschimpfung.

Es liegt wohl im Wesen der facebook-Kultur, daß nicht der Beschimpfte zurückschimpft, sondern andere sich berufen fühlen, für ihn zu schimpfen. Das ist so, damit muß man leben.

Daraufhin habe ich mir aber meine Mails noch einmal durchgelesen und bin selber ziemlich erschrocken. In Ton und Wortwahl bin ich weit über das Ziel hinausgeschossen und bitte dafür um Entschuldigung. Sie entscheiden, ob Sie diese Entschuldigung annehmen können.

Ich habe mich gefragt, ob ich vielleicht all das wirklich bin, was man mir vorwarf. Ich denke – und hoffe -, ich bin es nicht.

Als Salman Rushdie 1989 für „Die Satanischen Verse“ mit der Fatwah belegt wurde, habe ich mich mit anderen in Deutschland für das Erscheinen des Buches eingesetzt und als Mitherausgeber fungiert.

Mit „Die Wälder des Himmels“ habe ich im Jahr 1991 einen Roman über das Schicksal und die Verfolgung der Sinti und Roma in Deutschland vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis in die 60er Jahre hinein geschrieben.

In diesem Buch habe ich sie Zigeuner genannt, wie sie sich selbst genannt haben. Aufgrund des Buches wurde mir vom Verband der Sinti und Roma die Ehrenmitgliedschaft im Pen Club der Sinti angetragen, auf die ich verzichtet habe, weil mir nicht schien, daß ich sie verdiene.

Einen anderen Roman habe ich über den Vernichtungsfeldzug des Deutschen Kaiserreichs gegen die Herero geschrieben.

Ich muß Ihnen aber auch sagen, daß ich als Schriftsteller rot sehe, wenn versucht wird, Bücher wegen ihres Inhalts oder darin enthaltener Worte zu zensieren, weil sie diesem oder jenem nicht gefallen. Leider sehe ich dann nicht nur rot, es brennen auch sämtliche Sicherungen durch.

Wütend und empört, wie ich nach der Lektüre des ZEIT-Artikels über die Änderungen war, die der Thienemann Verlag aufgrund Ihrer Beschwerde vorgenommen hat, habe ich ‚zur Feder gegriffen’. Aber eins muß auch ganz klar sein: ich zumindest kann an dem Wort ‚Neger’ nichts Rassistisches finden und sehe keinerlei Notwendigkeit, es durch ‚Schornsteinfegerlein’ zu ersetzen. Das ist lächerlich.

Man wird nicht durch ein Wort oder Worte zum Rassisten. Zweifellos gibt es viel zuviel offenen und verdeckten Rassismus in unserer Gesellschaft, aber durch Kinderbücher ist der nicht hervorgerufen worden noch wird er durch sie sanktioniert.

Immerhin war es Martin Luther King, der in seiner berühmten I have a Dream-Rede nicht nur einmal das Wort ‚Negro’ benutzt hat. Ich finde nichts daran auszusetzen, daß man sich in einem Text ‚als Neger, Indianer oder Eskimo verkleidet’, egal wieviele von absurder political correctness durchdrungene Universitätsassistenten dann entsetzt aufschreien.

Der Umstand, daß Sie aus Eritrea stammen, hat mit der Heftigkeit meiner Mail nicht das geringste zu tun – der Adressat hätte genauso weißer Amerikaner, sonnengebräunter Deutscher oder grüner Marsmensch sein können.

Man hat mir auch vorgeworfen, ich sei so anmaßend, Ihnen verbieten zu wollen, Kritik an ‚Ihrem Gastland’ zu üben. Zweifellos steht das so in meiner Mail, und das liest sich verdächtig wie „Geh doch zurück...“ Die entsprechende Formulierung bedauere ich, da ich sie nicht so meine. Schlimm genug, daß ich sie trotzdem verwendet habe.

Jeder, ob hier geboren oder eingewandert, hat natürlich das Recht Kritik an dem zu üben, was ihn stört oder ihm gar unerträglich vorkommt.

Das heißt in meinen Augen allerdings nicht, daß deswegen Bücher geändert, zensiert oder verboten werden müssen. Man muß sie ja nicht lesen. Aber die Empörung, die dem genannten Verlag nun deutschlandweit entgegenschlägt, finde ich richtig. Es handelt sich um Kinderbuchklassiker, in denen man nicht einfach mal eben so herumpfuscht, weil Sie oder jemand anderer ‚Rassismus’ rufen.

Es wäre schön, wenn Sie versuchen könnten, Verständnis auch für meinen – und ja nicht nur meinen – Standpunkt aufzubringen. Wenn Sie ihn nicht entschuldigen können, bedauere ich das. Ich bedauere in jedem Fall noch einmal die Heftigkeit meiner Worte.

Hochachtungsvoll,

Claus Cornelius Fischer"
Black Intervention: inspirierende Debatte
Inspirierende Debatte. Werde wohl doch wieder CDU wählen. Dank!
Black Intervention: wird zu wenig über Kapitalismus nachgedacht
@ politisch?: Wenn es um die Verteidigung grundlegender Menschenrechte geht, kann es nicht um Worte, sondern muss es um Taten gehen. Und möglicherweise bin ich einem Schwarzen ja sogar ähnlicher als einem Weissen, wenn es um Fragen der Verteilungsgerechtigkeit und/oder um ökologische Fragen zukünftiger Lebensbedingungen geht. Kurz: Mir wird bei diesem vermeintlichen "Clash of Civilizations" viel zu wenig über die zugrundeliegenden kapitalistischen Prdoduktionsverhältnisse nachgedacht. Diese sind für mich der eigentliche Grund für zunehmende Rechtstendenzen der staatlichen Macht, darunter das sogenannte "racial profiling".

Ausserdem wollte ich mit meinem Vorschlag der Dekonstruktion der Begriffsopposition "weiss vs. schwarz" darauf hinaus, dass wir alle Weltbürger sind bzw. als Gattung Mensch unsere Wurzeln alle in Afrika haben:

"Begriffe wie ENTSTEHUNG oder HERKUNFT bezeichnen besser als URSPRUNG den eigentümlichen Gegenstand der Genealogie. Daher sind ihre Bedeutungen genau zu analysieren.
HERKUNFT ist Abstammung, ist auf lange Zeit zurückgehende Zugehörigkeit zu einem Stand - des Blutes, der Tradition, der Gleich-Mächtigen und der Gleich-Niedrigen. Die Analyse der HERKUNFT bezieht sich oft auf die Rasse oder den gesellschaftlichen Typ. Allerdings geht es nicht so sehr darum, bei einem Individuum, einem Gefühl oder einer Idee die Gattungsmerkmale, die sie anderen anzugleichen erlauben, aufzufinden und zu sagen: dieses ist griechisch oder jenes ist englisch; vielmehr sollten die subtilen individuellen und subindividuellen Spuren aufgedeckt werden, die sich in einem Individuum kreuzen können und ein schwer entwirrbares Netz bilden. Anstatt eine Ähnlichkeitsbeziehung herzustellen, legt ein solcher Ursprung alle verschiedenartigen Spuren auseinander: die Deutschen glauben sich am Gipfel der Komplexität, wenn sie sagen, daß sie zwei Seelen in ihrer Brust tragen; sie haben sich in der Zahl etwas getäuscht oder vielmehr: sie versuchen eben, so gut sie können, mit dem Rassengemisch, aus dem sie bestehen, fertig zu werden. [...] Die Genealogie geht nicht in die Vergangenheit zurück, um eine große Kontinuität jenseits der Zerstreuung des Vergessenen zu errichten. Sie soll nicht zeigen, daß die Vergangenheit noch da ist, daß sie in der Gegenwart noch lebt und sie insgeheim belebt, nachdem sie allen Zeitläufen eine von Anfang an feststehende Form aufgedrückt hat. Nichts gleicht hier der Entwicklung einer Spezies oder dem Geschick eines Volkes."
(Michel Foucault, "Nietzsche, die Genealogie, die Historie", in: "Von der Subversion des Wissens")
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